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Beiträge zur Theorie  









Hartmut Krauss

'Herrschaft' als zentraler Problemgegenstand kritisch-emanzipatorischer Gesellschaftstheorie

Das herausragende bzw. grundlegende Ziel kritisch-emanzipatorischer Bewegungen ist spätestens seit Beginn der europäischen Neuzeit die Zurückdrängung und schließliche Überwindung zwischenmenschlicher Herrschafts-, Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse gewesen1. Positiv ausgedrückt handelt es sich hierbei um das Bemühen, eine möglichst herrschafts-, ausbeutungs- und unterdrückungsfreie Gesellschaft aufzubauen, in der die freie Entfaltung des Einzelnen Voraussetzung für die freie Entwicklung aller ist.

Diese kritisch-emanzipatorische Zielsetzung, deren praktische Umsetzung schon aufgrund ihrer Kompliziertheit und Größe vor Rückschlägen nicht gefeit war und ist, wird nun wie eh und je unter Rückgriff auf Argumentationsfiguren aus dem Arsenal einer irrationalen (religiösen) und/oder pessimistischen Anthropologie und Ontologie von jenen 'antagonistischen' Kräften vehement bekämpft und diffamiert, die an einer Aufrechterhaltung herrschaftlicher Lebensverhältnisse interessiert sind und sich seit dem triumphalistisch missdeuteten Zusammenbruch des "realen Sozialismus" auf der sicheren Seite wähnen.2

Darüber hinaus sind in verstärktem Maße jene kulturspezifisch in Erscheinung tretenden neototalitären Strömungen zu berücksichtigen, die in unmittelbarem Gegensatz zur kritisch-emanzipatorischen Zielsetzung nicht nur eine Aufrechterhaltung bestehender, sondern eine radikale Vertiefung, Perfektionierung und Verabsolutierung antiliberaler zwischenmenschlicher Herrschaftsverhältnisse in Form alltagsterroristischer Lebensführungsdiktaturen anstreben (religiöser Fundamentalismus, Neofaschismus, militanter Ethnizismus, Nationalismus und Separatismus etc.).

Aufgrund nun dieses herausragenden Stellenwerts, des umstrittenen Charakters und der neototalitären Herausforderung ist es sinnvoll, der Frage nach der Konstitution zwischenmenschlicher Herrschaftsverhältnisse in Anknüpfung an neuere Erkenntnisbemühungen ein weiteres Mal nachzugehen und dabei die Einseitigkeiten, Unzulänglichkeiten, Verkürzungen, "blinden Flecken" etc. bisheriger Herrschaftstheorien ein Stück weit zu überwinden.


Überblick




I. 'Macht' und 'Herrschaft' als nichtidentische Formen zwischenmenschlicher Verhältnisse

Sowohl in der Alltagssprache, aber auch im öffentlichen politischen und gesellschaftswissenschaftlichen Diskurs werden die Begriffe 'Macht' und 'Herrschaft' fast ausschließlich synonym verwendet. Auch für die marxistische Gesellschaftstheorie ist zutreffend festgestellt worden, dass "'Macht'/'Gewalt'/'Herrschaft' keine sauber voneinander abgegrenzten, wohldefinierten Begriffe" sind (Klenner 1990, S. 117). Dieser unbefriedigende Zustand wird durch die folgenden prominenten Definitionen von Max Weber (1972) eher noch verstärkt. 'Macht' bedeutet für ihn " jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht." "Herrschaft soll heißen die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden." Bereits an dieser Stelle sind gegen die Webersche Herrschaftsdefinition vorwegnehmend folgende Einwände vorzubringen:

  1. Gänzlich im Dunklen bleibt das konstitutive Eigenschaftsmerkmal des Befehlenden, das beim Befehlsempfänger die Gehorsamshaltung hervorruft. Damit bleibt gerade der herrschaftskonstituierende Zentralaspekt ausgeblendet.

  2. 'Herrschaft wird fehlbestimmt als ein situatives Kommunikationsverhältnis zwischen Befehlendem und Befehlsempfänger und damit als strukturell fixiertes, sich reproduzierendes Unterordnungsverhältnis unkenntlich gemacht.

  3. Unklar bleibt der subjektive Beweggrund für die Gehorsamshaltung des Befehlsempfängers. Liegt seinem Handeln Zustimmung/Anerkennung, Angst oder die rationale Wahl des "kleineren Übels" zu Grunde?

Wir erfahren also weder etwas über die Subjektausstattung der asymmetrischen Akteure noch etwas über die gesellschaftliche Bedingtheit/Ermöglichung ihrer Beziehung. Der analytische Blick auf 'Herrschaft' als gesellschaftlich verfestigtes und sich reproduzierendes Unterordnungsverhältnis wird demnach durch diese Definition geradezu verstellt.

Einer der wenigen, der explizit zwischen 'Macht' und 'Herrschaft' unterschieden hat, war Werner Hofmann (1970). Im Rahmen seiner Studie "Was ist Stalinismus?" kritisiert er als fatalen Mangel der politischen Soziologie, "dass sie keinen klaren Begriff hat von dem, was ihr eigentlich konstitutiv ist, nämlich Herrschaft, und dass sie daher zwischen Wesensgehalt und Erscheinungsbild einer Gesellschaft nicht zu unterscheiden vermag" (S. 14). So zutreffend diese Einschätzung auch aus heutiger Perspektive ist, so unzutreffend ist seine eigene Konzeption. Im Anschluss an Weber wird zunächst der "amorphe" Charakter des Machtbegriffs betont: "Er umfasst alle unmittelbar in Erscheinung tretenden Arten der Ausübung gesellschaftlicher Überlegenheit, von der Hoheitsmacht des Staates, dem Machtverhältnis im Wirtschafts- und Arbeitsleben bis zur "Macht" etwa des Vaters in der Familie, des Redners über sein Publikum" (S. 13). Demgegenüber wird 'Herrschaft' definiert als "institutionell gesicherte Nutznießung eines Teils der Gesellschaft gegenüber einem anderen. Nutznießung meint einen wirtschaftlichen Sachverhalt, nämlich einseitige Aneignung von Teilen des Arbeitsprodukts anderer" (ebenda). Im Grunde wird damit 'Herrschaft' ein-seitig auf die ökonomische Dimension (Ausbeutung) reduziert, während die politische (Unterdrückung/Entrechtung) und geistig-kulturelle Dimension (ideologische und informatorische Bevormundung/Fremdbestimmung) definitorisch ausgeschlossen werden3. "Herrschaft ist also ein elementar sozioökonomischer Tatbestand, nicht ein politischer" (S. 14). Der Zweckcharakter dieser reduktionistischen Definition lag bei Hofmann klar auf der Hand: Es ging ihm darum, das stalinistische Gesellschaftssystem zwar als exzessive Machtordnung zu kennzeichnen, ihm gleichzeitig aber seinen Herrschaftscharakter abzusprechen4. Dabei verfehlte er aber folgenden, für die Konstitution des stalinistischen Systems elementaren Sachverhalt, nämlich die Etablierung einer privilegierten Klasse von Spitzenfunktionären der Partei-, Staats- und Wirtschaftsbürokratie, die in sich hierarchisch strukturiert war und gestützt auf den von ihr usurpierten Staatsapparat die Aneignung und Anwendung des gesellschaftlichen Mehrprodukts realisierte. Das auf die erweiterte Reproduktion von Privilegien gerichtete Interesse dieser bürokratischen Funktionärsklasse stand in antagonistischem Widerspruch zu den ökonomischen, sozialen, politischen und geistig-kulturellen Entwicklungsinteressen der Masse der Werktätigen.5

Um zwischen 'Macht' und 'Herrschaft' sowohl begründet unterscheiden als auch die Übergänge und wechselseitigen Zusammenhänge besser begreifen zu können, ist m. E. von einer integrierten tätigkeits- und subjekttheoretischen Perspektive auszugehen. Danach sind 'Macht' und 'Herrschaft' als "geronnene" Struktur stets das Resultat gegenständlich vermittelter zwischenmenschlicher Beziehungen unter jeweils konkret vorgefundenen (räumlich und zeitlich spezifizierten) gesellschaftlichen Lebensbedingungen. Erster strukturbildender Ausgangspunkt ist hier zunächst die (über-)lebensnotwendige Handlungs-Macht der kooperativ verbundenen Menschen gegenüber der äußeren, tendenziell widerständigen bzw. bedürfnisresistenten Natur. Die implizite Grundlage hierfür bildet die bewusste Aneignung, Gedächtnisspeicherung und praktische Anwendung von 'Wissen' über die objektiven Tätigkeitsbedingungen, Tätigkeitsmittel und subjektiven Tätigkeitsvoraussetzungen. Im Näheren konkretisiert sich diese subjektgebundene Handlungsmacht in der Fähigkeit zur Teilnahme an gesellschaftlicher Arbeit zwecks (über-)lebensrelevanter Lösung des Widerspruchs zwischen menschlicher (Über-)Lebensgemeinschaft und vorgefundener natürlicher Lebensumwelt. Dabei ist aber die gemeinschaftliche Lebensreproduktion nicht auf 'gesellschaftliche Arbeit', verstanden als subsistenzsichernde ,Produktionsarbeit' zu reduzieren, sondern umfasst weitere existenzsichernde Aktivitäten. Während Lambrecht u.a. (1998) Subsistenz (Sicherung des Lebensunterhalts), Familie (Sorge um die Nachkommenschaft) und Politik (Sicherung/Erhaltung des gemeinschaftlichen Lebensraumes)6 als integrale Dimensionen gesellschaftlicher Reproduktion herausheben und betonen, dass gesellschaftliche Arbeit in allen drei Dimensionen geleistet wird, muss m. E. noch eine vierte Dimension als integraler und gleichgewichtiger Teilbereich hinzufügt werden: nämlich Realitätsdeutung/Weltinterpretation (geistige/wissensmäßige und kulturelle Normierung der Gesellschaftsmitglieder) als unverzichtbares Moment menschlicher Lebenstätigkeit auf allen Entwicklungsstufen.

Es gilt folglich festzuhalten, dass 'Handlungs-Macht' den konstitutiven Grundaspekt menschlicher Existenzweise bildet:

"Wie im Arbeitsprozess der Produzent (relative) Macht über den Gegenstand und die Mittel der Arbeit ausübt, indem er sie seinen Zwecken gemäß handhabt, ist in jeder menschlichen Tätigkeit Macht über die Mittel der Aneignung, Veränderung, Gestaltung der Objekte wie auch der Subjekte über sich selbst gefordert. Diese 'Beherrschung' ist, soll sie erfolgreich sein, keine willkürliche Verfügung, denn die wesentlichen Eigenschaften von Gegenstand und Mittel geben dem Handeln die Richtung und den Inhalt in Hinsicht seiner verschiedenen Möglichkeiten vor. Herrschaft über subjektiv-menschliche Mittel wie Sprache, Rede, künstlerische Darstellungsformen ist nicht mit Herrschaft über Menschen gleichzusetzen, schließt aber Selbstverfügung, Kontrolle und Entwicklung seiner selbst ein" (Stiehler 1997, S. 170).

Neben 'Handlungs-Macht' als allgemeines (kollektives wie individuelles) Vermögen zu zweckgerichteter (umweltverändernder) Tätigkeit und darin eingeschlossener Selbstkontrolle, besteht ein zweiter Ausgangspunkt für die Herausarbeitung der Nichtidentität von 'Macht' und 'Herrschaft' in der tatsächlichen Unterschiedlichkeit der Menschen im Hinblick auf Begabungspotentiale, Kompetenzen, Willensstärke, Neigungen, Entwicklungsziele, Köperkraft etc. sowie der sozialen Umgangsweise mit dieser zwischenmenschlichen/intersubjektiven Differentialität. Dabei ist ausdrücklich zu betonen, dass 'zwischenmenschliche Unterschiedlichkeit' nicht bloß - gewissermaßen als sekundäres Resultat - auf die 'klassengesellschaftliche' Setzung von Aneignungsbarrieren und Entwicklungsbehinderungen zurückzuführen ist, sondern einen menschheitlichen Grundtatbestand darstellt. D. h. 'Handlungs-Macht' tritt - und zwar zunächst unabhängig von sozialantagonistischen/herrschaftlichen Determinationen - in individuell spezifizierter und unterschiedlich entfalteter Form in Erscheinung7. Insbesondere zwei Manifestationsebenen dieser unterschiedlich verteilten Handlungs-Macht' sind hier hervorzuheben:

Die erste Gestalt betrifft die unterschiedlich verteilten inhaltlichen Kompetenzen bzw. angeeigneten Fähigkeitskomplexe als subjektive Voraussetzungen für individuelle Teilbeiträge zur gemeinschaftlichen Lebenssicherung, die sich tendenziell auf komplementäre Weise zu einem arbeitsteiligen Funktionszusammenhang verschmelzen. (Die Gesellschaft als nichtherrschaftlicher, symmetrisch bzw. horizontal vernetzter Reproduktionszusammenhang ohne festgefügte Positionshierarchien, der gegenüber der äußeren Natur als handlungsmächtige Beziehungsganzheit auftritt.)

Die zweite Gestalt betrifft die Gesamtheit asymmetrischer Tätigkeitsbeziehungen/Interaktionen mit dem Ziel der Entwicklung, Wiederherstellung, Reorganisierung etc. subjektiver 'Handlungs-Macht'. Konkrete Beispiele für diese nichtherrschaftlich-vertikalen Beziehungen sind die Verhältnisse zwischen Lehrer und Lernendem; Arzt und Patient; Ratgeber und Ratsuchendem; Helfer und Hilfsbedürftigem etc.

Neben diesen gesellschaftlich sinnvollen (nichtherrschaftlichen) Formen der Ausbalancierung unterschiedlicher und ungleich verteilter 'Handlungs-Macht' ist eine dritte, "pathologische"; Gestalt anzuführen, die bereits deutliche Anzeichen des Übergangs zu herrschaftlichen Beziehungen aufweist. Gemeint sind die vielfältigen Erscheinungsweisen subjektiven Machteinsatzes, wo bestimmte 'Täter'/'Tätergruppen' aus Eigennutz in konkret aufgesuchten oder herbeigeführten Handlungssituationen mit bewusster Schädigungsabsicht andere Menschen gegen deren Willen und unter Einsatz oder Androhung von Gewalt materiell, physisch und psychisch schädigen8. Insofern sich dieses auf den Einsatz von 'Gewalt-Macht' stützende kriminelle Partialinteresse nur punktuell, situativ und relativ flüchtig zu realisieren vermag und auf die effektive Gegenwehr einer sanktionsfähigen 'Ordnungs-Macht'9 stößt, ist es noch nicht 'herrschaftsfähig'.

Als Zwischenfazit lassen sich demnach folgende grundlegende Typen von Machtbeziehungen erkennen:

1. Kollektive 'Handlungs-Macht' der vergesellschafteten Menschen gegenüber der natürlichen Lebensumwelt, wie sie sich im Prozess der gesellschaftlichen Lebenstätigkeit realisiert.

2. Als übergreifendes/allgemeines Gattungsmerkmal konkretisiert sich die 'Handlungs-Macht' in individuell unterschiedlichen und ungleichen/asymmetrischen Kompetenz- und Entwicklungsprofilen, ohne dass diese zwischenmenschliche Differentialität zwangsläufig zu hierarchisch verfestigten Über- und Unterordnungsverhältnissen führt.

3. Denkbar ist auch unter der Annahme von 'vor'- bzw. nichtherrschaftlich organisierten Sozialverhältnissen der Umstand, dass unter Einsatz von 'Gewalt-Macht' vereinzelt und spontan kurzfristige Macht-Ohnmacht-Verhältnisse zwischen 'Tätern' und 'Opfern' herbeigeführt werden.

4. Diese 'pathologischen' Situationstypen sind zunächst (noch) nicht in institutionalisierte zwischenmenschliche Herrschaftsverhältnisse umsetzbar, da sie auf eine durchsetzungs- und sanktionsfähige 'Ordnungs-Macht' stoßen.

Der undifferenzierte und synonyme Begriffsgebrauch von 'Macht' und 'Herrschaft' hat nun u. a. dazu geführt, dass überall dort, wo lediglich Machtbeziehungen vorliegen/vorlagen, vielfach unvermittelt auf 'Herrschaft' kurzgeschlossen und folglich "der Mensch" als unverbesserliches machtbessenes=herrschaftsbessenes Tier hypostasiert wird. Die das menschliche (Über-)Leben charakterisierende 'Handlungs-Macht' wird als "Wille zur Macht"=unhintergehbarer Lebenswille zur Beherrschung des Mitmenschen umgefälscht. Jede situativ nichtidentische Verteilung von Handlungsfähigkeit wiederum gerät zum Spektakulum einer hyperontologisch aufgeblasenen "Mikrophysik der Macht", die prämoderne Herrschaftsmittel ebenso verharmlost wie den Wesenunterschied zwischen moderner Macht und totalitärer Herrschaft verschüttet und dabei letztere skandalös verniedlicht. Andererseits hat wiederum die spiegelverkehrte Leugnung der menschlichen Macht=Herrschaftsversessenheit auf der Grundlage der gleichen begrifflichen Konfundierung zu einer realitätswidrig-romantizistischen Ausmalung vor- und nachklassenherrschaftlicher Lebensverhältnisse geführt. Unter Rückgriff auf einen spekulativ-utopistischen Pseudo-Humanismus wird hier der Mensch - anders als bei Marx - nicht mehr als entwicklungs- (und damit auch entartungs-)offenes Wesen betrachtet, sondern im Sinne eines präskriptiven Optimismus, als von Natur aus "gutes Tier" beschworen. Demgegenüber betonen wir die Dialektik des Humanen als "doppelte Möglichkeit" des Menschen, sich unter konkreten Umständen entweder für "das Gute" (d. h. für die Durchsetzung gesellschaftlicher Höherentwicklung durch Steigerung menschlicher Handlungsmacht im Interesse aller) oder für "das Böse" (d. h. für die individuelle/gruppenegoistische Lebensverbesserung durch Beherrschung anderer) zu entscheiden.

Somit gelangen wir zu einer ersten 'annäherungsweisen' Definition von 'Herrschaft': Im Unterschied zu den beschriebenen Dimensionen und Realisierungsweisen von 'Macht' ist 'Herrschaft' die dauerhafte, sich reproduzierende , institutionell und normativ befestigte Monopolisierung von Aneignungs-, Verfügungs-, Entscheidungs- und Deutungskompetenzen durch einzelne Gesellschaftsmitglieder zu Lasten und auf Kosten der ausgeschlossenen , nunmehr unter fremder Aneignungs-, Verfügungs-, Entscheidungs- und Deutungsgewalt stehenden Gesellschaftsangehörigen. 'Herrschaft' wäre demnach die exklusive Besetzung der zentralen Bereiche der menschlichen 'Handlungs-Macht' mit dem Effekt der Zersetzung/'Verwidersprüchlichung' der ursprünglichen kollektiven 'Handlungs-Macht' durch die Generierung binnengesellschaftlicher Macht-Ohnmacht-Verhältnisse. Das bedeutet, dass fortan die zwischenmenschliche Differentialität vermittels vielschichtiger, von den 'neuen' Herrschaftsinstanzen dominierter Deutungs-, Wertungs- und Selektionsprozesse systematisch hierarchisiert und zu einem Ensemble festgefügter Überordnungs-Unterordnungsverhältnisse ausgeformt wird. Es ist also nicht die zwischenmenschliche Differentialität, die "naturgesetzlich" 'Herrschaft' aus sich heraustreibt, sondern es sind umgekehrt die sich etablierenden Herrschaftsträger, die vorgefundene zwischenmenschliche Unterschiede und Asymmetrien als Strukturierungs- und Legitimationsmaterial für Unterwerfungs- und Ausschließungsprozesse nutzen. Auf diese Weise wird eine sich multikulturell formierende 'antagonistische Zivilisation' geschaffen, die nachhaltigste Auswirkungen auf die menschliche Vergesellschaftungsgeschichte und Subjektivitätsentwicklung entfaltet.



Fortsetzung - Teil II









 

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