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Beiträge zur Geschichte  









Fortsetzung II



Die Französische Revolution von 1789 bis 1794

Die Ideologie des aufsteigenden Bürgertums und des Volkes

Voltaire und Montesquieu

Die Forderungen des Bürgertums waren schon lange vor der Revolution vorgebracht worden. Einen ungeheuren Einfluss hatten in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts Voltaire und Montesquieu, die zur älteren Generation der französischen politischen Schriftsteller des Bürgertums gehörten.

Voltaire

Voltaire (1694-1778), ein als "Beherrscher der Gedanken" von allen fortschrittlichen Menschen seiner Zeit anerkannter Schriftsteller, der viele Dramen, geschichtliche Arbeiten und politische Streitschriften verfasst hat, war durch sein zornig-leidenschaftliches Auftreten gegen die Leibeigenschaft und die Kirche berühmt geworden. "Er schlug ein und brannte wie ein Blitz" (Herzen). "Zerstört das alte Gebäude des Betrugs", "zerschmettert das Scheusal", rief Voltaire aus. "Scheusal" nannte er die in Frankreich herrschende katholische Kirche. Er forderte Toleranz, Freiheit des Wortes und der Presse sowie Unverletzlichkeit der Person. Schon wegen seiner frühesten Verse wurde Voltaire in die Bastille gesperrt. Nach seiner Entlassung musste er sogleich nach England flüchten. Mehrmals war er gezwungen, sein Leben unstet in der Fremde zu verbringen.

Und doch war er weder Demokrat noch Revolutionär. Seine Meinung war, dass man "den Pöbel in strengem Gehorsam halten müsse", dass für das einfache Volk die Religion sogar nützlich sei, und er selbst errichtete auf seinem Gute ein Denkmal mit der Aufschrift: "Gott gewidmet von Voltaire." "Wenn es keinen Gott gäbe, müsste man ihn erfinden", erklärte er und behauptete doch gleichzeitig, dass Gott, nachdem er die Welt erschaffen hatte, sich nicht mehr in ihre Angelegenheiten eingemischt hätte. Die Änderung der Gesellschaftsordnung erwartete Voltaire nicht von einer Revolution, sondern von einem aufgeklärten Herrscher, einem Philosophen. Er führte einen lebhaften Briefwechsel mit dem König von Preußen und der Kaiserin Katharina II. von Russland.

Montesquieu

Der zu gleicher Zeit mit Voltaire hervortretende Montesquieu (1689-1755), ein Mann von adliger Herkunft, war Mitglied des Parlaments in Bordeaux (so nannte man in Frankeich die obersten Gerichte). An seinem Hauptwerke, dem "Geist der Gesetze", schrieb er 30 Jahre. Als es erschien, war sein Erfolg so groß, dass in den darauf folgenden zwei Jahren 22 Auflagen dieses Buches gedruckt wurden.

Woraus erklärt sich dieser Erfolg? Unter Idealisierung der politischen Ordnung in England entwickelte Montesquieu eine Theorie der Teilung der Gewalten. Er war der Meinung, dass die Haupttätigkeit des Königs nur darin bestehe, die Durchführung der Gesetze zu überwachen, die vollziehende Gewalt zu verwirklichen. Die gesetzgebende Gewalt sollte den Vertretern der besitzenden Klasse gehören. Die Richter sollten sowohl vom König wie vom Parlament unabhängig sein.

Im Frankreich des 18. Jahrhunderts bedeutete diese Theorie von der Teilung der Gewalten nichts anderes als die Forderung, die Macht des Könige zugunsten des Bürgertums einzuschränken. Indem er die parlamentarische Ordnung in England lobte, gab er dem französischen Bürgertum die Hoffnung, ebensolchen Einfluss zu gewinnen, wie ihn das Bürgertum in England hatte.


Die Enzyklopädisten

Diderot

Im Jahre 1751 erschienen in Frankreich die ersten Bände der berühmten "Enzyklopädie der Wissenschaften, Künste und Gewerbe". Die Leitung dieses Werkes hatten der Philosoph Diderot und der Mathematiker D'Alembert. An der Enzyklopädie wirkten Voltaire, Rousseau und viele andere hervorragende Schriftsteller mit.

D'Alembert

Das Erscheinen dieses Werkes war ein großes Ereignis. Es enthielt sehr ausführliche Darstellungen über die verschiedenen Wirtschaftszweige Frankreichs, die verschiedenen Manufakturen und auch über die Landwirtschaft, wobei nur Musterbeispiele beschrieben wurden. Das französische Bürgertum wollte seine Leistungen zeigen.

Die Enzyklopädie hatte aber noch eine weitere, viel größere Bedeutung. Sie stellte nicht nur eine zusammenfassende Beschreibung des handwerklich-gewerblichen Schaffens dar, sondern war auch eine Enzyklopädie der Wissenschaft mit umfangreichen Abhandlungen, ganzen wissenschaftlichen Untersuchungen, in denen Antwort auf die verschiedenen Fragen der Wissenschaft jener Zeit gegeben wurde. Die Enzyklopädisten brachten die Gesamtheit des Wissens, das sich bis Mitte des 18. Jahrhunderts angehäuft hatte, in ein System.

Die Hauptsache aber war, dass die ganze Enzyklopädie einen politischen Kampfcharakter trug. Diderot und D'Alembert sagten der katholischen Religion einen unerbittlichen Kampf an und unterzogen die Einrichtungen der feudal-aristokratischen Gesellschaftsordnung einer schonungslosen Kritik. Nicht ohne Grund beschloss der Kronrat, die ersten Bände der Enzyklopädie zu vernichten. Ihre Herausgabe wurde mehrere Male unterbrochen und verboten. Jedoch am Vorabend der Revolution erschien ihr letzter Band.

Bei aller entschiedenen Kritik, die sie an der absolutistischen Herrschaft übten, bei allem Eintreten für eine Beschränkung der königlichen Machtstellung forderten die Enzyklopädisten doch keineswegs die Beseitigung des Königtums.

Philosophisch betrachteten die Enzyklopädisten die Welt und die Naturerscheinungen als ein Ausdruck der Bewegung von Materie, weshalb sie auch als "Materialisten" bezeichneten wurden. Für gesellschaftliche Entwicklungen und Veränderungen hielten sie in erster Linie den Fortschritt des Denkens für verantwortlich.


Rousseau

Rousseau

Die Forderung nach der Republik, die Lehre, dass das Volk selbst die Quelle der Macht sei und diese Macht niemandem übertragen könne, betonte Jean Jacques Rousseau (1712-1778), der Vertreter der kleinbürgerlichen Demokratie war. Er war der Sohn eines Schweizer Uhrmachers. In Genf geboren, war er von Kind an Zeuge des ständigen Auseinandersetzungen zwischen den vornehmen und reichen Patriziern der Stadt Genf und den demokratischen Kreisen, den Handwerkern und den Bauern.

In seinem Buche "Über die Entstehung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen" schrieb Rousseau:

    "Der erste, der ein Stück Land absteckte und dann sich herausnahm, zu erklären: Das gehört mir! und Leute fand, einfältig genug, dies zu glauben, war der wahre Begründer der bürgerlichen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege, Mordtaten, wie viel Elend und Schrecken hätte der nicht dem Menschengeschlechte erspart, der die Pfähle herausgerissen, die Gräben zugeschüttet und seinen Genossen zugerufen hätte: 'Hütet euch, diesen Betrüger anzuhören; verloren seid ihr, wenn ihr vergesst, dass die Früchte allen gehören und der Boden keinem!'"

Freilich hält Rousseau, während er die Entstehung von Privateigentum für ein Übel ansieht, dieses Übel gleichwohl für unvermeidlich. Er findet sich damit ab. Für nötig hält er es nur, es einzuschränken, einen unerbittlichen Krieg gegen die großen Besitzer zu führen, die kleinen aber in jeder Weise zu schützen.

    "Zur Verbesserung der Gesellschaftsordnung ist es nötig, dass jeder genügend besitzt und niemand übermäßig viel hat", verkündet Rousseau.

Das politische Hauptwerk Rousseaus ist seine Schrift "Der Gesellschaftsvertrag". Nach dem darin niedergelegten Gedankengang Rousseaus entstehen Gesellschaft und Staat auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen einzelnen Personen zur Wahrung ihrer gemeinsamen Interessen. Träger der Macht, Souverän, ist das Volk selbst. Rousseaus Ideal ist die demokratische Republik des Kleinbesitzes, in der jede Familie alles für ihren Bedarf Notwendige für sich selbst erzeugt.

Die Theorien Rousseaus spiegelten die Stimmungen der kleinbürgerlichen Schichten wider, besonders die der demokratischen Bauernmassen, die die Vernichtung des Feudalwesens erstrebten, aber die Nöte der kapitalistischen Wirtschaft fürchteten und naiv genug waren zu glauben, sie könnten ihnen entgehen, wenn sie den Großbesitz einschränkten.


J. Meslier

Meslier

Jean Meslier (1664 - 1729) lebte als armer Landgeistlicher in Frankreich während der prunkvollen Regierungszeit Ludwigs XIV (1648-1715). Als Sohn eines Webers hatte er stärkstes Mitgefühl mit den Leiden der Bauern, die von ihrem Seigneur geknechtet wurden. Da Meslier als Geistlicher die christliche Lehre von der Ergebenheit und Friedfertigkeit predigte, entschloss er sich schließlich für die unterdrückten Bauern und gegen die Kirche aufzutreten. Er fand jedoch in sich nicht genügend Kraft, den Kampf durchzustehen. Er machte seinem Leben ein Ende durch den Hungertod.

Meslier hinterließ sein "Testament", ein Werk, in dem er Gott, dem Könige und den Reichen den Krieg erklärte und vorschlug, Grund und Boden zum Gemeinnutzen zu verwenden. Diese Forderung stellte er um des Glückes der Menschheit willen und schrieb, indem er sich an das Volk wendete: "Ihr unterhaltet nicht nur eure Könige und Prinzen, sondern darüber hinaus noch den gesamten Adel, die ganze Geistlichkeit, alle Mönche ... alle Nichtstuer und unnützen Leute, die es nur auf der Erde gibt." Damit brachte er die Hoffnungen der armen Landbevölkerung zum Ausdruck, der von der Not fast erdrückten Bauern und Tagelöhner.


Mit diesen Ideen traten die verschiedenen Schichten des französischen Bürgertums in die Revolution ein. Die Gedanken der französischen Aufklärer des 18. Jahrhunderts, Voltaire, Rousseau und andere, waren in die Welt gesetzt und fingen an, auch über die nationalen Grenzen Frankreichs hinaus zu wirken. Die Reaktion blieb nicht aus, sogar bis in jüngerer Geschichte. So schmolzen deutsche Faschisten - nach der Besetzung Frankreichs im Mai und Juni 1940 - die bekannten Bronzedenkmäler Voltaires und Rousseaus zu Geschossen um und verbrannten die Bücher dieser Männer sowie anderer großer Geister.



Fortsetzung III

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