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  Geschichte   




Der Verfassungsentwurf wurde im Auftrag des Zentralen Runden Tisches von einer Arbeitsgruppe aus Vertretern aller am Runden Tisch mitwirkenden Parteien und politischen Bewegungen unter Einbeziehung von Verfassungsexperten geschaffen.



                               Inhalt


Präambel

I. Kapitel
Art. 1-40       Menschen- und Bürgerrechte.................  10

1. Abschnitt
Art. 1-25       Würde, Gleichheit, Freiheit, Solidarität...  10

2. Abschnitt
Art. 26-33      Arbeit, Wirtschaft, Umwelt.................  20

3.  Abschnitt
Art. 34         Rechte der Sorben..........................  24

4. Abschnitt
Art. 35-39      Gesellschaftliche Gruppen und Verbände.....  24

5. Abschnitt
Art. 40         Geltung....................................  28


II.   Kapitel
Art. 41-88      Grundsätze und Organe des Staates..........  29

1. Abschnitt
Art. 41-45      Grundsätze........................            29

2. Abschnitt
Art. 46         Staatshaftung...............................  30

3. Abschnitt
Art. 47-50     Der Bund, die Länder und die Kommunalautonomie 31

4. Abschnitt
Art. 51-65     Die Volkskammer...................             33

5. Abschnitt
Art. 66-68     Die Länderkammer..................             40

6. Abschnitt
Art. 69-77     Die Regierung................                  41

7. Abschnitt
Art. 78-88    Der Präsident der Republik....................  43


III. Kapitel
Art. 89-113   Funktlonen des Staates........................  47

1.   Abschnitt
Art. 89-100   Gesetzgebung..................................  47

2. Abschnitt
Art. 101-106  Die Verwaltung................................  53

3. Abschnitt
Art. 107-113  Die Rechtsprechung............................  55


IV. Kapitel
Art. 114-126  Die Staatsfinanzen............................  59


V. Kapitel
Art. 127-136  Übergangs- und Schlußbestimmungen.............  66


Anhang
Erklärung des Runden Tisches vom 7. Dezember 1989...........  75

Beschluß des Runden Tisches vom 12.  März 1990........        75

Brief an die Abgeordneten der Volkskammer
vom 4. April 1990.............................                76

Mit Glieder der Arbeits- und  Expertengruppe.............     77




                         Verfassung

                            der
              Deutschen Demokratischen Republik

                          Präambel


Ausgehend von den humanistischen Traditionen, zu welchen die
besten Frauen und Männer aller Schichten unseres Volkes bei-
getragen haben,

eingedenk der Verantwortung aller Deutschen für ihre Geschich-
te und deren Folgen,

gewillt, als friedliche, gleichberechtigte Partner in der Gemein-
schaft der Völker zu leben, am Einigungsprozeß Europas betei-
ligt, in dessen Verlauf auch das deutsche Volk seine staatliche
Einheit schaffen wird,

überzeugt, daß die Möglichkeit zu selbstbestimmtem verant-
wortlichen Handeln höchste Freiheit ist,

gründend auf der revolutionären Erneuerung,

entschlossen, ein demokratisches und solidarisches Gemeinwe-
sen zu entwickeln, das

Würde und Freiheit des einzelnen sichert,
gleiches Recht für alle gewährleistet,
die Gleichstellung der Geschlechter verbürgt
und unsere natürliche Umwelt schützt,

geben sich die Bürgerinnen und Bürger der Deutschen Demokra-
tischen Republik diese Verfassung.



                            1. Kapitel
                 Menschen- und Bürgerrechte

                       1. Abschnitt
          Würde, Glelchheit, Freiheit, Solidarität


                         Artikel  1

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar.  Sie zu achten und
zu schützen ist die oberste Pflicht des Staates.

(2) Jeder schuldet jedem die Anerkennung als Gleicher.  Nie-
mand darf wegen seiner Rasse, Abstammung, Nationalität,
Sprache, seines Geschlechts, seiner sexuellen Orientierung,
seiner sozialen Stellung, seines Alters, seiner Behinderung, sei-
ner religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung
benachteiligt werden.


                           Artikel  2

Vor der öffentlichen Gewalt sind alle Menschen gleich.  Jede
Willkür und jede sachwidrige Ungleichbehandlung ist untersagt.


                           Artikel  3

(1) Frauen und Männer sind gleichberechtigt.

(2) Der Staat ist verpflichtet, auf die Gleichstellung der Frau in
Beruf und öffentlichem Leben, in Bildung und Ausbildung, in der
Familie sowie im Bereich der sozialen Sicherung hinzuwirken.


                         Artikel 4

(1) Jeder hat das Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit
und Achtung seiner Würde im Sterben.  In das Recht auf körperli-
che Unversehrtheit darf nur durch Gesetz eingegriffen werden.

(2) Niemand darf grausamer, unmenschlicher oder erniedrigen-
der Behandlung oder Strafe und ohne seine freiwillige und aus-
drückliche Zustimmung medizinischen oder wissenschaftlichen
Experimenten unterworfen werden.

(3) Frauen haben das Recht auf selbstbestimmte Schwanger-
schaft.  Der Staat schützt das ungeborene Leben durch das An-
gebot sozialer Hilfen.


                         Artikel 5

Die allgemeine Handlungsfreiheit ist unter dem Vorbehalt des
Gesetzes gewährleistet.


                         Artikel 6

(1) Das Recht auf Freizügigkeit, Ein- und Ausreise steht jedem
Bürger und jedem Ausländer und Staatenlosen mit ständigem
Wohnsitz zu.

(2) Diese Rechte können zur Bekämpfung von Seuchen und Ka-
tastrophen durch Gesetz beschränkt werden.  Zur Vermeidung
besonderer Belastungen der Allgemeinheit bei der Sicherung
einer ausreichenden Lebensgrundlage kann das Recht auf Frei-
zügigkeit, zur Sicherung der Vollstreckung gerichtlicher Ent-
scheidungen und Durchsetzung rechtlicher Verpflichtungen
kann das Recht auf Ein- und Ausreise durch Gesetz beschränkt
werden.

                        Artikel 7

(1) Keinem Bürger darf die Staatsbürgerschaft entzogen, noch
darf er ausgewiesen oder ausgeliefert werden.

(2) Ausländer dürfen in kein Land ausgeliefert oder ausgewie-
sen werden, in dem ihnen die Beeinträchtigung ihrer Menschen-
würde oder die Todesstrafe droht.

(3) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.


                        Artikel 8

(1) Jeder hat Anspruch auf Achtung und Schutz seiner Persön-
lichkeit und Privatheit.

(2) Jeder hat das Recht an seinen persönlichen Daten und auf
Einsicht in ihn betreffende Akten und Dateien.  Ohne freiwillige
und ausdrückliche Zustimmung des Berechtigten dürfen persön-
liche Daten nicht erhoben, gespeichert, verwendet, verarbeitet
oder weitergegeben werden.  Beschränkungen dieses Rechts be-
dürfen des Gesetzes und müssen dem Berechtigten zur Kenntnis
gebracht werden.


                             Artikel 9

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen können nur durch Gesetz zugelassen wer-
den.  Sie dürfen nur durch den Richter angeordnet werden.  Das
Gesetz kann vorsehen, daß sie beim Vorliegen einer gegenwärti-
gen erheblichen Gefahr und im Falle einer Verfolgung auf fri-
scher Tat auch von anderen Amtsträgern angeordnet und durch-
geführt werden können; sie unterliegen richterlicher Bestäti-
gung.

(3) Das Betreten der Wohnung ohne die Einwilligung des Inha-
bers ist nur zum Zwecke der Abwehr einer gemeinen Gefahr oder
einer Gefahr für Leib und Leben einzelner Personen aufgrund
Gesetzes zulässig.

(4) Die Befugnis zum Betreten und zur Besichtigung von aus-
schließlich betrieblich und geschäftlich genutzten Räumlichkei-
ten zur Vornahme von Amtshandlungen ohne die Einwilligung
des Inhabers bedarf einer Ermächtigung durch Gesetz oder auf-
grund eines Gesetzes.


                         Artikel 10

(1) Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis ist unverletzlich.

(2) Eingriffe sind nur durch Gesetz nach richterlicher Anordnung
und nur zum Zwecke der Bekämpfung schwerer, organisierter
Kriminalität zulässig.


                         Artikel 11

(1) Die Freiheit des Gewissens ist gewährleistet.

(2) Widerstreitet das Gewissen staatsbürgerlichen oder bürger-
lichen Pflichten, so muß der Bürger,  wenn er diese Pflichten
nicht erfüllen will, andere Leistungen anbieten und der Staat
andere, gleichbelastende Pflichten eröffnen.


                        Artikel 12

(1) Jeder hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit seiner Per-
son, Freiheitsbeschränkungen dürfen nur insoweit erfolgen, als
sie gesetzlich vorgesehen und unumgänglich sind.

(2) Jeder, dessen Freiheit eingeschränkt wird, muß unverzüglich
über die Gründe der Freiheitsbeschränkung unterrichtet werden.
Personen, denen die Freiheit entzogen wird, müssen unverzüg-
lich, spätestens aber innerhalb von 24 Stunden, einem Richter
vorgeführt werden.  Der Richter entscheidet über die durch Ge-
setz zugelassene Freiheitsentziehung in einer mit Gründen ver-
sehenen schriftlichen Form oder ordnet die Freilassung an.  Der
Betroffene kann in angemessenen Abständen eine richterliche
Überprüfung der Fortdauer der Freiheitsentziehung verlangen.
Über eine Freiheitsentziehung und vor jeder richterlichen Ent-
scheidung über deren Anordnung oder Fortdauer ist eine Person
des Vertrauens des Betroffenen, bei Jugendlichen auch der Er-
ziehungsberechtigte, zu benachrichtigen.  Dem Betroffenen ist
Gelegenheit zu geben, mit einem Rechtsbeistand seiner Wahl
Verbindung aufzunehmen.

(3) Festgehaltene Personen dürfen weder körperlich noch see-
lisch mißhandelt und keinen Schikanen ausgesetztwerden.

(4) Freiheitsstrafe und Strafvollzug sollen vornehmlich der ge-
sellschaftlichen Wiedereingliederung dienen.  Im Strafvollzug ist
die Auferlegung von Arbeitspflichten zulässig.

(5) Die Todesstrafe und -die lebenslange Freiheitsstrafe sind
abgeschafft.

(6) Jede Person, deren Freiheit unrechtmäßig eingeschränkt
worden ist, hat Anspruch auf Schadenersatz.


                        Artikel 13

(1) Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.
hat Anspruch auf  ein  faires,  zügiges  und  öffentliches
Verfahren. Die Öffentlichkeit darf nur nach Maßgabe des
Gesetzes durch Gerichtsbeschluß ausgeschlossen werden.

(2) Die strafrechtliche Verantwortlichkeit wird durch Gesetz
bestimmt. Strafgesetze haben keine rückwirkende Kraft. Jeder
gilt bis zu seiner rechtskräftigen Verurteilung als nicht schuldig.

(3) Niemand darf für dieselbe Handlung mehrfach strafrechtlich
zur Verantwortung gezogen werden. Jeder Verurteilte hat einen
Rechtsanspruch darauf, daß das gegen ihn ausgesprochene Urteil
durch ein höheres Gericht überprüft wird.

(4) Im Verfahren der strafrechtlichen Verfolgung hat jeder
einen Rechtsanspruch auf folgende Garantien, über die er
in geeigneter Weise zu belehren ist:

    1) Er muß unverzüglich in einer Sprache, die er versteht, über die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen unterrichtet werden. 2) Ihm ist Gelegenheit zu geben, bei der gerichtlichen Verhandlung anwesend zu sein und sich selbst oder durch einen Verteidiger seiner Wahl zu verteidigen. Es muß ihm, wenn die Sache es verlangt, ein Verteidiger zugewiesen werden; bei Bedürftigkeit geschieht das unentgeltlich. Eine angemessene Vorbereitung der Verteidigung ist zu gewährleisten. 3) Er kann unter den gleichen Bedingungen wie die Anklage das Erscheinen von Sachverständigen und Zeugen sowie die Vorlage von Beweismitteln verlangen und Zeugen und Sachverständige befragen.
Artikel 14 (1) Niemand darf verpflichtet werden, andere Personen wegen begangener oder drohender Straftaten anzuzeigen. Für drohende schwere Straftaten kann das Gesetz Ausnahmen vorsehen. (2) Niemand darf gezwungen werden, gegen sich selbst oder durch Gesetz bestimmte nahestehende Personen auszusagen. (3) Für die Angehörigen von Heilberufen, rechtsberatender Berufe, sozialer Dienste sowie für Seelsorger ist durch Gesetz ein Zeugnisverweigerungsrecht vorzusehen. In die hierdurch geschützte Vertraulichkeit von Informationen darf in keiner Weise eingegriffen werden. Artikel 15 (1) Jeder hat das Recht, Informationen und Meinungen in jeder Form frei zu bekunden und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen oder anderen, rechtmäßig erschließbaren Quellen zu unterrichten. Die Geltung dieser Rechte in Dienst- und Arbeitsverhältnissen darf nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden. (2) Die Freiheit der Presse, des Rundfunks und anderer Massenmedien ist gewährleistet. Das Gesetz hat durch Verfahrensregelungen sicherzustellen, daß die Vielfalt der in der Gesellschaft vorhandenen Meinungen in Presse, Hörfunk und Fernsehen zum Ausdruck kommen kann. (3) Diese Rechte finden ihre Schranken in Gesetzen, die die Freiheit der Meinung und der Unterrichtung nicht wegen deren geistigen Inhalts oder geistiger Wirkung beschränken dürfen. Gesetzliche Einschränkungen zum Schutze der Jugend und der Ehre sind zulässig. Kriegspropaganda sowie die öffentliche Bekundung von menschenwürdeverletzender Diskriminierung sind durch Gesetz zu verbieten. (4) Die vorhandenen Hörfunk- und Fernsehsender sind als selbständige öffentlich-rechtliche Anstalten zu errichten. Sie haben die Aufgabe, durch das Angebot einer Vielfalt von Programmen zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen. Ihre innere Ordnung wird durch Gesetz geregelt. Die Zulassung privater Hörfunk- und Fernsehsender darf nur durch Gesetz und nur dann erfolgen, wenn dadurch die Erfüllung der Aufgabe der öffentlichrechtlichen Anstalten nicht beeinträchtigt wird. (5) Rechtmäßige journalistische Tätigkeit darf durch Zeugnispflicht, Beschlagnahme und Durchsuchung nicht behindert werden. (6) Zensur ist verboten. Artikel 16 (1) Jeder hat das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich zu versammeln. (2) Für Versammlungen oder Umzüge unter freiem Himmel kann dieses Recht nur aufgrund dringender Erfordernisse der öffentli- chen Sicherheit und nur durch Gesetz beschränkt werden. Artikel 17 Jeder hat das Recht, Vereinigungen zu bilden, ihnen beizutreten und sich in ihnen den Vereinszwecken gemäß zu betätigen. Artikel 18 (1) Jeder hat das Recht, sich zu einer Religion oder Weltan- schauung zu bekennen und sie allein oder mit anderen öffent- lich oder privat zu bekunden. Dem Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge in öffentlichen Einrichtungen ist stattzugeben. Es darf keinerlei Zwang auf die Freiheit der Wahl oder Ausübung einer Religion oder Weltanschauung stattfinden. (2) Die Erziehungsberechtigten sind frei, die religiöse und welt- anschauliche Bildung ihrer Kinder entsprechend ihren Überzeu- gungen zu gewährleisten. Artikel 19 (1) Die Wissenschaft ist frei. Der Staat sichert die Ausübung der Freiheit von Forschung und Lehre. (2) Durch Gesetz kann die Zulässigkeit von Mitteln oder Metho- den der Forschung beschränkt werden. Es kann Informations- pflichten in bezug auf besonders risikobehaftete Forschungen vorsehen. (3) Die staatlich geförderten Universitäten pflegen die Wissen- schaften in Forschung, Lehre und Ausbildung. Sie sind Körper- schaften des öffentlichen Rechts und verfügen im Rahmen des Gesetzes in allen akademischen Angelegenheiten über das Recht der Selbstverwaltung. (4) Die geistige Arbeit, das Recht der Urheber und der Erfinder genießen den Schutz des Staates. Artikel 20 (1) Die Kunst ist frei. (2) Das kulturelle Leben sowie die Bewahrung und Vermittlung des kulturellen Erbes werden gefördert. In den Haushalten des Bun- des, der Länder und der Träger der Kommunalautonomie sind die dafür erforderlichen Mittel vorzusehen. Artikel 21 (1) Jeder Bürger hat das gleiche Recht auf politische Mitgestal- tung. Die Verfassung und die Gesetze gestalten aus,wie das Recht unmittelbar oder durch frei gewählte Vertreter ausgeübt wird. (2) Jeder Bürger hat mit vollendetem 18.Lebensjahr das Recht, an allgemeinen, gleichen, freien, geheimen und direkten Wahlen zur Volkskammer, zu den Landtagen und den Kommunalvertretungen teilzunehmen und in sie gewählt zu werden. Ausländer und Staa- tenlose mit ständigem Wohnsitz haben Wahlrecht auf kommuna- ler Ebene. (3) Jeder Bürger hatden gleichen Zugangzu öffentlichen Ämtern. Das gleiche Recht steht für die kommunale Ebene den in Absatz 2 Satz 2 genannten Personen zu. Die Rechtsstellung der Angehöri- gen des öffentlichen Dienstes, die hoheitliche Befugnisse aus- üben (Beamte), ist gemäß den Funktionsanforderungen einer bürgernahen Verwaltung durch Gesetz zu regeln. (4) Jeder, dessen Rechte und Belange durch die öffentliche Planung von Vorhaben, insbesondere von Verkehrswegen und -anlagen, Energieanlagen, Produktionsstätten und Großbauten betroffen werden, hat das Recht auf Verfahrensbeteiligung. Das- selbe Recht haben Zusammenschlüsse von Betroffenen. (5) Jeder hat das Recht, sich einzeln und in Gemeinschaft mit anderen mit Anregung, Kritik und Beschwerde an jede staatliche Stelle zu wenden. Es besteht Anspruch auf Gehörund begründeten Bescheid in angemessener Frist. Artikel 22 (1) Die Familie ist durch den Staat zu schützen und zu fördern. (2) Andere Lebensgemeinschaften, die auf Dauer angelegt sind, haben Anspruch auf Schutz vor Diskriminierung. (3) Eltern haben das Recht und die Pflicht zur Erziehung ihrer Kinder. Wer Kinder erzieht, hat Anspruch auf angemessene staatliche Hilfen und gesellschaftliche Rücksichtnahme. Der Staat fördert die Möglichkeit der Erwerbstätigkeit und der beruf- lichen Bildung Erziehender, insbesondere durch Arbeitszeitrege- lungen. (4) Kindern ist durch Gesetz eine Rechtsstellung einzuräumen, die ihrer wachsenden Einsichtsfähigkeit durch die Anerkennung zunehmender Selbständigkeit gerecht wird. (5) Kinder genießen staatlichen Schutz vor körperlicher und see- lischer Vernachlässigung und Mißhandlung. Kinderarbeit ist ver- boten. Artikel 23 (1) Das Gemeinwesen achtet das Alten Es respektiert Behinde- rung. (2) Jeder Bürger hat das Recht auf soziale Sicherung gegen die Folgen von Krankheit, Unfall, Invalidität, Behinderung, Pflegebe- dürftigkeit, Alter und Arbeitslosigkeit. (3) Das Recht wird durch öffentlich-rechtliche Versicherungssy- steme gewährleistet, an denen teilzunehmen jeder berechtigt und verpflichtet ist. Bestandteile der Versicherungssysteme sind mindestens die Arbeitslosenunterstützung und eine Alters- rente für jeden. (4) Bei besonderen Notlagen besteht ein Anspruch auf Sozial- fürsorge. (5) Soziale Sicherung und Sozialfürsorge haben das Ziel, eine gleichberechtigte, eigenverantwortliche Lebensgestaltung zu ermöglichen. in Heimen stehen den Bewohnern Mitverantwor- tungs- und Mitentscheidungsrechte zu. Artikel 24 (1) Jeder Bürger hat das Recht auf gleichen, unentgeltlichen Zugang zu den öffentlichen Bildungs- und Ausbildungseinrich- tungen. In dieses Recht kann nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden. (2) Es besteht eine mindestens zehnjährige allgemeine Schul- pflicht. Die Schule hat die Fähigkeiten und Begabungen der Schüler zu fördern. Das Schulwesen muß die Offenheit und Durchlässigkeit der Bildungsgänge gewährleisten. (3) Der Staat fördert die Einrichtung und Unterhaltung von Kin- derkrippen und Kindergärten sowie Schulhorten. (4) Für den Schulbesuch können andere als staatliche Schulen gewählt werden, die vom Gesetz festgelegten Mindestnormen entsprechen. Die Einrichtung von Privatschulen darf nicht zur Sonderung der Schüler nach den Einkommensverhältnissen der Eltern führen. Die Privatschulen haben Anspruch auf öffentliche Finanzierung, soweit dadurch der Vorrang des öffentlichen Schulwesens nicht gefährdet wird. (5) Schüler und Studenten haben Anspruch auf staatliche Aus- bildungsförderung nach Maßgabe des Gesetzes. Artikel 25 (1) Jeder Bürger hat das Recht auf angemessenen Wohnraum, Es ist ein gesetzlicher Kündigungsschutz vorzusehen. Bei der Abwägung der Interessen des Nutzers und des Eigentümers der Wohnung ist der überragenden Bedeutung der Wohnung für die Führung eines menschenwürdigen Lebens besonderes Gewicht beizumessen. Eine Räumung darf nur vollzogen werden, wenn Ersatz zur Verfügung steht. (2) Der soziale Wohnungsbau und die Wohnungserhaltung sind staatlich zu fördern. Der Staat ist besonders zur Förderung des Baus alters- und behindertengerechten Wohnraums verpflichtet. 2. Abschnitt Arbeit, Wirtschaft, Umwelt Artikel 26 Jeder hat das Recht, seinen Beruf frei zu wählen und auszuüben. In diese Freiheit kann nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden. Artikel 27 (1) Jeder Bürger hat das Recht auf Arbeit oder Arbeitsförderung. (2) Das Recht jedes Bürgers, über seine Arbeitskraft frei zu verfügen und seinen Arbeitsplatz frei zu wählen, ist gewährlei- stet. Öffentliche Arbeits- und Dienstpflichten sind nur für beson- dere, durch Gesetz festgelegte Zwecke zulässig. Sie müssen für alle gleich sein. Frauen dürfen nur zur Abwendung aktueller Notlagen zu einer öffentlichen Dienstleistung verpflichtet wer- den. Die Wehrpflicht ist abgeschafft. (3) Der Staat schützt die Arbeitskraftdurch gesetzliche Regelun- gen über die Arbeitssicherheit, die Arbeitshygiene und die Be- grenzung der Arbeitszeit. Er fördert das Recht des einzelnen, seine Arbeitskraft zur Führung eines menschenwürdigen Lebens zu verwenden. Er hat in seiner Wirtschaftspolitik dem Ziel der Vollbeschäftigung in der Regel Vorrang einzuräumen. Jeder Bür- ger hat im Falle von Arbeitslosigkeit oder drohender Arbeitslo- sigkeit ein Recht auf öffentlich finanzierte Maßnahmen der Ar- beitsförderung. Dabei ist der beruflichen Weiterbildung oder Umschulung der Vorrang vor Arbeitslosengeld und Arbeitslosen- hilfe einzuräumen. (4) Für gleiche Arbeit besteht ein Anspruch auf gleichen Lohn. (5) Lehrlinge, Schwangere, Alleinerziehende, Kranke, Werktäti- ge mit Behinderung und ältere Werktätige genießen erweiterten Kündigungsschutz. Artikel 28 Jeder in einem Betrieb oder Unternehmen beschäftigte Werktäti- ge hat das Recht, durch Vertretungsorgane in den wirtschaftli- chen, sozialen und personeilen Angelegenheiten des Betriebes und auch des Unternehmens mitzubestimmen, falls dieses auf- grund der Zahl seiner Beschäftigten, seiner Marktstellung oder anderer Merkmale eine besondere Bedeutung für das Gemein- wesen hat. Das Nähere regelt das Gesetz. Artikel 29 (1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. For- men, Inhalt und Umfang werden durch die Gesetze bestimmt. Eigentum ist sozialpflichtig. (2) Das persönlich genutzte und das genossenschaftliche Ei- gentum sowie die aufgrund eigener Leistung erworbenen Ren- tenansprüche und -anwartschaften stehen unter dem besonde- ren Schutz der Verfassung. Der Erwerb von persönlichem Eigen- tum an Wohnungen und Wohngrundstücken und die Bildung genossenschaftlichen Eigentums werden gefördert. (3) Die hoheitliche Übertragung des Eigentums oder einzelner Eigentumsrechte auf einen Dritten aus Gründen des Allgemein- wohls (Enteignung) ist zulässig. Die Enteignung persönlich ge- nutzten Eigentums ist nur aus dringenden Gründen des Allge- meinwohls zulässig. Enteignungen dürfen nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Ent- schädigung regelt. Werden bestehende Eigentumsrechte durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes umgestaltet und wird dem Eigentümer dadurch ein schwerwiegender vermögenswerter Nachteil auferlegt (Sonderopfer), so ist ein Opferausgleich vor- zusehen. Entschädigung und Opferausgleich sind unter gerech- ter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteilig- ten zu bestimmen; nur soweit persönlich genutztes Eigentum betroffen ist, ist der Wertverlust voll auszugleichen. Dem per- sönlich genutzten Eigentum steht das genossenschaftliche Ei- gentum gleich. Artikel 30 Die Bildung von Kartellen und marktbeherrschenden Unterneh- men ist unzulässig. Ausnahmen sind nur auf gesetzlicher Grund- lage im Interesse der Sicherung gefährdeter Arbeitsplätze, der Förderung strukturschwacher Regionen und der Erhaltung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit möglich. Artikel 31 (1) Boden und Wirtschaftsunternehmen können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in selbständige Unternehmen der Ge- meinwirtschaft überführtwerden. Für die Entschädigung gilt Arti- kel 29 Absatz 3 Satz 5 entsprechend. (2) Der Staat und die Träger der Kommunalautonomie sind be- fugt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben am Wirtschaftsleben teilzu- nehmen. (3) Aus Gründen der zuverlässigen und umfassenden Versor- gung der Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen sowie aus wichtigen ordnungspolitischen Gründen können durch Ge- setz oder aufgrund eines Gesetzes Monopole der öffentlichen Hand geschaffen werden. Artikel 32 (1) Die Nutzung des Bodens und der Gewässer ist in besonde- rem Maße den Interessen der Allgemeinheit und künftiger Gene- rationen verpflichtet. Ihre Verkehrsfähigkeit kann durch Gesetz beschränkt werden. Die Nutzung von Grund und Boden ist nur im Rahmen einer Flächenutzungsplanung zulässig. Das Eigentum und die Nutzung von land- und forstwirtschaftlichen Flächen, die einhundert Hektar übersteigen, ist genossenschaftlichen und öffentlichen Einrichtungen und den Kirchen vorbehalten. Die Veräußerung von Grund und Boden und die Überlassung von Nutzungsrechten an Ausländer bedürfen der Genehmigung. (2) Steigert sich der Wert von Boden aufgrund seiner planeri- schen Umwandlung in Bauland, so steht den Trägern der Kom- munalautonomie ein Ausgleich für die Wertsteigerung zu. Dieser Planungswertausgleich wird in der Regel durch die entschädi- gungslose Abgabe eines Anteils des beplanten Bodens erbracht. Der Anteil entspricht dem Maß der Wertsteigerung, darf aber die Hälfte des Bodens nicht übersteigen. (3) Der Abbau von Bodenschätzen bedarf derstaatlichen Geneh- migung. Dabei ist dem öffentlichen Interesse an der schonen- den Nutzung des Bodens besonderes Gewicht beizumessen. Artikel 33 (1) Der Schutz der natürlichen Umwelt ais Lebensgrundlage ge- genwärtiger und künftiger Generationen ist Pflicht des Staates und aller Bürger. Die staatliche Umweltpolitik hat Vorsorge ge- gen das Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen zu treffen sowie auf den sparsamen Gebrauch und die Wiederverwendung nichterneuerbarer Rohstoffe und die sparsame Nutzung von Energie hinzuwirken. (2) Eine schwere Beeinträchtigung oder Gefährdung der natürli- chen Umwelt darf nur in dem Umfang zugelassen werden, indem dies zum Schutz überragend wichtiger Interessen der Allgemein- heit unerläßlich ist. (3) Niemand darf durch nachteilige Veränderungen der natürli- chen Lebensgrundtagen in seiner Gesundheit verletzt oder unzu- mutbar gefährdet werden. Jedermann kann mit der Behauptung, durch nachteilige Veränderungen der natürlichen Umwelt in sei- nem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gefährdet oder verletzt zu sein, die Offenlegung der Daten über die Um- weitbeschaffenheit seines Lebenskreises verlangen. Die Ver- bandsklage ist zulässig. (4) Wer Umweltschäden verursacht, haftet und ist für Aus- gleichsmaßnahmen verantwortlich. (5) Der Staat und die Träger der Kommunalautonomie sind ver- pflichtet, der Allgemeinheit die Zugänge zu Bergen, Wäldern, Feldern, Seen und Flüssen freizuhalten und gegebenenfalls durch Einschränkungen des Eigentumsrechts freizumachen. 3. Abschnitt Rechte der Sorben Artikel 34 (1) Der Staat achtet und fördert die Interessen der Sorben. Er gewährleistet und schützt ihr Recht auf den Gebrauch und die Pflege ihrer Sprache, Kultur und Traditionen. Er unterhält oder unterstützt die dazu erforderlichen Einrichtungen, insbesondere im Sozial- und Bildungswesen. Die Sorben haben das Recht, ihre Muttersprache vor den Verwaltungsbehörden und den Ge- richten zu gebrauchen. In der Landes- und Regionalplanung sind die Lebensbedürfnisse der Sorben besonders zu berücksichti- gen. (2) Durch Gesetz können Autonomierechte eingeräumt werden. 4. Abschnitt Gesellschaftliche Gruppen und Verbände Artikel 35 (1) Vereinigungen, die sich öffentlichen Aufgaben widmen und dabei auf die öffentliche Meinungsbildung einwirken (Bürgerbe- wegungen), genießen als Träger freier gesellschaftlicher Gestal- tung, Kritik und Kontrolle den besonderen Schutz der Verfas- sung. (2) Bürgerbewegungen, deren Tätigkeit sich auf den Bereich eines Landes oder des Bundes erstreckt, haben das Recht des Vorbringens und der sachlichen Behandlung ihrer Anliegen in den zuständigen Ausschüssen der Volkskammer oder der Land- tage. Sie haben, soweit die Persönlichkeit und die Privatheit Dritter nicht verletzt werden, nach Abwägung entgegenstehen- der öffentlicher Interessen Anspruch auf Zugang zu den bei den Trägern öffentlicher Verwaltung vorhandenen Informationen, die ihre Anliegen betreffen. Artikel 36 (1) Die Freiheit der Vereinigungen ist gewährleistet. Sie haben' das Recht, ihre innere Ordnung frei und selbständig zu bestim- men. (2) Die innere Ordnung von Verbänden muß demokratischen Grundsätzen entsprechen, sofern sie überwiegend die Interessen ihrer Mitglieder in der Öffentlichkeit vertreten oder an der Erfüllung staatlicher oder überwiegend staatlich finanzierter öffentlicher Aufgaben mitwirken. Das Gleiche gilt für Verbände, die in ihrem Wirkungsbereich keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt sind. Im Rahmen des Verbandszwecks haben die Mitglieder das Recht auf die ungehinderte Ausübung der Meinungs- und Ver- sammlungsfreiheit und auf die Freiheit der Gruppenbildung. Die gleichberechtigte Teilnahme an der innerverbandlichen Wil- lensbildung ist gewährleistet. (3) Verbände im Sinne des Absatz 2 Satz 2 dürfen die Mitglied- schaft nicht aus sachwidrigen Gründen verwehren. (4) Das Gesetz kann vorsehen, daß Vereinigungen, die nach ihrem Zweck oder ihrer Tätigkeit gegen die Strafgesetze verstoßen, Beschränkungen unterworfen oder verboten werden. Artikel 37 (1) Die Freiheit der Parteien, gleichberechtigt an der politischen Willensbildung in der Gesellschaft mitzuwirken, ist gewährleistet. (2) Die innere Ordnung der Parteien muß demokratischen Grund- sätzen entsprechen. Die Mitglieder haben das Recht auf die ungehinderte Ausübung der Meinungs- und Versammlungsfrei- heit im Rahmen des Parteiprogramms sowie auf gleichberechtigte Teilnahme an der innerparteilichen Willensbildung. (3) Die Parteien haben über ihre Finanzierung öffentlich Rechen- schaft abzulegen. Die Wahlkampfkostenerstattung ist an eine gesonderte Entscheidung der Wahlberechtigten Bürgergebunden (Bürgerbonus). Diese Regelungen gelten auch für Bürgerbewe- gungen, soweit sie sich an Wahlen zur Volkskammer oder zu den Landtagen beteiligen. (4) Die Rechte von Parteien, die systematisch und nachhaltig in ihrer Programmatik die Menschenwürde angreifen oder in dieser Weise durch ihre Tätigkeit gegen die Grundsätze eines offenen und gewaltlosen politischen Willensbildungsprozesses versto- ßen, können, sofern Gefahren für den politischen Willensbil- dungsprozeß anders nicht abgewendet werden können, von ei- ner Wahl ausgeschlossen oder verboten werden. Die Entschei- dungen sind dem Verfassungsgericht vorbehalten; ihre Wirkung ist zeitlich zu begrenzen. Vor einer Entscheidung des Verfas- sungsgerichts ist keinerlei Benachteiligung der Partei oder ihrer Mitglieder zulässig. Die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte der Mitglieder werden auch durch die Entscheidungen des Verfassungsgerichts in keiner Weise berührt. Artikel 38 (1) Die Freiheit der Kirchen und Religionsgemeinschaften ist gewährleistet. Sie ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken der für alle geltenden Ge- setze. Die Gleichwertigkeit des sozialen Schutzes kirchlicher Arbeitnehmer mit den Garantien aus dem allgemeinen Arbeits- und Sozialrecht ist zu gewährleisten. (2) Kirchen und Religionsgemeinschaften wird auf Antrag die Rechtsstellung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zuer- kannt. (3) Der Staat fördert und unterstützt nach Maßgabe von Verein- barungen die Kirchen und Religionsgemeinschaften, insbeson- dere in ihren sozialen Tätigkeiten und bei der Wahrung ihres kulturellen Erbes. Der Staat kann aufgrund von Vereinbarungen für Kirchen und Religionsgemeinschaften gegen Erstattung der Verwaltungskosten die Einbeziehung der Mitgliedsbeiträge übernehmen. Artikel 39 (1) Jedermann hat das Recht, Gewerkschaften zu bilden, ihnen beizutreten und sich in ihnen den Gewerkschaftszwecken gemäß zu betätigen. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig und durch Gesetz mit Sanktionen zu belegen. Die Errichtung berufsständischer öffentlich-rechtlicher Vereini- gungen mit Zwangsmitgliedschaft ist unzulässig. (2) Die Freiheit und Unabhängigkeit der Gewerkschaften ist ge- währleistet. Sie haben das Recht des Zutritts zu den Betrieben. Das Nähere über die gewerkschaftliche Tätigkeit in den Betrie- ben wird durch Gesetz geregelt. (3) Die Gewerkschaften müssen in tarifrechtlicher Hinsicht geg- nerfrei sein. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsät- zen entsprechen. Das Recht der Mitglieder auf die ungehinderte Ausübung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit, auf Frei- heit der Gruppenbildung sowie auf gleichberechtigte Teilnahme an der innergewerkschaftlichen Willensbildung ist zu gewährlei- sten. (4) Gewerkschaften haben das Recht, über alle die Arbeits- und Lebensbedingungen der Werktätigen betreffenden Angelegen- heiten Tarifverträge abzuschließen. Tarifvertragsparteien sind Gewerkschaften und ihre Dachverbände, Unternehmen aller Ei- gentumsformen und Unternehmensverbände, der Bund, die Län- der und die Träger der Kommunalautonomie. (5) Das Streikrecht der Gewerkschaften ist gewährleistet. Bei Arbeitskämpfen ist der Schadenersatz, nicht aber die Androhung und Erhebung von Zwangsgeldern zur Durchsetzung gerichtli- cher Entscheidungen ausgeschlossen. Der Lohnersatz bei mit- telbar arbeitskampfbedingten Produktionsausfällen ist Gemein- last der sozialen Autonomie und wird den Betrieben nach Maß- gabe gesetzlicher Regelungen erstattet. (6) Eine das Arbeitsrechtsverhältnis beendende Aussperrung ist verboten. In nicht bestreikten Betrieben ist jegliche Aussperrung verboten. 5. Abschnitt Geltung Artikel 40 (1) Die Menschen- und Bürgerrechte dieser Verfassung binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt, Rechtsprechung und, so- weit die Verfassung dies vorsieht, auch Dritte unmittelbar. (2) Soweit Menschen- und Bürgerrechte durch Gesetz oder auf- grund eines Gesetzes eingeschränkt werden können, muß der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Solche Be- schränkungen dürfen in keinem Falle den Wesensgehalt eines Menschen- und Bürgerrechts antasten. (3) Die Menschen- und Bürgerrechte gelten auch für inländische juristische Personen des privaten und öffentlichen Rechts, so- weit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. (4) Wird jemand in seinen Menschen- und Bürgerrechten ver- letzt, so kann er sie auf dem Rechtsweg einklagen. II. Kapitel Grundsätze und Organe des Staates 1. Abschnitt Grundsätze Artikel 41 (1) Die Deutsche Demokratische Republik ist ein rechtsstaatlich verfaßter demokratischer und sozialer Bundesstaat und besteht aus den Ländern ... Sie bekennt sich zu dem Ziel der Schaffung einer gesamteuropäischen Friedensordnung, welche die durch den Zweiten Weltkrieg in Deutschland geschaffene Lage auf der Grundlage der Aussöhnung mit allen Völkern, die von Deutschen unterdrückt und verfolgt wurden, überwindet. In diesem Rahmen wird das deutsche Volk über die staatliche Gestaltung Deutsch- lands selbst bestimmen. (2) Die Deutsche Demokratische Republik bekennt sich zu dem Ziel der Herstellung der Einheit der beiden deutschen Staaten. Artikel 42 (1) Träger der Staatsgewalt ist das Volk. (2) Die Gesetzgebung ist an die Normen der Verfassung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an die Verfas- sung,sowie an Gesetz und Recht gebunden. (3) Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts sind unmittelbar geltendes Bundesrecht. Artikel 43 Die Staatsflagge der Deutschen Demokratischen Republik trägt die Farben schwarz-rot-gold. Das Wappen des Staates ist die Darstellung des Mottos "Schwerter zu Pflugscharen". Artikel 44 (1) Durch Gesetz, das der Zustimmung der Länderkammer be- darf, können Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtun- gen, insbesondere auf gemeinsame Einrichtungen der beiden deutschen Staaten übertragen werden. Artikel 132 Absätze 1 und 2 bleiben unberührt. (2) Die Beschränkung von Hoheitsrechten zugunsten eines Sy- stems kollektiver Sicherheit im Rahmen einer gesamteuropäi- schen Friedensordnung ist zulässig. Artikel 45 (1) Die Deutsche Demokratische Republik fördert alle auf eine ausgewogene Abrüstung gerichteten Bestrebungen und Maß- nahmen. (2) Die Vorbereitung oder Führung eines Angriffskrieges ist ver- boten. (3) Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Regierung herge- stellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Sie dürfen nur in Staaten exportiert werden, die dem gleichen System kollekti- ver Sicherheit angehören. 2. Abschnitt Staatshaftung Artikel 46 Für Schäden, die einem Dritten durch rechtswidriges Handeln oder Unterlassen von Mitarbeitern eines Trägers öffentlicher Gewalt in Wahrnehmung dienstlicher Pflichten zugefügt werden, haftet derjenige Hoheitsträger, dessen Mitarbeiter den Schaden verursacht hat. Das Nähere regelt das Gesetz. 3. Abschnitt Der Bund, die Länder und die Kommunalautonomie Artikel 47 (1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des demokratischen und sozialen Rechtsstaates entsprechen. (2) Den Ländern steht die Wahrnehmung der staatlichen Aufga- ben zu, soweit sie nicht durch diese Verfassung dem Bund oder den Trägern der Kommunalautonomie zugewiesen sind. Artikel 48 (1) Bundesrecht bricht Landesrecht. (2) Verletzt ein Land die ihm nach der Verfassung oder einem anderen Gesetz des Bundes obliegenden Pflichten, so kann die Regierung mit Zustimmung der Länderkammer die notwendigen Maßnahmen treffen, um das Land zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten. Die Regierung oder die Beauftragten haben dazu das Weisungsrecht gegenüber dem Land und seinen Behörden. (3) Die innerhalb des Bundes geübte Rechts- und Amtshilfe wird auch den Ländern, die innerhalb eines Landes geübte Rechts- und Amtshilfe wird auch anderen Ländern und dem Bund ge- währt. Artikel 49 (1) Die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten und zur Bundesrepublik Deutschland ist Sache des Bundes. (2) Verträge und Vereinbarungen mit auswärtigen Staaten oder mit der Bundesrepublik Deutschland, die die Zuständigkeiten der Länder berühren, bedürfen der Zustimmung der Länderkam- mer. Vor dem Abschluß eines Vertrages oder einer Vereinbarung, die die besonderen Verhältnisse eines Landes berühren, ist das Einvernehmen mit dem betroffenen Land herbeizuführen. Kommt eine Einigung nicht zustande, so entscheidet die Länderkammer. (3) Soweit die Länder die ausschließliche Gesetzgebungskompe- tenz haben, können sie mit auswärtigen Staaten, der Bundesre- publik Deutschland und deren Ländern Verträge schließen und Vereinbarungen treffen. Das Benehmen mit der Regierung des Bundes ist herzustellen. Artikel 50 (1) Das Recht der Träger der Kommunalautonomie, die Angele- genheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln und zu verwalten, ist gewährlei- stet. Es schließt die Satzungs-, Organisations-, Personal-, Pla- nungs- und Finanzhoheit ein. (2) Die Träger der Kommunalautonomie sind durch einen Finanz- ausgleich in die Lage zu versetzen, ihre Aufgabe zu erfüllen. Aufgaben dürfen ihnen nur durch Gesetz und nur dann entzogen werden, wenn sie zu ihrer Erfüllung außerstande sind. (3) In die Verantwortung der Träger der Kommunalautonomie fallen 1. die örtliche Verkehrs- und Bauleitplanung; 2. der örtliche Nahverkehr; 3. die örtliche Wohnraumbeschaffung und Wohnraumverwal- tung; 4. die Sozialhilfe; 5. die medizinische Grundversorgung einschließlich der Kran- kenversicherung; 6. die Einrichtungen der Kinderbetreuung; 7. die Altenbetreuung; 8. die Daseinsvorsorge für Menschen mit Behinderung; 9. die Einrichtungen des Bildungswesens mit Ausnahme der Hoch- und Fachschulen; 10. die Kultur-, Jugend- und Breitensportförderung einschließ- lich ihrer Einrichtungen; 11. die Schaffung und Erhaltung von Naherholungsgebieten und Freizeiteinrichtungen; 12. die Wahrung der öffentlichen Sicherheit durch örtliche Poli- zeibehörden; 13. die Förderung der örtlichen Wirtschaftsstruktur; 14. die Bauaufsicht, insbesondere die Erteilung von Baugeneh- migungen; 15. die Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Hausmüll und Abwässern; 16. die Förderung von Städte- und Gemeindepartnerschaften. (4) Soweit andere Aufgaben bisher von den Kreisen, Städten und Gemeinden wahrgenommen wurden, werden sie von den Trägern der Kommunalautonomie als Selbstverwaltungs- oder als Auftragsangelegenheiten wahrgenommen. Durch Gesetz können weitere Aufgaben übertragen werden. (5) Die Länder üben in den Angelegenheiten der Kommunalau- tonomie die Rechtsaufsicht, im übrigen die Fachaufsicht aus. 4. Abschnitt Die Volkskammer Artikel 51 (1) Die Volkskammer ist das oberste Organ der Staatswillensbil- dung. Sie hat die Aufgabe der Gesetzgebung, der Kontrolle der Regierung und Verwaltung, der Verabschiedung des Staatshaus- halts, der Wahl des Ministerpräsidenten, der Bestätigung des Regierungsprogramms und der Ratifikation völkerrechtlicher Verträge. Sie nimmt alle Aufgaben und Befugnisse des Bundes wahr, soweit sie von dieser Verfassung nicht anderen Organen ausdrücklich vorbehalten sind. (2) Die Opposition ist ein notwendiger Bestandteil der parla- mentarischen Demokratie. Sie steht der Regierungsmehrheit als Alternative gegenüber und hat das Recht auf Chancengleichheit. Artikel 52 (1) Die Volkskammer besteht aus 400 Abgeordneten. Der Volks- kammer können der Präsident der Republik, die Mitglieder des Verfassungsgerichts, die Mitglieder des Rechnungshofes, die Mitglieder der Staatsbank und der Datenschutzbeauftragte nicht angehören. (2) Die Abgeordneten sind Vertreter des ganzen Volkes und an Aufträge und Weisungen nicht gebunden. Niemand kann einen Abgeordneten zwingen, gegen seine Überzeugung zu entschei- den. (3) Die Abgeordneten haben das Recht, in der Volkskammer oder deren Ausschüssen das Wort zu ergreifen, Fragen und Anträge zu stellen sowie bei Wahlen und Beschlüssen ihre Stim- me abzugeben. Die Geschäftsordnung gewährleistet das Rede- recht nicht fraktionsgebundener Abgeordneter und deren Mitwir- kung in den Ausschüssen. (4) Dem Abgeordneten stehen eine seine Unabhängigkeit si- chernde Vergütung sowie Aufwandsentschädigung und die un- entgeltliche Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu. Die Rech- te der Abgeordneten sind nicht übertragbar und nicht pfändbar. Artikel 53 (1) Ein Abgeordneter darf zu keiner Zeit wegen seiner Abstim- mung oder wegen einer Äußerung, die er in der Volkskammer oder in einem ihrer Ausschüsse getan hat, gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst zur Verantwortung gezogen wer- den. (2) Einem Abgeordneten darf für Äußerungen, die er in Ausübung des Rederechts macht, weder das Wort entzogen noch die Teil- nahme an Sitzungen verwehrt werden. In anderen Fällen kann ein Ausschluß von der Sitzung nur mit einer Mehrheit von drei Vierteln der anwesenden Abgeordneten erfolgen. Der Ausschluß von der Sitzung darf nicht zum Ausschluß von einer Abstimmung führen. (3) Wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung darf ein Abge- ordneter nur mit Erlaubnis der Volkskammer verfolgt werden. Bei Festnahme und anderen Zwangsmaßnahmen der Strafverfol- gung muß unverzüglich eine Entscheidung der Volkskammer her- beigeführt werden. Bis zur Entscheidung der Volkskammer nimmt deren Präsident die dem Ermittlungsrichter zustehenden Rechte wahr. Die Erlaubnis der Volkskammer ist auch bei jeder anderen Beschränkung der persönlichen Freiheit des Abgeord- neten erforderlich. (4) Jedes Strafverfahren, jede Freiheitsentziehung und jede sonstige Beschränkung der persönlichen Freiheit sind auf Ver- langen der Volkskammer auszusetzen. Der Aussetzungsbe- schluß gilt auch für die Zeit zwischen den Wahlperioden bis zu seiner Aufhebung. (5) Die Abgeordneten sind berechtigt, das Zeugnis zu verwei- gern. Auch nach dem Ende des Mandats sind die Abgeordneten berechtigt, über Tatsachen und Personen, mit denen sie in ihrer Eigenschaft als Mandatsträger befaßt waren, das Zeugnis zu verweigern. Das Zeugnisverweigerungsrecht erlischt nicht durch die Beendigung des Mandats. Soweit das Zeugnisverweige- rungsrecht reicht, ist eine Beschlagnahme unzulässig. Artikel 54 (1) Wer sich um ein Mandat bewirbt, hat Anspruch auf den zur Vorbereitung seiner Wahl erforderlichen Urlaub. (2) Niemand darf gehindert werden, ein Mandat zu übernehmen und auszuüben. Eine Kündigung oder Entlassung aus diesen,. Grunde ist unzulässig. Artikel 55 (1) Die Wahlperiode der Volkskammer endet vier Jahre nach dem ersten Zusammentritt oder mit der Auflösung. Die Neuwahl findet im letzten Vierteljahr der Wahlperiode statt, im Falle der Auflösung an dem Sonntag, der dem 49. Tag der Auflösung folgt. (2) Die Volkskammer tritt spätestens am 30. Tag nach der Wahl, jedoch nicht vor dem Ende der Wahlperiode des letzten Parla- ments zusammen. (3) Die Volkskammer kann jederzeit mit der Mehrheit von zwei Dritteln ihrer Mitglieder ihre Auflösung beschließen. (4) Die Volkskammer bestimmt den Schluß und den Wiederbe- ginn ihrer Sitzungen. Der Präsident der Volkskammer kann sie früher einberufen. Er ist hierzu verpflichtet, wenn ein Fünftel der Mitglieder, der Präsident der Republik oder der Ministerpräsi- dent es verlangen. Artikel 56 (1) Die Volkskammer gibt sich eine Geschäftsordnung und wählt ihren Präsidenten, dessen Stellvertreter und die Schriftführer (Präsidium). Organe der Volkskammer sind der Präsident, das Präsidium, der Ältestenrat, die Ausschüsse und die Fraktionen. (2) Der Präsident führt die Geschäfte der Volkskammer. Er übt die Ordnungsgewalt und das Hausrecht im Gebäude der Volks- kammer aus. Ohne seine Genehmigung darf in den Räumen der Volkskammer keine Durchsuchung oder Beschlagnahme statt- finden. (3) Der Präsident verwaltet im Einvernehmen mit dem Präsidium die gesamten wirtschaftlichen Angelegenheiten der Volkskam- mer und stellt den Entwurf des Haushaltsplanes der Volkskam- mer fest. Der Präsident ist oberste Dienstbehörde der Beschäf- tigten der Volkskammer. Zu ihrer Einstellung und Entlassung benötigt er die Zustimmung des Präsidiums. Der Präsident ver- tritt die Volkskammer in allen Angelegenheiten nach innen und außen. Artikel 57 (1) Zusammenschlüsse von Abgeordneten haben die Stellung einer Fraktion, wenn sie fünf Prozent der Zahl der Abgeordneten auf sich vereinen. Die Geschäftsordnung kann einen geringeren Prozentsatz festlegen. (2) Die Fraktionen haben Sitz und Stimme in den Organen der Volkskammer. Bei der Verteilung der Redezeit darf die Opposi- tion gegenüber Mehrheit und Regierung nicht benachteiligt wer- den. (3) Die Arbeitsfähigkeit der Fraktionen und der einzelnen Abge- ordneten, auch der fraktionslosen, ist zu gewährleisten. Hierzu gehören die Einrichtung und technische Ausrüstung von Büros und die Finanzierung von Mitarbeitern und des sachlichen Be- darfs. Artikel 58 (1) Die Wahlprüfung ist Sache der Volkskammer. Gegen die Entscheidung der Volkskammer ist die Beschwerde beim Verfas- sungsgericht gegeben. (2) Das Mandat endet bei Verlust der Wählbarkeit oder bei Ver- zicht. Ein Entzug des Mandats ist unzulässig. Artikel 59 (1) Die Volkskammer und ihre Ausschüsse verhandeln öffent- lich. Die Öffentlichkeit kann in der Volkskammer mit Zweidrittel- mehrheit, in den Ausschüssen mit der Mehrheit der Mitglieder ausgeschlossen werden. Über den Antrag wird in nichtöffent- licher Sitzung entschieden. (2) Die Volkskammer ist beschlußfähig, wenn mehr als die Hälf- te ihrer Mitglieder anwesend ist. Sie faßt ihre Beschlüsse mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen, soweit diese Verfas- sung nichts anderes bestimmt. (3) Die Berichterstattung über die öffentlichen Sitzungen der Volkskammer und ihrer Ausschüsse und eine öffentlich zugäng- liche Dokumentation über Verlauf und Ergebnis der Sitzungen werden gewährleistet.Für wahrheitsgetreue Berichte über die Sitzungen kann niemand verantwortlich gemacht werden. Artikel 60 (1) Die Volkskammer und ihre Ausschüsse können die Anwesen- heit jedes Mitgliedes der Regierung verlangen, Es muß der Volkskammer Rede und Antwort stehen. (2) Die Mitglieder der Regierung und die Mitglieder der Länder- kammer haben Zutritt zu den Sitzungen der Volkskammer und ihrer Ausschüsse. Den Mitgliedern der Regierung und der Län- derkammer steht das Rederecht zu. Der Ministerpräsident muß jederzeit gehört werden. Artikel 61 (1) Bei den Beratungen der Ausschüsse haben alle Fraktionen das Recht, daß mindestens ein von ihnen benannter Sachver- ständiger gehört wird. (2) Wer Gesetzesvorschläge unterbreitet, ist von den zuständi- gen Ausschüssen zu hören. Hierzu können Unterausschüsse ge- bildet werden. Artikel 62 (1) Die Volkskammer bestellt einen Ausschuß zur Behandlung von Anregungen, Kritiken und Beschwerden. Der Vorsitzende des Ausschusses ist zugleich der Bürgeranwalt. (2) Regierung und Verwaltung sind verpflichtet, dem Ausschuß auf Verlangen Akten vorzulegen, Zutritt zu öffentlichen Einrich- tungen zu gewähren, alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Amtshilfe zu leisten. Artikel 63 (1) Die Volkskammer hat das Recht und auf Antrag einer Frak- tion die Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen, die in öffentlicher Verhandlung die Beweise erheben, die sie oder die Antragsteller für sachdienlich halten. Die Öffentlichkeit kann mit der Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Ausschusses ausgeschlossen werden. (2) Der Vorsitzende wird mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gewählt. Er darf kei- ner der die Regierung bildenden Parteien oder Bürgerbewegun- gen angehören. (3) Auf die Beweiserhebung finden die Vorschriften der Strafpro- zeßordnung sinngemäß Anwendung. Auf Verlangen eines Fünf- tels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses sind Regie- rung und Verwaltung verpflichtet, ihren Bediensteten Aussage- genehmigungen zu erteilen. Gerichte und Verwaltungsbehör- den haben Rechts- und Amtshilfe zu leisten. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unangetastet. (4) Der Untersuchungsbericht ist der richterlichen Erörterung entzogen. In der Würdigung des der Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhalts sind die Gerichte frei. Artikel 64 (1) Die Volkskammer bestellt einen Ständigen Ausschuß, der die Rechte der Volkskammer gegenüber der Regierung zwi- schen zwei Wahlperioden wahrt. (2) Der Ständige Ausschuß hat auch die Rechte eines Unter- suchungsausschusses, nicht aber das Recht, Gesetze zu be- schließen, den Ministerpräsidenten zu wählen, ihn oder Mini- ster abzuwählen oder den Präsidenten der Republik anzukla- gen. Artikel 65 (1) Zum Schutz der Menschen- und Bürgerrechte und als Hilfsorgan der Volkskammer werden der Bürgeranwalt, ein Beauftragter für Fragen der Gleichstellung von Mann und Frau, ein Beauftragter für den Strafvollzug und ein Beauftrag- ter für Ausländer bestellt. Sie werden von der Volkskammer auf die Dauer von sechs Jahren mit der Mehrheit von zwei Dritteln ihrer Mitglieder gewählt. Sie können mit derselben Mehrheit abgewählt werden. Einmalige Wiederwahl ist zuläs- sig. (2) Die Beauftragten sind in der Ausübung ihres Amtes unab- hängig und nur dem Gesetz unterworfen. Regierung und Ver- waltung sind verpflichtet, ihnen auf Verlangen Akten vorzule- gen, Zutritt zu öffentlichen Einrichtungen zu gewähren, alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Amtshilfe zu leisten. (3) Die Beauftragten erstatten der Volkskammer jährlich öf- fentlich Bericht. Die Volkskammer und ihre Ausschüsse kön- nen jederzeit die Anwesenheit der Beauftragten verlangen. (4) Niemand darf wegen seiner Eingaben oder wegen Auskünf- ten gegenüber den Beauftragten gemaßregelt oder benachtei- ligt werden. 5. Abschnitt Die Länderkammer Artikel 66 (1) Durch die Länderkammer wirken die Länder an der Gesetz- gebung und Verwaltung des Bundes mit. (2) Die Länderkammer besteht aus Mitgliedern der Landesre- gierungen, die von diesen bestellt und abberufen werden. Ei- ne Vertretung ist zulässig. (3) Jedes Land hat mindestens drei Stimmen. Länder mit mehr als zwei Millionen Einwohnern erhalten eine weitere Stimme für je eine weitere Million Einwohner. Restzahlen werden ge- rundet. (4) Die Stimmen des Landes können nur einheitlich und nur durch anwesende Mitglieder der Länderkammer oder deren Vertreter abgegeben werden. Die Länder können höchstens so viele Mitglieder entsenden, wie ihnen Stimmen zustehen. Artikel 67 (1) Die Länderkammer wählt jährlich einen Präsidenten. (2) Der Präsident beruft die Länderkammer ein. Auf Verlangen eines Landes oder des Ministerpräsidenten hat er die Länder- kammer einzuberufen. (3) Soweit in dieser Verfassung nichts anderes bestimmt ist, faßt die Länderkammer ihre Beschlüsse mit der Mehrheit der Stimmen ihrer Mitglieder (4) Die Verhandlungen der Länderkammer sind öffentlich. Die Öffentlichkeit kann mit Zustimmung von zwei Dritteln der Län- der ausgeschlossen werden. (5) Den Ausschüssen der Länderkammer können andere Mitglie- der oder Beauftragte der Länderregierungen angehören. Artikel 68 Die Mitglieder der Regierung haben das Recht und auf Verlan- gen die Pflicht, an den Verhandlungen der Länderkammer und ihrer Ausschüsse teilzunehmen. Sie müssen jederzeit gehört werden. 6. Abschnitt Die Regierung Artikel 69 Die Regierung hat die Aufgabe der Staatsleitung und die Verant- wortung für die vollziehende Gewalt des Bundes. Sie besteht aus dem Ministerpräsidenten und den Ministern. Artikel 70 (1) Der Ministerpräsident wird von der Volkskammer auf Vor- schlag des Präsidenten der Republik ohne Aussprache gewählt. (2) Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder der Volkskammer auf sich vereinigt. Der Gewählte wird vom Präsi- denten der Republik ernannt. (3) Wird der Vorgeschlagene nicht gewählt, so kann die Volks- kammer binnen dreier Wochen nach dem Wahlgang mit der Mehrheit ihrer Mitglieder einen Ministerpräsidenten wählen. (4) Kommt innerhalb der Frist des Absatzes 3 eine Wahl nicht zustande, so findet unverzüglich ein neuer Wahlgang statt, in dem gewählt ist, wer die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhält. Vereinigt der Gewählte die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder der Volkskammer auf sich, so muß der Präsident der Republik ihn ernennen- Erreicht der Gewählte diese Mehrheit nicht, so hat der Präsident der Republik binnen sieben Tagen entweder ihn zu ernennen oder die Volkskammer aufzulösen. Artikel 71 Die Minister werden auf Vorschlag des Ministerpräsidenten vom Präsidenten der Volkskammer ernannt und entlassen. Der Mini- sterpräsident ernennt seine Stellvertreter aus dem Kreis der Minister. Artikel 72 Der Ministerpräsident und die Minister leisten bei der Amtsüber- nahme vor der Volkskammer folgenden Eid: "Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des Volkes widmen, Recht und Gesetze der Deutschen Demokratischen Republik wahren, mei- ne Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen je- dermann üben werde." Dem Eid kann auch eine religiöse Be- teuerung hinzugefügt werden. Artikel 73 Der Ministerpräsident und die Minister dürfen kein anderes be- soldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben. Über die Mitwirkung in Wirtschaftsunternehmen entscheidet die Volks- kammer, wenn es sich um ein auf Erwerb gerichtetes Unterneh- men handelt. Artikel 74 (1) Der Ministerpräsident leitet die Geschäfte der Regierung und bestimmt die Richtlinien der Politik im Rahmen des von der Volkskammer bestätigten Regierungsprogramms. Innerhalb die- ser Richtlinien leitet jeder Minister seinen Geschäftsbereich selbständig und in eigener Verantwortung. (2) Über Meinungsverschiedenheiten der Minister entscheidet die Regierung. Der Ministerpräsident leitet die Geschäfte der Regierung nach einer von ihr beschlossenen und vom Präsiden- ten der Volkskammer genehmigten Geschäftsordnung. Artikel 75 (1) Die Volkskammer kann dem Ministerpräsidenten das Miß- trauen nur dadurch aussprechen, daß sie mit der Mehrheit ihrer Mitglieder einen Nachfolger wählt. Der Gewählte ist vom Präsi- denten der Republik zu ernennen. (2) Zwischen dem Antrag und der Wahl müssen 48 Stunden liegen. Artikel 76 (1) Findet ein Antrag des Ministerpräsidenten, ihm das Vertrau- en auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mit- glieder der Volkskammer, so muß der Präsident der Republik die Volkskammer am 21. Tag nach der Abstimmung auflösen, wenn sie nicht bis dahin mit der Mehrheit ihrer Mitglieder einen Mini- sterpräsidenten wählt. (2) Zwischen dem Antrag und der Abstimmung müssen 48 Stun- den liegen. Artikel 77 (1) Das Amt des Ministerpräsidenten oder eines Ministers endet mit dem Zusammentritt einer neuen Volkskammer, das Amt eines Ministersauch mit dem Rücktritt oder jeder anderen Been- digung des Amtes des Ministerpräsidenten. (2) Jeder Minister muß zurücktreten, wenn ihm die Volkskammer das Vertrauen entzieht. (3) Endet das Amt des Ministerpräsidenten, so sind er und mit ihm die Regierung verpflichtet, ihre Geschäfte bis zur Übernah- me durch die neu zu bildende Regierung weiterzuführen. Auf Ersuchen des Ministerpräsidenten hat auch ein Minister die Geschäfte bis zur Ernennung eines Nachfolgers weiterzuführen. 7. Abschnitt Der Präsident der Republik Artikel 78 Der Präsident der Republik ist das Staatsoberhaupt. Artikel 79 (1) Der Präsident vertritt die Deutsche Demokratische Republik völkerrechtlich. Er beglaubigt und empfängt die Chefs der diplo- matischen Missionen. (2) Im Falle der Verhinderung wird der Präsident vom Präsiden- ten der Länderkammer vertreten. Artikel 80 Verträge mit auswärtigen Staaten und Verträge mit der Bundes- republik Deutschland, die sich auf Gegenstände beziehen, für die der Bund die Gesetzgebungsbefugnis hat, bedürfen der Zu- stimmung der Volkskammer in der Form eines Gesetzes, soweit sie innerstaatliche Rechte und Pflichten begründen sollen. Die Vorschriften dieser Verfassung über die Mitwirkung der Länder- kammer bleiben unberührt. Andere Verträge bedürfen der Zu- stimmung der Volkskammer, soweit sie von erheblicher Bedeu- tung für die Deutsche Demokratische Republik sind. Artikel 81 (1) Der Präsident ernennt auf Vorschlag der bei ihm eingerichte- ten Wahlausschüsse die Bundesrichter und den Generalstaats- anwalt sowie die Mitglieder der Staatsbank und des Rechnungs- hofes des Bundes. (2) Beim Präsidenten wird ein Bundesbeauftragter für den Da- tenschutz bestellt. Der Datenschutzbeauftragte wird vom Präsi- denten berufen und ernannt. Artikel 65 Absätze 2 bis 4 finden Anwendung. Artikel 82 Der Präsident übt das Gnadenrecht des Bundes aus. Artikel 83 Der Präsident stiftet und verleiht Orden. Artikel 84 Der Präsident kann zu Themen, die für die Allgemeinheit von besonderem Gewicht sind, Expertenkommissionen berufen. Artikel 85 (1) Der Präsident wird ohne Aussprache von der Bundesver- sammlung auf vier Jahre gewählt. Wiederwahl ist zulässig. Die Bundesversammlung besteht aus allen Abgeordneten der Volks- kammer, der Landtage sowie der Volksvertretungen der Kreise und der kreisfreien Städte. (2) Die Bundesversammlung tritt zur gleichen Stunde, jeweils nach Ländern getrennt, zum Wahlakt zusammen. In den Ländern treten die Landtage und die Volksvertretungen der Kreise und kreisfreien Städte gemeinsam zusammen. Die Abgeordneten der Volkskammer treten gesondert zusammen. (3) Die Bundesversammlung wird vom Präsidenten der Volks- kammer im Einvernehmen mit dem Präsidenten der Länderkam- mer einberufen. Die Teilversammlungen der Bundesversamm- lung in den Ländern werden von den Landtagspräsidenten gelei- tet. Artikel 86 (1) Gewählt ist, wer die Mehrheit der Stimmen der Bundesver- sammlung auf sich vereinigt. (2) Ist im ersten Wahlgang der Präsident nicht gewählt, so sind für den unverzüglich anzuberaumenden zweiten Wahlgang nur die drei Kandidaten zugelassen, die im ersten Wahlgang die meisten Stimmen auf sich vereinigt haben. Gewählt ist, wer die meisten Stimmen auf sich vereinigt. (3) Nach der Annahme seiner Wahl leistet der Präsident vor der Volkskammer den Amtseid in der in Artikel 72 niedergelegten Formel. Artikel 72 Satz 2 ist anwendbar. Artikel 87 (1) Der Präsident genießt Immunität und Indemnität. (2) Wegen Verletzung seiner Amtspflichten kann der Präsident nur vom Verfassungsgericht zur Verantwortung gezogen werden. Antragsberechtigt ist die Volkskammer. Der Antrag bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln ihrer Mitglieder. Artikel 88 Der Präsident darf weder einer Regierung noch einer gesetzge- benden Körperschaft angehören. Er darf kein anderes besolde- tes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben und nicht Mitglied des Vorstandes oder Aufsichtsrates eines Unterneh- mens sein. III. Kapitel Funktionen des Staates 1. Abschnitt Gesetzgebung Artikel 89 Die Gesetze werden durch die Volkskammer oder durch Volks- entscheid beschlossen. Artikel 90 (1) Werden die Gesetze des Bundes von der Volkskammer be- schlossen, so bedürfen sie zu ihrer Wirksamkeit der Zustim- mung der Länderkammer, sofern die Verfassung dies vorsieht; im übrigen steht der Länderkammer das Recht des Einspruchs zu. (2) In der Volkskammer werden Gesetzesvorlagen durch deren Mitglieder, durch die Regierung oder auf Beschluß der Länder- kammer eingebracht. Es sind mindestens zwei Lesungen vorzu- sehen und den Ausschüssen ist hinreichend Zeit zur Beratung einzuräumen. (3) Vorlagen der Regierung sind der Volkskammer zusammen mit einer Stellungnahme der Länderkammer, Vorlagen der Län- derkammer sind ihr mit einer Stellungnahme der Regierung zu- zuleiten. Die Frist zur Stellungnahme beträgt sechs Wochen. Artikel 91 (1) Der Zustimmung der Länderkammer bedürfen außer in den anderen in dieser Verfassung genannten Fällen Gesetze der Volkskammer über: 1. Änderungen der Ländergrenzen; 2. die Errichtung selbständiger Träger der bundeseigenen Ver- waltung; 3. die Gerichtsverfassung; 4. die Verteilung der vom Bund erhobenen Steuern; 5. die Raumordnung und Fachplanungen des Bundes; 6. das Verwaltungsverfahren. (2) War der Erlaß eines Gesetzes zustimmungsbedürftig, so gilt dies auch für nachfolgende Gesetzesänderungen. Artikel 92 (1) Gesetze werden nach ihrer Annahme in der Volkskammer durch deren Präsidenten unverzüglich der Länderkammer zuge- leitet. (2) Die Länderkammer kann binnen zweier Wochen nach Ein- gang des Gesetzesbeschlusses verlangen, daß ein-in gleicher Zahl aus Mitgliedern der Volkskammer und der Länderkammer für die gemeinsame Beratung von Vorlagen gebildeter Ausschuß einberufen wird. Die Zusammensetzung und das Verfahren die- ses Ausschusses regelt eine Geschäftsordnung, die der Zustim- mung der Volkskammer und der Länderkammer bedarf. Die in diesen Ausschuß entsandten Mitglieder der Länderkammer sind nicht an Weisungen gebunden. Ist zu einem Gesetz die Zustim- mu ng der Länderkammer erforderlich, so können auch die Volks- kammer und die Regierung die Einberufung verlangen. Schlägt der Ausschuß eine Änderung des Gesetzesbeschlusses vor, so hat die Volkskammer erneut Beschluß zu fassen. (3) Soweit zu einem Gesetz die Zustimmung der Länderkammer nicht erforderlich ist, kann die Länderkammer, wenn das Verfah- ren nach Absatz 2 beendet ist, gegen ein von der Volkskammer beschlossenes Gesetz binnen einer Woche Einspruch einlegen. Die Einspruchsfrist beginnt im Falle des Absatzes 2 letzter Satz mit dem Eingang des von der Volkskammer erneut gefaßten Beschlusses, in allen anderen Fällen mit dem Abschluß des Verfahrens vor dem in Absatz 2 vorgesehenen Ausschuß. (4) Wird der Einspruch mit der Mehrheit der Stimmen der Län- derkammer beschlossen, so kann er durch Beschluß der Mehr- heit der Mitglieder der Volkskammer zurückgewiesen werden. Hat die Länderkammer den Einspruch mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln ihrer Stimmen beschlossen, so bedarf die Zurückweisung durch die Volkskammer einer Mehrheit von zwei Dritteln der Anwesenden, mindestens der Mehrheit der Mitglieder der Volkskammer. Artikel 93 Ein von der Volkskammer beschlossenes Gesetz kommt zustan- de, wenn die Länderkammer zustimmt, den Antrag gemäß Artikel 92 Absatz 2 nicht stellt, innerhalb der Frist des Artikels 92 Absatz 3 keinen Einspruch einlegt oder ihn zurücknimmt oder wenn der Einspruch von der Volkskammer nach Maßgabe des Artikels 92 Absatz 4 überstimmt wird. Artikel 94 (1) Durch Gesetz kann die Regierung zum Erlaß von Verordnun- gen ermächtigtwerden. In der Verordnung ist die Rechtsgrundla- ge anzugeben. Gesetzesändernde Verordnungen sind ausge- schlossen. (2) Das Gesetz kann bestimmen, daß vor Erlaß der Verordnung der zuständige Ausschuß der Volkskammer gehört wird und ihre Wirksamkeit davon abhängig gemacht wird, daß der Ausschuß der Verordnung nicht widerspricht. Ist ein Gesetz zustimmungs- pflichtig, so gilt dies auch für Verordnungen. (3) Rahmengesetze können vorsehen, daß die Landtage Verord- nungsermächtigungen unter entsprechender Anwendung der Ab- sätze 1 und 2 erteilen. Artikel 95 Der Bund und die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit ihnen die Verfassung dieses Recht ausdrücklich zuweist. Auf den anderen Gebieten haben die Länder die Gesetzgebungs- befugnis, soweit und solange der Bund von seinem Recht keinen Gebrauch gemacht hat. Der Bund kann auf den Gebieten seiner Gesetzgebung Rahmengesetze erlassen. Artikel 96 Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über: 1. die auswärtigen Angelegenheiten; 2. die Staatsbürgerschaft; 3. das bürgerliche Recht und das Zivilprozeßrecht, das Straf- recht und das Strafprozeßrecht, das Arbeits- und Sozialrecht einschließlich der Betriebsverfassung und des Verfahrens- rechts, die Gerichtsverfassung; 4. die Freizügigkeit, das Paßwesen, die Ein- und Auswande- rung und die Auslieferung; 5. das Währungs-, Geld- und Münzwesen, Maße und Gewichte sowie die Zeitbestimmung; 6. die Einheit des Zoll- und Handelsgebietes, die Handels- und Schiffahrtsverträge, die Freizügigkeit des Warenverkehrs und den Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Auslande einschließlich des Zolls und des Grenzschutzes; 7. das Recht der Wirtschaft einschließlich der Unternehmens- verfassung; 8. das Bodenrecht und den Grundstücksverkehr einschließlich des Rechts der Enteignung; 9. den Bergbau, die Energieversorgung einschließlich des Rechts der Kernenergie; 10. die Angelegenheiten der Verteidigung; 11. die Reichsbahn und den Luftverkehr, die Bundeswasserstra- ßen und die Autobahnen; 12. das Post- und Fernmeldewesen; 13. die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen; 14. den gewerblichen Rechtsschutz, das Urheberrecht und das Verlagsrecht; 15. die Organisation der Kriminalpolizei, der internationalen Verbrechensbekämpfung sowie der Spionageabwehr; 16. die Statistik für Bundeszwecke; 17. die anderen in dieser Verfassung vorgesehenen Fälle. Artikel 97 Die Länder haben die ausschließliche Gesetzgebung über 1. das Länderstaatsrecht; 2. die Länderraumordnung; 3. das Recht der Gefahrenabwehr; 4. die Einrichtung von selbständigen Trägern der Landesver- waltung; 5. die Errichtung der Gerichtsbezirke; 6. die Errichtung der Träger der Kommunalautonomie und das Kommunalrecht; 7. den Natur- und Landschaftsschutz; 8. das Bauordnungsrecht; 9. die Errichtung von Universitäten und Fachhochschulen; 10. das Archiv- und Bibliothekswesen in den Ländern und die Kulturförderung; 11. die Denkmalpflege in den Ländern; 12. die Schmalspur- und die Seilbahnen; 13. das Forst- und Jagdwesen und die Binnenfischerei; 14. die Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Hausmüll und Bauschutt; 15. das Markt- und Messewesen. Artikel 98 (1) Gesetzesvorlagen zu einem Volksentscheid werden durch Volksbegehren beim Präsidenten der Republik eingebracht. Dem Volksbegehren muß ein ausgearbeiteter und mit Gründen versehener Gesetzentwurf zugrunde liegen. Im Entwurf sind neun Vertrauensleute zu benennen. Der Volksentscheid ist her- beizuführen, wenn das Begehren von 750 000 stimmberechtig- ten Bürgern gestellt wird. (2) Ein Volksentscheid über den Staatshaushalt findet nicht statt. (3) Der Präsident legt den Entwurf unverzüglich der Regierung von Hat er Zweifel an der Zulässigkeit des Volksbegehrens, so beantragt er innerhalb von vier Wochen eine Entscheidung des Verfassungsgerichts; die Vertrauensleute sind am Verfahren zu beteiligen. (4) Der Ministerpräsident unterbreitet das Volksbegehren zu- gleich mit einer Stellungnahme der Regierung binnen eines Monats der Volkskammer. Die Vertrauensleute sind zu den Bera- tungenderzuständigen Ausschüsse der Volkskammer hinzuzuzie- hen und haben in ihnen das Rederecht. Der Volksentscheid unterbleibt, wenn die Volkskammer die Gesetzesvorlage inner- halb einer Frist von drei Monaten nach Unterbreitung unverändert oder in einer Fassung, der zwei Drittel der Vertrauensleute zuge- stimmt haben, annimmt. Bei der Berichterstattung des Ausschus- ses steht der Vertretung des Volksbegehrens das Rederecht zu. Im übrigen ist der Volksentscheid binnen zehn Wochen nach Ablauf der in Satz 3 genannten Frist herbeizuführen. Den Trägern des Volksbegehrens ist innerhalb dieser Zeit in den öffentlich-rechtli- chen Massenmedien Gelegenheit zur unentgeltlichen Werbung für ihr Anliegen zu geben. (5) Beim Volksentscheid kann nur mit "ja" oder "nein" abgestimmt werden. Es entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. (6) Das Verfahren wird durch Gesetz geregelt. Artikel 99 (1) Die nach den Vorschriften dieser Verfassung zustande gekom- menen Gesetze werden nach Gegenzeichnung durch den Minister- präsidenten vom Präsidenten der Volkskammer ausgefertigt und im Gesetzblatt verkündet. (2) Verordnungen sind im Gesetzblatt zu veröffentlichen. (3) Jedes Gesetz und jede Verordnung tritt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem 14. Tag nach Ablauf des Tages in Kraft, an dem das Gesetzblatt erscheint. Artikel 100 (1) Diese Verfassung kann nur durch ein Gesetz der Volkskammer geändert werden, das der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder der Volkskammer bedarf. Es muß den Wortlaut der Verfassung ausdrücklich ändern oder ergänzen. Es bedarf der Bestätigung in einem Volksentscheid. (2) Eine Änderung der Verfassung, die die in den Artikeln 1,40,42, 89 und 107 niedergelegten Grundsätze in Frage stellen, ist unzulässig. 2. Abschnitt Die Verwaltung Artikel 101 Die Länder führen die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, soweit diese Verfassung nichts anderes bestimmt oder zuläßt. Artikel 102 (1) Führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegen- heit aus, so regein sie die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren, soweit nicht Bundesgesetze mit Zustim- mung der Länderkammer etwas anderes bestimmen. Die Bundes- regierung kann mit Zustimmung der Länderkammer allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen. (2) Die Regierung des Bundes übt die Rechtsaufsicht aus. Sie kann zu diesem Zweck Beauftragte zu den obersten Landesbe- hörden entsenden. (3) Wird Beanstandungen nicht abgeholfen, so entscheidet die Länderkammer, ob das Land das Recht verletzt hat. Gegen den Beschluß der Länderkammer kann das Verfassungsgericht ange- rufen werden. Artikel 103 Führt der Bund die Gesetze durch bundeseigene Verwaltung oder durch bundesunmittelbare Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts aus, so werden die allgemeinen Verwal- tungsvorschriften von der Regierung erlassen. Das gleiche gilt für die Einrichtung der Behörden. Artikel 104 (1) In bundeseigener Verwaltung werden geführt 1. der auswärtige Dienst; 2. die Finanzverwaltung nach Maßgabe des Art. 118 und der Zoll; 3. die Genehmigung und die Überwachung kerntechnischer An- lagen; 4. die Deutsche Post; 5. Bundesstraßen einschließlich der Bundeswasserstraßen; 6. der Luftverkehr; 7. die Streitkräfte einschließlich der Grenztruppen; 8. die Spionageabwehr; 9. die Kriminalpolizei. (2) Durch Gesetz, das der Zustimmung der Länderkammer be- darf, kann der Bund für Angelegenheiten, auf denen die Länder nicht ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit haben, Bun- desämter einschließlich eines eigenen Verwaltungsunterbaus oder bundesunmittelbare Körperschaften oder Anstalten des öf- fentlichen Rechts errichten. Artikel 105 (1) Der Bund kann bei der Erfüllung der Aufgaben der Länder mitwirken, wenn diese Aufgaben für die Gesamtheit bedeutsam sind und die Mitwirkung des Bundes zur Verbesserung der Le- bensverhältnisse erforderlich ist. Die Mitwirkung des Bundes ist in Staatsverträgen zu vereinbaren. In den Verträgen sind Bestim- mungen über das Verfahren und über die Finanzierung vorzuse- hen. Die Bereitstellung der Mittel bleibt der Feststellung in den Haushaltsgesetzen des Bundes und der Länder vorbehalten. (2) Die Regierung des Bundes und die Länderkammer sind über die Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben zu unterrichten. Artikel 106 (1) Durch Gesetz wird eine unabhängige Staatsbank als bundes- unmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts errich- tet. (2) Die Staatsbank hat unter besonderer Berücksichtigung des Zieles der Vollbeschäftigung den Erfordernissen der Preisstabili- tät, des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts und eines ange- messenen Wirtschaftswachstums Rechnung zu tragen. (3) Die Mitglieder des Vorstandes der Staatsbank werden von dem beim Präsidenten einzurichtenden Wahlausschuß gewählt. Diesem gehören neben den Mitgliedern des Wahlausschusses nach Artikel 125 Absatz 3 (Rechnungshof) fünf weitere Mitglie- der nach Maßgabe des Einrichtungsgesetzes an. (4) Der Finanzminister und der Vorsitzende des Finanzausschus- ses der Volkskammer haben das Recht, an den Sitzungen des Vorstandes der Staatsbank teilzunehmen. 3. Abschnitt Die Rechtsprechung Artikel 107 Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut. Die Richter sind unabhängig und nur der Verfassung und dem Ge- setz unterworfen. Artikel 108 (1) Die rechtsprechende Gewalt wird durch das Verfassungsge- richt und durch andere Gerichte des Bundes und der Länder für Straftaten und zivil-, familien-, verwaltungs-, finanz-, arbeits- und sozialrechtliche Streitigkeiten sowie durch gesellschaftli- che Gerichte ausgeübt. (2) Soweit Gerichtszweige noch nicht bestehen, bedarf ihre Ein- führung des Gesetzes. Ausnahmegerichte sind unzulässig. Artikel 109 (1) Das Verfassungsgericht ist ein allen übrigen Verfassungsor- ganen gegenüber selbständiger und unabhängiger Gerichtshof des Bundes. Das Verfassungsgericht gibt sich eine Geschäfts- ordnung. (2) Die Entscheidungen des Verfassungsgerichts sind unan- fechtbar. Die Entscheidungsformel bindet die Organe des Bun- des und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. (3) Die Entscheidung des Verfassungsgerichts über die Verfas- sungsmäßigkeit eines Rechtssatzes hat Gesetzeskraft. Die Ent- scheidungsformel ist im Gesetzblatt zu veröffentlichen. Artikel 110 Das Verfassungsgericht entscheidet 1. über Verfassungsbeschwerden von Bürgerinnen und Bürgern gegen die Verletzung ihrer Menschen- und Bürgerrechte durch die öffentliche Gewalt; 2. über Zweifel an der Vereinbarkeit von Bundesrecht mit dieser Verfassung auf Antrag eines Fünftels der Mitglieder der Volkskammer, der Regierung des Bundes oder einer Landes- regierung; 3. über Zweifel an der Vereinbarkeit von Verträgen gemäß Artikel 80 mit dieser Verfassung nach Beginn des Gesetzgebungs- verfahrens auf Antrag eines Drittels der Mitglieder der Volks- kammer oder einer Landesregierung; 4. über Zweifel an der Vereinbarkeit von Landesrecht mit dieser Verfassung und mit sonstigem Recht des Bundes auf Antrag eines Drittels der Mitglieder der Volkskammer, der Regierung des Bundes oder einer Landesregierung; 5. auf Antrag eines Gerichts über die Vereinbarkeit eines Geset- zes des Bundes oder von Landesgesetzen mit dieser Verfas- sung, wenn das Gericht von der Verfassungswidrigkeit des betreffenden Gesetzes überzeugt ist und dies für die gericht- liche Entscheidung von Bedeutung ist; 6. auf Antrag eines Gerichts über Zweifel, ob eine Regel des Völkerrechts Bestandteil des innerstaatlichen Rechts ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den einzelnen erzeugt; 7. aus Anlaß von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten von Bundesorganen oder anderer Beteiligter, die in dieser Verfassung oder in Geschäftsordnungen oberster Bun- desorgane mit eigenen Rechten ausgestattet sind; 8. bei Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder, in besondere bei der Ausführung von Bundesrecht durch die Länder und bei der Ausübung der Bundesaufsicht; 9. in anderen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zwischen dem Bund und den Ländern, zwischen verschiedenen Län- dern oder innerhalb eines Landes, soweit nicht ein anderer Rechtsweg angegeben ist; 10. über Beschwerden von Trägern der Kommunalautonomie und anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften wegen Verletzung ihrer Rechte. Es entscheidet ferner in den anderen ihm von der Verfassung und vom Gesetz zugewiesenen Fällen. Artikel 111 (1) Das Verfassungsgericht besteht aus dem Präsidenten, zwei Vizepräsidenten und sechs Verfassungsrichtern. Sie dürfen wäh- rend ihrer Amtszeit keinem anderen staatlichen Organ angehö- ren. (2) Das Verfassungsgericht bildet einen Senat und drei Kam- mern, die die Entscheidungen des Senats vorbereiten. Die Kam- mern können über Verfassungsbeschwerden und Richtervorla- gen einstimmig befinden, wenn der Senat in der gleichen Rechtsfrage schon geurteilt hat oder die Sache von geringer Bedeutung oder die Rechtslage offensichtlich ist. (3) Das Verfahren vor dem Verfassungsgericht ist gebührenfrei. Artikel 112 (1) Die Richter des Vefassungsgerichtes werden von einem beim Präsidenten der Republik einzurichtenden Richterwahlaus- schuß auf die Dauer von 12 Jahren gewählt. Eine Wiederwahl ist ausgeschlossen. (2) Der Richterwahlausschuß besteht aus - dem Präsidenten der Republik als Vorsitzendem; - je zwei weisungsunabhängigen, von den Länderregierungen bestellten Bevollmächtigten sowie einer doppelten Anzahl von Abgeordneten der Volkskammer, die nach den Grundsätzen der Verhältniswahl bestimmt werden. (3) Der Ausschuß entscheidet mit einer Mehrheit von zwei Drit- teln der Stimmen seiner Mitglieder. Artikel 113 (1) Die Rechtsstellung der Richter ist durch besonderes Gesetz zu regeln. (2) Die Bundesrichter werden von einem Ausschuß gewählt, der entsprechend der Vorschrift des Artikels 112 Absatz 2, ergänzt um den jeweiligen Fachminister, gebildet wird. Der Ausschuß entscheidet mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder. (3) Die Berufsrichter werden auf Lebenszeit ernannt. Sie können gegen ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und nur aus Gründen und unter den Formen, die die Gesetze bestimmen, dauernd oder zeitweise ihres Amtes enthoben oder an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden'. Das Ge- setz kann eine Altersgrenze festsetzen, bei deren Erreichung Richter in den Ruhestand treten. Bei Veränderungen der Ge- richtsbezirke können Richter an ein anderes Gericht versetzt oder unter Belassung des vollen Gehalts in den Ruhestand Ver- setzt werden. IV. Kapitel Die Staatsfinanzen Artikel 114 (1) Der Bund und die Länder tragen gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit die Verfassung nichts anderes bestimmt. Gesetze des Bundes, die Geldleistungen gewähren, müssen bestimmen, daß die Geldleistungen vom Bund getragen werden. (2) Der Bund kann den Ländern Finanzhilfen für besonders be- deutsame Investitionen der Länder und der Träger der Kommu- nalautonomie gewähren, die zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft oder zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums erforderlich sind. Finanzhilfen können auch für In- vestitionen zur Förderung des Umweltschutzes und zur Verbes- serung der Agrarstruktur gewährt werden. Das Nähere wird durch Gesetz bestimmt, das der Zustimmung der Länderkam- mer bedarf. Artikel 115 (1) Der Bund hat die Gesetzgebung über Zölle und Steuern, soweit sie nicht nach Satz 2 den Ländern zusteht. Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Ver- brauchs- und Aufwandssteuern. (2) Zölle, Steuern und sonstige Abgaben dürfen nur auf der Grundlage gesetzlicher Vorschriften erhoben werden. (3) Gesetze des Bundes über Steuern, deren Aufkommen den Ländern ganz oder zum Teil zufließt, bedürfen der Zustimmung der Länderkammer. Artikel 116 (1) Das Aufkommen folgender Steuern steht dem Bund zu: - die Zölle, - die Verbrauchssteuern, soweit sie nicht nach Absatz 4 dem Bund und den Ländern gemeinsam oder nach Absatz 3 den Trägern der Kommunalautonomie zustehen, - die Kapitalverkehrssteuern, - die Versicherungssteuer. (2) Das Aufkommen folgender Steuern steht den Ländern zu: - die Grunderwerbssteuer, - die Vermögenssteuer, - die Kraftfahrzeugsteuer, - die Erbschaftssteuer, - die Rennwett- und Lotteriesteuern. (3) Das Aufkommen folgender Steuern steht den Trägern der Kommunalautonomie zu: - die Gewerbesteuer, - die Grundsteuer, - die Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis. (4) Das Aufkommen der Einkommenssteuer, der Körper- schaftsteuer und der Umsatzsteuer steht dem Bund und den Ländern gemeinsam zu (Gemeinschaftssteuern), soweit das Aufkommen der Einkommenssteuer nicht nach Absatz 5 den Trägern der Kommunalautonomie zugewiesen wird. Die Anteile von Bund und Ländern werden durch Gesetz festgelegt, das der Zustimmung der Länderkammer bedarf. Hierbei haben Bund und Länder im Rahmen der laufenden Einnahmen gleich- mäßig Anspruch auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben. Die Festlegung ist so vorzunehmen, daß die Einheitlichkeit der Le- bensverhältnisse im Gebiet des Bundes weitestmöglich herge- stellt und gewahrt wird. Werden den Ländern durch Gesetz des Bundes zusätzliche Ausgaben auferlegt oder Einnahmen ent- zogen, so kann die Mehrbelastung durch Gesetz des Bundes, das der Zustimmung der Länderkammer bedarf, vorüberge- hend auch mit Finanzzuweisungen des Bundes ausgeglichen werden. (5) Die Träger der Kommunalautonomie erhalten einen Anteil an dem Aufkommen der Einkommenssteuer, der sie in die La- ge versetzt, ihre Aufgaben zu erfüllen. Der Anteil wird von den Ländern an ihre Träger der Kommunalautonomie unter Berück- sichtigung der unterschiedlichen Lebensverhältnisse nach Maßgabe der Einwohnerzahl weitergeleitet. Das Nähere be- stimmt ein Gesetz, das der Zustimmung der Länderkammer be- darf. (6) Von dem Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemein- schaftssteuern fließt den Trägern der Kommunalautonomie ins- gesamt ein von der Landesgesetzgebung zu bestimmender Hun- dertsatz zu. Die Landesgesetzgebung bestimmt im übrigen, ob und inwieweit das Aufkommen der Landessteuern den Trägern der Kommunalautonomie zufließt. (7) Den Trägern der Kommunalautonomie ist das Recht einzu- räumen, im Rahmen der Gesetze die Hebesätze der Gewerbe- steuer und der Grundsteuer festzusetzen. Artikel 117 (1) Das Aufkommen der Landessteuern und der Länderanteil am Aufkommen der Einkommens- und der Körperschaftssteuer ste- hen den einzelnen Ländern insofern zu, als die Steuern von den Finanzbehörden in ihrem Gebiet vereinnahmt werden (örtliches Aufkommen). Durch Gesetz, das der Zustimmung der Länder- kammer bedarf, können nähere Bestimmungen über die Abgren- zung sowie über Art und Umfang der Zerlegung des örtlichen Aufkommens getroffen werden. Der Länderanteil am Aufkom- men der Umsatzsteuer steht den einzelnen Ländern nach Maß- gabe ihrer Einwohnerzahl zu. (2) Durch Gesetz, das der Zustimmung der Länderkammer be- darf, ist sicherzustellen, daß die unterschiedliche Finanzkraft der Ländern angemessen ausgeglichen wird; hierbei sind die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Träger der Kommunalauto- nomie zu berücksichtigen. Das Gesetz kann auch bestimmen, daß der Bund aus seinen Mitteln leistungsschwachen Ländern Zuweisungen zur ergänzenden Deckung ihres allgemeinen Fi- nanzbedarfs (Ergänzungszuweisungen) gewährt. Artikel 118 (1) Der Bund und die Länder errichten Finanzverwaltungen. (2) Zölle und die vom Bund geregelten Verbrauchssteuern ein- schließlich der Einfuhrumsatzsteuer werden durch Finanzbehör- den des Bundes verwaltet. Der Aufbau dieser Behörden wird durch Bundesgesetz geregelt. (3) Die übrigen Steuern werden durch die Finanzbehörden der Länder verwaltet. Der Aufbau dieser Behörden und die einheitli- che Ausbildung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes wer- den durch Bundesgesetz geregelt, das der Zustimmung der Län- derkammer bedarf. (4) Das von den Finanzbehörden des Bundes anzuwendende Verwaltungsverfahren wird durch Bundesgesetz geregelt. Das von den Finanzbehörden der Länder anzuwendende Verfahren wird durch Bundesgesetz geregelt, das der Zustimmung der Länderkammer bedarf. Artikel 119 (1) Bund und Länder sind in ihrer Haushaltswirtschaft selbstän- dig und voneinander unabhängig. Sie haben unter besonderer Berücksichtigung des Zieles der Vollbeschäftigung den Erforder- nissen der Preisstabilität, des außenwirtschaftlichen Gleichge- wichts und eines angemessenen Wirtschaftswachstums Rech- nung zu tragen. (2) Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung der Länderkam- mer bedarf, können für den Bund und die Länder gemeinsam geltende Grundsätze für das Haushaltsrecht, für die Haushalts- wirtschaft sowie für eine mehrjährige Finanzplanung aufgestellt sowie zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts die Kreditaufnahme des Bundes, der Länder und der Träger der Kommunalautonomie sowie sonstiger öffentlicher Haushalte beschränkt werden. Artikel 120 (1) Der Haushaltsplan des Bundes dient der Feststellung und Deckung des Finanzbedarfs, der zur Erfüllung der Aufgaben des Bundes für ein Jahr erforderlich wird. Der beschlossene Haus- haltsplan ist die verbindliche Grundlage für die Haushalts- und Wirtschaftsführung. (2) Der Haushaltsplan des Bundes wird vor Beginn eines Haus- haltsjahres durch Gesetz beschlossen. (3) Im Haushaltsplan sind alle Einnnahmen und Ausgaben des Bundes aufzunehmen. Bei Staatsunternehmen brauchen nur die Zuführungen oder die Ablieferungen eingestellt zu werden. (4) Der Haushaltsplan ist in Einnahmen und Ausgaben auszu- gleichen. (5) Die Gesetzesvorlage nach Absatz 2 sowie Vorlagen zur Ände- rung des Haushaltsgesetzes und des Haushaltsplanes werden gleichzeitig mit der Zuleitung an die Länderkammer bei der Volkskammer eingebracht; die Länderkammer ist berechtigt, in- nerhalb von sechs Wochen, bei Änderungsvorlagen innerhalb von drei Wochen, zu den Vorlagen Stellung zu nehmen. Artikel 121 (1) Ist bis zum Schluß des Rechnungsjahres der Haushaltsplan für das folgende Jahr nicht durch Gesetz festgestellt, so ist bis zu seinem Inkrafttreten die Regierung ermächtigt, alle Ausga- ben zu leisten, die nötig sind, a) um gesetzlich bestehende Einrichtungen zu erhalten und ge- setzlich beschlossene Maßnahmen durchzuführen, b) um die rechtlich begründeten Verpflichtungen zu erfüllen, c) um Bauten, Beschaffungen und sonstige Leistungen fortzu- setzen oder Beihilfen für diese Zwecke weiter zu gewähren, sofern durch den Haushaltsplan des Vorjahres bereits Beträ- ge bewilligtworden sind. (2) Soweit nicht auf besonderem Gesetz beruhende Einnahmen aus Steuern und sonstigen Abgaben die Ausgaben unter Absatz 1 decken, darf die Regierung die zur Aufrechterhaltung der Wirt- schaftsführung erforderlichen Mittel bis zur Höhe eines Viertels der Kreditaufnahme des abgelaufenen Haushaltsjahres im We- ge des Kredits flüssig machen. Artikel 122 Überplanmäßige und außerplanmäßige Ausgaben bedürfen der Zustimmung des Ministers der Finanzen. Sie darf nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses er- teilt werden. Über- und außerplanmäßige Ausgaben sollen durch Einsparungen bei anderen Ausgaben des Haushaltsplanes des Bundes ausgeglichen werden. Einzelheiten können durch Bun- desgesetz bestimmt werden. Artikel 123 Gesetze, welche die von der Regierung vorgeschlagenen Ausga- ben des Haushaltsplanes erhöhen oder neue Aufgaben in sich schließen oder für die Zukunft mit sich bringen, bedürfen der Zustimmung der Regierung. Das gleiche gilt für Gesetze, die Einnahmenminderungen in sich schließen oder für die Zukunft mit sich bringen. Artikel 124 (1) Die Aufnahme von Krediten sowie die Übernahme von Bürg- schaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen, die zu Ausgaben in künftigen Rechnungsjahren führen können, bedür- fen einer der Höhe nach bestimmten oder bestimmbaren Er- mächtigung durch Bundesgesetz. (2) Die Einnahmen aus Krediten dürfen die Summe der im Haus- haltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht über- schreiten. Ausnahmen sind nur zulässig zur Abwehr einer Stö- rung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. (3) Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt. Artikel 125 (1) Der Minister der Finanzen hat der Volkskammer im Laufe des nächsten Jahres über alle Haushaltseinnahmen eines Rech- nungsjahres sowie über ihre Verwendung und die Schulden des Bundes zur Entlastung der Regierung Rechenschaft zu legen. Der Rechnung ist ein Vermögensnachweis beizufügen. (2) Die Prüfung der Haushaltsrechnung sowie der Wirtschaftlich- keit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsfüh- rung erfolgt durch den Rechnungshof des Bundes. Seine Mit- glieder besitzen richterliche Unabhängigkeit. Artikel 65 Absatz 2 Satz 2 findet entsprechende Anwendung. Er hat der Regierung, der Volkskammer und der Länderkarnmer jährlich über die Er- gebnisse seiner Tätigkeit zu berichten. (3) Die Mitglieder des Rechnungshofes werden durch einen beim Präsidenten der Republik einzurichtenden Wahlausschuß gewählt. Diesem Ausschuß gehören an: 1. der Präsident als Vorsitzender; 2. der Präsident der Volkskammer; 3. die Mitglieder des Finanzausschusses der Volkskam- mer; 4. der Finanzminister; 5. die Finanzminister der Länder. V. Kapitel Übergangs- und Schlußbestimmungen Artikel 126 (1) Nach Inkraftsetzung dieser Verfassung werden die Gesetze ausschließlich von den in dieser Verfassung vorgesehenen ge- setzgebenden Körperschaften des Bundes und der Länder be- schlossen. (2) Als Bundesrecht gilt dasjenige Recht der Deutschen Demo- kratischen Republik fort, dessen Gegenstände nicht in der aus- schließlichen Gesetzgebungsbefugnis der Länder liegen. (3) Als Landesrecht gilt dasjenige Recht der Deutschen Demo- kratischen Republik fort, dessen Gegenstände zur ausschließli- chen Gesetzgebungsbefugnis der Länder gehören. Für eine Dau- er von vier Jahren vom Inkrafttreten dieser Verfassung an kön- nen die Länder dieses Landesrecht nur gemeinsam und mit Zustimmung der Länderkammer ändern, ergänzen oder aufhe- ben. Bis zum ersten Zusammentritt der Länderkammer kann die Volkskammer als Landesrecht fortgeltende Rechtsvorschriften ändern, ergänzen oder außer Kraft setzen. Artikel 127 (1) Recht der Deutschen Demokratischen Republik gilt nach Maßgabe dieses Artikels fort, soweit es dieser Verfassung nicht widerspricht. (2) Die Rechte gemäß den Artikeln 8 Absatz 2, 21 Absatz 4, 23 Absatz 3, 26 und 27 Absatz 3 Satz 4 bestehen bis zur Anpassung des geltenden Rechts an diese Verfassung nur in dem zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens bestehenden Umfang; die Anpas- sung muß spätestens am 31. Dezember 1990 vollzogen sein. (3) Anlagen, die entgegen den Bestimmungen des Artikels 33 Absätze 2 und 3 Gefährdungen oder Beeinträchtigungen der natürlichen Umwelt verursachen, können für fünf Jahre vom In- krafttreten dieser Verfassung an weiter betrieben werden, so- weit sie das Maß der am 31. März 1990 von ihnen verursachten Emissionen nicht überschreiten und unverzüglich wirksame Maßnahmen zu deren schrittweiser Verminderung auf die von dieser Verfassung erlaubten Grenzwerte ergriffen werden. Die Bestimmungen des Artikels 33 Absatz 4 gelten für Altlasten nur nach Maßgabe des Gesetzes. Artikel 128 Die in den Artikeln 21 Absatz 3 Satz 3 und 113 Absatz 1 erteilten Gesetzgebungsaufträge sind vom Bund und von den Ländern bis zum 31. Dezember 1990 zu erfüllen. Richter, die vor Inkrafttre- ten dieser Verfassung gewählt worden sind, bleiben bis zur Wirksamkeit des in Artikel 113 Absatz 1 genannten Gesetzes im Amt. Artikel 129 (1) Mit dem Inkrafttreten dieser Verfassung sind die in Artikel 41 Absatz 1 genannten Länder errichtet. (2) Die Volkskammer hat unverzüglich ein Gesetz zu verabschie- den, welches die Ländergrenzen festlegt und vorläufige Rege- lungen über die Einrichtungen von Länderverwaltungen sowie von Regelungen für die Konstituierung der obersten Staatsorga- ne der Länder enthält (Ländererrichtungsgesetz). Dieses Gesetz bedarf der Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder der Volks- kammer. Artikel 130 Anspruch auf bevorrechtigte Einbürgerung haben diejenigen, die oder deren Vorfahren aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Ras- se oder Religion in der Zeitvom 30. Januar 1933 bis zum 9. Mai 1945 verfolgt oder von Verfolgung bedroht wurden, wenn sie oder ihre Abkömmlinge erneut Diskriminierungen aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit ausgesetzt sind. Artikel 131 (1) Die Bodenreform und die Eigentumsentziehungen, die durch Artikel 24 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Repu- blik vom 7. Oktober 1949 bestätigt worden sind, sind unantast- bar (2) Enteignungen und sonstige Formen der Eigentumsentzie- hung, die zum Zeitpunkt ihres Vollzugs in Obereinstimmung mit dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik erfolgten, bleiben unbeschadet formeller Unrichtigkeiten von Grundbü- chern, Katastern und anderer öffentlicher Register wirksam. Das gleiche gilt für vermögenswerte Rechte, die Bürger nach dem Verlassen der Deutschen Demokratischen Republik zurückge- lassen haben und die in Übereinstimmung mit dem jeweils gel- tenden Recht der Deutschen Demokratischen Republik endgül- tig auf Dritte übertragen worden sind oder von Dritten genutzt werden. Nutzungen an derartigen vermögenswerten Rechten sind zu schützen. Die Nutzer haben Anspruch auf Eigentumser- werb nach den am 31. Dezember 1989 geltenden Rechtsvor- schriften über die Bewertung, soweit das Eigentum in der Hand eines Trägers öffentlicher Gewalt ist. Soweit davon Wohnungen, Wohngrundstücke und für Erholungszwecke genutzte Grundstük- ke betroffen sind, haben dieses Recht die persönlichen Nutzer. (3) Eigentum, das unter Verletzung des jeweils geltenden Rechts der Deutschen Demokratischen Republik entzogen wor- den ist, ist auf Antrag an die rechtmäßigen Eigentümer zurückzu- erstatten, soweit es sich noch in der Verfügung eines Trägers öffentlicher Gewalt befindet. Dies gilt nicht für Wohnungen und Wohngrundstücke sowie für Erholungszwecke genutzte Grund- stücke. Es gilt auch nicht für Eigentum, das in die Verfügung von Genossenschaften und volkseigenen Unternehmen übergegan- gen ist. (4) Ist eine Rückerstattung nach Absatz 3 ausgeschlossen, blei- ben die inzwischen erfolgten Verfügungen wirksam. Die Rechts- stellung der Nutzer bestimmt sich nach Absatz 2 Sätze 3 bis 5. Nutzungen sind auch dann zu schützen, wenn eine Rückerstat- tung nach Absatz 3 stattfindet. Den früheren Eigentümern ist eine Entschädigung zu zahlen. Die Entschädigung ist auf ge- setzlicher Grundlage unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten auf der Grundlage des im Zeitpunkt des Verlassens der Deutschen Demokratischen Repu- blik geltenden Bewertungsgesetzes zu bestimmen; dabei sind der Zeitpunkt und die besonderen persönlichen Umstände, die zum Verlassen der Deutschen Demokratischen Republik führten, zu berücksichtigen. Die Entschädigung kann in Raten gezahlt werden. Bei Lastenausgleichszahlungen im Hinblick auf den Vermögensverlust ist die Entschädigung ausgeschlossen. In ge- eigneten Fällen ist ein einverständlicher Interessenausgleich zwischen den Beteiligten zu fördern, der an die Stelle von Ent- schädigungsleistungen tritt. (5) Die vollen Eigentumsrechte an beweglichen Sachen, die nach den bis zum 31. Dezember 1989 geltenden Rechtsvor- schriften in der treuhänderischen Verwaltung des Staates oder eines sonstigen Treuhänders standen, sind auf Antrag der Be- rechtigten wiederherzustellen; soweit der Treuhänder darüber verfügt hat, sind die Erlöse auszuhändigen. Das gilt nicht für bewegliche Sachen, die von volkseigenen Betrieben oder Ge- nossenschaften genutzt werden. (6) Soweit das Eigentum an treuhänderisch verwaltetem unbe- weglichem Vermögen nicht gemäß den nachfolgenden Vorschrif- ten auf neue Rechtsträger übergeht, sind die vollen Eigentums- rechte der Berechtigten auf deren Antrag wiederherzustellen. Das Eigentum an treuhänderisch verwalteten Wohnungen, Wohngrundstücken und für Erholungszwecke genutzten Grund- stücken geht auf die Träger der Kommunalautnonomie über, in deren Gebiet sie gelegen sind. Für die persönlichen Nutzer gelten die Vorschriften des Absatzes 2 Sätze 3 und 4. Das Eigentum an treuhänderisch verwaltetem unbeweglichem Ge- nossenschaftsvermögen geht auf die nutzende Genossenschaft über. Das Eigentum an treuhänderisch verwaltetem unbewegli- chem Betriebsvermögen geht auf den Treuhänder über. Es ist auf die nutzenden Betriebe zu übertragen, sobald sie die Rechtsform eines selbständigen Unternehmens annehmen. Das Eigentum an diesen Unternehmen steht dem Land zu, in dem sie ihren Sitz haben. Die Vorschriften des Absatzes 4 Sätze 4 bis 8 finden Anwendung. Artikel 132 (1) Wird die Einheit durch einen Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland verwirklicht, so sind die Voraussetzungen, unter denen das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland für das gegenwärtige Hoheitsgebiet der Deutschen Demokratischen Re- publik in Kraft gesetzt wird, durch Vereinbarung zu regeln. Die Erfüllung der völkerrechtlichen und außenwirtschaftlichen Ver- pflichtungen der Deutschen Demokratischen Republik muß si- chergestellt sein. (2) Die Vereinbarung bedarf zu' ihrer Wirksamkeit der Zustim- mung von zwei Dritteln der Mitglieder der Volkskammer und der Bestätigung in einem Volksentscheid. (3) Diese Vereinbarung soll Regelungen über die beschleunigte Angleichung der Wirtschaftskraft der auf dem gegenwärtigen Hoheitsgebiet der Deutschen Demokratischen Republik gelege- nen Landesteile und der Lebensverhältnisse ihrer Bewohner an die im jetzigen Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beste- henden Verhältnisse enthalten. Zur Verwirklichung des Rechts der Bürger der Deutschen Demokratischen Republik auf Beteili- gung an der demokratischen Selbstbestimmung des deutschen Volkes ist auf das Zusammentreten einer gesamtdeutschen ver- fassungsgebenden Versammlung hinzuwirken. (4) Die Vereinbarung soll ferner vorsehen, daß die in dieser Verfassung garantierten Menschen- und Bürgerrechte auf dem gegenwärtigen Hoheitsgebiet der Deutschen Demokratischen Republik auch dann fortgelten, wenn sie Rechte begründen, die im Grundgesetz nicht enthalten sind. Dies gilt auch für die unmittelbare Bindung Dritter an diese Rechte. Sie sollen als Landesverfassungsrecht fortgelten; die Geltung des Artikels 31 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland soll in- soweit ausgeschlossen sein. Die Vereinbarung soll vorsehen, daß Rechtsvorschriften der Deutschen Demokratischen Repu- blik, die mit den vorgenannten Rechten vereinbar sind, nicht aber mit dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, abweichend von Artikel 31 des Grundgesetzes für die Bundesre- publik Deutschland, als Landesrecht auf dem gegenwärtigen Hoheitsgebiet der Deutschen Demokratischen Republik fortgel- ten. Änderungen des nach diesem Absatz fortgeltenden Rechts bedürfen der Zustimmung aller auf dem gegenwärtigen Hoheits- gebiet der Deutschen Demokratischen Republik eingerichteten Länder. Artikel 133 Bis zur Wahl des Präsidenten der Republik gemäß Artikel 85 nimmt der Präsident der Volkskammer dessen Aufgaben und Befugnisse wahr. Artikel 134 Am Tage des Inkrafttretens dieser Verfassung verliert die Verfas- sung der Deutschen Demokratischen Republik vom 6. April 1968 in der zuletzt geänderten Fassung vom 5. April 1990 ihre Gültigkeit. Artikel 135 (1) Diese Verfassung bedarf zu ihrer Annahme eines Beschlus- ses der Volkskammer mit der Mehrheit von zwei Dritteln ihrer Mitglieder und einer Bestätigung durch Volksentscheid. Sie kann als vorläufiges Grundgesetz durch einen Beschluß der Volkskammer mit der Mehrheit von zwei Dritteln ihrer Mitglieder in Kraft gesetzt werden. (2) Die Verfassung wird vom Präsidenten der Volkskammer aus- gefertigt und im Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik verkündet. Artikel 136 Diese Verfassung verliert ihre Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von einer gesamtdeutschen verfassungsgebenden Versammlung beschlossen und durch ei- nen Volksentscheid bestätigt worden ist, oder an dem Tage, an dem sie nach Eintritt der Voraussetzungen des Artikels 132 außer Kraft gesetzt wird. --------------------------------------------------------------- Anhang Erklärung des Runden Tisches vom 7. Dezember 1989 1. Die Teilnehmer des Runden Tisches stimmen überein, sofort mit der Erarbeitung des Entwurfes einer neuen Verfassung zu beginnen. 2. Sie berufen dafür eine paritätisch zusammengesetzte Arbeits- gruppe, die umgehend mit der Arbeit beginnt und nach Notwen- digkeit weitere Bürger und Bürgerinnen einbezieht. 3. Die Teilnehmer des Runden Tisches haben Übereinstimmung darüber, daß die Bestätigung dieser neuen Verfassung nach Neuwahlen vor Volkskammer in einem Volksentscheid 1990 erfolgt. 4. Die für die Durchführung der Neuwahlen erforderlichen Verfas- sungsänderungen sind unverzüglich zu erarbeiten. 5. Die Teilnehmer des Runden Tisches nehmen das Angebot zur Mitwirkung an einem entsprechenden Volkskammerausschuß zur Kenntnis und bestimmen eigenständig ihre Mitarbeit. -------------------------------------------------------------------- Beschluß des Runden Tisches vom 12. März 1990 Zur Arbeit an einer neuen Verfassung: 1. Die vorgelegten und in Arbeit befindlichen Teile des Entwurfs der neuen Verfassung der DDR sollen von der Arbeitsgruppe zu einem Gesamtentwurf bearbeitet werden. 2. Der Runde Tisch beauftragt die Arbeitsgruppe, diesen Verfas- sungsentwurf im April 1990 der Öffentlichkeit zur Diskussion zu übergeben. 3. Der Runde Tisch empfiehlt der neugewählten Volkskammer, die Arbeitsgruppe "Neue Verfassung der DDR" dann in die Tätigkeit des zu bildenden Verfassungsausschusses einzubeziehen, wenn er die Ergebnisse der öffentlichen Verfassungsdiskus- sion auswertet. 4. Der Runde Tisch schlägt der neugewählten Volkskammer vor, für den 17. Juni 1990 einen Volksentscheid über die Verfas- sung der DDR und ein Ländereinrichtungsgesetz auszuschrei- ben. 5. Der Verfassungsentwurf des Runden Tisches ist in die Debat- te um eine neue gesamtdeutsche Verfassung einzubeziehen, wie dies auch in der Präambel und im Artikel 146 des Grund- gesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vorgesehen ist. ---------------------------------------------------------------- Brief an die Abgeordneten der Volkskammer vom 4. April 1990 Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Arbeitsgruppe "Neue Verfassung der DDR" des Runden Ti- sches hat in ihrer Plenarsitzung am 4. April 1990 einen Gesamt- entwurf der Verfassung der DDR einstimmig verabschiedet. Der Entwurf hat damit die Zustimmung der Repräsentanten all jener Parteien und Vereinigungen gefunden, die den Runden Tisch bildeten und die in der neu gewählten Volkskammer eine verfas- sunggebende Mehrheit besitzen. Der Runde Tisch hat uns durch seinen Beschluß vom 12. März 1990 beauftragt, den Entwurf der Öffentlichkeit zu übergeben. Wir übergeben Ihnen, sehr geehrte Abgeordnete, den Gesamt- entwurf der Verfassung mit der Bitte, sich dafür einzusetzen, daß die Volkskammer der Inkraftsetzung dieses Verfassungsent- wurfs der Beschlußfassung über verfassungsändernde Einzelge- setze den Vorzug gibt. Wir sind überzeugt, daß wir für die Proble- me, denen sich unser Land gegenübersieht, sachgerechte und am Standard modernen Verfassungsdenkens orientierte Verfas- sungsregelungen gefunden haben. Wir möchten unterstreichen, daß der Entwurf eine in sich zusammenhängende und aufeinan- der abgestimmte Regelung darstellt, die für Aufbau und Arbeits- weise eines demokratischen und sozialen Rechtsstaates und für die Sicherheit seiner Bürger erforderlich ist. Wir glauben, daß die Verabschiedung dieses Verfassungsentwurfs der weiteren Entwicklung unseres Landes auf dem Weg zur deutschen Einheit und insbesondere auch dem Wirken der Volkskammer eine gute Grundlage geben würde. Die Arbeitsgruppe erklärt sich bereit und bittet darum, an der Arbeit des Verfassungsausschusses der Volkskammer beratend mitzuwirken. Berlin-Niederschönhausen, 4.4.1990 Mit vorzüglicher Hochachtung Mitglieder der Arbeitsgruppe "Neue Verfassung der DDR" Anlagen: Unterschriften Verfassungsentwurf Mitglieder der Arbeits- und Expertengruppe Der Arbeitsgruppe des Runden Tisches "Neue Verfassung der DDR" gehörten, zum Teil abwechselnd, an: Herbert Blahnik, DBD; Ministerin Tatjana Böhm, Unabhängiger Frauenverband; Klaus Emmerich, FDGB (Sekretär der AG); Erich Fischer, SPD; Tatjana Forner, Unabhängiger Frauenverband; Bernd Gehrke, Vereinigte Linke; Erwin Gehrt, Bund Freier Demo- kraten; Karl-Friedrich Gruel, PDS; Reinhard Gruhl, Demokratie Jetzt; Rainer Hannemann, Demokratischer Aufbruch; Bernhard Hellner, CDU; Witho Holland, Bund Freier Demokraten; Rainer Huhle, Bauernverband e.V. der DDR; Elfgard Künstler, Bund Freier Demokraten; Mareile Löber, Grüne Liga; Dietrich Meltzer, CDU; Erich Pannach, Domoewina; Minister Gerd Poppe, Initiative Frieden und Menschenrechte; Gerd Quilitzsch, FDGB; Peter Schindler, Bauernverband e.V. der DDR; Gert Schoppa, Bauern- verband e.V. der DDR; Richard Schröder, SPD; Werner Schulz, Neues Forum; Kerstin Spyrka, DBD; Gudrun Stecklina, Demokra- tie Jetzt; Wolfgang Templin, Initiative Frieden und Menschen- rechte; Minister Wolfgang Ullmann, Demokratie Jetzt; Gerhard Weigt, Demokratie Jetzt; Christine Weiske, Grüne Partei; Klaus Wolfram, Neues Forum; Vera Wollenberger, Grüne Partei; Expertengruppe: Dr. sc. Tatjana Ansbach, Berlin; Prof. Dr. Axel Azzola, Darm- stadt; Prof. Dr. Alexander von Brünneck, Hannover; Prof. Dr. sc. Bernhard Graefrath, Berlin; Dr. Bernd Hohmann, Berlin; Dr. Peter Müller, Oberkirchenratspräsident, Schwerin; Prof. Dr. Ulrich K. Preuß, Bremen; Dr. Gerd Quilitzsch, Berlin; Prof. Dr. Bernhard Schlink, Bonn; Prof. Dr. Karl-Heinz Schöneburg, Berlin; Dr. Dr. h. c. Helmut Simon, Bundesverfassungsrichter a.D., Karlsruhe; Doz. Dr. Fritz Tech, Berlin; Doz. Dr. sc. Hans-Jürgen Will, Berlin; Prof. Dr. sc. Rosemarie Will, Berlin Redaktionsgruppe: Dr. K. Emmerich (Sekretär); Dr sc. E. Fischer; Dr. sc. K.-F Gru- el; R. Gruhl; Doz. Dipl.-Staatswiss. B. Hellner; Dr. D. Meltzer; Dr. P Müller; Dr. G. Weigt; Dr. H. J. Will; Prof. Dr. R. Will; K. Wolfram Die Präambel wurde von der Schriftstellerin Christa Wolf verfaßt.







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