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Erklärung des Vorsitzenden

Abgegeben im Namen der Staats- und Regierungschefs der G 7-Staaten und der Russischen Föderation

Neapel, 10. Juli 1994

1.

Diese Veranstaltung hat durch die vollwertige Teilnahme des Präsidenten der Russischen Föderation an den politischen Diskussionen eine zusätzliche Bedeutung erlangt. In dieser Partnerschaft spiegeln sich die Reformen, die in Rußland stattgefunden haben, wider, und sie bestärkt uns in dem Wunsch, die Probleme unserer Zeit in konstruktiver und verantwortlicher Weise gemeinsam zu lösen.

2.

Wir sind der festen Überzeugung, daß die bosnischen Konfliktparteien den Plan, der ihnen am 6. Juli in Genf vorgelegt wurde, annehmen sollten. Wir fordern sie mit Nachdruck auf, dies vor dem 19. Juli zu tun. Wird diese Gelegenheit nicht genutzt, so besteht die ernste Gefahr eines Wiederaufflammens des Krieges in größerem Maßstab. Die Parteien sollten jede militärische Aktion unterlassen.

Wir werden sicherstellen, daß die den Parteien bekannten Maßnahmen sowohl für den Fall der Annahme als auch der Ablehnung umgesetzt werden.

Wir unterstützen den von den Vereinten Nationen durchgeführten Aktionsplan zum Wiederaufbau Sarajevos und begrüßen die Unterzeichnung der Vereinbarung über die EU- Administration für Mostar am 5. Juli durch die Europäische Union und die beteiligten Parteien.

Im Hinblick auf die Schutzzonen der Vereinten Nationen in Kroatien fordem wir mit Nachdruck die Einhaltung des Waffenstillstands, die Wiederaufnahme der Gespräche und die gegenseitige Anerkennung bestehender Grenzen.

3.

Nach dem Tod von Kim Il Sung müssen wir weiterhin eine Lösung des Problems anstreben, das durch die Entscheidung Nordkoreas, aus der IAEO auszutreten, entstanden ist. Wir rufen die DVRK mit Nachdruck auf, mit der RK und der Völkergemeinschaft weiterhin zusammenzuwirken; dies schließt die Fortsetzung der Gespräche mit den Vereinigten Staaten sowie die weitere Vorbereitung des geplanten Gipfeltreffens müt der RK ein. Ferner rufen wir die DVRK nachdrücklich auf, durch uneingeschränkte und bedingungslose Einhaltung seiner Nichtverbreitungspflichten für vollständige Transparenz in bezug auf sein Nuklearprogramm zu sorgen und ein für allemal die Verdachtsmomente auszuräumen, die um seine nuklearen Aktivitäten entstanden sind. Wir unterstützen die erneuten Bemühungen, die nordkoreanische Nuklearproblematik auf dem Weg des Dialogs zu lösen, und betonen, wie wichtig es ist, daß die DVRK die Kontinuität der IAEO- Sicherungsmaßnahmen gewährleistet und ihr Nuklearprogramm eingefroren läßt, wozu auch zählt, daß abgebrannte Brennelemente nicht wieder aufgearbeitet und die Kernreaktoren des Landes nicht erneut bestückt werden.

4.

Wir haben die israelisch-palästinensische Grundsatzerklärung sowie die Unterzeichnung des Gaza-Jericho-Abkommens als ersten Schritt zu deren Umsetzung begrüßt. Wir erkennen die Notwendigkeit an, die Bereitstellung von Hilfe zu beschleunigen und die Bedingungen für eine wirkliche Verbesserung der Lebensumstände zu schaffen. Fortschritte in den anderen bilateralen Gesprächsprozessen und in den multilateralen Verhandlungen sind nunmehr dringend erforderlich, um eine dauerhafte und umfassende Beilegung des arabisch-israelischen Streites sowie einen breiter angelegten Friedens- und Kooperationsprozeß in der gesamten Nahost- und Mittelmeerregion zu erreichen. Wir rufen die Liga der Arabischen Staaten auf, ihren Boykott gegen Israel zu beenden. Wir unterstützen die Bemühungen um den Wiederaufbau eines wirtschaftlich gesunden und unabhängigen Libanon.

Wir bekräftigen unsere Entschlossenheit, die vollständige Umsetzung jeder einzelnen einschlägigen Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zu Irak und Libyen zu erzwingen, bis diese eingehalten werden, und erinnern daran, daß eine solche Umsetzung eine erneute Überprüfung von Sanktionen zur Folge hätte.

Wir rufen die Regierung Irans auf, sich konstruktiv an intemationalen Bemühungen um Frieden und Stabilität zu beteiligen und sein diesen Zielen entgegengesetztes Verhalten, unter anderem im Hinblick auf den Terrorismus, zu ändern.

Wir unterstützen die Entscheidung der algerischen Regierung, die wirtschaftlichen Reformen, die energisch verfolgt werden müssen, voranzubringen, und rufen die algerische Führung gleichzeitig mit Nachdruck auf, einen politischen Dialog mit allen Teilen der algerischen Gesellschaft, die Gewalt und Terrorismus ablehnen, fortzuführen. Wir verurteilen das jüngste Massaker an italienischen Seeleuten und anderen Opfern und sprechen ihren Familien unser Beileid aus.

Wir rufen die Regierung der Republik Jemen auf, politische Differenzen innerhalb des Landes auf dem Wege des Dialogs und mit friedlichen Mitteln zu lösen und sicherzustellen, daß man sich mit der humanitären Lage, insbesondere in und um Aden befaßt. Internationale Verpflichtungen, darunter die Souveränität und territoriale Unversehrtheit, sollten eingehalten werden.

5.

Wir haben auf den jüngsten Aufruf des Generalsekretärs der Vereinten Nationen reagiert und der Lage auf dem afrikanischen Kontinent besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Wir begrüßen die Leistung der Menschen Südafrikas, die die Apartheid mit verfassungsmäßigen Mitteln beendet haben, und erklären uns bereit, die neue Regierung in ihren Bemühungen um den Aufbau einer stabilen und wirtschaftlich erfolgreichen Demokratie zu unterstützen. Gleichzeitig sind wir uns der humanitären Tragödie, von der viele Länder in Afrika betroffen sind, schmerzlich bewußt, und wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um ihnen zu helfen. Besonders entsetzt uns die Lage in Ruanda, und wir fordern die ununterbrochene Fortsetzung des begrüßenswerten, von Frankreich durchgeführten humanitären Einsatzes durch die rasche Stationierung von UNAMIR 11. Wir fordem mit Nachdruck einen stabilen Waffenstillstand, der zu einer politischen Lösung führt sowie verstärkte und dringliche humanitäre Hilfsmaßnahmen. Wir unterstützen die Bemühungen zur Umsetzung der Einigung in Angola.

6.

Wir fordern, daß die Militärführer in Haiti alle einschlägigen Resolutionen der Vereinten Nationen uneingeschränkt einhalten und eine Wiedereinsetzung der Demokratie sowie die Rückkehr der demokratisch gewählten Regierung von Präsident Aristide zulassen. Wir rufen alle Staaten auf, Druck auf das de facto-Regime auszuüben, sowie verstärkte VN-Maßnahmen in bezug auf Haiti durchzusetzen.

7.

Die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und Flugkörpern stellt eine der ernstesten Bedrohungen des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit dar. Wir rufen alle Staaten, die dies noch nicht getan haben, auf, dem NVV als Nichtkernwaffenstaaten beizutreten. Wir erklären unsere eindeutige Unterstützung für eine unbefristete Verlängerung des Vertrags im Jahre 1995. Wir betonen, wie wichtig es ist, die Zahl der Kernwaffen weiter zu reduzieren, und bekräftigen unser Bekenntnis dazu, weltweit gültige, nachprüfbare und umfassende Verträge über das Verbot von Kernwaffenversuchen sowie der Produktion von spaltbarem Material für Kernwaffen zu schließen. Wir bekräftigen, daß wir uns für das möglichst baldige Inkrafttreten des Chemiewaffenübereinkommens einsetzen, und begrüßen die Sonderkonferenz der Vertragsstaaten des Übereinkommens über biologische Waffen und Toxinwaffen. Wir unterstützen die vollständige Umsetzung des VN-Registers konventioneller Waffen. Wir kommen überein, bei der Verhinderung des Nuklearschmuggels zusammenzuarbeiten. Wir messen dem Problem der Schützenabwehrminen, unter anderem Bemühungen zur Unterbindung ihres wahllosen Einsatzes, zur Verhinderung ihres Exports und zur Unterstützung bei ihrer weltweiten Räumung, vordringliche Bedeutung bei.

Wir werden untereinander und mit anderen an wirksamen Exportkontrollen zusammenarbeiten, um sicherzustellen, daß der Handel mit Rüstungsgütern und sensitiven Dual-Use-Gütern verantwortlich durchgeführt wird.

Wir unterstützen die Nichtverbreitungsbemühungen im Nahen Osten und in Südasien.

8.

Den Vereinten Nationen kommt eine zentrale Rolle bei der vorbeugenden Diplomatie, der Friedenserhaltung und -schaffung sowie der Konsolidierung des Friedens nach Konflikten zu. Es ist von grundlegender Bedeutung, daß für all diese Aktivitäten ein umfassendes Mandat erteilt wird und daß sie wirkungsvoll geplant und organisiert sowie finanziert werden, damit die an sie geknüpften Erwartungen erfüllt werden können. Alle Mitglieder der Vereinten Nationen haben diesbezüglich klare Pflichten, denen sie nachkommen müssen. Zahlungsrückstände müssen beseitigt und Beiträge prompt und in voller Höhe bezahlt werden, wobei ein gerechterer Beitragsschlüssel Veränderungen in der Weltwirtschaft und in der VN-Mitgliedschaft widerspiegeln sollte. Die Reform der Vereinten Nationen muß weitergeführt werden, um Effizienz, eine Rationalisierung der Aufgaben und Kosteneffektivität sicherzustellen.

Regionale Organisationen können im Bereich der vorbeugenden Diplomatie und der Friedenserhaltung in vollem Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen sowie einschlägigen KSZE-Dokumenten einen wesentlichen Beitrag leisten. Wir betonen, wie wichtig es ist, daß alle Parteien friedenserhaltenden Operationen zustimmen, und weisen erneut auf die Notwendigkeit hin, in jedem Fall die Souveränität und territoriale Unversehrtheit zu respektieren. Ferner unterstreichen wir, daß die Vereinten Nationen um ein Mandat zu ersuchen sind, wenn Friedenstruppen mit der Notwendigkeit konfrontiert werden können, über die Erfordernisse der Selbstverteidigung hinaus Gewalt anzuwenden.

Der KSZE-Gipfel in Budapest im Dezember sollte ein wichtiger Meilenstein im Prozeß der Stärkung der Rolle und der Möglichkeiten der KSZE sein. Wir unterstützen den Abschluß des Stabilitätspakts, der auf die Förderung guter Beziehungen in Europa abzielt.

Wir begrüßen die Aufnahme eines regionalen Sicherheitsdialogs im asiatisch-pazifischen Raum, insbesondere im Rahmen des ASEAN-Regionalforums.

9.

Wir treten für die Verbesserung von intemationalen Kontrollmechanismen und -verfahren zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte überall, einschließlich der Rechte von Angehörigen nationaler Minderheiten, ein und sichern dem neugeschaffenen Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte unsere Unterstützung zu. Wir sind entschlossen, die Anstrengungen zur Bekämpfung von Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit, aggressivem Nationalismus, Antisemitismus und anderen Formen der Intoleranz zu verstärken.

Die Völkergemeinschaft sollte sich wirkungsvollere Mittel schaffen, um prompt auf humanitäre Notlagen weltweit zu reagieren. Wir werden uns bemühen, unsere Fähigkeiten zu verbessern, durch die Vereinten Nationen und andere angemessene Mechanismen diesen Anforderungen gerecht zu

werden.

10.

Wir verurteilen den Terrorismus, insbesondere den staatlich geförderten, in allen seinen Formen und bekräftigen unsere Entschlossenheit, bei dessen Bekämpfung energisch zusammenzuarbeiten. Wir rufen alle beteiligten Länder auf, auf die Unterstützung des Terrorismus, auch in finanzieller Form, zu verzichten und wirksame Maßnahmen zu treffen, um terroristischen Organisationen die Nutzung ihres Hoheitsgebiets zu verwehren.

Wir betonen, daß das organisierte Verbrechen und der Drogenhandel eine Bedrohung sowohl des politischen als auch des wirtschaftlichen und sozialen Lebens darstellen, und rufen zu verstärkter internationaler Zusammenarbeit auf. Wir stimmten darin überein, daß die vorgeschlagene Weltkonferenz auf Ministerebene, die auf Initiative der italienischen Regierung im Oktober in Neapel stattfindet, eine überaus wichtige Gelegenheit zur Förderung dieser Zusammenarbeit bieten wird.

11.

Das Treffen hat uns auch die Gelegenheit zum Meinungsaustausch über den Reformprozeß in Rußland gegeben; dieser stellt eine historische Aufgabe dar, die Präsident Jelzin und die russische Regierung weiterhin mit der anhaltenden Unterstützung der Völkergemeinschaft voranbringen. Präsident Jelzin hat den russischen Standpunkt zu Fragen der Weltwirtschaft und der intemationalen Sicherheit dargelegt. Wir haben die Absicht, in Fragen wie grenzüberschreitende Kriminalität, Geldwäsche und nukleare Sicherheit zusammenzuarbeiten.

12.

Mit Blick auf Halifax werden wir unsere enge Zusammenarbeit fortsetzen, um die Bedingungen für die Erhaltung des Weltfriedens und der internationalen Stabilität zu verbessern.



Quelle: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Bulletin Nr. 67 vom 15.07.1994, S.637f.




 




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