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Die Außen- und die Verteidigungsminister der WEU-Mitglied- staaten trafen am 20. November 1992 in Rom zusammen. Sie bekräftigten ihre Entschlossenheit, die Maastrichter Erklä- rung und die Petersberg-Erklärung umzusetzen, die Meilen- steine in dem 1984 mit der Erklärung von Rom begonnenen Prozeß der Neubelebung der WEU darstellen. Sie betonten, daß die Erweiterung der Organisation, die Stärkung ihrer operationellen Rolle und die Verlegung des WEU-Rates und des Sekretariats nach Brüssel ein neues Kapitel der Entwick- lung der WEU als Verteidigungskomponente der Europäi- schen Union und als Instrument zur Stärkung des europäischen Pfeilers der Atlantischen Allianz aufgeschlagen haben. Die Minister veröffentlichten auch eine Erklärung zur Lage im ehemaligen Jugoslawien. Erstmals waren die Präsidentschaft der Zwölf und der Gene- ralsekretär der NATO zur Teilnahme eingeladen. Erweiterung der WEU 1. Die Minister brachten ihre große Genugtuung darüber zum Ausdruck, daß heute mit dem erfolgreichen Abschluß der Gespräche über die Erweiterung, die mit den betroffenen Staaten im Einklang mit den Zielen der Maastrichter Erklä- rung und der Petersberg-Erklärung geführt wurden, ein wich- tiger Schritt in Richtung auf die Stärkung der WEU getan wurde. Die Minister aus den WEU-Staaten haben heute zusammen mit ihren Kollegen aus den eingeladenen Staaten die Doku- mente vereinbart, die erforderlich sind, damit Griechenland Vollmitglied der WEU, Dänemark und Irland Beobachter sowie Island, Norwegen und die Türkei assoziierte Mitglieder der WEU werden können. Ausbau der operationellen Rolle der WEU 2. Die Minister betonten, daß es wichtig ist, die operationellen Fähigkeiten der WEU im Einklang mit der Maastrichter Erklä- rung und der Petersberg-Erklärung weiterzuentwickeln, damit sie einen wirksameren Beitrag zu humanitären Aufgaben, zu friedenserhaltenden und den Frieden wiederherstellenden Maßnahmen in Abstimmung mit der NATO und anderen Organisationen sowie im Einklang mit der Charta der Ver- einten Nationen und den jeweiligen nationalen Verfassungen leisten kann. Auf diese Weise würden die WEU-Mitgliedstaa- ten einen größeren Beitrag zum Weltfrieden und zur intema- tionalen Stabilität leisten. 3. Die Minister nahmen die Fortschritte zur Kenntnis, die seit ihrer Tagung im Juni bei der Stärkung der operationellen Rolle der WEU erzielt wurden. Sie erhielten einen Bericht über das kürzliche Treffen der WEU-Stabschefs. Sie begrüßten die Einrichtung der MTU-Planungszelle in Brüssel am 1. Oktober und gaben der Hoffnung Ausdruck, daß sie bis zum 1. April 1993 einsatzbereit sein wird. Die Minister baten den Rat und seine Arbeitsgruppen, die Planungszelle bei der Durchführung ihrer Aufgaben und Verantwortlichkeiten einschließlich der Erarbeitung von Planungsoptionen und der Zuordnung militä- rischer Einheiten für Einsätze unter der Ägide der WEU zu lenken und zu unterstützen. Die Minister beauftragten die Arbeitsgruppe von Vertretern der Verteidigungsministerien (DRG) damit, die Richtlinien für die Auswahl von Hauptquar- tieren für solche Einsätze fertigzustellen. 4. Die Minister stellten fest, daß die Planungszelle den Vorschlag einer europäischen Zusammenarbeit im Bereich Luft- und Seestreitkräfte im Zusammenhang mit ihrer Aufgabe, Even- tualfallpläne für den Einsatz des gesamten Spektrums nationa- ler und multinationaler Streitkräfte zu erarbeiten, weiterent- wickelt wird. 5. Die Minister stimmten darin überein, daß eine Übertragung von Funktionen der Unabhängigen Europäischen Programm- gruppe (IEPG) an die WEU einen wichtigen Schritt in Rich- tung auf eine verbesserte Rüstungszusammenarbeit, die auf die Schaffung einer Europäischen Rüstungsagentur der WEU ab- zielt, darstellen würde. Der Ständige Rat der WEU wurde beauftragt, im Lichte der Ergebnisse der nächsten Tagung der IEPG-Minister alle erforderlichen Schritte zu unternehmen. 6. Die WEU-Minister nahmen ferner einen Zwischenbericht über die mögliche Übertragung bestimmter Tätigkeiten der EURO- GROUP an die WEU zur Kenntnis. Sie waren sich einig, daß auf der Grundlage von innerhalb der WEU entwickelten Posi- tionen und der nachfolgenden Stellungnahmen einer gemein- samen Arbeitsgruppe der WEU und der EUROGROUP ein Abschlußbericht als Entscheidungsgrundlage für die WEU- Minister bis zum Frühjahr 1993 erarbeitet werden sollte. 7. Die Minister billigten den Fortschrittsbericht über Weltraum- aktivitäten. Sie begrüßten es, daß das WEU-Satellitenzentrum bald einsatzbereit sein wird, da die Renovierung des Gebäudes in Torrejön mittlerweile abgeschlossen und ein Konsortium für die Ausrüstung des Zentrums ausgewählt worden ist. Verlegung nach Brüssel 8. Die Verlegung des Rates und des Generalsekretariats der WEU nach Brüssel im Januar 1993 wird zum Ausbau der besonderen Beziehungen der WEU zur Europäischen Union einerseits und zur NATO andererseits, wie sie in der Maas- trichter Erklärung definiert wurden, sowie zur Stärkung der operationellen Rolle der WEU beitragen. In diesem Zusam- menhang betonten die Minister, daß es wichtig ist, die erfor- derlichen praktischen Maßnahmen durchzuführen. WEU-Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Rüstungskontrolle und Abrüstung 9. Die Minister unterstrichen erneut ihr Bekenntnis zu den im KSZE-Dokument 1992 von Helsinki niedergelegten Zielen der Abrüstung und Rüstungskontrolle, der Sicherheitszusammen- arbeit und Konfliktverhütung. Sie werden sich dafür einsetzen, daß im Rahmen des KSZE-Forums für Sicherheitszusammen- arbeit in Wien substantielle Ergebnisse erzielt werden. 10. Die Minister betonten erneut, daß sie sich für ein baldiges Inkrafttreten des Vertrags über den offenen Himmel einsetzen. Sie nahmen den von Experten erarbeiteten Fortschrittsbericht zur Kenntnis und beauftragten sie, sich weiterhin um kosten- günstige Lösungen für die Durchführung des Vertrags über den offenen Himmel, einschließlich der Möglichkeiten zur Einrichtung eines WEU-Pools, zu bemühen. Die Minister hoben die Bereitschaft der WEU hervor, mit Dritten zusam- menzuarbeiten, und begrüßten die von der Präsidentschaft geäußerte Absicht, sie über den jeweiligen Stand der Arbeit der WEU zu unterrichten. 11. Die Minister begrüßten die Zusammenarbeit zwischen den WEU-Mitgliedstaaten bei der Öffnung nationaler Inspektions- teams während der Evaluierungsphase für Ausgangsdaten nach dem KSE-Vertrag und gaben der Hoffnung Ausdruck, daß für die nächste Phase der Inspektionen ähnliche Abspra- chen getroffen werden können. Dialog mit anderen Staaten 12. Im Gefolge der außerordentlichen Ministertagung am 19. Juni 1992 in Bonn, an der die Außen- und die Verteidigungsmini- ster der WEU sowie ihre Kollegen aus Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, der Tschechoslowakei und Ungarn teilnahmen, fand die erste Sitzung des Konsulta- tionsforums auf Botschafterebene am 14. Oktober in London statt. Die WEU-Minister begrüßten diesen Schritt in der Ent- wicklung der Beziehungen zu den Partnerstaaten Mitteleuro- pas und sehen dem Zusammentreffen mit ihren Kollegen im Frühjahr 1993 erwartungsvoll entgegen. Die Minister nahmen auch einen Bericht über Beziehungen zu Drittstaaten zur Kenntnis. 13. Im Einklang mit dem am 19. Juni 1992 auf dem Petersberg gefaßten Beschluß, einen schrittweisen Dialog mit den Maghreb- Staaten aufzunehmen, begrüßten die Minister die ersten Kon- takte, die von der Präsidentschaft und vom Sekretariat zu den Londoner Botschaften Algeriens, Marokkos und Tunesiens hergestellt wurden. Die Minister brachten gegenüber der Regierung des Vereinig- ten Königreichs in ihrer Eigenschaft als Vertreterin des Lan- des, in dem der Ständige Rat und das Generalsekretariat seit 1956 ihren Sitz hatten, ihre Dankbarkeit zum Ausdruck.
Die Minister erörterten die außerordentlich ernste Lage im ehemaligen Jugoslawien und insbesondere die sich ver- schlechternden Bedingungen in Bosnien-Herzegowina. Sie brachten ihre Bestürzung über die fortgesetzten Angriffe und Gewaltakte in Bosnien-Herzegowina, über das unannehmbare Verfahren der "ethnischen Säuberungen" sowie über die wie- derholten groben Verletzungen der Menschenrechte zum Ausdruck. Sie verurteilten jede Form der Behinderung huma- nitärer Maßnahmen. Sie riefen alle Parteien auf, die auf der Londoner Konferenz vereinbarten Grundsätze und Beschlüsse zu achten und mit den Sondergesandten der Vereinten Natio- nen und der EG gemeinsam auf eine friedliche Verhandlungs- lösung für die Probleme des ehemaligen Jugoslawiens hinzu- arbeiten. Sie bekräftigten die Notwendigkeit, alle einschlägigen Resolu- tionen des UN-Sicherheitsrats strikt einzuhalten, und betonten, daß - sollte gegen diese Resolutionen verstoßen werden - der UN-Sicherheitsrat aufgerufen wäre, weitere Maßnahmen in Erwägung zu ziehen. Sie betonten ferner ihre Entschlossenheit, die Beiträge der WEU und ihrer Mitgliedstaaten zur Unterstützung der Bemü- hungen der gesamten Völkergemeinschaft um die Befriedung des ehemaligen Jugoslawiens und die Linderung des Leidens seiner Völker zu verstärken. In diesem Zusammenhang ver- wiesen sie darauf, daß Kriegsschiffe und Flugzeuge der WEU-Mitgliedstaaten seit dem 16. Juli 1992 unter italieni- scher Einsatzleitung Operationen zur Überwachung der Ein- haltung des Embargos auf See durchführen, das in den UN-SI- cherheitsratsresolutionen 713 und 757 festgesetzt wurde. Bis jetzt wurden 3 649 Schiffe in WEU-Einsätzen überprüft und 71 vermutete Verstöße gemeldet. Daher begrüßten die Minister die Verabschiedung der UN- Sicherheitsratsresolution 787. Sie haben beschlossen, daß die WEU zur Umsetzung der Resolution beitragen wird und zu diesem Zweck Kriegsschiffe und Flugzeuge der WEU-Mit- gliedstaaten auf der Grundlage einer gebilligten gemeinsamen Planung mit Operationen zur strikten Umsetzung des Embar- gos auf See beginnen werden. Dazu gehören das Anhalten und Durchsuchen von Schiffen sowie erforderlichenfalls andere Maßnahmen. Die Beteiligung der Mitgliedstaaten richtet sich nach den Bestimmungen ihrer nationalen Verfassungen. Die WEU-Einsätze in der Adria wurden und werden weiterhin eng mit der NATO abgestimmt. Die WEU wird auch in Zukunft dafür sorgen, daß die beiden Organisationen eng zusammenarbeiten. Die WEU-Mitgliedstaaten unterstrichen die Bedeutung von Missionen zur Unterstützung von Sanktionen, zu denen sie als EG-Mitgliedstaaten Beiträge leisten. Sie appellierten an die Donau-Anrainerstaaten, die strikte Umsetzung der einschlägi- gen Resolutionen des UN-Sicherheitsrats sicherzustellen, und bestätigten, daß sie bereit sind, diesen Staaten auf Antrag Expertise, technische Unterstützung und Ausrüstung zur Ver- fügung zu stellen, um so zu verhindern, daß die Donau zur Umgehung oder zu Bruch der Sanktionen genutzt wird. Sie bekräftigen ferner ihre Bereitschaft, zu Lande ähnliche Beiträge zur Überwachung des Embargos an den Grenzen zu leisten. Die WEU-Mitgliedstaaten tragen auf vielfältige Weise zu den verstärkten Einsätzen der UNPROFOR in Bosnien-Herzego- wina bei, die nun damit beginnt, die Auslieferung humanitärer Hilfsgüter zu gewährleisten. Sie bekräftigen die kollektive Entschlossenheit der WEU-Mitgliedstaaten, sich an Aktionen zum Schutz und zur Auslieferung humanitärer Hilfe für die Bevölkerung Bosnien-Herzegowinas unter der Verantwortung der Vereinten Nationen zu beteiligen und diese Einsätze durch weitere Maßnahmen zu unterstützen. Die Mitgliedstaaten der WEU sind ferner bereit, die Möglichkeiten für die Einrichtung sicherer Gebiete für humanitäre Zwecke und die diesbezüg- lichen Erfordernisse zu prüfen.
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