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Wir, die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten des
Nordatlantischen Bündnisses, sind in Rom zusammengekommen, um ein neues
Kapitel in der Geschichte unserer Allianz aufzuschlagen. Die weitreichenden
Entscheidungen, die wir hier getroffen haben, kennzeichnen einen wichtigen
Abschnitt in der Umgestaltung des Bündnisses, die wir im vergangenen Jahr in
London auf den Weg brachten.
2. Die Welt hat sich tiefgreifend verändert. Das Bündnis hat einen
wesentlichen Beitrag dazu geleistet. Die Völker Nordamerikas und ganz
Europas können jetzt zu einer Wertegemeinschaft zusammenfinden, die auf
Freiheit, Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit beruht. Als
treibende Kraft des Wandels, Quelle der Stabilität und unverzichtbarer Garant
der Sicherheit ihrer Mitglieder wird unsere Allianz auch künftig eine
Schlüsselrolle beim Aufbau einer neuen, dauerhaften Friedensordnung in Europa
spielen, einem Europa der Zusammenarbeit und des Wohlstands.
Eine neue Sicherheitsarchitektur
3. Die Herausforderungen, die sich uns in diesem neuen Europa stellen
werden, können nicht von einer Institution allein, sondern nur in einem
Geflecht ineinandergreifender Institutionen, das die Staaten Europas und
Nordamerikas miteinander verbindet, umfassend aufgegriffen werden. Deshalb
arbeiten wir auf eine neue Sicherheitsarchitektur hin, in der die NATO, die
KSZE, die Europäische Gemeinschaft, die WEU und der Europarat einander
ergänzen. Regionale Kooperationsstrukturen werden auch wichtig sein. Dieses
Zusammenwirken ist von größter Bedeutung, wenn es darum geht, Instabilität und
Spaltungen zu verhindern, die aus verschiedenen Ursachen wie zum Beispiel
wirtschaftlichen Ungleichgewichten oder gewalttätigem Nationalismus entstehen
könnten.
Die künftige Rolle des Bündnisses: Unser neues Strategisches Konzept
4. Gestern veröffentlichten wir unser neues Strategisches Konzept. Unsere
Sicherheit hat sich wesentlich verbessert. Wir sehen uns nicht mehr der
alten Bedrohung durch einen massiven Angriff ausgesetzt. Es ist jedoch ein
Gebot der Vorsicht, daß wir ein strategisches Gesamtgleichgewicht
aufrechterhalten und bereit bleiben, möglichen Sicherheitsrisiken zu
begegnen, die aus Instabilität oder Spannung erwachsen können. Unser
Bündnis, das die in einer bedeutenden Präsenz nordamerikanischer
Streitkräfte in Europa zum Ausdruck gelangende wichtige transatlantische
Verbindung gewährleistet, bleibt in einem Umfeld von Ungewißheit und
unvorhersehbaren Herausforderungen von dauerhaftem Wert.
Unser neues Strategisches Konzept bekräftigt die Kernfunktionen der NATO und
ermöglicht es uns, angesichts der grundlegend veränderten Lage in Europa,
unseren breit angelegten Ansatz für Stabilität und Sicherheit, der die
politischen, wirtschaftlichen, sozialen und umweltpolitischen Aspekte zusammen
mit der unverzichtbaren Verteidigungsdimension umfaßt, zu verwirklichen.
Noch nie waren die Chancen größer, unsere Bündnisziele im Einklang mit Artikel
2 und 4 des Vertrages von Washington mit politischen Mitteln zu erreichen.
Folglich kann unsere Sicherheitspolitik nun auf drei sich gegenseitig stärkende
Elemente abgestützt werden: Dialog, Kooperation und die Aufrechterhaltung
kollektiver Verteidigungsfähigkeit. Der angemessene Gebrauch dieser Elemente
wird besonders wichtig sein, wenn es darum geht, unsere Sicherheit berührende
Krisen zu verhüten oder zu bewältigen.
5. Die militärische Dimension unseres Bündnisses bleibt ein wesentlicher
Faktor. Neu ist jedoch, daß mehr als je zuvor diese Dimension einem breit
angelegten Sicherheitskonzept dienen wird. Die Allianz bleibt weiterhin
ausschließlich au Verteidigung ausgerichtet; sie wird ihre auf einer integrier-
ten Militärstruktur und auf Kooperations- und Koordinationsvereinbarungen
beruhenden kollektiven Vorkehrungen sowie für die vorhersehbare Zukunft eine
geeignete Zusammensetzung konventioneller und nuklearer Streitkräfte bei-
behalten.
Unsere Streitkräfte werden sich ihren neuen Aufgaben anpassen, wobei sie
kleiner und flexibler werden. Deshalb werden unsere konventionellen
Streitkräfte beträchtlich reduziert, wie auch in vielen, Fällen ihr
Bereitschaftsgrad herabgesetzt wird. Sie werden auch gesteigerte Beweglich-
keit erhalten, um auf ein breites Spektrum von Krisen reagieren zu können.
Sie werden so strukturiert, daß sie, sowohl zur Krisenbewältigung als auch zur
Verteidigung in der Lage sind, wenn nötig mit Hilfe ihrer Fähigkeit zum
flexiblen Aufwuchs. Multinationale Verbände werden in der integrierten
Militärstrüktur eine größere Rolle spielen.
Die der NATO unterstellten nuklearen Waffen werden beträchtlich reduziert
werden: Der gegenwärtige NATO-Bestand substrategischer Waffen in Europa wird
gemäß den Beschlüssen der Nuklearen Planungsgruppe von Taormina um etwa achtzig
Prozent vermindert werden. Der fundamentale Zweck der nuklearen Streitkräfte
der Verbündeten bleibt politisch: den Frieden zu wahren und Krieg oder jede Art
von Zwang zu verhindern.
Europäische Sicherheitsidentität und Rolle in der Verteidigung
6. Wir bekräftigen den von unseren Außenministern in Kopenhagen gefundenen
Konsens. Die Entwicklung einer europäischen Sicherheitsidentität und Rolle
in der Verteidigung, reflektiert in der weiteren Stärkung des europäischen
Pfeilers im Bündnis, wird die Integrität und Wirksamkeit des Atlantischen
Bündnisses verstärken. Die Ausweitung der Rolle und Verantwortung der
europäischen Bündnismitglieder ist eine wichtige Grundlage für die
Umgestaltung der Allianz. Diese beiden positiven Prozesse stärken sich gegen-
seitig.
Wir sind entschlossen, parallel zur Herausbildung und Entwicklung einer
europäischen Sicherheitsidentität und Rolle in der Verteidigung die wesentliche
transatlantische Bindung zu stärken, die das Bündnis gewährleistet, und in
vollem Umfang die strategische Einheit und die Unteilbarkeit der Sicherheit
aller unserer Mitgliedstaaten aufrechtzuerhalten. Die Allianz ist das
wesentliche Forum für Konsultationen unter den Verbündeten und für die
Vereinbarung von politischen Maßnahmen, die sich auf die Sicherheits- und
Verteidigungsverpflichtungen ihrer Mitgliedstaaten nach dem Nordatlantikvertrag
auswirken. Wir sind uns darüber im klaren, daß es Sache der betreffenden
europäischen Verbündeten ist, darüber zu entscheiden, welche Maßnahmen zur
Formulierung einer gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik sowie
Verteidigungsrolle erforderlich sind.
Darüber hinaus sind wir uns einig, daß wir in dem Maße, in dem die beiden
Prozesse sich entwickeln, praktische Vorkehrungen mit dem Ziel treffen
werden, die gebotene Transparenz und Komplementarität zwischen der
europäischen Sicherheits- und Verteidigungsidentität, so wie sie sich unter den
Zwölf und in der WEU herausbildet, und dem Bündnis zu gewährleisten.
7. Wir begrüßen den Geist der Bereitschaft, in dem diejenigen Verbündeten, die
zugleich Mitglieder der Zwölf und der WEU sind, die anderen Bündnispartner über
den Fortschritt ihrer laufenden Erörterungen der Entwicklung der europäischen
Identität und über andere Fragen, wie zum Beispiel ihre Friedensbemühungen in
Jugoslawien, ständig unterrichten.
Zwischen den Zwölf und der WEU einerseits sowie der Allianz andererseits werden
geeignete Verbindungen und Konsultationsmechanismen entwickelt, um zu
gewährleisten, daß Mitgliedstaaten, die gegenwärtig nicht an der Entwicklung
einer europäischen Identität zur Außen- und Sicherheitspolitik sowie
Verteidigung teilnehmen, angemessen an ihre Sicherheit betreffenden
Entscheidungen beteiligt werden.
Das neue Strategische Konzept des Bündnisses, als vereinbarte konzeptionelle
Grundlage für die Streitkräfte aller Verbündeten, sollte die notwendige
Komplementarität zwischen der Allianz und der sich herausbildenden Verteidi-
gungskomponente des europäischen Integrationsprozesses erleichtem. Im
fortschreitenden Umgestaltungsprozeß des Bündnisses beabsichtigen wir, den
bestehenden operationellen Verbund, auf dem unsere Verteidigung beruht, zu
wahren. Wir begrüßen die Perspektive einer Verstärkung der Rolle der WEU
sowohl als Verteidigungskomponente im Prozeß der europäischen Einigung wie auch
als Mittel zur Stärkung des europäischen Pfeilers im Bündnis, wobei wir uns der
unterschiedlichen Qualität ihrer Beziehungen mit der Allianz und mit der
Europäischen Politischen Union bewußt sind.
8. Wir stellen die schrittweise Konvergenz der Ansichten in den Erörterungen
über die sich entwickelnde europäische Sicherheitsidentität und Rolle in der
Verteidigung fest, die mit der bereits in unserem Bündnis vorhandenen
gemeinsamen Verteidigungspolitik vereinbar ist. Wir sind zuversichtlich, daß
im Einklang mit dem Konsens von Kopenhagen das Ergebnis dieser Erörterungen
einen Beitrag zu einer festen, neuen transatlantischen Partnerschaft durch
Stärkung der europäischen Komponente in, einer umgestalteten Allianz leisten
wird. Wir werden dazu beitragen, diese Entwicklung voranzutreiben.
Beziehungen mit der Sowjetunion und den anderen Staaten
Mittel und Osteuropas: Ein qualitativer Schritt vorwärts
9. Wir haben die Entwicklung der Demokratie in der Sowjetunion und den
anderen Staaten Mittel- und Osteuropas stets gefördert. Wir begrüßen daher das
Bekenntnis dieser Staaten zu politischer und wirtschaftlicher Reform, nachdem
ihre Völker die totalitäre kommunistische Herrschaft abgeschüttelt haben.
Wir begrüßen, daß die baltischen Staaten jüngst ihre Unabhängigkeit
wiedererlangt haben. Wir werden alle Schritte in den Staaten Mittel- und
Osteuropas auf dem Wege der Reform unterstützen und praktische Hilfe leisten,
damit sie diesen schwierigen Übergang bewältigen. Wir stützen uns hierbei
auf unsere Überzeugung, daß unsere Sicherheit mit der aller anderen Staaten
in Europa untrennbar verknüpft ist.
Das Bündnis kann dazu beitragen, in diesen Staaten ein Gefühl der Sicherheit
und des Vertrauens zu fördern, wodurch ihre Fähigkeit gestärkt wird, ihre
KSZE-Verpflichtungen zu erfüllen und den demokratischen Wandel unwiderruflich
zu machen. In dem Bestreben, seinen Beitrag zum Entstehen des einen und freien
Europa zu verstärken, hat unser Bündnis auf dem Londoner Gipfel den Staaten
Mittel- und Osteuropas die Hand zur Freundschaft gereicht und ständige
diplomatische Verbindung mit ihnen aufgenommen.
Zusammen unterzeichneten wir die Gemeinsame Erklärung von Paris. Im
vergangenen Juni ergriff die Allianz in Kopenhagen weitere Initiativen zur
Entwicklung einer Partnerschaft mit diesen Staaten. Unser umfangreiches
Programm von Besuchen auf hoher Ebene, Meinungsaustausch über Sicherheits- und
damit zusammenhängende Fragen, intensivierter militärischer Kontakte sowie
Erfahrungsaustausch in verschiedenen Bereichen hat seinen Wert erwiesen und
wesentlich zum Aufbau eines neuen Verhältnisses zwischen der NATO und diesen
Staaten beigetragen.
Dies ist ein dynamischer Prozeß: Das Gedeihen demokratischer Institutionen in
ganz Mittel- und Osteuropa und ermutigende Erfahrungen in der Zusammenarbeit
ebenso wie der Wunsch dieser Staaten nach engeren Bindungen machen es uns zur
Aufgabe, unsere Beziehungen mit ihnen auszuweiten, zu verstärken und auf eine
qualitativ neue Ebene anzuheben.
11. Daher beabsichtigen wir, als nächsten Schritt ein stärker
institutionalisiertes Verhältnis der Konsultation und Kooperation in
politischen und Sicherheitsfragen zu entwickeln. In diesem Stadium des
Prozesses laden wir die Außenminister der Republik Bulgarien, der Republik
Estland, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Polen, der
Republik Rumänien, der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik, der
Republik Ungarn und der Sowjetunion dazu ein, sich im Dezember 1991 mit unseren
Außenministern in Brüssel zu treffen und eine Gemeinsame Politische Erklärung
zu verabschieden, um diese neue Ära der Partnerschaft einzuleiten sowie die
Modalitäten und den Inhalt dieses Prozesses näher zu bestimmen.
Wir schlagen insbesondere folgende Aktivitäten vor:
- Jährliche Treffen mit dem Nordatlantikrat auf Minister-
ebene, die als Nordatlantischer Kooperationsrat bezeich-
net werden könnten;
- periodische Treffen mit dem Nordatlantikrat auf
Botschafterebene;
- zusätzliche Treffen mit dem Nordatlantikrat auf Minister-
oder Botschafterebene, wenn es die Umstände erfordern;
- regelmäßige Treffen in gemeinsam zu vereinbarenden
Zeitabständen mit
- nachgeordneten NATO-Ausschüssen, einschließlich
des Politischen und des Wirtschaftsausschusses;
- dem Militärausschuß und, unter seiner Lenkung, ande-
ren NATO-Militärbehörden.
Dieser Prozeß wird zur Verwirklichung der Ziele der KSZE unbeschadet ihrer
Zuständigkeit und Mechanismen beitragen. Er wird im Einklang mit den
Kernfunktionen des Bündnisses durchgeführt.
12. Unsere Konsultationen und Zusammenarbeit werden sich auf Sicherheits-
und damit zusammenhängende Fragen richten, in denen die Verbündeten ihre
Erfahrung und ihr Fachwissen anbieten können, wie zum Beispiel Verteidigungs-
planung, demokratische Konzepte der Beziehungen zwischen Zivil und Militär,
zivil-militärische Koordinierung der Luftverkehrsregelungen und die Umstellung
von Verteidigungsproduktion auf zivile Zwecke.
Unsere neue Initiative wird die Beteiligung unserer Partner an den
Wissenschafts- und Umweltschutzprogrammen der "Dritten Dimension" unseres
Bündnisses verstärken. Sie wird auch die weitestmögliche Verbreitung von
Informationen über die NATO in den Staaten Mittel- und Osteuropas
ermöglichen, unter anderem auf den durch die diplomatischen Verbindungen
geschaffenen Wegen und über unsere Botschaften. Wir werden angemessene Mittel
zur Unterstützung unserer Liaison-Maßnahmen bereitstellen.
Die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
13. Wir bleiben der Stärkung des KSZE-Prozesses, der bei der Förderung von
Stabilität und Demokratie in Europa in einem Zeitabschnitt historischen Wandels
eine entscheidende Rolle zu spielen hat, tief verpflichtet. Wir werden
unsere Bemühungen verstärken, die Rolle der KSZE auszubauen; in erster Linie,
um durch Zusammenwirken mit den anderen KSZE-Teilnehmerstaaten sicherzustellen,
daß das Folgetreffen von Helsinki im Jahre 1992 zu einem weiteren bedeutenden
Schritt beim Bau eines neuen Europa wird. Die KSZE bietet den herausragenden
Vorteil, das einzige Forum zu sein, das alle Staaten Europas sowie Kanada und
die Vereinigten Staaten auf dem Boden eines gemeinsamen Kodex der
Menschenrechte, Grundfreiheiten, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit
und wirtschaftliche Freiheit vereint.
Die neuen KSZE-Institutionen und -strukturen, die wir auf dem Londoner Gipfel
vorgeschlagen haben und die auf dem Pariser Gipfel geschaffen wurden, müssen
gefestigt und weiterentwickelt werden, um der KSZE die Mittel an die Hand zu
geben, zur Gewährleistung der vollen Umsetzung der Schlußakte von Helsinki, der
Charta von Paris und anderer einschlägiger KSZE-Dokumente beizutragen und es
der KSZE damit zu ermöglichen, die neuen, auf Europa zukommenden
Herausforderungen zu bewältigen. Unsere Konsultationen im Bündnis werden auch
künftig eine Quelle von Initiativen zur Stärkung der KSZE sein.
14. Folglich werden wir die Entwicklung der KSZE, als des zu wirksamem
Handeln im Einklang mit ihren neuen und gewachsenen Verantwortlichkeiten
fähigen Organs, aktiv unterstützen, um ihre Fähigkeit zu Konsultation und
Kooperation unter allen Teilnehmerstaaten zu vergrößern, insbe sondere in
Fragen der Menschenrechte und der Sicherheit einschließlich Rüstungskontrolle
und Abrüstung, sowie zu wirksamen Krisenbewältigung und friedlichen Beilegung
von Streitigkeiten in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht und den
KSZE-Prinzipien. Hierzu regen wir an,
- daß der KSZE-Rat, das zentrale Forum für politisch Konsultationen,
weiterhin über Fragen beschließt, die sich auf die KSZE sowie auf die
Funktionen und Strukturen der KSZE-Institutionen beziehen;
- daß der Ausschuß Hoher Beamter als koordinierende und geschäftsführendes
Gremium zwischen Ratstagungen dient und, um die Durchführung von Beschlüssen zu
sichern, mit weitergehenden operativen Befugnissen versehen wird und häufiger
zusammentritt;
- daß die Fähigkeiten der KSZE zu Konfliktverhütung und Krisenbewältigung
verbessert werden, als ein Beitrag sollten, in Ergänzung der ihr durch die
Charta von Paris anvertrauten Funktionen, die dem Konfliktverhütungszentrum
verfügbaren Mittel gestärkt und flexibler gestaltet werden, damit es die ihm
vom KSZE-Rat und dem Ausschuß Hoher Beamter zugewiesenen spezifischen Auf-
gaben erfüllen kann;
- daß spezifische Aufgaben, die auf einem klar umrissenen Mandat des
KSZE-Rats oder des Ausschusses Hoher Beamter beruhen, an Ad-hoc-Gruppen
überwiesen werden können;
- daß die Beschlüsse des Folgetreffens von Helsinki die Komplementarität der
KSZE-Maßnahmen im Sicherheitsbereich gewährleisten; zu denen unter anderem
Konfliktverhütung, Rüstungskontrolle und Konsultationen aber Sicherheit
gehören;
- daß in der KSZE erwogen werden sollte, ihre Fähigkeit weiterzuentwickeln,
mit friedlichen Mitteln Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in
Fällen eindeutiger grober und nicht behobener Verstöße gegen einschlägige
KSZE-Verpflichtungen zu schützen, falls erforderlich ohne Zustimmung des
betroffenen Staates;
- daß das Büro für Freie Wahlen in ein breiter angelegtes Büro für
Demokratische Institutionen zur Förderung der Zusammenarbeit in den Bereichen
Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit umgestaltet wird;
- daß die Überwachung und Förderung des Fortschritts in Fragen der
Menschlichen Dimension in Form periodischer Treffen von kurzer Dauer über klar
umrissene Themen fortgesetzt wird;
- daß der wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und umweltpolitischen
Zusammenarbeit zusätzliche politische Impulse gegeben werden, um den Wohlstand
als Grundlage einer stabilen und demokratischen Entwicklung zu vergrößem.
Rüstungskontrolle
15. Wir unterstützen nachhaltig die Initiative von Präsident Bush vom 27.
September 1991, die neue Aussichten für die Reduzierung von Nuklearwaffen
eröffnet hat. Wir begrüßen auch Präsident Gorbatschows Antwort. Ganz
besonders begrüßen wir die Entscheidung beider Seiten, ihre nuklearen
Gefechtsköpfe für bodengestützte Waffensysteme kurzer Reichweite zu
eliminieren. Die betroffenen Verbündeten haben durch ihre Konsultationen eine
zentrale Rolle bei der Entscheidung von Präsident Bush gespielt, die die
Rüstungskontrollziele der Londoner Erklärung erfüllt. Sie werden sich auch
künftig eng über den Prozeß der Eliminierung von bodengestützten
SNF-Gefechtsköpfen bis zu seinem Abschluß konsultieren. Wir werden uns
weiterhin für Sicherheit bei einem zur Wahrung von Frieden und Stabilität
ausreichenden Minimum an Nuklearwaffen einsetzen. Wir erwarten die baldige
Ratifizierung des kürzlich unterzeichneten START-Vertrages.
16. Wir verzeichnen mit Genugtuung die jüngsten Erfolge im Bereich der
konventionellen Rüstungskontrolle und Abrüstung. Wir unterstreichen erneut
die außerordentliche Bedeutung, die wir dem KSE-Vertrag beimessen, und for-
dern alle KSE-Unterzeichnerstaaten auf, ihn bald zu ratifizieren und zu
implementieren. Wir fordern unsere Verhandlungspartner nachdrücklich auf,
gemeinsam mit uns auf substantielle Vereinbarungen in den KSE-IA- und
VSBM-Verhandlungen hinzuarbeiten, und bleiben dem Ziel verpflichtet, bis
zum KSZE-Folgetreffen in Helsinki konkrete Ergebnisse zu erreichen. Wir
begrüßen die Wiederaufnahme der Verhandlungen über "Offene Himmel"; bis zum
Beginn des Folgetreffens von Helsinki erwarten wir die Einigung auf ein
Vertragswerk über "Offene Himmel" als wichtiges neues Element größerer
Offenheit und der Vertrauensbildung im militärischen Bereich.
17. Das Treffen von Helsinki wird einen Wendepunkt im Rüstungskontroll- und
Abrüstungsprozeß in Europa bedeuten, jetzt unter Teilnahme aller
KSZE-Staaten. Dies bietet eine einmalige Gelegenheit, diesen Prozeß energisch
voranzutreiben. Es wird unser Ziel sein, eine neue, auf Kooperation
aufgebaute Ordnung zu gestalten, in der kein Staat Befürchtungen um seine
Sicherheit hegen muß, und zwar durch:
Festigung von Sicherheit und Stabilität auf niedrigerem Streitkräfteniveau
soweit wie möglich und vereinbar mit legitimen Sicherheitsbedürfnissen der
Staaten sowohl innerhalb wie auch außerhalb Europas; einen intensivierten
Sicherheitsdialog in einem ständigen Rahmen und durch Förderung einer neuen
Qualität der Transparenz und Zusammenarbeit bei den Streitkräften und in der
Verteidigungspolitik;
- Förderung wirksamer Mechanismen und Instrumente zur Konfliktverhütung.
18. Die Verbreitung von Massenvemichtungswaffen und ihrer Trägersysteme
untergräbt die internationale Sicherheit. Lieferungen konventioneller
Rüstungsgüter in Spannungs- gebiete, die über legitime Verteidigungsbedürfnisse
hinausgehen, erschweren friedliche Lösungen von Streitigkeiten. Wir
unterstützen die Einrichtung eines weltweiten und nicht- diskriminierenden
Registers für Lieferungen konventioneller Waffen durch die Vereinten
Nationen. Wir unterstützen Schritte, mit denen andere Aspekte der,
Proliferation sowie sonstige Initiativen zur Vertrauensbildung und Untermaue-
rung der internationalen Sicherheit behandelt werden sollen. Wir hatten es
auch für wesentlich, daß im nächsten Jahr ein weltweites, umfassendes und
wirksam verifizierbares Verbot chemischer Waffen zustande kommt. Wir begrüßen
die positiven Ergebnisse der Dritten Überprüfungskonferenz zum
B-Waffen-Übereinkommen, vor allem den Beschluß, die Möglichkeit der
Verifikation zu erkunden.
Größere Herausforderungen
19. Unser Strategisches Konzept unterstreicht, daß die Sicherheit des
Bündnisses im globalen Zusammenhang gesehen werden muß. Es zeigt vielfältigere
Risiken auf, einschließlich der Verbreitung von Massenvemichtungswaffen,
Unterbrechung der Versorgung mit lebenswichtigen Ressourcen sowie Terror- und
Sabotage-Akten, welche die Sicherheitsinteressen des Bündnisses berühren
können. Wir bekräftigen erneut die Bedeutung der im Bündnis bestehenden
Verfahren zur Konsultation unter den Verbündeten nach Artikel 4 des Vertrages
von Washington und, wo angezeigt, zur Koordinierung unserer Bemühungen
einschließlich unserer Reaktion auf solche Risiken. Wir werden auch künftig
in unseren Konsultationen und in den geeigneten multilateralen Gremien in
weitestmöglicher Zusammenarbeit mit anderen Staaten den größeren
Herausforderungen begegnen.
20. Das Nordatlantische Bündnis wurde mit zwei Zielen gegründet: die
Verteidigung der Hoheitsgebiete seiner Mitgliedstaaten sowie die Wahrung und
Förderung der ihnen gemeinsamen Werte. In einer immer noch ungewissen Weit
bleibt die Notwendigkeit zur Verteidigung. Doch in einer Welt, in der die
Werte, für die wir einstehen, immer breitere Anerkennung finden, freuen wir uns
über die Gelegenheit und nutzen sie, unsere Verteidigung entsprechend anzupas-
sen, mit unseren neuen Partnern zusammenzuarbeiten und. zu konsultieren, an
der Festigung des nun ungeteilten europäischen Kontinents mitzuwirken und den
Beitrag unseres Bündnisses zu einer neuen Ära des Vertrauens, der Stabilität
und des Friedens zu erbringen.
21. Wir drücken der Italienischen Republik unseren tiefen Dank für die uns
gewährte Gastfreundschaft aus.
Erklärung zu den Entwicklungen in der Sowjetunion
1. Wir, die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten des Atlantischen
Bündnisses, begrüßen sehr die historischen Ereignisse, die die Sowjetunion,
wie wir sie bisher kannten, sowie die Beziehungen zwischen den Republiken
grundlegend umgestalten. Mit ihrem entschlossenen und mutigen Eintreten gegen
den illegalen Putsch von 19. August haben die Männer und Frauen in der
Sowjetunion ihren festen Willen bekräftigt, eine neue, auf Demokratie, Men-
schenrechte, Rechtsstaatlichkeit und wirtschaftliche Freiheit gegründete
Zukunft aufzubauen.
Die Mitgliedstaaten des Atlantischen Bündnissses sagen ihre Hilfe bei diesem
großen Werk zu. Wir sind bereit, unsere Beziehungen mit der Sowjetunion und
den Republiken auf dem Fundament der folgenden Prinzipien aufzubauen, die
unsere Politik und unser eigenes Handeln seit Jahrzehnten bestimmen.
2. Es ist Sache der Völker in der Sowjetunion, mit friedlichen und
demokratischen Mitteln über ihre künftigen Beziehungen zu entscheiden.
Zugleich ermutigen wir sie, Fortschritte auf dem Wege zu einer gemeinsamen
Basis für Zusammenarbeit, sowohl untereinander als auch mit uns, zu erzielen.
In diesem Prozeß gibt es keinen Raum für Drohungen, Einschüchterung, Zwang
oder Gewalt.
Die staatlichen Stellen auf allen Ebenen sollten völkerrechtliche Normen und
internationale Verpflichtungen achten, insbesondere die der Schlußakte von
Helsinki, der Charta von Paris und anderer KSZE-Dokumente. Im Einklang mit
diesen Verpflichtungen muß die Regierungsgewalt auf Demokratie durch freie und
faire Wahlen und auf Rechtsstaatlichkeit gegründet werden. Die
unveräußerlichen Menschenrechte müssen gewährleistet werden einschließlich
der vollen Achtung des einzelnen und des Schutzes der Rechte der Angehörigen
von Minderheiten.
3. In einer Zeit dramatischen politischen Wandels ist es wichtig, auch für
die Entwicklung unserer Beziehungen, daß die Führer der Sowjetunion und der
Republiken eine Politik verfolgen, die zum Weltfrieden und zu internationaler
Sicherheit beiträgt. In diesem Zusammenhang ist entscheidend, daß die
Sowjetunion und die Republiken alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um
sicherzustellen, daß die von der UdSSR unterzeichneten internationalen Überein-
künfte, insbesondere der START-Vertrag, der KSE-Vertrag, der
Nichtverbreitungsvertrag und das B-Waffen-Übereinkommen, respektiert,
ratifiziert und implementiert werden.
Wir fordern alle staatlichen Stellen auf, sich jeden Schritts zu enthalten,
der zu einer Verbreitung von Nuklearwaffen oder anderen
Massenvernichtungswaffen führen könnte. Wir begrüßen daher die Absicht der
sowjetischen Führung, die sichere, verantwortungsbewußte und zuverlässige
Kontrolle über diese Waffen in der Hand einer einzigen verantwortlichen
Stelle zu gewährleisten.
Diese Frage berührt die Sicherheitsinteressen des gesamten Atlantischen
Bündnisses sowie der internationalen Staatengemeinschaft insgesamt. Die
sowjetische Regierung und die Regierungen der Republiken sollten energische
Maßnahmen ergreifen, um die Ausfuhr nuklearer oder anderer potentiell
destabilisierender Waffentechnologien zu verhindern. Wir fordern Zurückhaltung
bei der Entwicklung konventioneller Streitkräfte, die auf Grund ihres Umfangs
und ihrer Eigenschaften politische Spannungen verschärfen, die
marktwirtschaftliche Reform verzögern und Bemühungen um ein niedrigeres und
stabileres Streitkräfteniveau; wie es im KSE-Vertrag vorgesehen ist,
zuwiderlaufen könnten. Weil er die Gefahren der Instabilität vermindert und
Offenheit fördert, liegt der KSE-Vertrag im Interesse aller, auch im
Interesse der Sowjetunion und der Republiken.
4. Die Bündnispartner sind der festen Überzeugung, daß der politische Wandel
von wirtschaftlicher Freiheit und der Errichtung einer marktwirtschaftlichen
Ordnung begleitet werden sollte. Wir unterstützen die Entwicklung einer Wirt-
schaftspolitik, die Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit unter den
Republiken im Interesse von Wachstum und Stabilität fördert. In diesem
Zusammenhang ist wesentlich, daß alle Republiken ihren Teil der Verantwortung
für die sowjetischen internationalen Zahlungsverpflichtungen übernehmen, was
die Integration der Union und der Republiken in die Weltwirtschaft erleichtem
würde. Neu geknüpfte Verbindungen mit den internationalen
Finanzinstitutionen sollten rasche Reformen auf dem Wege zur Entwicklung
einer marktwirtschaftlichen Ordnung als Grundlage für Wirtschaftsaufschwung
und Wohlstand in der Union und den Republiken erleichtern.
Die Verbündeten stehen bereit, bei dem historischen Bemühen zu helfen, auch
durch technische Hilfe in Schlüsselbereichen. Darüber hinaus leisten wir
humanitäre Hilfe für die sowjetischen Völker bei ihrem Ringen mit den sie
bedrängenden politischen und wirtschaftlichen Krisen. Wir betrachten diese
Hilfe als entscheidenden Beitrag für die zukünftige Sicherheit Europas und der
gesamten Welt.
5. Wir vertrauen darauf, daß die Führung und die staatlichen Stellen auf
allen Ebenen in der gesamten Union und in den Republiken klar zeigen, daß sie
sich den Werten und Prinzipien, die wir in dieser Erklärung bekräftigt haben,
verpflichtet fühlen.
6. Der Nordatlantikrat wird auch künftig aktiv über die Entwicklungen in der
Sowjetunion zur Abstimmung unserer Haltung gegenüber neuen Ereignissen
konsultieren.
Erklärung zur Lage in Jugoslawien
1. Wir, die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten des
Nordatlantischen Bündnisses, sind tief besorgt über die gegenwärtige Krise in
Jugoslawien und über die ernste Gefahr, die sie für die Stabilität in der
Region bedeutet. Wir bedauern zutiefst die tragischen Verluste an
Menschenleben, die Einschüchterung der Zivilbevölkerung und die umfangreiche
Zerstörung von Eigentum.
2. Es obliegt allein den Völkern Jugoslawiens, überdie Zukunft ihres Landes
zu bestimmen. Wir fordern alle Parteien auf, die KSZE-Prinzipien in vollem
Umfang einzuhalten. Alle Versuche, bestehende Grenzen durch die Anwendung
von Gewalt oder eine auf die Schaffung vollendeter Tatsachen abzielende Politik
zu verändern, sind unannehmbar; wir werden keinerlei einseitige Veränderung
von äußeren oder inneren Grenzen anerkennen, die durch solche Mittel
herbeigeführt wird.
3. Wir verurteilen die Anwendung von Gewalt zur Erreichung politischer
Ziele. Fortgesetzte Angriffe der jugoslawischen Volksarmee auf Dubrovnik und
andere kroatische Städte stehen in keinem Verhältnis zu irgendeiner Provoka-
tion, zur Verletzung von Waffenstillstandsvereinbarungen oder zu der
Notwendigkeit, serbische Enklaven oder Kasernen der Armee zu schützen.
Wir fordern alle Parteien auf, Waffenstillstandsvereinbarungen zu
respektieren. Verpflichtungen, die Blockade von Kasernen aufzuheben und die
Kräfte der jugoslawischen Volksarmee abzuziehen, wozu sich Teilnehmer am 18.
Oktober in Den Haag verpflichteten und die am 3. November bekräftigt wurden,
sind nicht eingehalten worden.
Wir erinnern all diejenigen, die für Gewalttaten in Jugoslawien und für
Verstöße gegen Waffenstillstandsvereinbarungen verantwortlich sind, daran,
daß sie nach dem Völkerrecht persönlich für ihre Handlungen, die einschlägige
Normen des humanitären Völkerrechts verletzen, haftbar sind.
4. Wir unterstützen und würdigen die Bemühungen der Europäischen
Gemeinschaft, der KSZE und des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen um die
Beilegung dieser Krise. Wir fordern alle Parteien dringend auf, umfassend mit
der Europäischen Gemeinschaft bei deren Bemühungen im Rahmen des ihr von der
KSZE verliehenen Mandats zusammenzuarbeiten, und zwar sowohl bei der
Umsetzung von Waffenstillstands- und Beobachtervereinbarungen als auch beim
Verhandlungsprozeß innerhalb der Konferenz über Jugoslawien.
5. Wir begrüßen Lord Carringtons Bemühungen, einen Rahmen zur Verfügung zu
stellen, innerhalb dessen die jugoslawischen Völker ihre Differenzen beilegen
können. Wir fordern alle betroffenen Parteien dringend auf, sich im Rahmen der
Haager Konferenz über Jugoslawien auf eine friedliche Lösung zu verständigen.
Die Aussichten auf Anerkennung der Unabhängigkeit derjenigen Republiken, die
dies wünschen, ist nur vorstellbar im Rahmen einer Gesamtregelung, die
hinreichende Garantien für den Schutz der Menschenrechte und der Rechte von
nationalen und ethnischen Gruppen einschließt.
Das Selbstbestimmungsrecht aller Völker in Jugoslawien kann nicht losgelöst
von den Interessen und Rechten nationaler oder ethnischer Gruppen innerhalb
der einzelnen Republiken ausgeübt werden. Zuständige Stellen auf allen Ebenen
sollten internationale Normen und Verpflichtungen respektieren, insbesondere
diejenigen, die in der Schlußakte von Helsinki, der Charta von Paris und
anderen KSZE- Dokumenten niedergelegt sind.
6. Wir begrüßen die von der Europäischen Gemeinschaft und ihren
Mitgliedstaaten auf der Außenministertagung vom 8. November vereinbarten
Maßnahmen.
7. Wir befürworten alle Anstrengungen zur Gewährung humanitärer Hilfe an die
Opfer des Konflikts, sowohl innerhalb als auch außerhalb Jugoslawiens, unter
Einbeziehung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen und des
Internationalen Roten Kreuzes. Wir fordern alle Seiten nachdrücklich auf,
Lieferungen humanitärer Güter zu den bedürftigen Gemeinden und den vielen durch
die Kämpfe vertriebenen Menschen gelangen zu lassen.
Das neue Strategische Konzept des Bündnisses
Auf ihrer Tagung in London im Juli 1990 waren sich die Staats- und
Regierungschefs der NATO einig über die Notwendigkeit einer Umgestaltung der
Atlantischen Allianz mit dem Ziel, der neuen verheißungsvolleren Ära in Europa
Rechnung zu tragen. Sie bekräftigten die grundlegenden Prinzipien, auf denen
das Bündnis seit seiner Gründung beruht und stellten fest, daß die
Entwicklungen, die sich in Europa vollziehen, weitreichenden Einfluß darauf
haben, wie die Ziele der Allianz in Zukunft zu erfüllen sein werden.
Insbesondere gaben sie eine grundlegende Überprüfung der Strategie in Auftrag.
Das Ergebnis, das neue Strategische Konzept, wird nachfolgend dargestellt.
Teil I
Der strategische Kontext
Das neue strategische Umfeld
2. Seit 1989 haben in Mittel- und Osteuropa tiefgreifende politische
Veränderungen stattgefunden, durch die sich das sicherheitspolitische Umfeld,
in dem die Nordatlantische Allianz ihre Zielsetzung zu erfüllen sucht,
entscheidend verbessert hat. Die ehemaligen Satellitenstaaten der UdSSR
haben ihre Souveränität in vollem Umfang wiedergewonnen. Die Sowjetunion und
ihre Republiken sind in radikalem Wandel begriffen. Die drei baltischen
Republiken haben ihre Unabhängigkeit wiedererlangt. Die sowjetischen Streit-
kräfte haben Ungarn und die Tschechoslowakei verlassen und sollen ihren Abzug
aus Polen und Deutschland bis 1994 abgeschlossen haben. Alle die Staaten, die
zuvor Gegner der NATO waren, haben den Warschauer Pakt aufgelöst und ihre
ideologisch begründete Feindschaft gegenüber dem Westen aufgegeben. Sie haben,
in unterschiedlichem Maße, sich einer Politik zugewandt, die auf pluralistische
Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Menschenrechte und
Marktwirtschaft gerichtet ist, und sie haben begonnen, diese umzusetzen. Die
politische Teilung Europas, Ursache der militärischen Konfrontation während des
Kalten Krieges, ist somit überwunden.
3. Im Westen haben sich ebenfalls bedeutende Veränderungen vollzogen.
Deutschland wurde geeint und bleibt Vollmitglied der Allianz und der
europäischen Institutionen. Die Tatsache, daß die Staaten der Europäischen
Gerneinschaft auf eine politische Union hinarbeiten, einschließlich der Ent-
wicklung einer europäischen sicherheitspolitischen Identität, sowie die
Verstärkung der Rolle der WEU sind wichtige Faktoren europäischer Sicherheit.
Der Ausbau der sicherheitspolitischen Dimension im Prozeß der europäischen
Integration sowie der Rolle und Verantwortlichkeiten der europäischen
Bündnismitglieder sind positive, sich gegenseitig verstärkende Entwicklungen.
Die Schaffung einer europäischen Sicherheitsidentität und Rolle in der
Verteidigung, reflektiert in der Stärkung des europäischen Pfeilers im Bündnis,
wird nicht nur den Interessen der europäischen Staaten dienen, sondern auch die
Integrität und Wirksamkeit des Bündnisses insgesamt verstärken.
4. Erhebliche Fortschritte in der Rüstungskontrolle haben bereits zur
Festigung von Stabilität und Sicherheit durch Verringerung des Rüstungsniveaus
sowie durch Erhöhung der militärischen Transparenz und des gegenseitigen Ver-
trauens geführt (u. a. durch die Stockholmer KVAE-Vereinbarung von 1986,
den INF-Vertrag von 1987 und die KSZE-Vereinbarungen sowie die Vertrauens- und
Sicherheitsbildenden Maßnahmen von 1990). Die Umsetzung des START-Vertrags
von 1991 mit seinen substantiellen und ausgewogenen Reduzierungen wird bei den
strategischen Nuklearwaffen zu größerer Stabilität führen. Weitere weite
reichende Änderungen und Reduzierungen bei den Nuklearstreitkräften der USA
und der Sowjetunion werden in Fortführung der Initiative von Präsident Bush
vom September 1991 angestrebt. Von besonderer Bedeutung ist auch der 1990 beim
Pariser Gipfel unterzeichnete Vertrag über Kon- ventionelle Streitkräfte in
Europa (KSE); seine Umsetzung wird die zahlenmäßige Unterlegenheit des
Bündnisses bei konventionellen Hauptwaffensystemen beseitigen und wirk- same
Verifizierungsverfahren ermöglichen.
All diese Entwicklungen werden überdies auch ein völlig neues Maß an
militärischer Transparenz in Europa zur Folge haben und damit Berechenbarkeit
und gegenseitiges Vertrauen verbessern. Diese Transparenz würde durch ein
Regime "Offene Himmel" noch verstärkt. Begrüßenswerte Aussichten auf weitere
Fortschritte in der Rüstungskontrolle bestehen im' Bereich der konventionellen
und nuklearen Streitkräfte, auf ein weltweites Verbot chemischer Waffen sowie
auf Beschränkung destabilisierender Rüstungsexporte und der Verbreitung
bestimmter Waffentechnologien.
5. Der KSZE-Prozeß, der 1975 in Helsinki begann, hat bereits wesentlich zur
Überwindung der Teilung Europas beigetragen. Als ein Ergebnis des Pariser
Gipfels umfaßt er jetzt neue institutionelle Regelungen und stellt einen
vertraglichen Rahmen für Konsultationen und Zusammenarbeit dar, der, in
Ergänzung zur NATO und zum europäischen Integrationsprozeß, eine konstruktive
Rolle bei der Wahrung des Friedens spielen kann.
6. Die historischen Veränderungen, die in Europa eingetreten sind und die
eine Reihe der im Harmel-Bericht
enthaltenen Zielvorgaben erfüllen, haben die Sicherheit der Bündnispartner
insgesamt bedeutend verbessert. Die monolithische, massive und potentiell
unmittelbare Bedrohung, die die Hauptsorge des Bündnisses in den ersten
vierzig Jahren seines Bestehens war, ist verschwunden. Dennoch bleiben ein
großes Maß an Unsicherheit im Hinblick auf die Zukunft wie auch Risiken
für die Sicherheit des Bündnisses bestehen.
7. Das neue Strategische Konzept ist auf ein sicherheitspolitisches
Umfeld gerichtet, in dem die beschriebenen positiven Veränderungen Früchte
getragen haben werden. Es setzt insbesondere den Abschluß des geplanten Abzugs
der sowjetischen Streitkräfte aus. Mittel- und Osteuropa, sowie die
vollständige Durchführung des KSE-Vertrags von 1990 durch alle Parteien voraus.
Die Umsetzung des Strategischen Konzepts wird daher im Lichte des sich
entwickelnden sicherheitspolitischen Umfelds und insbesondere des Fort-
schritts bei der Erfüllung dieser Voraussetzungen laufend überprüft werden.
Weitere Anpassungen werden, soweit notwendig, vorgenommen werden.
Sicherheitspolitische Herausforderungen und Risiken
Die sicherheitspolitischen Herausforderungen und Rsiken, denen sich die NATO
gegenübersieht, unterscheiden sich grundsätzlich von denen der Vergangenheit.
Die Bedrohung durch einen großangelegten, gleichzeitig an allen europäischen
NATO-Fronten vorgetragenen Angriff ist praktisch nicht mehr gegeben. Die
Bündnisstrategie ist daher auch nicht mehr auf diesen Fall konzentriert.
Insbesondere in Mitteleuropa wurde die Gefahr eines Überraschungsangriffs
beträchtlich verringert; die Mindestwarnzeit der Bündnispartner hat sich
dementsprechend erhöht.
9. Im Gegensatz zur Hauptbedrohung der Vergangenheit sind die bleibenden
Sicherheitsrisiken der Allianz ihrer Natur nach vielgestaltig und kommen aus
vielen Richtungen, was dazu führt, daß sie schwer vorherzusehen und
einzuschätzen sind. Die NATO muß fähig sein, auf derartige Risiken zu
reagieren, wenn Stabilität in Europa und die Sicherheit ihrer Bündnispartner
gewahrt werden sollen. Diese Risiken können auf ganz unterschiedliche Weise
Gestalt annehmen.
10. Risiken für die Sicherheit der Allianz ergeben sich weniger aus der
Wahrscheinlichkeit des kalkulierten Angriffs auf das Hoheitsgebiet der
Bündnispartner. Sie sind eher Konsequenz der Instabilitäten, die aus den
ernsten wirtschaftlichen, sozialen und politischen Schwierigkeiten,
einschließlich ethnischer Rivalitäten und Gebietsstreitigkeiten entstehen
können, denen sich viele mittel- und osteuropäische Staaten
gegenübersehen. Solange die daraus womöglich erwachsenden Spannungen
begrenzt bleiben, sollten sie die Sicherheit und territoriale
Unversehrtheit von Bündnisstaaten nicht bedrohen. Sie könnten jedoch zu
Krisen, die die Stabilität in Europa beeinträchtigen, und sogar zu
bewaffneten Auseinandersetzungen führen, die außenstehende Mächte
einbeziehen oder auf NATO-Staaten übergreifen und damit die Sicherheit des
Bündnisses unmittelbar berühren könnten.
Im besonderen Falle der Sowjetunion können die Risiken und Unsicherheiten,
die den Prozeß der Veränderungen begleiten, nicht losgelöst von der Tatsache
gesehen werden, daß ihre konventionellen Streitkräfte erheblich umfangreicher
als die irgendeines anderen europäischen Staates sind und daß ihr großes
Nuklearwaffenarsenal sich nur mit dem der Vereinigten Staaten vergleichen läßt.
Diese Potentiale müssen in Rechnung gestellt werden, wenn Stabilität und
Sicherheit in Europa gewahrt werden sollen.
12. Die Bündnispartner wollen auch zu den Staaten am südlichen Mittelmeer
und im Nahen Osten friedliche und von Gegnerschaft freie Beziehungen
unterhalten. Stabilität und Frieden in den Ländern an der südlichen Peripherie
Europas sind wichtig für die Sicherheit des Bündnisses, wie der Golfkrieg im
Jahr 1991 gezeigt hat. Dies trifft um so mehr zu in Anbetracht der
militärischen Aufrüstung und der Verbreitung von Waffentechnologien in der
Region einschließlich Massenvernichtungswaffen und ballistischer Flugkörper,
die das Hoheitsgebiet einiger Bündnisstaaten erreichen können.
13. Im Fall eines bewaffneten Angriffs auf das Gebiet der Bündnispartner,
aus welcher Richtung auch immer, finden Arti- kel 5 und 6 des Vertrags von
Washington Anwendung. Die Sicherheit des Bündnisses muß jedoch auch den
globalen Kontext berücksichtigen. Sicherheitsinteressen des Bündnis- ses
können von anderen Risiken berührt werden, einschließlich der Verbreitung von
Massenvernichtungswaffen, der Unterbrechung der Zufuhr lebenswichtiger
Ressourcen sowie von Terror- und Sabotageakten. Im Bündnis gibt es Mechanismen
für Konsultationen nach Artikel 4 des Vertrags von Washington sowie
gegebenenfalls zur Koordinierung der Maßnahmen der Bündnispartner
einschließlich ihrer Reaktionen auf derartige Risiken.
14. Aus Sicht der Bündnisstrategie ist eine differenzierte Betrachtung
dieser unterschiedlichen Risiken geboten. Wenn auch die Beziehungen zur
Sowjetunion von Gegnerschaft frei und kooperativ sind, stellen das
sowjetische Militärpotential und seine Aufwuchsfähigkeit, zusammen mit seiner
nuklearen Dimension, immer noch den bedeutendsten Faktor dar, den das Bündnis
bei der Wahrung des strategischen Gleichgewichts in Europa in Rechnung zu stel-
len hat. Das Ende der Ost-West-Konfrontation hat indessen das Risiko eines
großen Konflikts in Europa erheblich verringert. Andererseits ist das Risiko
gewachsen, daß ganz anders geartete Krisen entstehen, die rasch eskalieren
könnten und eine schnelle Reaktion erforderten, auch wenn sie von eher
geringerem Ausmaß wären.
15. Zwei Schlußfolgerungen lassen sich aus dieser Analyse des strategischen
Kontexts ziehen. Die erste ist, da das neue Umfeld weder den Zweck noch die
sicherheitspolitischen Aufgaben des Bündnisses verändert, deren fortdauemde
Gültigkeit vielmehr unterstreicht. Die zweite ist, daß das veränderte Umfeld
dem Bündnis neue Möglichkeiten bietet, seine Strategie innerhalb eines
breitangelegten sicherheitspolitischen Ansatzes zu konzipieren.
Teil II
Ziele und sicherheitspolitische Aufgaben des Bündnisses
Der Zweck des Bündnisses
16. Das wesentliche Ziel der Nordatlantischen Allianz, das Im Vertrag von
Washington niedergelegt und in der Londoner Erklärung bekräftigt wurde, besteht
darin, die Freiheit und Sicherheit aller ihrer Mitglieder mit politischen und
militärischen Mitteln im Einklang mit den Grundsätzen der Charta der
Vereinten Nationen zu gewährleisten. Auf der Grundlage der gemeinsamen Werte
Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit wirkt das Bündnis seit
seiner Gründung für die Schaffung einer gerechten und dauerhaften
Friedensordnung in Europa. Dieses Bündnisziel bleibt unverändert.
Das Wesen des Bündnisses
17. Das Nordatlantische Bündnis verkörpert die transatlantische Bindung, die
die Sicherheit Nordamerikas mit der Sicherheit Europas auf Dauer verknüpft. Es
ist der konkrete Ausdruck wirksamen kollektiven Bemühens seiner Mitglieder um
Förderung ihrer gemeinsamen Interessen.
18. Grundlegendes Handlungsprinzip des Bündnisses sind gemeinsames Eintreten
und allseitige Zusammenarbeit unter souveränen Staaten zur Festigung der
Unteilbarkeit der Sicherheit aller seiner Mitglieder. Solidarität im Bündnis,
der durch die tägliche Arbeit der NATO im politischen wie im militärischen
Bereich Inhalt und Wirkung gegeben wird, bietet die Gewähr, daß kein einziger
Verbündeter darauf angewiesen ist, sich bei der Bewältigung elementarer sicher-
heitspolitischer Herausforderungen allein auf seine eigenen nationalen
Anstrengungen zu verlassen. Ohne den Mitgliedstaaten ihr Recht und ihre
Pflicht abzusprechen, ihre souveräne Verantwortung im Verteidigungsbereich
wahrzunehmen, ermöglicht ihnen das Bündnis durch kollektives Bemühen, ihre
Fähigkeit zur Verwirklichung ihrer entscheidenden nationalen
sicherheitspolitischen Ziele zu stärken.
19. Daraus erwächst, ungeachtet jeweils unterschiedlicher Gegebenheiten und
nationaler militärischer Fähigkeiten, ein Gefühl gleicher Sicherheit der
Bündnismitglieder. Dieses Gefühl trägt zur Gesamtstabilität in Europa und
somit zur Schaffung von Bedingungen bei, die eine verstärkte Zusammenarbeit
sowohl unter den Bündnismitgliedern als auch mit anderen Staaten fördern. Auf
dieser Grundlage können die Bündnismitglieder, gemeinsam mit anderen Staaten,
die Entwicklung kooperativer Sicherheitsstrukturen für das eine und freie
Europa vorantreiben.
Die grundlegenden Aufgaben des Bündnisses
20. Zu den Mitteln, mit denen das Bündnis seine Sicherheitspolitik zur
Wahrung des Friedens verfolgt, gehört auch künftig die Erhaltung militärischer
Fähigkeiten, die zur Kriegsverhütung und zur Gewährleistung einer wirksamen
Verteidigung ausreichen; dazu gehört auch eine umfassende Fähigkeit, die
Sicherheit seiner Mitglieder bedrohende Krisen erfolgreich zu bewältigen; dazu
gehören ferner politische Anstrengungen, den Dialog mit anderen Staaten sowie
die aktive Suche, nach kooperativen Ansätzen in der europäischen Sicherheit
einschließlich des Rüstungskontroll- und Abrüstungsbereichs zu fördern.
21. Um sein wesentliches Ziel zu erreichen, nimmt das Bündnis
die folgenden grundlegenden Sicherheitsaufgaben wahr:
E r s t e n s: Es bietet eines der unverzichtbaren Fundamente für ein stabiles
sicherheitspolitisches Umfeld in Europa, gegründet auf dem Wachsen
demokratischer Einrichtungen und auf dem Bekenntnis zur friedlichen Beilegung
von Streitigkeiten, ein Europa, in dem kein Staat in der Lage ist, eine
europäische Nation einzuschüchtern oder einem Zwang auszusetzen oder sich
durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt die Vorherrschaft zu sichern.
Z w e i t e n s: Es dient gemäß Artikel 4 des Nordatlantikvertrags als ein
transatlantisches Forum für Konsultationen unter den Verbündeten über Fragen,
die ihre vitalen Interessen einschließlich möglicher Entwicklungen berühren,
die Risiken für die Sicherheit der Bündnismitglieder mit sich bringen, und als
Forum für sachgerechte Koordinierung ihrer Bemühungen in Bereichen, die sie
gemeinsam angehen.
D r i t t e n s: Es schreckt von jeder Aggressionsdrohung und wehrt jeden
Angriff gegen das Hoheitsgebiet eines NATO-Mitgliedstaates ab.
V i e r t e n s: Es wahrt das strategische Gleichgewicht in Europa.
22. Andere europäische Institutionen wie die EG, die WEU und die KSZE haben
in diesen Bereichen ebenfalls Aufgaben zu erfüllen nach Maßgabe ihrer
Zuständigkeit und Zielsetzung. Die Schaffung einer europäischen sicherheits-
und verteidigungspolitischen Identität wird die Bereitschaft der Europäer
unterstreichen, ein höheres Maß an Verantwortung für ihre Sicherheit zu
übernehmen, und wird dazu beitragen, die transatlantische Solidarität zu
stärken. Der Umfang seiner Mitgliedschaft und Fähigkeiten verleiht dem Bündnis
jedoch eine besondere Stellung, die es ihm ermöglicht, alle vier
sicherheitspolitischen Kernfunktionen zu erfüllen. Die Allianz ist das
wesentliche Forum für Konsultationen unter den Verbündeten und für die
Vereinbarung von politischen Maßnahmen, die sich auf die Sicherheits- und
Verteidigungsverpflichtungen ihrer Mitgliedstaaten nach dem Nordatlan-
tikvertrag auswirken.
23. Mit der Formulierung der Kernfunktionen des Bündnisses im oben dar
gelegten Sinne bestätigen die Mitgliedstaaten, daß der Wirkungsbereich des
Bündnisses wie auch ihre Rechte und Pflichten aus dem Nordatlantikvertrag
unverändert bleiben.
Teil III
Ein breitangelegter sicherheitspolitischer Ansatz
Friedenssicherung im neuen Europa
24. Das Bündnis war stets bemüht, seine Ziele der Wahrung von Sicherheit
und territorialer Unversehrtheit seiner Mitglieder sowie der Errichtung einer
gerechten und dauerhaften Friedensordnung in Europa durch politische wie
militärische Mittel zu erreichen. Dieser umfassende Ansatz bildet weiterhin
die Grundlage der Sicherheitspolitik des Bündnisses.
25. Neu ist jedoch, daß die Möglichkeiten zur Erfüllung der Zielsetzungen
des Bündnisses mit politischen Mitteln auf Grund der radikalen Änderungen der
sicherheitspolitischen Lage heute größer sind als je zuvor. Jetzt können alle
Konsequenzen aus der Tatsache gezogen werden, daß Sicherheit und Stabilität
sowohl politische, wirtschaftliche, soziale und umweltpolitische Elemente als
auch die unverzichtbare Verteidigungsdimension einschließen. Zur Bewäl-
tigung der vielfältigen Herausforderungen, denen sich das Bündnis
gegenübersieht, ist ein breit angelegter sicherheitspolitischer Ansatz
erforderlich. Dieser findet Ausdruck in drei sich gegenseitig verstärkenden
Elementen der Sicherheitspolitik des Bündnisses: Dialog, Kooperation und Auf-
rechterhaltung einer kollektiven Verteidigungsfähigkeit.
26. Das Bündnis ist bestrebt, durch aktiv geführten Dialog und aktive
Zusammenarbeit und gestützt auf sein Bekenntnis zu wirksamer kollektiver
Verteidigungsfähigkeit die Risiken eines aus Mißverständnis erwachsenden oder
bewußt herbeigeführten Konflikts zu verringern, besseres gegenseitiges
Verständnis und Vertrauen zwischen allen europäischen Staaten aufzubauen, dazu
beizutragen, die Sicherheit der Bündnispartner berührende Krisen zu bewältigen
und die Möglichkeiten für eine echte Partnerschaft aller europäischen Länder
bei der Behandlung gemeinsamer Sicherheitsprobleme zu erweitern.
27. Die Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik des Bündnisses leistet in
dieser Hinsicht einen Beitrag zu Dialog und Zusammenarbeit mit anderen Staaten
und wird daher weiterhin eine gewichtige Rolle bei der Verwirklichung der
sicherheitspolitischen Zielsetzungen des Bündnisses spielen. Die
Bündnispartner wollen durch Rüstungskontrolle und Abrüstung Sicherheit und
Stabilität auf dem niedrigstmöglichen Streitkräfteniveau stärken, das mit den
Verteidigungserfordernissen vereinbar ist. So wird das Bündnis wei terhin
sicherstellen, daß verteidigungs- sowie rüstungskontroll- und
abrüstungspolitische Ziele miteinander in Einklang bleiben.
28. Das Bündnis wird bei der Erfüllung seiner grundlegenden Zielsetzungen und
sicherheitspolitischen Kernfunktionen auch weiterhin die legitimen
Sicherheitsinteressen anderer Staaten achten und die friedliche Beilegung von
Streitigkeiten in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen
anstreben. Das Bündnis wird friedliche und freundschaftliche internationale
Beziehungen fördern und demokratische Institutionen unterstützen. In diesem
Zusammenhang erkennt es den wertvollen Beitrag anderer Organisationen wie
der Europäischen Gerneinschaft und der KSZE an; ebenso erkennt es an, daß die
Funktionen dieser Institutionen und des Bündnisses einander ergänzen.
Dialog
29. Die neue Lage in Europa hat die Chancen zum Dialog es Bündnisses mit der
Sowjetunion und den anderen Ländern Mittel- und Osteuropas vervielfacht. Die
Allianz hat entsprechend der Londoner Erklärung ständige diplomatische
Verbindung und militärische Kontakte zu den Staaten Mittel- und Osteuropas
aufgenommen. Durch ständige diploma- tische Verbindung wird das Bündnis den
Dialog unter Einschluß eines intensivierten Meinungs- und Informations-
austausches über sicherheitspolitische Fragen weiter fördern. Auf diesem Weg
werden die Bündnispartner einzeln wie gemeinsam bestrebt sein, die völlig neuen
Möglichkeiten, die sich aus wachsender Freiheit und Demokratie in ganz Europa
ergeben haben, umfassend zu nutzen und ein besseres Verständnis der
jeweiligen sicherheitspolitischen Belange des anderen zu fördern, Transparenz
und Berechenbarkeit in Sicherheitsfragen zu erhöhen und somit die Stabilität zu
festigen. Der militärische Bereich kann dazu beitragen, das Trennende der
Vergangenheit zu überwinden - nicht zuletzt durch verstärkte Kontakte und
größere Transparenz in militärischen Angelegenheiten. Die Dialogpolitik des
Bündnisses wird eine Grundlage für die breitere Zusammenarbeit in ganz Europa
und die Fähigkeit zur friedlichen Beilegung von Differenzen und Konflikten
schaffen.
Kooperation
30. Die Bündnispartner sind ebenso der Zusammenarbeit mit allen Staaten
Europas auf der Grundlage der in der Charta von Paris für ein Neues Europa
niedergelegten Prinzipien verpflichtet. Sie werden bestrebt sein, umfassendere
und leistungsfähige Formen bilateraler und multilateraler Zusammenarbeit in
allen geeigneten Bereichen der europäischen Sicherheit zu entwickeln, unter
anderem mit dem Ziel, Krisen zu verhüten oder - sollten sie dennoch entstehen -
ihre wirksame Bewältigung zu gewährleisten. Eine solche Partnerschaft zwischen
den Bündnismitgliedern und anderen Staaten bei der Behandlung konkreter
Problerne wird ein wesentlicher Faktor sein, wenn es darum geht, über das
Trennende der Vergangenheit hinweg den Weg in Richtung auf das eine und freie
Europa einzuschlagen. Diese Politik der Zusammenarbeit ist Ausdruck der
Unteilbarkeit der Sicherheit der europäischen Staaten. Sie baut auf der
gemeinsamen Erkenntnis der Bündnismitglieder auf, daß neue politische,
wirtschaftliche oder soziale Gegensätze auf dem Kontinent, wenn sie sich
verfestigen, zu künftiger Instabilität führen könnten; solche Gegensätze
müssen daher verkleinert werden.
Kollektive Verteidigung
31. Der Einsatz der politischen Elemente der Sicherheit gewinnt somit
zunehmend an Bedeutung. Dennoch bleibt die militärische Dimension weiterhin
unabdingbar. Die Aufrechterhaltung einer angemessenen Verteidigungsfähigkeit
und die eindeutige Bereitschaft, gemeinsam in kollektiver Verteidi- gung zu
handeln, haben für die sicherheitspolitischen Ziele der Allianz weiterhin
zentrale Bedeutung. Eine derartige Fähigkeit ist zusammen mit politischer
Solidarität erforderlich, um jeglichen Versuch von Pression oder Einschüchte-
rung zu verhindern und zu gewährleisten, daß ein militärischer Angriff gegen
das Bündnis niemals als eine auch nur im geringsten erfolgversprechende Option
in Betracht gezogen werden kann. Sie ist ebenso unerläßlich, um
sicherzustellen, daß Dialog und Zusammenarbeit mit Zuversicht verfolgt und so
die gewünschten Ergebnisse erreicht werden können.
Krisenbewältigung und Konfliktverhütung
32. Im neuen politischen und strategischen Umfeld in Europa hängt der Erfolg
der Bündnispolitik zur Wahrung des Friedens und zur Kriegsverhinderung mehr
denn je von einer wirksamen vorbeugenden Diplomatie und der erfolgreichen
Bewältigung von Krisen ab, die die Sicherheit der Bündnispartner berühren.
Eine größere Aggression in Europa ist sehr viel unwahrscheinlicher geworden;
auch ginge ihr eine beträchtliche Warnzeit voraus. Andere potentielle Risiken,
denen sich das Bündnis gegenübersieht, sind geringeren Ausmaßes, aber nach
Tragweite und Vielfalt weniger vorhersehbar als früher.
33. Unter diesen neuen Umständen gibt es mehr Möglichkeiten, Krisen in einem
frühen Stadium erfolgreich beizulegen. Für einen Erfolg der Bündnispolitik ist
ein von der politischen Führung des Bündnisses festzulegender kohärenter Ansatz
erforderlich, wobei sie nach Bedarf die geeigneten Krisen-
bewältigungsmaßnahmen aus einer Palette politischer und sonstiger Optionen,
darunter auch aus dem militärischen Bereich, auswählt und koordiniert. Die
politische Führung des Bündnisses wird von Anfang an und jederzeit volle
Kontrolle ausüben. Geeignete Konsultations- und Entscheidungsverfahren sind
hierfür wesentliche Voraussetzung.
34. Die Möglichkeiten des Dialogs und der Zusammenarbeit in ganz Europa
müssen voll ausgeschöpft weiden, um zur Entschärfung von Krisen und zur
Verhinderung von Konflikten beitragen zu können, da die Sicherheit der
Verbündeten untrennbar mit der aller anderen Staaten in Europa verbunden ist.
Zu diesem Zweck werden die Bündnispartner die Rolle des KSZE-Prozesses und
seiner Institutionen unterstützen. Andere Institutionen, darunter die
Europäische Gemeinschaft, die Westeuropäische Union und die Vereinten
Nationen, können hierbei ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.
Teil IV
Verteidigungsrichtlinien
Grundsätze der Bündnisstrategie
35. Die Vielfalt der Herausforderungen, die dem Bündnis jetzt gestellt sind,
erfordert somit einen breit angelegten sicherheitspolitischen Ansatz. Das
veränderte politische und strategische Umfeld ermöglicht dem Bündnis, unter
Bekräftigung bewährter grundlegender Prinzipien wichtige Merkmale seiner
Militärstrategie zu ändern und neue Richtlinien festzulegen. Auf dem Londoner
Gipfel wurde daher vereinbart, eine neue Militärstrategie und ein neues
Streitkräfte dispositiv zu entwickeln, die den veränderten Gegebenheiten
Rechnung tragen.
36. Die Bündnisstrategie wird weiterhin von einer Reihe grundlegender
Prinzipien geprägt sein. Die Allianz ist rein defensiv ausgerichtet: Keine
ihrer Waffen wird jemals eingesetzt werden, es sei denn zur Selbstverteidigung,
und sie betrachtet sich nicht als Gegner irgendeines Landes. Die Bündnis-
partner werden ein Militärpotential unterhalten, das ausreicht, jeden
potentiellen Angreifer davon zu überzeugen, daß die Anwendung von Gewalt gegen
das Hoheitsgebiet eines Bündnispartners auf eine gemeinsame wirkungsvolle
Reaktion aller Bündnispartner stoßen würde und daß die mit der Auslösung eines
Konflikts verbundenen Risiken größer wären als jeder zu erwartende Gewinn.
Daher müssen die Streitkräfte der Bündnispartner in der Lage sein, die Gren-
zen des Bündnisgebiets zu verteidigen, den Vormarsch eines Angreifers möglichst
weit vorne aufzuhalten, die territoriale Unversehrtheit der Staaten des
Bündnisses zu wahren oder wiederherzustellen und einen Krieg schnell zu
beenden, indem sie den Aggressor dazu veranlassen, seine Entscheidung zu
überdenken, seinen Angriff einzustellen und sich zurückzuziehen. Die
Streitkräfte des Bündnisses haben die Aufgabe, die territoriale
Unversehrtheit und die politische Unabhänigkeit seiner Mitgliedstaaten zu
gewährleisten. Somit tragen sie zu Frieden und Stabilität in Europa bei.
37. Die Sicherheit aller Bündnispartner ist unteilbar. Ein Angriff gegen
einen ist ein Angriff gegen alle. Die Solidarität des Bündnisses und seine
strategische Einheit sind daher entscheiderde Voraussetzungen für die
kollektive Sicherheit. Die Verwirklichung der Bündnisziele steht und fällt
mit einer fairen Teilung der Aufgaben, Risiken und Verantwortwortlichkeiten
wie auch der Vorteile gemeinsamer Verteidigung.
Die Präsenz nordamerikanischer konventioneller Streitkräfte und nuklearer
Streitkräfte der Vereinigten Staaten in Europa bleibt lebenswichtig für die
Sicherheit Europas, die untrennbare mit der Sicherheit Nordamerikas verbunden
ist. In dem Maße wie der Prozeß der Entwicklung einer europäischen
Sicherheitsidentität und Rolle in der Verteidigung voranschreitet und in der
Stärkung des europäischen Pfeilers im Bündnis reflektiert wird, werden die
europäischen Mitgliedstaaten des Bündnisses größere Verantwortung für die
Verteidigung Europas übernehmen.
33. Der kollektive Charakter der Bündnisverteidigung drückt sich in
praktischen Vorkehrungen aus, die es den Bündnispartnern gestattet, die
wesentlichen politischen, militärischen und materiellen Vorteile kollektiver
Verteidigung zu nutzen. Zugleich verhindern diese Vorteile eine Renationali-
sierung der Verteidigungspolitik, ohne dabei die Bündnismitglieder ihrer
Souveränität zu berauben. Diese Vorkehrungen stützen sich auf eine
integrierte militärische Struktur sowie auf Kooperations- und
Koordinationsvereinbarungen. Zu ihren Hauptmerkmalen gehören gemeinsame
Streitkräfteplanung, gemeinsame Einsatzplanung, multinationale Verbände, die
Stationierung von Streitkräften außerhalb des eigenen Hoheitsgebiets, soweit
angebracht auf der Grundlage der Gegenseitigkeit, Krisenbewältigungs- und
Verstärkungsvorkehrungen, Konsultationsverfahren, einheitliche Standards und
Verfahren für Material, Ausbildung und Logistik, gemeinsame und verbundene
Übungen sowie Zusammenarbeit bei Infrastruktur, Rüstung und Logistik.
39. Um den Frieden zu wahren und einen Krieg und auch jegliche Form von
Pression zu verhindern, wird das Bündnis für die vorhersehbare Zukunft eine
geeignete Zusammensetzung nuklearer und konventioneller Streitkräfte
beibehalten, die in Europa stationiert sind und auf dem gebotenen Stand
gehalten werden, wo dies erforderlich ist, allerdings auf einem beträchtlich
niedrigeren Niveau. Beide Elemente sind von entscheidender Bedeutung für die
Sicherheit des Bündnisses und können sich gegenseitig nicht ersetzen. Kon-
ventionelle Streitkräfte tragen zur Kriegsverhinderung bei, indem sie
sicherstellen, daß kein potentieller Angreifer erwarten kann, einen schnellen
oder leichten Sieg oder Geländegewinne durch konventionelle Mittel zu erzielen.
Angesichts der Vielfalt der Risiken, denen sich das Bündnis gegenübersehen
könnte, muß es die erforderlichen Streitkräfte unterhalten, die ein breites
Spektrum konventioneller Reaktionsmöglichkeiten bieten. Aber die
konventionellen Streitkräfte des Bündnisses allein können die Kriegsverhinde-
derung nicht gewährleisten. Einzig Nuklearwaffen machen die Risiken jeglicher
Aggression unkalkulierbar und unannehmbar. Sie sind daher nach wie vor von
entscheidender Bedeutung für die Wahrung des Friedens.
Das neue Streitkräftedispositiv des Bündnisses
40. Auf dem Londoner Gipfel hatten die betroffenen Bündnispartner bereits
vereinbart, soweit angezeigt vom Konzept der Vorneverteidigung abzurücken hin
zu einer verringerten Präsenz im vorderen Bereich und den Grundsatz der flexi-
blen Reaktion so zu ändern, daß er eine verminderte Abstützung auf
Nuklearwaffen widerspiegelt. Die Änderungen, die sich aus dem neuen
strategischen Umfeld ergeben, und die veränderten Risiken, denen sich das
Bündnis jetzt gegenübersieht, gestatten beträchtliche Anpassungen hin-
sichtlich Auftrag und Dispositiv der Streitkräfte der Verbündeten.
Die Aufgaben der Streitkräfte des Bündnisses
41. Die Hauptaufgabe der Streitkräfte des Bündnisses, die Sicherheit und
territoriale Unversehrtheit der Mitgliedstaaten zu gewährleisten, bleibt
unverändert. Dabei muß aber das neue strategische Umfeld berücksichtigt
werden, in dem eine einzige massive, umfassende Bedrohung vielfältigen, aus
vielen Richtungen kommenden Risiken gewichen ist. Die Streitkräfte des
Bündnisses haben in Frieden, Krise und Krieg unterschiedliche Aufgaben zu
erfüllen.
42. Im Frieden besteht die Aufgabe der Streitkräfte des Bündnisses darin,
Schutz zu gewähren vor Risiken, die die Sicherheit der Bündnismitglieder
berühren, zur Wahrung der Stabilität und des Gleichgewichts in Europa
beizutragen und sicherzustellen, daß der Frieden erhalten bleibt. Sie können
zu Dialog und Zusammenarbeit in ganz Europa beitragen durch ihre Mitwirkung an
vertrauensbildenden Maßnahmen, einschließlich derjenigen, die die Transparenz
erhöhen und die Verständigung verbessern, sowie an der Verifizierung von
Rüstungskontrollvereinbarungen. Ferner können die Bündnispartner dazu
aufgerufen werden, einen Beitrag zu Stabilität und Frieden in der Welt zu
leisten, indem sie Streitkräfte für Missionen der Vereinten Nationen zur Ver-
fügung stellen.
43. Im Falle von Krisen, die möglicherweise zu einer militärischen
Bedrohung der Sicherheit der Bündnismitglieder führen, können die
Streitkräfte des Bündnisses innerhalb eines breit angelegten
sicherheitspolitischen Ansatzes politische Maßnahmen ergänzen und ihnen
Nachdruck verleihen und damit zur Bewältigung derartiger Krisen und ihrer
friedlichen Lösung beitragen. Dies setzt voraus, daß diese Streitkräfte in
der Lage sind, unter solchen Umständen angemessen und rechtzeitig zu
reagieren und von militärischem Vorgehen gegen einen Verbündeten
abzuschrecken. Für den Fall eines Angriffs müssen sie befähigt sein, diesem
entgegenzutreten und ihn abzuweisen sowie die territoriale Unversehrtheit von
Mitgliedstaaten wiederherzustellen.
44. In dem neuen Sicherheitsumfeld ist ein allgemeiner Krieg in Europa
höchst unwahrscheinlich geworden; er kann jedoch letztlich nicht ausgeschlossen
werden. Die Streitkräfte des Bündnisses, deren elementarer Auftrag es ist, den
Frieden zu wahren, müssen die entscheidende Versicherung gegen potentielle
Risiken sein, und zwar auf dem zur Verhinderung eines Krieges und, sollte ein
Angriff erfolgen, zur Wiederherstellung des Friedens erforderlichen
Mindestniveau. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit der bereits
beschriebenen Fähigkeiten und geeigneten Zusammensetzung von Streitkräften.
Richtlinien für das Streitkräftedispositiv des Bündnisses
45. Um die sicherheitspolitischen Zielsetzungen und strategi- schen
Grundsätze in dem neuen Umfeld verwirklichen zu können, muß die Struktur
der Streitkräfte der Bündnispartner so angepaßt werden, daß sie über
Fähigkeiten verfügen, die zum Schutz des Friedens, zur Bewältigung von Krisen,
welche die Sicherheit der Bündnismitglieder berühren, und zur
Kriegsverhinderung beitragen können, während jederzeit, falls erforderlich,
die Mittel zur Verteidigung des gesamten Bündnisgebiets und zur
Wiederherstellung des Friedens beibehalten werden. Das Streitkräftedispositiv
des Bündnisses wird den nachfolgend dargelegten Richtlinien entsprechen.
46. Umfang, Bereitschaftsgrad, Verfügbarkeit und Dislozierung der Streitkräfte
des Bündnisses werden weiterhin dessen rein defensiven Charakter widerspiegeln
und entsprechend an das neue strategische Umfeld - wozu auch
Rüstungskontrollvereinbarungen gehören - angepaßt. Dies bedeutet insbe-
sondere:
a) Der Gesamtumfang der Streitkräfte des Bündnisses und der
Bereitschaftsgrad vieler Einheiten werden verringert.
b) Die Aufrechterhaltung einer unifassenden präsenten und linearen
Verteidigungsstruktur in der Zentralregion wird nicht mehr erforderlich sein.
Die geographische Verteilung der Streitkräfte im Frieden wird sicherstellen,
daß im gesamten Bündnisgebiet eine ausreichende militärische Präsenz gegeben
ist, einschließlich, soweit erforderlich, einer Vornedislozierung angemessener
Streitkräfte. Regionalen Gesichtspunkten und insbesondere geostrategischen
Unterschieden innerhalb des Bündnisses wird Rechnung zu tragen sein,
einschließlich der kürzeren Warnzeiten, die für die nördlichen und südlichen
Regionen im Vergleich zur Zentralregion gelten; in der südlichen Region
werden die mögliche Instabilität und die militärischen Fähigkeiten in den
angrenzenden Gebieten Berücksichtigung finden müssen.
47. Um zu gewährleisten, daß die Streitkräfte der Verbündeten auf diesem
reduzierten Niveau eine wirksame Rolle bei der Bewältigung von Krisen und der
Abwehr von Angriffen gegen jeden Verbündeten spielen können, müssen sie flexi-
bler und mobiler sein und im Bedarfsfall die gesicherte Fähigkeit zum Aufwuchs
besitzen. Aus diesen Gründen gilt folgendes: a) Die zur Verfügung stehenden
Streitkräfte müssen in einem begrenzten, aber militärisch bedeutenden Umfang
Sofort- und Schnellreaktionsverbände der Land-, Luft- und Seestreitkräfte
umfassen, die in der Lage sind, auf ein breites Spektrum von vielfach
unvorhersehbaren Eventualfällen zu reagieren. Ihre Qualität, ihre Quantität
und ihr Bereitschaftsgrad werden ausreichen, um von einem begrenzten Angriff
abzuschrecken und erforderlichenfalls das Hoheitsgebiet der Verbündeten gegen
Angriffe zu verteidigen, insbesondere wenn sie ohne lange Warnzeit
eingeleitet werden. b) Die Streitkräfte der Bündnispartner werden so struk-
turiert sein, daß ihre Verteidigungsfähigkeit erforderlichenfalls verstärkt
werden kann. Diese Fähigkeit zum Streitkräfteaufwuchs durch Verstärkung,
Mobilmachung von Reserven oder durch den Aufbau zusätzlicher Streitkräfte muß
im Verhältnis zu möglichen Bedrohungen der Sicherheit des Bündnisses stehen;
dabei muß auch die zwar unwahrscheinliche, aber vernünftigerweise nicht
auszuschließende Möglichkeit eines größeren Konflikts einkalkuliert werden.
Folglich sind die Kapazitäten für eine rechtzeitige Verstärkung und
Anschlußversorgung innerhalb Europas und aus Nordamerika von ausschlaggebener
Bedeutung.
c) Geeignete Streitkräftestrukturen und Verfahren, darunter
solche, die es ermöglichen würden, Streitkräfte schnell und selektiv zu
verstärken, zu verlegen und getroffene Maßnahmen rückgängig zu machen, werden
entwickelt, um angemessene, flexible und rechtzeitige Reaktionen mit dem Ziel
zu ermöglichen, Spannungen abzubauen und zu entschärfen. Dies muß im Frieden
regelmäßig geübt werden.
d) Werden als Mittel der Krisenbewältigung Streitkräfte, darunter
Reaktionsverbände und andere verfügbare Verstärkungskräfte, eingesetzt, so
wird die politische Führung des Bündnisses wie bisherjederzeit volle Kontrolle
ausüben. Bestellende Verfahren werden im Lichte des neuen Auftrags und
Streitkräftepositivs der Bündnisstreitkräfte überprüft werden.
Merkmale konventioneller Streitkräfte
48. Es ist unabdingbar, daß die Streitkräfte der Bündnispartner die
glaubwürdige Fähigkeit besitzen, ihre Aufgaben in Frieden, Krisen und Krieg
in einer dem neuen sicherheitspolitischen Umfeld gemäßen Weise zu erfüllen.
Dies wird sich im Streitkräfte- und Ausrüstungsniveau, im Bereitschaftsgrad
sind in der Verfügbarkeit, in der Ausbildung und bei Übungen, bei den
Dislozierungs- und Einsatzoptionen und den Streitkräfteaufwuchsfähigkeiten
niederschlagen, die alle entsprechend angepaßt werden. Die konventionellen
Streitkräfte der Bündnispartner umfassen neben den Sofort- und
Schnellreaktionsverbänden die Hauptverteidigungskräfte, die das Gros der zur
Gewährleistung der territorialen Unversehrtheit des Bündnisses und der
ungehinderten Nutzung ihrer Verbindungslinien erforderlichen Streitkräfte
stellen, und Verstärkungskräfte, die ein Mittel zur Verstärkung vorhandener
Kräfte in einer bestimmten Region darstellen. Hauptverteidigungs- und
Verstärkungskräfte werden sowohl aktive als auch mobilmachungsabhängige
Elemente umfassen.
49. Land-, See- und Luftstreitkräfte werden eng zusammenwirken und zur
Erreichung vereinbarter Ziele im Verbund und in gegenseitigen Unterstützung
operieren müssen. Diese Kräfte werden sich wie folgt zusammensetzen:
a) L a n d s t r e i t k r ä f t e : Sie sind wesentlich, um Gelände zu
halten oder wiederzugewinnen. Der größte Teil dieser Kräfte wird normalerweise
auf einem relativ niedrigen Bereitschaftsgrad gehalten, und insgesamt wird man
sich in stärkerem Maße auf Mobilmachung und Reserven stützen. Alle Kategorien
der Landstreitkräfte werden einer sichtba- ren Kampfkraft und einer in
geeigneter Weise verbesserten Fähigkeit zu flexibler Verlegung bedürfen.
b) S e e s t r e i t k r ä f t e: Wegen der ihnen eigenen Mobili- tät,
Flexibilität und Ausdauer leisten sie einen wichtigen Beitrag zu den Optionen
des Bündnisses für eine Reaktion in einer Krise. Ihre wesentlichen Aufgaben
bestehen darin, die Seeherrschaft zu gewährleisten, um die Seeverbindungen der
Verbündeten zu sichern, Operationen zu Land und amphibische Operationen zu
unterstützen und die seegestützten nuklearen Abschreckungsmittel des Bündnisses
zu schützen.
c) L u f t s t r e i t k r ä f t e : Ihre Fähigkeit, ihre grundlegen- den
Aufgaben sowohl bei selbständigen Luft- als auch bei
teilstreitkraftübergreifenden Operationen - Bekämpfung des gegnerischen
Luftkriegspotentials, Abriegelung und Unterstützung aus der Luft - zu erfüllen
sowie zur Überwachung, Aufklärung und elektronischen Kampfführung beizu-
tragen, ist für die Gesamtwirksamkeit der Streitkräfte des Bündnisses von
wesentlicher Bedeutung. Damit sie ihre Aufgabe bei der Unterstützung von
Operationen zu Lande und auf See erfüllen können, sind geeignete Lufttransport-
und Luftbetankungskapazitäten großer Reichweite erforderlich.
Luftverteidigungskräfte einschließlich moderner Führungs- und
Überwachungssysteme sind erforderlich, um die Sicherheit des Luftraums zu
gewährleisten.
50. Angesichts der potentiellen Risiken sollte der Verbreitung von
ballistischen Flugkörpern und Massenvernichtungswaffen besondere Beachtung
geschenkt werden. Eine Lösung des Problems erfordert komplementäre Ansätze,
einschließlich beispielsweise Ausfuhrkontrolle und Raketenabwehr.
51. Die Bündnisstrategie ist nicht von der Fähigkeit zur chemischen
Kriegführung abhängig. Die Bündnispartner bleiben auch in Zukunft dem Ziel
verpflichtet, so bald wie möglich ein weltweites, umfassendes und wirksam
verifizierbares Verbot aller chemischen Waffen zu erreichen. Aber selbst nach
der Verwirklichung eines weltweiten Verbots werden Vorsichtsmaßnahmen rein
defensiver Natur beibehalten werden müssen.
52. In dem neuen sicherheitspolitischen Umfeld wird angesichts des
künftigen verringerten Streitkräfteniveaus insgesamt die Fähigkeit, eng
miteinander zusammenzuarbeiten, die die kostensparende Nutzung der Ressourcen
des Bündnisses erleichtern wird, von besonderer Bedeutung für die Erfül- lung
der Aufgaben der Streitkräfte der Verbündeten sein. Die kollektiven
Verteidigungsvorkehrungen des Bündnisses, Innerhalb deren für die betroffenen
Mitglieder die integrierte Militärstruktur einschließlich multinationaler
Verbände die Schlüsselrolle spielt, werden in diesem Zusammenhang von
wesentlicher Bedeutung sein. Integrierte und multinationale europäische
Strukturen werden in dem Maße, wie sie im Kontext einer sich herausbildenden
europäischen Verteidigungsidentität weiterentwickelt werden, ebenfalls
zunehmend eine ähnlich wichtige Rolle zu spielen haben bei der Stärkung der
Fähigkeit der Verbündeten, auf dem Gebiet der gemeinsamen Verteidigung
zusammenzuarbeiten. Die Bemühungen der Verbündeten um ein Höchstmaß an
Zusammenarbeit werden sich auf die oben festgelegten gemeinsamen
Verteidigungsrichtlinien stützen. Es werden praktische Vorkehrungen zur
Gewährleistung der erforderlichen wechselseitigen Transparenz und Komple-
mentarität zwischen der europäischen Sicherheits- und Verteidigungsidentität
und dem Bündnis entwickelt.
53. Um auf ein breites Spektrum möglicher Eventualfälle flexibel reagieren
zu können, werden die betroffenen Bündnispartner effektive Überwachungs- und
Aufklärungs- sowie flexible Führungssysteme, Mobilität innerhalb und zwischen
Regionen sowie geeignete logistische Fähigkeiten einschließlich
Transportkapazitäten brauchen. Die Bevorratung muß ausreichen, um alle Arten
der Streitkräfte einsatzfühig zu erhalten und damit wirksame Verteidigung zu
ermöglichen, bis Anschlußversorgung zur Verfügung steht. Die Fähigkeit der
betroffenen Bündnispartner, den Umfang an hinreichend ausgerüsteten und
ausgebildeten Streitkräften rechtzeitig und in einem jedem Risiko für die
Bündnissicherheit angemessenen Maß zu vergrößern, wird ebenfalls einen
wesentlichen, Beitrag zur Krisenbewältigung und zur digung leisten. Dies
schließt die Fähigkeit ein, in jeder gefährdeten Region innerhalb des
Hoheitsgebiets der Verbündeten für Verstärkung zu sorgen und eine
multinationale Präsenz herzustellen, wann und wo immer sie erforderlich ist.
Elemente aller drei Streitkräftekategorien werden im Rahmen sowohl der
innereuropäischen als auch der transatlantischen Verstärkung flexibel verlegt
werden können. Die richtige Nutzung dieser Fähigkeiten erfordert die Kontrolle
der notwendigen Verbindungslinien sowie angemessene Vorkehrungen in den
Bereichen Unterstützung und Übungen. Den zivilen Ressourcen kommt in diesem
Zusammenhang wachsende Bedeutung zu.
54. Für die davon betroffenen Bündnispartner werden die Vorkehrungen zur
kollektiven Verteidigung zunehmend auf multinationale Kräfte in Ergänzung
nationaler Kontingente abgestützt. Multinationale Kräfte stellen die
Entschlossenheit des Bündnisses unter Beweis, eine glaubwürdige kollektive
Verteidigung aufrechtzuerhalten, stärken den Zusammenhalt des Bündnisses,
festigen die transatlantische Partnerschaft und verstärken den europäischen
Pfeiler. Multinationale Streitkräfte, insbesondere Reaktionsverbände, stär-
ken die Solidarität und können außerdem eine Möglichkeit sein, Verbände
aufzustellen, die leistungsfähiger sind als die im rein nationalen Rahmen
verfügbaren, und so zu einer effizienteren Nutzung der knappen
Verteidigungsressourcen beitragen. Dies könnte einen hochintegrierten,
multinationalen Ansatz zur Bewältigung spezifischer Aufgaben und Funktionen
einschließen.
Merkmale nuklearer Streitkräfte
55. Der grundlegende Zweck der nuklearen Streitkräfte der Bündnispartner ist
politischer Art. Wahrung des Friedens und Verhinderung von Zwang und jeder Art
von Krieg. Nukleare Streitkräfte werden weiterhin eine wesentliche Rolle
spielen, indem sie dafür sorgen, daß ein Angreifer im ungewissen darüber
bleibt, wie die Bündnispartner auf einen militärischen Angriff reagieren
würden. Sie machen deutlich, daß ein Angriff jeglicher Art keine vernünftige
Option ist. Die strategischen Nuklearstreitkräfte des Bündnisses, vor allem
diejenigen der Vereinigten Staaten, bieten die oberste Garantie für die
Sicherheit der Verbündeten; die unabhängigen Nuklearstreitkräfte des
Vereinigten Königreichs und Frankreichs, die eine eigenständige Abschrek-
kungsfunktion haben, tragen zu Abschreckung und zur Sicherheit der Verbündeten
insgesamt bei.
56. Ein glaubwürdiges nukleares Streitkräftedispositiv des Bündnisses und die
Demonstration von Bündnissolidarität und gemeinsamem Bekenntnis zur
Kriegsverhinderung erfordern auch in Zukunft breite Teilhabe in die kollektive
Verteidigungsplanung involvierter europäischer Bündnispartner an nuklearen
Aufgaben, der Stationierung von Nuklearstreitkräften auf ihrem Hoheitsgebiet im
Frieden und an Führungs-, Überwachungs- und Konsultationsvorkehrungen. In
Europa stationierte und der NATO unterstellte Nuklearstreitkräfte stellen ein
wesentliches politisches und militärisches Bindeglied zwischen den europäischen
und den nordamerikanischen Mitgliedstaaten des Bündnisses dar. Das Bündnis
wird daher angemessene nukleare Streitkräfte in Europa beibehalten. Diese
Streitkräfte müssen die erforderlichen Merkmale und angemessene Flexibilität
und Überlebensfähigkeit besitzen, damit sie als glaubwürdiges effektives
Element der Strategie der Bündnispartner zur Kriegsverhinderung verstanden
werden. Sie werden auf dem Mindestniveau gehalten werden, das zur Wahrung von
Frieden und Stabilität ausreicht.
57. Die betroffenen Bündnispartner sind der Auffassung, daß sich angesichts
der radikalveränderten Sicherheitslage, wozu auch ein relatives Gleichgewicht
konventioneller Streitkräftestärken in Europa und eine Verlängerung der
Reaktionszeiten gehört, die Fähigkeit der NATO wesentlich verbessern wird, eine
Krise mit diplomatischen und anderen Mitteln zu entschärfen oder, sollte dies
notwendig werden, sich auf erfolgreiche konventionelle Verteidigung einzurich-
ten. Umstände, unter denen ein Einsatz von Nuklearwaffen von ihnen in Betracht
zu ziehen wäre, rücken daher in noch weitere Ferne. Sie können daher ihre
substrategischen Nuklearstreitkräfte deutlich verringern. Sie werden ange-
messene, in Europa stationierte substrategische Nuklearstreitkräfte
beibehalten, die ein wesentliches Bindeglied zu strategischen
Nuklearstreitkräften darstellen werden, und so die transatlantische Verbindung
stärken. Sie werden aus- schließlich aus nuklear und konventionell
bestückbaren Luftfahrzeugen bestehen, die nötigenfalls durch seegestützte
Systeme ergänzt werden könnten. Substrategische Nuklearwaffen werden unter
normalen Umständen jedoch nicht auf Überwasserfahrzeugen und
Angriffsunterseebooten disloziert. Es besteht kein Bedarf mehr an nuklearer
Artillerie oder bodengestützten nuklearen Flugkörpern kurzer Reichweite; sie
werden eliminiert werden.
Teil V
Zusammenfassung
58. Dieses Stratecyische Konzept bekräftigt erneut den defensiven
Charakter des Bündnisses und die Entschlossenheit seiner Mitglieder, ihre
Sicherheit, Souveränität und territoriale Unversehrtheit zu schützen. Die
Sicherheitspolitik des Bündnisses beruht auf Dialog, Kooperation und wirksamer
kollektiver Verteidigung als sich gegenseitig verstärkenden Instrumenten zur
Wahrung des Friedens. Bei voller Nutzung der sich bietenden neuen
Möglichkeiten wird das Bündnis die Sicherheit auf dem niedrigstmöglichen
Kräfteniveau wahren, das den Verteidigungserfordernissen gerecht wird. Auf
diese Weise trägt das Bündnis entscheidend zur Förderung einer dauerhaften
Friedensordnung bei.
59. Die Bündnispartner werden sich auch in Zukunft energisch für weitere
Fortschritte in der Rüstungskontrolle und bei Vertrauensbildenden Maßnahmen mit
dem Ziel einsetzen, Sicherheit und Stabilität zu erhöhen. Sie werden sich dar-
über hinaus aktiv an der Förderung des Dialogs und der Zusammenarbeit zwischen
den Staaten auf der Grundlage der in der Charta von Paris verkündeten
Prinzipien beteiligen.
60. Die NATO-Strategie wird auch in Zukunft die Flexibilität aufweisen, die
es erlaubt, künftige Entwicklungen im militärpolitischen Umfeld, darunter
auch die auf dem Weg zu einer europäischen Sicherheitsidentität erzielten Fort-
schritte, sowie alle Veränderungen der Risiken für die Bündnissicherheit zu
berücksichtigen. Für die betroffenen Bündnispartner wird das Strategische
Konzept die Grundlage für die Weiterentwicklung der Verteidigungspolitik des
Bündnisses, für seine Einsatzpläne, sein konventionelles und nukleares
Streitkräftedispositiv und seine kollektiven Vorkehrungen zur
Verteidigungsplanung bilden.
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