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1999-04-06

Appell der serbischen Nichtregierungsorganisationen

Tief beunruhigt durch die Zerstörungen der NATO und das Leiden der Kosovo-Albaner fordern wir – die Repräsentanten der Nichtregierungsorganisationen und der Gewerkschaft „Nezavistnost ("Unabhängigkeit") – nachdrücklich alle Verantwortlichen für diese Tragödie auf, die Grundlage für die Erneuerung des Friedensprozesses zu schaffen.

Die mächtigsten militärischen, politischen und wirtschaftlichen Kräfte der Welt töten seit zwei Wochen ununterbrochen Menschen, zerstören nicht nur militärische, sondern auch zivile Objekte, sprengen Brücken und Eisenbahntrassen, Fabriken, Heizkraftwerke, Warenhäuser und Trinkwasserreservoirs.

Zur gleichen Zeit sind hunderttausende von Kosovo-Albanern durch die Häusersprengungen und Militäraktionen des Regimes und der KLA (Kosovo–liberation-army = UCK) gezwungen, ihr Heil in einer beispiellosen Flucht in die Ungewißheit zu suchen.

Es ist offensichtlich, das dieser Weg in die Katastrophe führt und eine friedliche und faire Lösung des Kosovo-Problems durch internationale Vermittlung, die wir seit Jahren unterstützt haben, scheint heute weiter entfernt zu sein als je zuvor.

Die bisherigen Aktivitäten unserer Organisationen auf den Gebieten der Demokratisierung, Entwicklung einer Zivilgesellschaft und der Aufnahme der Bundesrepublik Jugoslawien in alle internationalen Institutionen haben unter ständigen Druck und Einschüchterungen durch das serbische Regime gestanden.

Wir, die Angehörigen der zivilen gesellschaftlichen Gruppen haben couragiert und landesweit gegen den Krieg und nationalistische Propaganda und für die Menschenrechte gekämpft.

Wir stellen hiermit klar, daß wir immer unsere Stimme gegen die Unterdrückung der Kosovo-Albaner erhoben und Respektierung ihrer Freiheit und Garantierung ihrer Rechte gefordert haben. Auch die Wiedererlangung der Autonomie für das Kosovo haben wir gefordert.

Wir betonen, daß in all den Jahren die einzige Verbindung und Zusammenarbeit zwischen Serben und Albanern allein durch die zivilen gesellschaftlichen Institutionen aufrecht erhalten worden sind.

Die Militäraktion der NATO hat alles, was wir erreicht haben untergraben und das Überleben des zivilen Sektors in Serbien gefährdet.

Konfrontiert mit der tragischen Situation in der wir uns selbst befinden und im Namen menschlicher Ideen und Werte, sowie in Übereinstimmung mit all unseren früheren Aktivitäten, fordern wir:

- sofortiger Stop der Häusersprengungen und

- Stop aller Truppenbewegungen

- Wiederaufnahme des Friedensprozesses mit internationaler Vermittlung auf der regionalen Ebene des Balkans und Europas als auch im Rahmen der Vereinten Nationen

- Teilung der Verantwortung zwischen der EU und Rußland bezüglich ihres Beitrages zu einer friedlichen Lösung der Krise

- Ende der ethnischen Säuberungen und sofortige Rückkehr aller Flüchtlinge

- Unterstützung der Bürger Montenegros bei der Bewahrung von Frieden und Stabilität, bei der Bewältigung des Flüchtlingsproblems und bei der Fortsetzung der laufenden demokratischen Prozesse

- Wir fordern die serbische sowie die internationale Presse auf, die Öffentlichkeit auf professionelle Weise zu informieren anstatt einen Medienkrieg anzustacheln, interethnischen Haß zu schüren, irrationale öffentliche Meinungen zu schaffen und Gewalt als die ultimative Vollendung des menschlichen Verstandes zu glorifizieren

Wir können diese Forderungen nicht selbst verwirklichen. Wir erwarten von Euch, unsere Forderungen zu unterstützen und sie in Eure Initiativen und Aktionen einzubeziehen.

Belgrad, den 6. April 1999

+ Zusammenschluß der Bürger für Demokratie,
+ Belgrader Kreis soziale Gerechtigkeit und Unterstützung der Gewerkschaften
+ Zentrum für Demokratie und freie Wahlen
+ Serbische Studentenvereinigung
+ Zentrum für Übergang zu Demokratie "ToD"
+ Europäische Bewegung in Serbien
+ Union für die Wahrheit über den antifaschistischen Widerstand
+ Stiftung für Friedens- und Krisenmanagment
+ EKO Zentrum
+ Frauen in Schwarz
+ Jugoslawisches Rechtsanwaltskommittee für Menschenrechte
+ Bürgerinitiativen
+ Forum für ethnische Angelegenheiten
+ Vereinte Branchen-Gewerkschaft Nezavisnost („Unabhängigkeit“)
+ Helsinki-Komitee für Menschenrechte in Serbien
+ VIN Wöchentliche Video Nachrichten
+ Gruppe 484



Quelle: de.soc.politik.spd, Message-ID: 7euvtr$8el$1@news08.btx.dtag.de, 13.04.1999


 




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