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1999-04-06

Peter Handke gibt den Büchner-Preis zurück und tritt aus der Kirche aus

Wien (OTS) - Der Schriftsteller Peter Handke, eben von einer Reise ins bombardierte Serbien zurückgekehrt, gibt aus Protest gegen die NATO-Schläge den Büchner-Preis (die höchste deutschsprachige Auszeichnung für Autoren) zurück und verläßt die römisch-katholische Kirche. Das erklärt Handke in einem Brief, den er dem Wochenmagazin NEWS für die morgen erscheinende Ausgabe zukommen ließ. Grund des Kirchenaustritts: das Schweigen des Papstes und die Ermunterung führender klerikaler Kreise für das NATO-Eingreifen.

Der in NEWS zu gänze abgedruckte Brief im Wortlaut:

"Der Papst verurteilt in seiner Osterbotschaft am 12. Tag des Krieges gegen Jugoslawien den "Bruderkrieg", aber nicht den Allrohrüberfall der NATO gegen ein kleines Land. Und auf der 1. Seite von "Le Monde" vom Ostersonntag, dem 4. April 1999, nach der Riesenschlagzeile DIE NATO SCHLÄGT ZU IM HERZEN VON BELGRAD, beginnt ein langer Kommentar des "Erzbischofs von Cambrai" und "Präsidenten der Kommission GERECHTIGKEIT UND FRIEDEN des französischen Episkopats", worin der NATO-Krieg gegen Jugoslawien folgend gutgeheißen wird.

Zitat: "Heute sind Löschhubschrauber nötig, um den Brand zu ersticken, gestern hätte ein Eimer Wasser genügt." Der Erzbischof spricht weiter von den "Christen und allen Menschen guten Willens", für die "die Waffen natürlich nie eine Lösung sind - doch für den Moment ist es dringlich, den Angreifer zu entwaffnen." Nie. Doch für den Moment... Und der Präsident für episkopale Gerechtigkeit kommt zu dem Schluß, Zitat: "Im vorliegenden Fall gab es allein die Wahl zwischen einem rechtlich unkorrekten Nicht-Agieren und einem ethisch notwendigen Agieren." Krieg, ahoi, Christ und (!) Mensch guten Willens. - ich aber, der Schriftsteller Peter Handke, getaufter und, nach Möglichkeit, praktizierender Katholik, erkläre dementsprechend meinen Austritt aus dieser momentanen katholischen Kirche. Gegen jedwede Ethik-Kommission: Es lebe das Recht.

Andere Kleinigkeit: Das Preisgeld für den mir 1973 gegebenen Bücherpreis gebe ich an die Deutsche Akademie zurück (zum Glück waren's damals nur 10.000 DM): "symbolisch", so wie es laut den westlichen Medien das Zuschlagen der NATO im Herzen Belgrads ist, "unvermeidlich", wie, laut fast aller Welt, der Krieg der "Welt" gegen Jugoslawien; um meine "Glaubwürdigkeit nicht zu verlieren". Einem jeden seine Glaubwürdigkeit.

P. H., 6. April 1999"



Quelle: APA-Austria Presse Agentur


 




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