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  Geschichte   

 


KAPITEL II

Zusammenfassung

Die Untersuchung der Deutschen Bank hat ergeben, daß sie eine ungewöhnliche Konzentration wirtschaftlicher Macht darstellte und an der Durchführung der verbrecherischen Politik des Naziregimes auf wirtschaftlichem Gebiet teilgenommen hat.(1)

Die Deutsche Bank war die größte aller deutschen Geschäftsbanken und schwang sich während des Krieges zur größten Bank des europäischen Kontinents auf. Sie besaß 1942 etwa 21 % der Gesamteinlagen und 18,5% des Gesamtvermögens aller 653 Geschäftsbanken des Großdeutschen Reiches. Außerdem errichtete und unterhielt sie ein umfangreiches Netz von Zweigstellen und Filialen nicht nur in ganz Deutschland, sondern auch in den annektierten und besetzten Ländern sowie in den europäischen Satellitenstaaten. Auf dem Gipfel ihrer Macht unterhielt sie im Jahre 1942 etwa 490 Zweigstellen und Depositenkassen, etwa ein Drittel mehr als ihr schärfster Konkurrent, die Dresdner Bank.

Zur Deutschen Bank oder auch zu den anderen Berliner Großbanken gibt es in den Vereinigten Staaten kein Gegenstück. Sie stellte eine Universalbank dar, in ihrer Tätigkeit eine Kombination von kaufmännischem Bankgeschäft und Investitionsgeschäft, und kontrollierte und beeinflußte die Industrie in einem im modernen amerikanischen Bankwesen unbekannten Ausmaß.(2) Sie führte etwa 30% aller Aktienübertragungen der großen deutschen Aktiengesellschaften durch. Sie war die anerkannte Führerin bei der Auflage riesiger Aktien­ und Obligationsemissionen für die deutsche Industrie, und infolge ihrer Position auf dem Wertpapiermarkt wurde sie zur dominierenden Kraft an den führenden Effektenbörsen. Aufgrund des eigentümlichen deutschen Systems des Depotstimmrechtes kontrollierte sie in Unternehmen der Schlüsselindustrien große Aktienpakete und verfügte über ein entsprechendes Stimmrecht, obwohl ihr nur eine Minderheit der Aktien gehörte. Von den auf den Jahreshauptversammlungen eines einzigen Jahres vertretenen Anteilen übte sie bei der AEG für 28%, bei IG­Farben für 38%, bei der DEMAG für 49% und bei den Mannesmann­Röhrenwerken für 53% der Aktien das Stimmrecht aus.

Am greifbarsten ist die Einflußnahme der Deutschen Bank auf Deutschlands Industrie und die von ihr ausgeübte Kontrolle in dem ausgedehnten System von Überkreuzverflechtungen in den Aufsichtsräten. Die führenden Repräsentanten der Bank ­ die Mitglieder des Vorstandes, der Vorsitzende des Aufsichtsrates und die 14 Generalbevollmächtigten traten in die Aufsichtsräte von 379 Industrieunternehmen ein. Allein ihre 11 Vorstandsmitglieder hatten 76 Ämter als Aufsichtsratsvorsitzende und stellvertretende Vorsitzende in anderen Aktiengesellschaften inne.

Die Anwendung der verschiedenen Mittel, die der Bank für die Kontrolle der Industrie zur Verfügung standen, zeigte sich darin, daß einige Industrieunternehmen de facto von ihr beherrscht wurden. An erster Stelle sind hier zu nennen die Mannesmannröhren­Werke, Deutschlands führender Röhren­ und Blechhersteller, Daimler­Benz, der zweitgrößte Automobilhersteller des Landes, und die Bayerischen Motoren­Werke, die zusammen mit Daimler­Benz während des Krieges für die Luftwaffe etwa zwei Drittel aller Flugzeugmotoren herstellten. In dieser Beziehung spielte die Deutsche Bank eine Rolle, die weit über ihre Stellung als größte deutsche Geschäftsbank hinausging.

Mit ihren Beiträgen zum Wiederaufrüstungsprogramm wies die Deutsche Bank den anderen deutschen Geschäftsbanken den Weg. Sie versorgte das Reich mit riesigen Fonds für Wiederaufrüstungszwecke.(3) So investierte sie im Vorkriegsjahr 1938 bereits ungefähr 35% ihres Gesamtvermögens in Reichspapieren. Sie übernahm alleine oder gemeinsam mit einem Partner die Federführung in praktisch allen größeren Kreditkonsortien, durch welche die Finanzierung des gesamten Wiederaufrüstungsprogramms ermöglicht wurde. Sie lenkte die von ihr direkt kontrollierten Industriezweige in die Produktionsrichtungen, die von der Regierung und der Partei gewünscht wurden.

Die Deutsche Bank spielte eine führende Rolle unter den Geschäftsbanken bei der Ausbeutung der wirtschaftlichen Reserven der annektierten, okkupierten und zu Satelliten gemachten Länder Europas. Seit dem »Anschluß« im Jahre 1938 ging sie mit großer Aggressivität daran, ihr Bankimperium über die alten Grenzen Deutschlands hinaus auszudehnen. Sie übernahm die Kontrolle über den Creditanstalt­Bankverein Wien, die größte Geschäftsbank in Österreich, die mehr als 40 inländische Zweigstellen hatte. Sie übernahm die Kontrolle über die Böhmische Union­Bank der Tschechoslowakei und bezog etwa 23 Zweigstellen dieser Bank in ihr eigenes Zweigstellennetz ein. Sie gelangte nach dem Fall von Frankreich und Belgien in den Besitz eines Großteils der von der Société Générale de Belgique, einer der größten Holdinggesellschaften Europas, im Bank­ und Industriewesen des Balkans gehaltenen Anteile, und gewann dadurch für sich eine beherrschende Position im Bankwesen der Balkanländer.(4) Die Auslandserwerbungen der Deutschen Bank wurden so umfangreich, daß sich die Zahl ihrer Zweigstellen und Filialen außerhalb Deutschlands von 1938 bis 1941 versechsfachte.

Auch diente die Deutsche Bank der deutschen Regierung mehr als einmal als institutionelle Speerspitze bei der wirtschaftlichen Durchdringung der annektierten, okkupierten und völlig abhängig gemachten Länder Europas. Die Kontinentale Öl AG, die im März 1941 von Göring gegründet wurde, um ein deutsches Ölmonopol in Europa zu schaffen, erwarb den Kern ihres ersten Aktienbesitzes ­die Mehrheitskontrolle über die beiden größten rumänischen Ölgesellschaften ­ von der Deutschen Bank, die vorher, nach dem deutschen Sieg im Westen, diese Anteile von den ehemaligen französischen und belgischen Inhabern übernommen hatte.(5)

Die Deutsche Bank nahm an zahlreichen »Arisierungstransaktionen« in Deutschland sowie in den annektierten, okkupierten und zu Satelliten gemachten Ländern Europas teil und profitierte davon erheblich. Sie übernahm im Jahre 1938 ohne Gegenleistung die gesamte Praxis und Kundschaft des sehr prominenten, »nichtarischen« Bankhauses Mendelssohn & Co. Berlin und gründete im gleichen Jahr ein neues Bankhaus, um das Geschäft der großen privaten, »nichtarischen« Essener Simon­Hirschland­Bank zu übernehmen.(6) Sie gewährte ihren Kunden in großem Umfang Kredite, um sie bei dem Erwerb und der Finanzierung nichtarischen Geschäftseigentums zu unterstützen. Sie beschaffte auch neue »Käufer« für Besitztümer dieser Art und wurde Konkurrentin der Dresdner Bank, deren Aggressivität auf diesem Gebiet im Wettrennen um Provisionen und Profite aus den mit der »Arisierung« verbundenen Transaktionen in Deutschland sprichwörtlich wurde.(7)

Das große Expansionsprogramm der Deutschen Bank wurde während der zwölf Jahre des Naziregimes in erheblichem Umfang durch die Gestaltung enger Beziehungen zu den Ministerien der Regierung und zur Partei sowie zu den angeschlossenen Organisationen verwirklicht. Emil von Stauß, das führende Vorstandsmitglied in den Jahren zwischen 1920 und 1933, hatte Hitler schon frühzeitig unterstützt und unterhielt auch weiterhin eine enge Beziehung zu ihm. Von Stauß stand auch mit Goebbels und Göring auf vertrautem Fuße und wurde im Jahre 1934 zum Vizepräsidenten des Nazi­Reichstages ernannt.(8) Drei zuverlässige Parteigenossen wurden während des Naziregimes eingeladen, dem Vorstand beizutreten ­ der SA­Oberführer Ritter von Halt, Mitglied des berüchtigten Keppler­Kreises, Heinrich Hunke, Gauwirtschaftsberater von Berlin, und Robert Frowein, dessen Ernennung die persönliche Billigung von Minister Funk fand.(9)

In den Aufsichtsrat der Deutschen Bank kamen immer mehr überzeugte Parteigenossen und gleichgesinnte Mitläufer. Genau ein Drittel der Mitglieder trug in Anerkennung der Rolle, die sie bei der Erfüllung der Anforderungen der Kriegswirtschaft spielten, den Titel eines Wehrwirtschaftsführers. Die Mehrheit des Leitungskomitees des Aufsichtsrates, des Arbeitsausschusses, waren ausgesprochene Parteigenossen. Der stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrates, Albert Pietzsch, war alter Parteiaktivist, Wirtschaftsberater von Rudolf Heß und Präsident der Reichswirtschaftskammer.(10) Zu den anderen einflußreichen Mitgliedern des Aufsichtsrates zählten Philipp Reemtsma, einer von Görings Hauptgeldgebern, Wilhelm Zangen und Rudolf Stahl, Präsident bzw. Vizepräsident der mächtigen Reichsgruppe Industrie in der Reichswirtschaftskammer, und Otto Fitzner, Gauwirtschaftsberater von Niederschlesien.(11)

Die Deutsche Bank steuerte während des Naziregimes auch große Summen für eine Vielzahl von politischen Fonds bei. Seit 1939 überwies die Bank während eines Zeitraumes von etwa 6 Jahren jährlich eine Summe von 75 000 Reichsmark an einen speziellen Fonds zum persönlichen Gebrauch Heinrich Himmlers.(12) Die Bank leistete über einen noch längeren Zeitraum einen jährlichen Beitrag von rund 300 000 Reichsmark zugunsten der Adolf­Hitler­Spende, die zur Verwendung durch die Partei und die ihr angeschlossenen Organisationen bestimmt war.(13) Die Deutsche Bank benutzte ihre gewaltige Macht in der deutschen Wirtschaft, um bei der Durchführung der verbrecherischen Politik des Naziregimes auf wirtschaftlichem Gebiet mitzuwirken. Die Verantwortung dafür liegt bei den Mitgliedern des Vorstandes, die solche Handlungen leiteten, bei den Mitgliedern des Aufsichtsrates, die ihre Zustimmung gaben, und bei den leitenden Mitarbeitern und Angestellten, die sie ausführten.



Anmerkungen:

1 Office of Military Government (U.S.), Finance Division, Financial Investigation Section: Report on the Investigation of the Deutsche Bank, November 1946. Für die vorliegende Übersetzung benutzten wir ein Exemplar mit der Kopie­Nr. 29, das sich im Archiv des Instituts für Zeitgeschichte, München, befindet. Die Arbeitsmaterialien für den Bericht sind im Bundesarchiv Koblenz (im folgenden abgekürzt = BA), OMGUS FlNAD, shipment 2, boxes 188 bis 195, als Mikrofiches vorhanden.

2 Eine drastische Darstellung der Unterschiede vermittelt James Stewart Martin, All Honorable Men, Boston 1950, S. 126f Daß sich die Dezentralisierungspläne wesentlich an der Finanzstruktur des amerikanischen New Deal orientierten, zeigt BA, OMGUS FINAD 2/64/5, 2/93/13.

3 Und zwar reibungslos und im vollen Bewußtsein der finanzpolitischen Zusammenhänge. Vgl. beispielsweise E. W. Schmidt, Direktor der Deutschen Bank und Leiter der Volkswirtschaftlichen Abteilung: Die deutsche Kriegsfinanzierung, Vortrag vor der Auslandspresse am 7. Februar 1941. BA, R 7/2315.

4 Vgl. dazu den Überblick über die Stellung der deutschen Großbanken in Südosteuropa, verfaßt von der Volkswirtschaftlichen Abteilung der IG Farbenindustrie AG, vom 14. Mai 1941, abgedruckt in Wolfgang Schumann (Hrsg.), Griff nach Südosteuropa, Berlin 1973, S. 127ff.

5 Zur Entstehungsgeschichte der Kontinentale Öl AG vgl. Dietrich Eichholtz, Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft, Bd. 1, Berlin 1971, S. 235 ff.

6 Es handelte sich wohl in beiden Fällen um »Arisierungen« im gegenseitigen Einvernehmen: die jüdischen Bankiers und Industriellen wurden durch die seit 1937 verschärft einsetzenden finanz­ und wirtschaftspolitischen Repressalien seitens des NS­Regimes derart unter Druck gesetzt, daß ihnen nichts anderes blieb, als das ihnen genehme kleinere Übel zu wählen. jedenfalls haben die seinerzeit in Liquidation gegangenen und emigrierten Bankiers und Industriellen in den hier genannten Fällen der Deutschen Bank AG nach 1945 Fairneß attestiert. Vgl. dazu Dokumentationsstelle zur NS­Sozialpolitik (im folgenden abgekürzt = DokNS, W. 4.3.1.5.) Das besagt aber nicht, daß sich die Deutsche Bank nur auf solche »freundschaftliche Arisierungen« beschränkt hätte. Vgl. dazu die Report­Exhibits Nr. 322­325, sowie umfangreiche Vorgänge in BA, R 13 XVIII, 6, 7; zusätzlich National Archives Washington (im folgenden abgekürzt = NAW), T­75, Roll 60, 61.

7 Vgl. dazu BA, OMGUS FINAD 2/49/1­3 und 2/50/1­3, Beweisstücke zum Untersuchungsbericht über die Dresdner Bank AG

8 Emil Georg von Stauß, geh. 6. 10. 1877, bis Herbst 1932 Vorstandsmitglied, danach Aufsichtsratsmitglied der Deutschen Bank bis zu seinem Tod am 11.12.1942.

9 Karl Ritter von Halt, geh. 2.6. 1891, kam 1938 in den Vorstand und wurde Leiter der Personalabteilung. Robert Frowein, zunächst Direktor der Hauptfiliale Frankfurt/M., und Heinrich Hunke, geh. 8.12. 1902, gelangten 1943 in den Vorstand.

10 Albert Pietzsch, geh. 28. 6. 18 74, taucht erstmals im Geschäftsbericht der Deutschen Bank für 1939 als Mitglied des Aufsichtsrats auf.

11 Philipp F. Reemtsma, geh. 22. 12. 1893, Tabakindustrieller, Vertrauter und Finanzier Görings. Vgl. Oberstaatsanwalt beim Landgericht Hamburg, Anklageschrift gegen den Kaufmann Philipp F. Reemtsma, 14 Js 170/46.

Wilhelm Zangen, geh. 30.9.1891, seit 1934 Vorstandsvorsitzender der Mannesmannröhren AG, seit 1938 Leiter der Reichsgruppe Industrie, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank.

Rudolf Stahl, geh. 20.4.1884, Vorstandsvorsitzender des Salzdetfurth Konzerns, im Aufsichtsrat der Deutschen Bank seit 1938. Stahl war wesentlich an der Ausarbeitung der Nachkriegsplanungen der deutschen Industrie seit 1943/44 beteiligt.

Otto Fitzner, geh. 4.1. 1888, Leiter der Wirtschaftsgruppe Metallindustrie und Wehrwirtschaftsführer, im Aufsichtsrat der Deutschen Bank seit 1943.

12 Vgl. Beweisstücke 31, 48, 49 (Register der Beweisstücke im Anhang). Zum »Freundeskreis Himmler« vgl. Klaus Drobisch, Der Freundeskreis Himmler, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (im folgenden abgekürzt = ZfG), 1960, H. 2, 304ff.; Thilo Vogelsang, Der Freundeskreis Himmler, Göttingen 1972.

13 Dazu die Beweisstücke 47-51.

Aus: Ermittlungen gegen die Deutsche Bank - 1946/1949 -, herausgegeben von Hans Magnus Enzensberger, verlegt bei Franz Greno, Nördlingen 1985.



Fortsetzung - Kapitel III


 




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