Start

Beiträge zur Geschichte  









Der Weg in den NS-Staat

Im Zuge der Weltwirtschaftskrise erreichte 1932 die Wirtschaftskrise in Deutschland ihren Höhepunkt. Die Arbeitslosenzahl war auf sechs Millionen gestiegen. Die Wirtschaftspolitik der Präsidialkabinette Heinrich von Brünings (Zentrum) hatte einen strikten Sparkurs (Abbau von Staatsschulden und Kürzung von staatlichen Ausgaben) verfolgt. Die Mehrheit der Industriellen forderte den Abbau der sozialen Sicherung, die Verlängerung des Arbeitstages ohne Lohnerhöhung über acht Stunden hinaus, Lohnkürzungen und ein Verbot von Streiks. Im Herbst 1932 fand die Streikwelle ihren Höhenpunkt. Der BVG-Streik endete am 7. November, einen Tag nach den Reichstagswahlen am 6. November 1932. Die Unzufriedenheit der Arbeitnehmer beeinflußte auch das Wahlergebnis zugunsten der KPD. Die KPD erreichte ihren höchsten Wahlerfolg von 100 Mandaten (16,86 Prozent) mit einem Zuwachs von 11 Mandaten im Vergleich zu den Wahlen am 31. Juli 1932. Die NSDAP bekam 33,09 Prozent und verlor 34 Mandate, zwei Millionen Wählerstimmen gegenüber den Juliwahlen. Zwar war die NSDAP die stärkste Partei, jedoch schien ihr Zenit überschritten. [1]

In dieser Situation starteten am 19. November Vertreter der Großindustrie, Bankiers und Großgrundbesitzer eine geheime Eingabe an den Reichspräsidenten. Von der "Notwendigkeit einer vom parlamentarischen Parteiwesen unabhängigeren Regierung" überzeugt und an der Fortführung eines Präsidialkabinetts interessiert, bitten sie, die verantwortliche Leitung "eines mit besten sachlichen und persönlichen Kräften ausgestatteten Präsidialkabinetts an den Führer der grössten nationalen Gruppe" - gemeint war Adolf Hitler - zu übertragen. Das Regieren mit Hilfe einer Präsidialdiktatur war in der Weimarar Verfassung für den Fall eines nationalen Notstandes vorgesehen, jedoch wünschten sich die Unterzeichner, dass diese jetzt zur Regel und auch verfassungsrechtlich verankert werde. [2] Nach dem Rücktritt von Papen erteilte Hindenburg zunächst Adolf Hitler den Auftrag zur Regierungsbildung. Hitler lehnte jedoch eine Regierungsbildung ohne Präsidialvollmachten am 23. November ab. [3]

Noch scheute sich Hindenburg, ihm so weitreichende Befugnisse zu übertragen, denn er fürchtete, Hitler könnte diese nutzen, eine "Parteidiktatur" zu errichten. So berief er am 3. Dezember 1932 den parteilosen Generalmajor Kurt von Schleicher zum Reichskanzler. Jedoch schon einen Monat später, am 4. Januar 1933, einigten sich von Papen und Hitler - hinter dem Rücken von Schleichers -, im Hause des Kölner Privatbankiers Kurt von Schröder, auf eine mit Präsidialvollmachten ausgestattete Regierung Hitler-Papen mit zwei vorrangigen Aufgaben: "Die Entfernung aller Sozialdemokraten, Kommunisten und Juden von führenden Stellungen in Deutschland" und die "Wiederherstellung der Ordnung im öffentlichen Leben", die "Abschaffung des Vertrages von Versailles ... und die Wiederherstellung eines sowohl in miliärischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht starken Deutschlands." [4]
Im Auftrag von Hindenburg verhandelte von Papen am 22. Januar mit Hitler über dessen Berufung zum Reichskanzler. Am 28. Januar 1933 schließlich erklärte von Schleicher auf Drängen Hindenburgs seinen Rücktritt.


Die nationalsozialistische "Machtergreifung" 1933/34

Am 30. Januar 1933 ernannte der Reichspräsident Paul von Hindenburg den Führer der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), Adolf Hitler, zum Reichskanzler.

Hitler wurde 1889 in Braunau am Inn (Österreich) als Sohn eines Zollbeamten geboren. 1911 zog er nach München, um sich dem Wehrdienst in Österreich zu entziehen. Den I. Weltkrieg erlebte er als Kriegsfreiwilliger an der Westfront und wurde mit dem Eisernen Kreuz I. Klasse ausgezeichnet. Er brachte es aber nur zum Gefreiten, wegen mangelnder Führungsqualitäten, wie es in einer Beurteilung seiner Vorgesetzten hieß. In der Niederlage Deutschlands und im Ausbruch der Revolution sah er das Werk einer verbrecherischen Verschwörung von Juden, Marxisten und anderen "Novemberverbrechern".

Hitler blieb bei der Reichswehr in München, nach eigenen Angaben als "Bildungsoffizier" in Wirklichkeit als Agent und Spitzel. Im September 1919 lernte er die "Deutsche Arbeiterpartei" kennen, eine kleine Gruppe mit antisemitischen, nationalistischen und sozialen Tendenzen.

Bald übernahm er die Führung der Partei, die sich dann Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei nannte. Ihre Mitgliederzahl stieg bis 1923 auf 56 000. München wurde Sammelbecken aller möglichen nationalistischen Kräfte. Der Putsch vom 8./9. November 1923 scheiterte, die Partei zerfiel und Hitler erhielt 5 Jahre Festungshaft, wurde aber 1925 vorzeitig entlassen. Er begann den Neuaufbau der Partei und ihrer Straßenkampforganisationen SA (Sturmabteilung) Wirkliche Bedeutung gewann die NSDAP erst nach dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise.

Vom 30. Januar 1933 bis zum Ermächtigungsgesetz.

Der Regierung Hitler gehörten nur zwei weitere Nationalsozialisten an: Dr. Wilhelm Frick als Innenminister und Hermann Göring als Reichsminister ohne Geschäftsbereich. Unmittelbar nach seiner Ernennung wurde Göring zum kommissarischen Innenminister in Preußen ernannt und war damit Chef der preußischen Polizei. Hitlers Kabinett war keine nationalsozialistische Regierung, sondern eine "Regierung der nationalen Konzentration" (3 von DNVP, 1 Zentrum, 4 Parteilose). [5] Hinter dem Kabinett stand keine Mehrheit (248 Reichstagsabgeordnete der NSDAP und der Deutschnationalen von 584 Abgeordneten.) Die Regierung mußte also weiter mit dem § 48 (Notverordnungsparagraph) der Verfassung regieren oder den Reichstag auflösen und Neuwahlen ausschreiben. Hitler strebte nach absoluter Regierungsgewalt und hoffte mit Neuwahlen eine nationalsozialistische Regierungsmehrheit zu bekommen. [6]
Am 1. Februar entsprach Reichspräsident Hindenburg dem Antrag Hitlers und löste den Reichstag auf. Die Neuwahlen zum Reichstag wurden auf den 5. März 1933 festgesetzt.

Die NSDAP, der jetzt die staatlichen Hilfsmittel zur Verfügung standen, entfaltete eine gewaltige Propaganda. Doch war das Ergebnis ungewiß. Am Abend des 27. Februar brannte der Reichstag. Hitler erklärte sofort, der Reichstag sei von den Kommunisten angezündet worden, als allgemeines Signal für einen kommunistischen Aufstand. Schon am folgenden Tag, dem 28.2.1933, unterzeichnete Hindenburg eine ihm von Hitler vorgelegte "Notverordnung zum Schutze von Volk und Staat", die zur Abwehr kommunistischer staatsgefährdender Gewaltakte die wichtigsten Grundrechte der Weimaer Verfassung außer Kraft setzte.

"Notverordnung zum Schutze von Volk und Staat"

"Es sind daher Beschränkungen der persönlichen Freiheit, des Rechts der freien Meinungsäußerung einschließlich der Pressefreiheit, des Vereins- und Versammlungsrechts, Eingriffe in das Brief,- Post-, Telegraphen und Fernsprechgeheimnis, Anordnungen von Haussuchungen und von Beschlagnahmen sowie Beschränkungen des Eigentums auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten gsetzlichen Grenzen zulässig." [7]

Die Reichsregierung erhielt umfassende Vollmachten zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Diese Verordnung ist bis 1945 nicht aufgehoben worden und wurde bald nicht nur gegen Kommunisten, sondern gegen alle Gegner des Nationalsozialismus angewandt. Mit den Grundrechten wurden der Rechtsstaat und die Demokratie auf "legalem" Wege abgeschafft. Man kann die Verordnung vom 28.2.1933 als die Verfassungsurkunde des Dritten Reiches bezeichnen.

Am 5. März gewann die NSDAP nur zusammen mit den Deutschnationalen eine knappe Mehrheit.

Wahlergebnis vom 5. März 1933

Wahlberechtigte: 44,7 Mill., Wahlbeteiligung: 88,7%

/ Mill. Stimmen Prozent Abgeordnete
NSDAP 17,3 43,9 288
DNVP 3,1 8,0 52
Zentrum 4,4 11,2 74
BVP 1,1 2,7 18
SPD 7,2 18,3 120
KPD 4,8 12,3 81
Gesamt 39,3 96,4 647

Am 21. März wurde der neue Reichtsag in der Potsdamer Garnisonskirche feierlich eröffnet. Die Kommunisten waren allerdings ausgeschlossen, die Sozialdemokraten nicht erschienen. Hier traf sich das alte und das neue Deutschland. Generale des I. Weltkrieges, an ihrer Sitze der ehemalige Kronprinz, waren die Gäste, Hindenburg in der Uniform eines kaiserlichen Feldmarschalls. Zwei Tage später trat der Reichstag in Berlin in der Kroll-Oper zusammen. Den kommunistischen Abgeordneten waren inzwischen ihre Sitze aberkannt, mehrere sozialdemokratische Abgeordnete verhaftet.[8] Auf der Tagesordnung stand "das Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich", das Ermächtigungsgesetz. [9]

Das Gesetz ermächtigte die Reichsregierung auf dem Verordnungswege für vier Jahre Gesetze zu beschließen. Das Gesetz wurde mit 441 Stimmen der NSDAP, der DNVP, des Zentrums und der kleineren Mittelparteien gegen 94 Stimmen der SPD angenommen. Damit machte sich der Reichstag selbst überflüssig. Vom Reichstag wurden insgesamt sieben Gesetze verabschiedet, dagegen hunderte durch die Regierung, entgegen der Ankündigung Hitlers. In der Begründung des Gesetzes hatte Hitler in der Sitzung u.a. erklärt:

"Die Regierung beabsichtigt dabei, von diesem Gesetz nur insoweit Gebrauch zu machen, als es zur Durchführung der lebensnotwendigen Maßnahmen erforderlich ist. Weder die Existenz des Reichtags noch des Reichsrats soll dadurch bedroht sein. Die Stellung und die Rechte des Herrn Reichspräsidenten bleiben unberührt; die innere Übereinstimmung mit seinen Willen herbeizuführen, wird stets die oberste Aufgabe der Regierung sein. Der Bestand der Länder wird nicht beseitigt, die Rechte der Kirchen werden nicht geschmälert, ihre Stellung zum Staat nicht geändert...
Die Regierung bietet den Parteien des Reichstages die Möglichkeit einer ruhigen deutschen Entwicklung und einer sich daraus in der Zukunft anbahnenden Verständigung; sie ist aber ebenso entschlossen und bereit, die Bekundung der Ablehnung und damit die Ansage des Widerstandes entgegenzunehmen. Mögen Sie, meine Herren, nunmehr selbst die Entscheidung treffen über Frieden oder Krieg."

Die Machtergreifung

Mit der Annahme des Ermächtigungsgesetzes war die nationalsozialistische Machtergreifung keineswegs beendet. Rein formal war die Reichsregierung mehrheitlich deutschnational. Diese Regierung erließ wenige Tage nach ihrem Amtsantritt mehrere Verordnungen, die die Presse- und die Versammlungsfreiheit einschränkten. Zahlreiche Beamte in wichtigen Positionen wurden abgelöst und durch Anhänger der NSDAP ersetzt.

Der einsetzende Terror

Göring machte die preußische Polizei zu einem willfährigen Instrument und setzte sie rücksichtslos ein. In einer seiner Anordnungen heißt es: "Polizeibeamte, die in Ausübung dieser Pflichten von der Schußwaffe Gebrauch machen, werden ohne Rücksicht auf die Folgen des Schußwaffengebrauchs von mir gedeckt; wer jedoch in falscher Rücksichtnahme versagt, hat dienststrafrechtliche Folgen zu gewärtigen." In einer Ansprache erklärte er: "...hier habe ich keine Gerechtigkeit zu üben, hier habe ich nur zu vernichten und auszurotten, weiter nichts." Am 22. Februar machte Göring 40.000 SA- und SS-Leute und 10.000 Stahlhelmleute zu Hilfspolizisten.

Der Terror traf zuerst die Kommunisten, deren Mandate kassiert, deren Funktionäre verhaftet und deren Konten beschlagnahmt wurden. Ähnlich erging es dem Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, gegründet 1924 zur Verteidigung der Republik, das sich 1931 mit Organisationen ähnlicher Zielsetzung in der "Eisernen Front" zusammengeschlossen hatte. Gleich nach dem 5. März wurde die Eiserne Front und das Reichsbanner verboten, ihre Funktionäre verhaftet. Am 31. Juli 1933 befanden sich 26 789 Personen allein in Preußen in Schutzhaft.

Die Gleichschaltung der Gewerkschaften

Nachdem die Parteien durch den Terror gelähmt waren, blieb als einzige ernstzunehmende Organisation die Gewerkschaften übrig. Bei den Betriebsratswahlen im März 1933 waren die ersten Ergebnisse so schlecht ( 25 Prozent für die "Nationalsozialistische Betriebsorganisation"), daß die Wahlen abgebrochen und ausgesetzt wurden. Die Reichsregierung erklärte den 1. Mai zum "Tag der nationalen Arbeit" und - erstmalig in Deutschland - zum bezahlten Feiertag. Am Vormittag des 2. Mai besetzten in ganz Deutschland SA und SS die Häuser der Freien Gewerkschaften, ihre Büros, Banken und Zeitungen. Die leitenden Funktionäre wurden verhaftet und ins KZ eingeliefert, das Vermögen beschlagnahmt, die Verbände aufgelöst. Die Christlichen Gewerkschaften unterstellten sich Ley in der Hoffnung, damit ihren Verband zu retten. Aber am 24. Juni wurden auch die Christlichen Gewerkschaften aufgelöst und ihre Mitglieder in die DAF übernommen.

Die Auflösung der Parteien

Der nächste Schritt war die Auflösung der Parteien und der politischen Organisationen außerhalb der NSDAP. Die KPD war bereits nach dem Reichtagsbrand illegal. Die SPD schickte einen Teil ihres Vorstandes ins Ausland. Die Mehrheit der in Deutschland verbliebenen Vorstandsmitglieder klammerte sich an den Legalitätskurs, und die geschrumpfte Reichstagsfraktion stimmte am 17. Mai 1933 einer von Hitler eingebrachten außenpolitischen Erklärung der Reichsregierung zu. Der Exilvorstand rief am 18. Mai zum Widerstand und am 18. Juni 1933 in seinem Manifest "Zerbrecht die Ketten" zum Sturz Hitlers auf. Das nahm die Reichsregierung zum Anlaß, am 22. Juni die SPD zu verbieten, ihr Vermögen einzuziehen und fast 3000 Funktionäre zu verhaften. Einen Tag vorher waren die jüngeren Jahrgänge des Stahlhelm in die SA übernommen, nachdem Seldte sich der NSDAP unterstellt hatte. Die übrigen Parteien lösten sich zwischen dem 27. Juni und dem 5. Juli 1933 selbst auf. Hugenberg versuchte vergeblich sich der Auflösung seiner Partei zu widersetzen und trat als Minister zurück.

Bereits am 22. April hatte Goebbels in seinem Tagebuch notiert: "Im Kabinett ist die Autorität des Führers jetzt ganz durchgesetzt. Abgestimmt wird nicht mehr. Der Führer entscheidet. Alles das geht viel schneller, als wir zu hoffen gewagt hatten."

Die Gleichschaltung von Ländern und Gemeinden

Im Gegensatz zu Preußen, das seit dem 20. Juli 1932 durch einen Reichskommissar regiert wurde, blieben die Regierungen der anderen deutschen Länder nach dem 30. Januar 1933 im Amt. Gleich nach der Reichstagwahl, am 9. März, wurde ein Reichskommissar für Bayern ernannt, die bayrische Regierung unter dem Druck der demonstrierenden SA zum Nachgeben gezwungen und eine nationalsozialistische Regierung gebildet.

Zwei Gesetze zur "Gleichschaltung der Länder mit dem Reich" vom 31. März und 7. April 1933 bestimmten, daß die Landtage nach den Ergebnissen der Reichstagswahl neu zusammengesetzt wurden, wobei die Sitze der KPD wegfielen. Für die Länder wurden Reichsstatthalter ernannt, die für die Beobachtung der vom Reichskanzler aufgestellten Richtlinien der Politik zu sorgen hatten und das Recht erhielten, die Länderregierungen zu ernennen und abzusetzen.

Schließlich wurde der Einheitsstaat durch das "Gesetz über den Neuaufbau des Reiches" vom 30. Januar 1934 besiegelt:

    1. Die Volksvertretungen der Länder werden aufgehoben.
    2. Die Hoheitsrechte der Länder gehen auf das Reich über.
    Die Landesregierungen unterstehen der Reichsregierung.
    3. Die Reichsstatthalter unterstehen der Dienstaufsicht des Reichsministers des Inneren.
    4. Die Reichsregierung kann neues Verfassungsrecht setzen...

Schaffung einer einheitlichen Polizei

Das wichtigste innenpolitische Machtinstrument war die Polizei, insbesondere die politische Polizei. Ihr galt der erste Zugriff der neuen Machthaber. Göring unterstellte sich in Preußen die politische Abteilung der Kriminalpolizei direkt und schuf aus ihr im April die "Geheime Staatspolizei" (Gestapo). Himmler wurde Ende 1933 Anfang 1934 Chef der politischen Polizei in allen Ländern und ab April 1934 auch in Preußen. Er begann eine reichseinheitliche Gestapo aufzubauen, die nicht an die Gesetze, z.B. über die richterliche Nachprüfung von Verhaftungen, gebunden war, sondern nur an ihre Aufträge.

Der Einparteienstaat

Dem Einheitsstaat und der Einheitspolizei entsprach im Dritten Reich der Einparteienstaat. Nach dem Verbot oder der Selbstauflösung der Parteien erließ die Reichsregierung am 14. Juli 1933 das "Gesetz gegen die Neubildung von Parteien": "In Deutschland besteht als einzige politische Partei die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei." Die Aufrechterhaltung oder Neubildung anderer Parteien wurde unter Strafe gestellt.

Die Säuberung der Verwaltung

In der staatlichen Verwaltung legalisierte das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April 1933 die bisher willkürlich gehandhabte Entlassung nichtnationalsozialistischer Beamter. Der "Arierparagraph" sah die Entlassung jüdischer Beamter vor. Außerdem sollten diejenigen entlassen werden, "die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, daß sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten". Jeder Beamte mußte sich die Versetzung in ein anderes Amt, auch von geringerem Rang, gefallen lassen.

Die Gleichschaltung von Rundfunk und Presse

Der Angriff auf die Unabhängigkeit des geistigen Lebens wurde von Goebbels geführt, der seit dem 13. März 1933 Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda war. Den staatlichen Rundfunk brachte er schnell, personell gesäubert und straff zentralisiert, unter seine Kontrolle. Schwieriger war es bei der Presse. Mit den Parteien verschwanden die Parteizeitungen. Die meisten Zeitungen blieben bestehen und erhielten Vorschriften darüber, was gebracht werden durfte und was nicht. Im Oktober 1933 wurde das "Schriftleitergesetz" erlassen: Schriftleiter durfte nur sein, wer arischer Abstammung war und die Eigenschaft hat, die die Aufgabe der geistigen Einwirkung auf die Öffentlichkeit erfordert. Literatur, Kunst und Wissenschaft wurden staatlicher Kontrolle unterworfen.

Spannungen unter den Herrschenden

Die nationalsozialistische "Revolution" schien gelungen und im wesentlichen abgeschlossen. Gleichzeitig setzte eine gewisse Ernüchterung ein. Der nationale Rausch begann zu verfliegen. Vorsichtig begann sich Kritik zu regen.

Papens Rede in Marburg

Am 17. Juni 1934 hielt der Vizekanzler Franz von Papen eine vom konservativen Schriftsteller Edgar Jung ausgearbeitete Rede vor Marburger Studenten. Er sagte u.a.: "Kein Volk kann sich den ewigen Aufstand von unten leisten, wenn es vor der Geschichte bestehen will. Mit ewiger Dynamik kann nichts gestaltet werden. Deutschland darf nicht einem Zug ins Blaue gleichen, von dem niemand weiß, wann er zum Halten kommt. Einmal muß die Bewegung zu Ende kommen, einmal ein festes soziales Gefüge, zusammengehalten durch eine unbeeinflußbare Rechtspflege und durch eine unbestrittene Staatsgewalt entstehen... Die Regierung ist wohl unterrichtet über all das, was an Eigennutz, Charakterlosigkeit, Unwahrhaftigkeit, Unritterlichkeit und Anmaßung sich unter dem Deckmantel der deutschen Revolution ausbreiten möchte."
Goebbels verbot die Verbreitung der Rede durch die Presse.

Unzufriedenheit in der SA

Der Zeitpunkt der Rede war günstig gewählt. Auch in der SA gärte es. Es ging um die Frage, soll die Revolution sich konsolidieren oder sollte sie weitergetrieben werden. Das Weitertreiben wurde vor allem von der SA gefordert. Bereits im August 1933, als die Hilfspolizei aufgelöst wurde, gab es Unruhe, an einigen Stellen Tumulte und zahlreiche Ausschlüsse aus der SA.

Hitler hatte bereits im Juli 1933 vor Reichsstatthaltern erklärt: "Die Revolution ist kein permanenter Zustand, sie darf sich nicht zu einem Dauerzustand ausbilden. Man muß den freigewordenen Strom der Revolution in das sichere Bett der Evolution hinüberleiten." Eine neue Aufgabe für die beschäftigungslos gewordene Bürgerkriegsarmee zu finden, war für Hitler ein unlösbares Problem.

Röhm will die Milizarmee

Der Stabschef der SA, Ernst Röhm, hatte dafür seine eigenen Pläne. Nach der Machtübernahme betrachtete er es als seine Aufgabe, den Punkt 22 des Parteiprogramms zu verwirklichen: "Wir fordern die Abschaffung der Söldnertruppe und die Bildung eines Volksheeres." Röhm wollte Reichswehr und SA zu einem großen Milizheer unter seiner Führung verschmelzen, wobei die in seinen Augen reaktionäre Generalität ausgeschaltet werden mußte. Die Reichswehrführung wußte von Röhms Plänen und wehrte sich. Hitler mußte sich zwischen Röhm und der Reichswehr entscheiden. Er entschied sich für die Reichswehr, und entschloß sich, gleichzeitig mit der SA die konservative Opposition zu zerschlagen.

Der sogenannte Röhmputsch

Am 30. Juni 1934 schlug Hitler los. Röhm und eine Reihe höherer SA-Führer wurden erschossen. Außerdem u.a. Edgar Jung, Ministerialdirektor Klausener, General von Schleicher mit Frau, General von Bredow, Gregor Strasser. Die Reichsregierung erließ ein "Gesetz über Maßnahmen der Staatsnotwehr". Einziger Paragraph: "Die zur Niederschlagung hoch- und landesverräterischer Angriffe am 30. Juni, 1. und 2. Juli 1934 vollzogenen Maßnahmen sind als Staatsnotwehr rechtens."

Am 13. Juli sagte Hitler in seiner Rechtfertigungsrede vor dem Reichstag: "Wenn mir jemand den Vorwurf entgegenhält, weshalb wir nicht die ordentlichen Gerichte zur Aburteilung herangezogen hätten, dann kann ich ihm nur sagen: In dieser Stunde war ich verantwortlich für das Schicksal der deutschen Nation und damit des deutschen Volkes oberster Gerichtsherr." Der wahre Sieger war die SS. Hitler hob das Unterstellungsverhältnis zur SA auf und machte sie zur selbständigen Organisation im Rahmen der NSDAP.

In dieser Zeit lag Hindenburg, der Oberbefehlshaber der Reichswehr, im Sterben. Um die letzte, noch nicht eroberte Machtposition in seine Hand zu bekommen, brauchte Hitler die Loyalität der Reichswehr. Kurz vor Hindenburgs Tod beschloß die Reichsregierung das "Gesetz über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches" vom 1. August 1934:

1. Das Amt des Reichspräsidenten wird mit dem des Reichskanzlers vereinigt. Infolgedessen gehen die bisherigen Befugnisse des Reichspräsidenten auf den Führer und Reichskanzler Adolf HItler über. Er bestimmt seinen Stellvertreter.

2. Dieses Gesetz tritt mit Wirkung von dem Zeitpunkt des Ablebens des Reichspräsidenten von Hindenburg in Kraft.

Der Tod Hindenburgs

Als Hindenburg am 2. August 1934 starb, wurde die Reichwehr sofort auf den neuen Oberbefehlshaber vereidigt: "Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid, daß ich dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, dem Oberbefehlshaber der Wehrmacht, unbedingten Gehorsam leisten und als tapferer Soldat bereit sein will, jederzeit für diesen Eid mein Leben einzusetzen."

Mit der Erhebung Hitlers zum Staatsoberhaupt und mit der Vereidigung der Reichswehr auf seine Person war der innere Aufbau des Dritten Reiches abgeschlossen. Die denkbar größte Machtfülle war in seiner Hand vereinigt.

Auf dem Reichsparteitag im Herbst 1934 erklärte er zum zweiten Male das Ende der nationalsozialistischen Revolution: "Die nationalsozialistische Revolution ist als revolutionärer, machtmäßiger Vorgang abgeschlossen! Sie hat als Revolution restlos erfüllt, was von ihr erhofft werden konnte...
Der Wille der nationalsozialistischen Staatsführung ist ein unbeirrbarer und ein unerschütterlicher. Sie weiß was sie will, und will was sie weiß. Sie hat zu dieser Selbsteinschätzung ein Recht, denn sie hat hinter sich das Zeugnis einer Bewährung, das geschichtlich nur sehr selten ausgestellt wird. Denn die Staatsführung des heutigen Reiches ist die Führung der Nationalsozialistischen Partei. Was dieser aber im kurzen Zeitraum von 15 Jahren gelang, wird dereinst den Kindern späterer Generationen unseres Volkes gelehrt werden als das "Deutsche Wunder"... Die deutsche Lebensform aber ist damit für das nächste Jahrtausend endgültig bestimmt... In den nächsten tausend Jahren findet in Deutschland keine Revolution mehr statt."



Anmerkungen:

[1] Wahlergebnisse der Reichstageswahlen
[2] Eingabe vom November 1932, weitere Ausführungen sh. Intrige gegen die Republik, von Kurt Pätzold, jW vom 18.11.2002
[3] Meldung des Wolffs-Büros vom 24. November 1932
[4] Nazi Conspiracy & Aggression, Individual Responsibility Of Defendants Franz Von Papen (Part 5 of 15), Page 923
[5] übersichtliche Darstellung der Kabinettsmitglieder
[6] Aus dem Protokoll der ersten Sitzung dem Kabinetts Adolf Hitler am 30. Januar 1933
[7] Notverordnung zum Schutze von Volk und Staat, Faksimile
[8] Anordnung zur Verhaftung kommunistischer Reichs- und Landtagsabgeordnete vom 11.03.1933
[9] Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich (Ermächtigungsgesetz) vom 23.3.1933



Geschichts-AG der Publizistischen Studiengemeinchaft e.V. 1986, (ib)








 

GLASNOST, Berlin 1992 - 2019