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Beiträge zur Geschichte  









50 Jahre nach 1945 - Vorschau fuer 1995

Erinnern an Kriegsende, Befreiung und Neubeginn

Eine kaum ueberschaubare Fuelle von Ereignissen historischer Dimension jaehrt sich 1995 zum fuenfzigsten Mal. Mit der folgenden Auswahl von Daten des Jahres 1945 versuchen wir, einen Ueberblick zu geben von der Schlussphase des Zweiten Weltkriegs bis zum Beginn des Nuernberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher. Gesteigerter Nazi-Terror bis zur letzten Stunde und Befreiung der Konzentrationslager, vernichtende Bombenangriffe der Alliierten und Daten fruehen gemeinsamen Handelns der legendaeren Frauen und Maenner der "ersten Stunde" stehen unvermittelt nebeneinander; Ereignisse weltpolitischer Groessenordnung stehen neben kaum bekanntem, oft schon vergessenem Geschehen regionaler Bedeutung. Neben dem zentralen Datum der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht am 8. Mai, Datum des Kriegsendes und der Befreiung vom Faschismus, bieten zahllose weitere "fuenfzigste Jahrestage", auch und gerade auf oertlicher Ebene, Anlass zu aktivem, aktuellem Erinnern. P.A.

Januar

5.1.- Der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Julius Leber, der dem Kreisauer Kreis angehoerte, wird in Berlin-Ploetzensee hingerichtet.

7.1. - Bombenangriff auf Muenchen.

8.1. - Als eine der letzten Verhandlungen vor dem NS-Volksgerichtshof findet der Prozess gegen den kommunistischen Reichstagsabgeordneten Theodor Neubauer statt. Er wird zum Tode verurteilt und am 5.2. hingerichtet.

11.1. - Georg Schumann, Otto Engert und Kurt Kresse, die fuehrenden Kommunisten in der antifaschistischen Widerstandsorganisation in Leipzig, werden in Dresden hingerichtet.

18./19.1. - Evakuierung von 74200 Haeftlingen des KZ Auschwitz. Auf dem Todesmarsch werden Tausende erschossen. SS zerstoert Gaskammern und Krematorien.

22.1. - Der ehemalige kommunistische Landtagsabgeordnete Albert Kuntz wird mit anderen Antifaschisten wegen Sabotage der V-Waffen-Produktion im KZ Dora ermordet.

23.1. - Theodor Haubach und Helmuth James Graf von Moltke, Mitglieder des Kreisauer Kreises, Eugen Bolz, frueherer Staatspraesident von Wuerttemberg, Nikolaus Gross, Redakteur der "Ketteler Wacht", in Berlin-Ploetzensee hingerichtet.

27.1. - Sowjetische Truppen befreien das KZ Auschwitz.

29.1. - E.Schulz, O.Kroeger, F.Fuebinger, H.Splanemann, K.Luedtke, R.Seifert, H.Wegener, Mitglieder der Saefkow-Jacob-Baestlein-Organisation, hingerichtet. Von den 1000 Mitgliedern dieser antifaschistischen Widerstandsorganisation wurden 1944 ueber 400 zum Tode verurteilt.

30/31.1. - 685 Haeftlinge in Sonnenburg von der SS erschossen.

Februar

2.2. - 178 Haeftlinge verschiedener Nationen im KZ Sachsenhausen ermordet. Carl Friedrich Goerdeler und Alfred Delp, Beteiligte an der Verschwoerung vom 20. Juli 1944, werden hingerichtet.

4.2.-11.2- Konferenz der Regierungschefs der USA, der UdSSR und Grossbritanniens in Jalta.

12.2. - Aufruf der NS-Fuehrung an Frauen zum "Volkssturm".

15.2. - Verordnung des Reichsjustizministeriums ueber die Errichtung von Standgerichten. Ihnen fallen noch ca. 7000 Menschen zum Opfer.

28.2. - Der Gauleiter des Gaues Koeln-Aachen erlaesst den Aufruf, "Gegen den Feind mit allen Mitteln" zu kaempfen. Das KZ Gross-Rosen wird durch die Rote Armee befreit.

Maerz

5.3. - Amerikanische Truppen in Koeln.

7.3. - Amerikanische Truppen ueberschreiten den Rhein bei Remagen. Beginn der faschistischen Massenmorde in der Bittermark und im Rombergpark.

12.3. - Heinz Priess, Mitglied der Hamburger Baestlein-Jacob-Abshagen-Gruppe, wird in Brandenburg hingerichtet.

19.3. Hitlers "Nerobefehl" zur Zerstoerung aller Industrie-, Verkehrs- und Versorgungsanlagen in Deutschland.

21.3. - Gruendung des "Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes" in Aachen.

23.3. - Britische Truppen setzen ueber den Rhein bei Wesel. Amerikaner stossen bis Mainz vor.

29.3. - Amerikanische Truppen in Wiesbaden und Frankfurt am Main.

30.3. - Antifaschistische Stadtteilausschuesse werden in Frankfurt am Main aktiv.

April

1.4. - Das Ruhrgebiet ist von amerikanischen Truppen eingekesselt. Rheinuebergang franzoesischer Truppen bei Karlsruhe.

2.4. - Aufruf der faschistischen Fuehrung zum "Werwolf". Amerikanische Truppen in Kassel.

3.4. - Befehl Himmlers, ruecksichtslos gegen alle vorzugehen, die an ihren Haeusern weisse Flaggen anbringen.

7.4. - Beginn der Evakuierung des KZ Buchenwald. Ueber 28 000 Haeftlinge werden auf den Todestransport getrieben.

9.4. - Pfarrer Dietrich Bonhoeffer, Admiral Wilhelm Canaris, Generalmajor Hans Oster, Hauptmann Ludwig Gehre, Gerneralstabsrichter Karl Sack, Direktor Theodor Struenck im KZ Flossenbuerg ermordet.

10.4. - Amerikanische Truppen in Essen. In Brettheim, Kreis Crailsheim, werden drei Antifaschisten fuer die versuchte Uebergabe des Ortes von einem fliegenden Standgericht verurteilt und erhaengt. Amerikanische Truppen besetzen Hannover. Bildung eines Wiederaufbau-Ausschusses in Hannover, dem Sozialdemokraten, Kommunisten, christliche und juedische Buerger angehoeren.

11.4. - Selbstbefreiung der Haeftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald. In Braunschweig tritt die "Antifaschistische Aktion" an die Oeffentlichkeit.

13.4. - Massenmord der Gestapo an antifaschistischen Haeftlingen in der Wenzelnbergschlucht bei Solingen-Landwehr.

14.4-18.4. - Noch vor dem Einmarsch der Amerikaner in Solingen treten Antifaschisten auf den Plan und organisieren die kampflose Uebergabe. Sie bilden die "Antifaschistische Volksfront" Solingen.

15.4. - Britische Truppen befreien das KZ Bergen-Belsen. Erste Betriebsraetekonferenz im Ruhrgebiet erlaesst "Aufruf zur Gruendung des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes".

16.4. - Beginn der sowjetischen Offensive gegen Berlin.

19.4. - Die ehemaligen Haeftlinge von Buchenwald schwoeren, den Kampf erst einzustellen, wenn der Faschismus mit seinen Wurzeln vernichtet und eine neue Welt des Friedens und der Freiheit aufgebaut worden ist.

20.4. - Britische Truppen bei Lauenburg an der Elbe. In der Hamburger Schule Bullenhuser Damm werden 20 Kinder, an denen medizinische Experimente vorgenommen worden waren, ermordet. Amerikanische Truppen in Nuernberg. Beginn des Todesmarsches von 30000 Haeftlingen des KZ Sachsenhausen. 3000 meist kranke Haeftlinge bleiben im Lager zurueck.

21.4. - Franzoesische Truppen in Stuttgart. "Kampfkomitees gegen den Nationalsozialismus" beginnen in Stuttgart mit ihrer Taetigkeit.

22.4.- Rote Armee befreit das KZ Sachsenhausen. Albrecht Haushofer, Justus Pereis, Glaus Bonhoeffer und siebzehn weitere politische Gefangene werden in Berlin am Lehrter Bahnhof vom SD erschossen.

23.4. - Amerikanische Truppen befreien das KZ Flossenbuerg. Domprediger Dr. Maier, Michael Lottner und Josef Zirkl werden in Regensburg ermordet.

25.4. - Bei Torgau an der Elbe treffen sowjetische und amerikanische Truppen zusammen.

26.4. - Britische Truppen in Bremen. Sie werden in den folgenden Wochen von amerikanischer Besatzung abgeloest. Selbstbefreiung der politischen Gefangenen des Zuchthauses Brandenburg-Goerden. Beginn des Abtransports von 9600 Haeftlingen aus dem KZ Neuengamme zur Luebecker Bucht. Todesmarsch aus dem KZ Dachau mit 10 000 Gefangenen.

27.4. Beginn des Todesmarsches von 20 000 weiblichen Haeftlingen des KZ Ravensbrueck. In Bremen wird die "Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus" gegruendet.

28.4. - "Freiheitsaktion Bayern" in Muenchen. In der oberbayerischen Bergarbeiterstadt Penzberg werden 17 Antifaschisten auf Befehl des Gauleiters erschossen oder gehaengt, weil sie die Zerstoerung von wichtigen Betrieben und die geplante Ermordung von Kriegsgefangenen verhindern wollten und die Stadtverwaltung absetzten.

29.4. - Dachau durch amerikanische Truppen befreit. Britische Truppen befreien das KZ Neuengamme. Konferenz von Vertretern aus 46 Betrieben und Schachtanlagen des Ruhrgebietes fuer die Vorbereitung einheitlicher Gewerkschaften.

30.4. - Amerikanische Truppen in Muenchen. Sowjetische Soldaten hissen auf dem Reichstagsgebaeude in Berlin die rote Fahne. Befreiung des KZ Ravensbrueck durch die Rote Armee.

Mai

3.5. - Kampflose Uebergabe Hamburgs an die Englaender. In der Luebecker Bucht werden die Haeftlingsschiffe "Cap Arcona" und "Thielbeck" durch einen britischen Fliegerangriff versenkt. Ca. 8000 KZ-Haeftlinge kommen ums Leben.

5.5. - Konzentrationslager Mauthausen befreit.

6.5. - "Festung Breslau" kapituliert.

7.5. - Befreiung des Ghettos Theresienstadt.

8.5. - Bedingslose Kapitulation Hitler-Deutschlands. Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa.

31.5.- Amerikanische Militaerregierung verkuendet Gesetz ueber Aufloesung der NSDAP.

Juni

5.6. - Die Oberbefehlshaber der vier alliierten Armeen (General Eisenhower, Marschall Shukow, Feldmarschall Montgomery und General de Lattre de Tassigny) uebernehmen die oberste Regierungsgewalt in Deutschland. Einteilung Deutschlands in vier Besatzungszonen, Berlins in vier Sektoren, Bildung des Alliierten Kontrollrats.

11.6. - In Berlin Aufruf des ZK der KPD: "Schaffendes Volk in Stadt und Land/Maenner und Frauen/Deutsche Jugend".

11.6. - In Berlin Aufruf des Zentralausschusses der SPD: "Vom Chaos zur Ordnung".

17.6. - Erste Funktionaersversammlung der SPD in Berlin bestaetigt den Zentralausschuss. Gruendung der CDU in Koeln.

19.6. - Vertreter des ZK der KPD und des ZA der SPD beschliessen Gruendung eines gemeinsamen Aktionsausschusses.

26.6. - In Berlin Gruendung der CDU. In San Francisco Unterzeichnung der "Charta der Vereinten Nationen" und des "Statuts des Internationalen Gerichtshofes".

Juli

1.7.-4.7. - Entsprechend der endguetligen Festlegung der Besatzungszonen besetzen sowjetische Truppen Sachsen, Thueringen und die westlichen Teile Mecklenburgs. Amerikanische, britische und franzoesische Truppen uebernehmen die Westsektoren Berlins.

6.7.- Amerikanische Militaerbehoerden uebernehmen die Kontrolle ueber den IG-Farben-Konzern.

7.7. - Das Saargebiet erhaelt eine eigene Verwaltung unter franzoesischer Oberhoheit.

17.7. - Beginn der Potsdamer Konferenz zwischen Stalin, Truman und Churchill (der am 29.7. von Attlee abgeloest wird).

24.7. - Aktionsprogramm der SPD und der KPD in Hamburg.

31.7. - Erste Ausgabe der "Frankfurter Rundschau" erscheint.

August

2.8. - Potsdamer Abkommen unterzeichnet.

6.8. - Feldmarschall Montgomery gibt fuer die britische Zone die grundsaetzliche Zustimmung zur Bildung freier Gewerkschaften und demokratischer politischer Parteien. Abwurf der amerikanischen Atombombe ueber Hiroshima.

8.8.- Aktionsgemeinschaft zwischen SPD und KPD in Muenchen.

26.8. - Aktionsgemeinschaft zwischen SPD und KPD in Dachau.

27.8. - Zulassung von politischen Parteien und Gewerkschaften auf Kreisebene in der amerikanischen Besatzungszone.

September

3.9. - Gemeinsamer Aktionsausschuss SPD und KPD in Frankfurt am Main.

17.9. - In Lueneburg beginnt vor einem britischen Militaergericht der Prozess gegen den Kommandanten und das Wachpersonal des KZ Bergen-Belsen.

21.9. Besprechungen von Vertretern der SPD und der KPD in Braunschweig.

Oktober

5./6.10. - Auf einer SPD-Konferenz in Wenningsen bei Hannover wird Kurt Schumacher zum politischen Beauftragten seiner Partei fuer die Westzonen gewaehlt.

6.10. - Unter amerikanischer Lizenz erscheint in Muenchen die "Sueddeutsche Zeitung".

27.10. - Einheitskundgebung von SPD und KPD in Duisburg.

29.10. - Das Praesidium der Landesverwaltung Sachsen beschliesst die Enteignung des Kriegsverbrechers Friedrich Flick.

November

16.11. - Der Lueneburger Bergen-Belsen-Prozess endet mit elf Todesurteilen gegen die Hauptangeklagten. Sie werden am 10. Dezember hingericht.

17.11. - Erklaerung der Landesgruppe deutscher Gewerkschafter in Grossbritannien fuer die Arbeit in Deutschland.

20.11. - Beginn des Nuernberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher.

Dezember

11.12. - Vom Kontrollrat in Berlin werden den alliierten Maechten 30 deutsche Industriewerke zu Reparationszwecken zugeteilt.

14.-16.12. - Erstes Reichstreffen der CDU in Bad Godesberg.

20./21.12. - Konferenz von je 30 Funktionaeren der SPD und der KPD in Berlin ueber Grundlinien einer gemeinsamen Programmatik.

Quelle: "Antifaschistischen Rundschau", der Zeitschrift der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschisten (VVN-BdA), 1995; aus: cl.antifa.allgemein, 12.01.1995








 

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