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Offener Brief von Dietrich Kittner an das Bundesamt fuer Verfassungsschutz

Sehr geehrte Damen und Herren,

laut offizieller Aeusserung eines Sprechers Ihrer Behoerde sollen Ihnen keinerlei Erkenntnisse ueber in Kroatien kaempfende deutsche Neonazis vorliegen. Um Ihrem offensichtlich z.Zt. erkenntnisunfaehigen Dienst ein wenig auf die Spruenge zu helfen, uebersende ich Ihnen beiliegend einen Artikel der tz, Muenchen, vom 9.3.1992, Seite 1, demzufolge sehr wohl deutsche Neonazis als in einer "Schwarzen Legion" zusammengeschlossene Soeldner fuer Kroatien dort organisiert Menschen umbringen, zu diesem Zweck kriminelle Waffenbeschaffungsueberfaelle und Waffenschmuggel nach Kroatien betreiben. Das - Ihrem Geheimdienst offensichtlich unbekannte - Bundeskriminalamt hat den Fakt bestaetigt. Auch in der April-Ausgabe der oesterreichischen Zeitschrift "Wiener" erwaehnt auf Seite 46 in einer Reportage ueber Oesterreicher bei der faschistischen Gruppe HOS den Einsatz deutscher Soeldner dort. Merke: eines der einfachsten und aeltesten nachrichtendienstlichen Mittel ist nach einhelliger Fachmeinung vergleichende Zeitungslektuere. (...) Vielleicht hat es sich beim Verfassungsschutz noch nicht herumgesprochen, dass man Telefone nicht nur abhoeren, sondern auch selber zu sogenannten Telefongespraechen benutzen kann. Sie haetten sonst naemlich nach Kenntnis der o.a. Meldung auch das tun koennen, was sogar mir geheim- dienstlichen Laien moeglich war: die Pressestellen des Bundesinnenministeriums, des Aussenministeriums und das Bundespresseamt anrufen und sich dort bestaetigen lassen, dass der Bundesregierung der erwaehnte Kampfeinsatz rechtsextremer deutscher Legionaere schon im Maerz 1992 durchaus bekannt war. Leider konnte sie jedoch nach eigener telefonischer Bekundung nichts dagegen unternehmen, weil solcher Kampfeinsatz "ja nicht verboten" sei... Bitte haben Sie ausserdem Verstaendnis dafuer, dass ich diesen Brief oeffentlich mache. Es ist das erste mal in meinen Leben, dass ich dem Geheimdienst einen Tip gebe, und - man weiss ja nicht, wie das Leben noch so spielt - ich moechte keinesfalls spaeter als ihr "inoffizieller Mitarbeiter (IM)" vor der Geschichte dastehen; dann schon lieber als oeffentlicher.

29.7.1992
Dietrich Kittner

P.S.: Und noch ein Tip: Schicken Sie doch mal Ihre OMs und IMs auf den Muenchner Hauptbahnhof! Vielleicht werden diese dort auch, wie einer meiner Bekannten, in aller Oeffentlichkeit von kroatischen Soeldnerwerbern angesprochen. Schaerfen sie aber ihren Mitarbeitern ein, nicht mitzugehen!

Artikel erschienen im F.R.E.I.Brief September '92

Quelle: CL-Netz: cl.europa.deutschland


 




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