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Stephen W. Hawking

Albert Einstein

Einsteins Engagement in Fragen der Kernwaffenpolitik ist allgemein bekannt: Er unterzeichnete den berühmten Brief an Präsident Franklin Roosevelt, in dem die Vereinigten Staaten beschworen wurden, dieses Problem ernst zu nehmen, und er beteiligte sich nach 1945 an den Bestrebungen, einen Atomkrieg zu verhindern. Doch das waren nicht nur einzelne Aktionen eines Wissenschaftlers, der in die Politik hineingezogen wurde. Einsteins ganzes Leben war, wie er es selbst ausgedrückt hat, "hin- und hergerissen zwischen Politik und Gleichungen.

Einsteins früheste politische Aktivitäten fielen in den Ersten Weltkrieg, als er Professor in Berlin war. Erschüttert vom Kriegsgeschehen, nahm er an Protestkundgebungen gegen den Krieg teil. Sein Eintreten für zivilen Ungehorsam und die Beteiligung an öffentlichen Aufrufen zur Kriegsdienstverweigerung machten ihn bei seinen Kollegen nicht gerade beliebt. Nach dem Krieg bemühte er sich um die Aussöhnung der Völker und um bessere internationale Beziehungen. Auch diese Aktionen schadeten seinem Ansehen, und schon bald wurde es ihm erschwert, in die Vereinigten Staaten zu reisen, auch wenn er dort nur Vorlesungen und Vorträge halten wollte.

Das zweite große Wirkungsfeld Einsteins war der Zionismus. Obwohl jüdischer Herkunft, lehnte er die biblische Gottesvorstellung ab. Als ihm jedoch die antisemitischen Tendenzen vor und während des Zweiten Weltkriegs immer bewußter wurden, begann er sich nach und nach mit dem Judentum zu identifizieren und wurde später ein überzeugter Anhänger des Zionismus. Abermals hinderte ihn die Tatsache, daß seine Auffassungen alles andere als populär waren, nicht daran, seine Meinung zu sagen. Man griff seine Theorien an. Eine Anti-Einstein-Organisation wurde gegründet. Ein Mann wurde wegen Anstiftung zum Mord an Einstein vor Gericht gestellt (und zu einer lächerlichen Geldstrafe von sechs Dollar verurteilt). Doch Einstein war nicht aus der Ruhe zu bringen. Als ein Buch mit dem Titel "100 Autoren gegen Einstein" erschien, meinte er: "Wenn ich unrecht hätte, wäre einer genug!"

1933 kam Hitler an die Macht. Einstein hielt in Amerika auf und erklärte, er werde nicht nach Deutschland zurückkehren. Die Nazis plünderten sein Haus und zogen sein Bankguthaben ein, und die Schlagzelle einer Berliner Tageszeitung lautete: "Gute Nachrichten von Einstein - er kommt nicht zurück." Angesichts der nationalsozialistischen Bedrohung sagte sich Einstein vom Pazifismus los und empfahl den Vereinigten Staaten, eine eigene Atombombe zu entwickeln, weil er befürchtete, daß deutsche Wissenschaftler eine solche Bombe bauen könnten. Doch noch bevor die erste Atombombe explodiert war, warnte er öffentlich vor den Gefahren eines Atomkriegs und schlug eine internationale Kernwaffenkontrolle vor.

Alles, was Einstein sein Leben lang für den Frieden tat, hat wahrscheinlich wenig Dauer gehabt - ganz gewiß hat er sich damit keine Freunde gemacht. Nur sein öffentliches Eintreten für den Zionismus fand gebührende Anerkennung: 1952 wurde ihm die Präsidentschaft des jungen Staates Israel angeboten. Er lehnte ab mit der Begründung, er sei zu naiv für die Politik. Vielleicht hatte er in Wirklichkeit einen anderen Grund. Um ihn noch einmal zu zitieren: "Gleichungen sind wichtiger für mich, weil die Politik für die Gegenwart ist, aber eine Gleichung ist etwas für die Ewigkeit."

Stephen W. Hawking in: Eine kurze Geschichte der Zeit. Die Suche nach der Urkraft des Universums, S. 218 ff, rororo 1993




 




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