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2002-03-15

EU-Gipfel in Barcelona am 15./16.03.2002

ERKLÄRUNG VON BARCELONA ZUM NAHEN OSTEN

1. Der Nahe Osten wird von einer äußerst schweren Krise geschüttelt. Die Europäische Union ruft beide Seiten auf, unverzüglich wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um dem Blutvergießen Einhalt zu gebieten. Eine militärische Lösung für den Konflikt gibt es nicht. Frieden und Sicherheit können nur durch Verhandlungen erreicht werden.

2. Um einen Ausweg aus der derzeitigen Situation zu finden, ist es unumgänglich, den Sicherheitsaspekt sowie den politischen und den wirtschaftlichen Aspekt als untrennbare und unauflösliche Elemente eines einzigen Prozesses zu behandeln. Es ist notwendig, erneut eine positive politische Perspektive herzustellen und parallel dazu politische Maßnahmen und Sicherheitsmaßnahmen in einer sich gegenseitig verstärkenden Weise durchzuführen. Der Europäische Rat begrüßt nachdrücklich die Annahme der Resolution 1397 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, in der das starke diesbezügliche Engagement der internationalen Gemeinschaft zum Ausdruck kommt.

3. Diese Resolution muss dringlich umgesetzt werden, insbesondere die Forderung nach unverzüglicher Einstellung aller Gewalthandlungen, einschließlich aller Akte des Terrors, der Provokation, der Aufwiegelung und der Zerstörung, sowie die Forderung, dass die israelische und die palästinensische Seite und ihre Führer bei der Umsetzung des Tenet-Plans und der Empfehlungen des Mitchell-Berichts zusammenarbeiten, um die Verhandlungen über eine politische Lösung wiederaufzunehmen.

4. Die wahllosen Terrorangriffe in den letzten Wochen sowie die Tötung und Verletzung unschuldiger Zivilpersonen sind zu verurteilen. Als rechtmäßige Autorität trägt die Palästinensische Behörde die volle Verantwortung für die Bekämpfung des Terrorismus mit allen ihr zur Verfügung stehenden rechtmäßigen Mitteln. Ihre diesbezügliche Fähigkeit darf nicht geschwächt werden. Israel muss ungeachtet seines Rechts, den Terrorismus zu bekämpfen, unverzüglich seine Streitkräfte aus den unter der Kontrolle der Palästinensischen Behörde stehenden Gebieten zurückziehen, die außergerichtlichen Hinrichtungen einstellen, die Blockaden und Einschränkungen aufheben, die Siedlungspolitik stoppen und das Völkerrecht einhalten. Beide Seiten müssen die internationalen Menschenrechtsnormen wahren. Das Übermaß an Gewaltanwendung ist nicht zu rechtfertigen. Die gegen ärztliche und humanitäre Einrichtungen und deren Angehörige gerichteten Maßnahmen sind in keiner Weise hinnehmbar. Diese Einrichtungen müssen in der Lage sein, ihre Aufgabe uneingeschränkt zu erfüllen.

5. Der Europäische Rat nimmt Kenntnis von dem Beschluss der israelischen Regierung, den Hausarrest des Präsidenten der Palästinensischen Behörde, Herrn Arafat, in Ramallah aufzuheben, und fordert dazu auf, alle noch verbleibenden Einschränkungen seiner Bewegungsfreiheit unverzüglich zu beenden.

6. Der Europäische Rat begrüßt den Beschluss des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, den Sonderbeauftragten Zinni wieder in die Region zu entsenden. Die Europäische Union ist bereit, ihre Bemühungen, insbesondere über ihren Sonderbeauftragten, Botschafter Moratinos, mit denen des amerikanischen Sonderbeauftragten, des Sonderbeauftragten der Russischen Föderation und des Sonderkoordinators der Vereinten Nationen zusammenzuführen.

7. Der Europäische Rat ist nach wie vor davon überzeugt, dass ein unabhängiger Überwachungsmechanismus beiden Seiten helfen würde, ihre diesbezüglichen Bemühungen fortzusetzen, und fordert sie dringend auf, die Vorschläge zur Zulassung von Beobachtern zu prüfen. Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten sind bereit, sich an einem solchen Mechanismus zu beteiligen.

8. Die Europäische Union ist entschlossen, sich zusammen mit den Konfliktparteien, den Ländern in der Region, den Vereinigten Staaten, den Vereinten Nationen und Russland an der Suche nach einer Lösung zu beteiligen, die sich auf die Resolutionen 242, 338 und 1397 des VN-Sicherheitsrates und die Grundsätze der Madrider Konferenz, des Abkommens von Oslo sowie späterer Abkommen stützt und die es zwei Staaten - Israel und Palästina - gestatten würde, in Frieden und Sicherheit zu leben und ihre Rolle in der Region uneingeschränkt wahrzunehmen. Der Hohe Vertreter, Javier Solana, wird seine regelmäßigen Konsultationen mit allen auf internationaler Ebene beteiligten Akteuren fortsetzen.

9. Die generelle Zielsetzung im israelisch-palästinensischen Konflikt ist zweifacher Art: Schaffung eines demokratischen, lebensfähigen und unabhängigen Staates Palästina nach Beendigung der Besetzung von 1967 und Anerkennung des Rechts Israels, innerhalb sicherer Grenzen zu leben, das durch die entsprechende Verpflichtung der Völkergemeinschaft und insbesondere der arabischen Länder garantiert ist.

10. Der Europäische Rat begrüßt die jüngste Initiative des saudi-arabischen Kronprinzen Abdullah, die im Einklang mit den VN-Resolutionen auf dem Konzept der vollständigen Normalisierung und des vollständigen Rückzugs beruht und eine einmalige Chance bietet, die im Interesse einer gerechten, dauerhaften und umfassenden Lösung des arabisch-israelischen Konflikts ergriffen werden sollte. Er hofft, dass die Arabische Liga diese Initiative auf ihrem bevorstehenden Gipfeltreffen in Beirut voranbringen wird und dass die israelische Regierung und das israelische Volk darauf positiv reagieren werden.

11. Der Europäische Rat zollt denjenigen Anerkennung und Hochachtung, die sich im Friedenslager der israelischen wie der palästinensischen Gesellschaft weiterhin unermüdlich für Frieden einsetzen, und unterstützt die direkten Kontakte und den Dialog zwischen beiden Seiten.

12. In Fortführung ihrer derzeitigen Bemühungen wird die EU einen uneingeschränkten, substanziellen wirtschaftlichen Beitrag zur Friedenskonsolidierung in der Region leisten, der darauf abzielen wird, die Lebensbedingungen des palästinensischen Volkes zu verbessern, die Palästinensische Behörde zu festigen und zu unterstützen, die wirtschaftliche Basis des künftigen Staates Palästina zu stärken sowie Entwicklung und regionale Wirtschaftsintegration zu fördern. In dieser Hinsicht ist die EU bereit, zum Wiederaufbau der palästinensischen Wirtschaft als integralem Bestandteil der Regionalentwicklung beizutragen.

13. Die EU ist nach wie vor überzeugt, dass nur ein umfassender Frieden im Nahen Osten auch dauerhaft sein kann.


Quelle: Schlußfolgerungen des Vorsitzes Europäischer Rat in Barcelona 15./16.03.2002


 




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