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Afrika wird zunehmend vom internationalen Handel abgekoppelt. Ein verlorener Kontinent gewissermassen fuer die Weltwirtschaft. Doch die EG-Agrartechnokraten haben einen Sektor gefunden, in den es zu investieren lohnt: den Export minderwertigen Rindfleisches nach Westafrika. Seit Mitte der 80er wurden hierfuer etwa 800 Millionen DM an Subventionen gezahlt - auf dass der EG-Fleischberg nicht noch hoeher waechst. Mehr als vier Millionen Menschen, in ihrer Mehrzahl Nomaden, erwirtschaften in den trockenen Gebieten suedlich der Sahara ihren Lebensunterhalt durch Viehzucht. Die Sahelstaaten Burkina Faso, Mali und Niger zaehlen mit einem Pro-Kopf-Einkommen von unter 400 DM im Jahr zu den aermsten Laendern der Welt. Die Lebenserwartung liegt unter 50 Jahre, jedes vierte Kind stirbt, ehe es fuenf Jahre alt geworden ist. Die durchschnittliche Kalorienaufnahme liegt unterhalb dem als absolut notwendig (ca. 2250) Erachteten. Die Strukturdaten im Sahel entsprechen denen des vom Buergerkrieg zerrissenen Afghanistan. Und eine der wenigen intakten Strukturen - Viehzucht und interregionaler Viehhandel, der zwischen 14 und 30 Prozent der Exporterloese der Sahelstaaten ausmacht - ist durch die aggressive EG-Exportstrategie akut bedroht. Denn die traditionellen Absatzmaerkte der Sahel-Viehzuechter in den westafrikansichen Kuestenlaendern werden zunehmend von der EG uebernommen Waehrend noch 1984 zwei Drittel des in der Elfenbeinkueste verfuegbaren Rindfleisches aus dem Sahel stammten, ist dieser Anteil - bei stagnierendem Verbrauch - auf gut ein Viertel im Jahr 1990 zurueckgegangen. Demgegenueber legte die EG von 18 auf 44 Prozent zu. Sie subventioniert mit etwa 4 DM das Kilo Rindfleisch und kann damit die Verkaufspreise in Westafrika um etwa die Haelfte unterbieten. Den europaeischen Handelsunternehmen reicht letztlich schon die Subventionszusage, der Verkauf an sich bleibt lediglich ein Zubrot. Egal ob einflussreiche Lobbygruppen oder laengerfristige Markteroberungsstrategien - die EG ist inzwischen der Welt fuehrender Rindfleischexporteur - hinter diesem Dumping stehen, im Ergebnis ist die Exportpolitik fatal. "Manche Familien verkaufen kaum noch Vieh", schilderte juengst Seydou Mediene, Vorsitzender der Nomadenorganisation CRUS, die Lage in Burkino Faso bei einem Besuch in Deutschland. "Doch mit diesen Einkuenften kaufen sie die Hirse und andere Nahrungsmittel von den sesshaften Bauern der Region. Koennen sie kein Vieh verkaufen, fehlt ihnen das Geld fuer wichtige Grundnahrungsmittel. ... Die Rinder sind das einzige Kapital vieler Menschen im Sahel. Folglich werden unverkaeufliche Tiere weiter gehalten, was zu Ueberweidung und der Gefahr zunehmender Desertifikation in der oekologisch sensiblen Sahelzone fuehrt. Geradezu kurios mutet es an, wenn die EG-Exportoffensive nicht nur alle vollmundigen Verlautbarungen ueber Entwicklung und Umwelt ad absurdum fuehrt, sondern auch eigene Entwicklungsprojekte konterkariert. Der Viehsektor ist ein wichtiger Bereich staatlicher deutscher Entwicklungshilfe in ganz Westafrika, in den bis 1988 84 Millionen DM geflossen sind. Die bundeseigene Gesellschaft fuer technische Zusammenarbeit (gtz) hat seit den 70er Jahren Tiefkuehlschlachthoefe in Ougadougou (Burkina) und Bamako (Mali), veterinaermedizinische Programme in Togo, Auffuetterungsstationen entlang der Viehrouten in der noerdlichen Elfenbeinkueste sowie den Schlachthof der Hauptstadt Abidjan mitfinanziert. Die einstmals erfolgreichen Projekte stehen nun vor dem Ruin: das Fleisch kommt bereits zerlegt und tiefgefroren in den Haefen Westafrikas an, aus Frankreich, den Niederlanden und Deutschland - den drei wichtigsten Exporteuren. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen vergibt die EG die gleichen Subventionen fuer gutes Steak wie fuer minderwertiges Fleisch mit einem Fettanteil von bis zu 50 Prozent, das - in Europa kaum absetzbar- ueberwiegend exportiert wird. Das private Hilfswerk Novib aus den Niederlanden und Christian Aid aus England haben, durch ihre Projektpartner in Sahel alarmiert, im Fruehjahr diesen EG-Fleischskandal publik gemacht. Am 11. Juni 1993 reduzierte die EG-Kommission ihre Exportsubventionen fuer Rindfleisch nach Westafrika um 15 Prozent. Materiell ohne Belang, da die Preise des dort produzierten Fleisches immer noch klar unterboten werden. Die Kampagne hat erste Wirkung gezeigt. Doch mehr Druck muss auf die EG-Kommission ausgeuebt werden, meint Jan Klugkist von Novib. Wichtig waere insbesondere mehr oeffentliche Kritik, mehr Protest aus Deutschland, dem wirtschaftlich maechtigen EG-Land. Die internationale Menschenrechtsorganisation FIAN und die Nord-Sued-Initiative Germanwatch haben diesen Vorschlag aufgegriffen. Ein Dossier "Der subventionierte Unsinn" wurde erstellt und mit den wichtigsten Forderungen den Verantwortlichen in Bonn und Bruessel uebergeben. FIAN und Germanwatch verlangen die sofortige Beendigung des Rindfleichdumpings und eine Entschaedigung fuer die betroffenen Volkwirtschaften. Bleibt anzumerken, dass sich die EG mit diesen Methoden ihre Wirtschaftsfluechtlinge selbst produziert.
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