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Der ERT hat eine Anzahl von Berichten ueber Transport und Infrastruktur veroeffentlicht. Die einflussreichsten waren ,Missing Links" (Fehlende Verbindungen) und ,Missing Networks" (Fehlende Verkehrsnetze). ,Missing Links" wurde im Dezember 1984 veroeffentlicht. In diesem Bericht fuehrt der ERT aus, dass (insbesondere die grenzuebergreifenden) Transportsysteme in Europa merklich verbessert werden muessten, um einen weiteren wirtschaftlichen Fortschritt zu ermoeglichen. Laut ERT hindern Defizite im Verkehrsbereich die europaeische Wirtschaft am ,Aufbau grosser Oekonomien und an der Entwicklung optimaler Marketing- und Fabrikationsstrategien". Deshalb schlaegt der ERT eine Reihe neuer Infrastruktur-Projekte vor, um die ,fehlenden Verbindungen" zu schliessen. Am wichtigsten waren der Aermelkanal-Tunnel, die ,Scan Link' (eine Brueckenverbindung zwischen Schweden und Daenemark und zwischen Daenemark und Norddeutschland), sowie europaeische Hochgeschwindigkeitsbahnlinien. ln ,Missing Networks" (Mai 1991) sprach sich der ERT noch einmal fuer neue Investitionen in die europaeische Infrastruktur aus. Der Bericht nimmt fuer sich in Anspruch zu untersuchen, wie die Vollendung des Binnenmarktes den ,Bedarf an Infrastruktur" beeinflussen wuerde und was dies fuer die EU-Politik in diesem Bereich bedeuten sollte. Die Schlussfolgerung ist klar: ,Der Transportbedarf" wird wachsen. Dem ERT zufolge wuerde ein Versagen beim Aufbau der sogenannten ,fehlenden Verbindungen" verminderten wirtschaftlichen Fortschritt bedeuten. Das Streben nach einer ,schnellen Revision der europaeischen Kommunikationsinfrastruktur" sollte daher ,ganz oben auf der europaeischen Tagesordnung stehen". (S. 10) ,Missing Networks" bedient sich, wie viele andere ERT-Berichte auch, einer interessanten Rhetorik. Es wird ueber das Beduerfnis nach einer ,Kommunikationsinfrastruktur' geredet und ueber ,Netze", enthaelt aber auch weniger abstrakte Vorschlaege wie etwa den Bau neuer Strassen durch die ,alpine und die pyrenaeische Barriere und nach Osteuropa" (Seite 30). Wieder und wieder betont der ERT die Dringlichkeit seiner Vorschlaege zur Infrastruktur, die ueber alle anderen Sorgen gestellt werden muessten: ,Umweltbezogenen Einwaenden, so wichtig sie auch sind, kann nicht einfach ein Vetorecht eingeraeumt werden. Die immer wirksameren Organisationen von Menschen, die fuer umweltbezogene Buergerrechte streiten, muessen effektivere Organisationen von Anwaelten des Wandels, der Anpassung und des Wachstums entgegengesetzt werden." (S.16) EU: Transeuropaeische Netze --------------------------- Zur selben Zeit, als der ERT ueber fehlende Verbindungen und fehlende Netze sprach, stellte die EU-Kommission das Konzept der ,Transeuropaeischen Netze" (TEN) zwischen EU-Laendern vor. 1992 fuehrte der Eifer der Kommission, die Verbindungsloecher im europaeischen Strassensystem zu stopfen, zum Vorschlag des Baus von 12.000 km neuer Schnellstrassen bis zum Jahr 2002. In diesem Vorschlag plant die EU, sechzig mal mehr Geld fuer Strassenbau als fuer die Bahn auszugeben. Die Kommission wird die Strassen nicht selbst bauen, doch wird sie die Regierungen, die sie bauen, finanziell unterstuetzen. Die Vision hinter der EU-Transportpolitik ist praktisch identisch mit der Vision, die in den ERT-Berichten dargelegt wird: Transport sei fuer wirtschaftliches Wachstum unabdingbar und die EU sollte auf den aus dem Binnenmarkt resultierenden, wachsenden Transportbedarf reagieren, indem sie zum Beispiel neue Strassen baut. Lippenbekenntnisse an die Umwelt -------------------------------- In Berichten wie ,Die zukuenftige Entwicklung der gemeinsamen Transportpolitik" definiert die Kommission ,anhaltende Mobilitaet" als ihr Ziel, doch gibt sie weder ein Konzept vor, noch formuliert sie klare Ziele oder Strategien, wie dies erreicht werden solle. Die Kommission erkennt die umweltschaedigenden Auswirkungen des bestehenden Transportsystems an, analysiert aber nicht den Zusammenhang zwischen dem Aufbau neuer Infrastruktur und dem Anwachsen des Verkehrs. Die Politik der EU wird ohne Zweifel das Transportvolumen erhoehen. Der Bericht der EU-Sonderkommission zu. Die Umwelt und der Binnenmarkt" schaetzt, dass die Vollendung des Binnenmarktes den Lastwagenverkehr um 30-50% erhoehen wird. Eine Transportpolitik, die sich zum Ziel gesetzt hat, 12.000 km neuer Schnellstrassen zu bauen, wird diese Vorhersage nur zum Schlimmeren veraendern. Falsche Konzepte ---------------- Die Kommission hat bei der Aufgabe versagt, wirksame Vorschlaege zu unterbreiten, um die Auswirkungen des durch den Binnenmarkt verursachten Wachstums im Transportwesen zu mindern, wie z.B. ernsthafte Bemuehungen, die externen Kosten in Transportpreis zu integrieren. Diesen problematischen Trends in der Politik liegt dieselbe falsche Konzeption bezueglich des Zusammenhangs zwischen Transport und Wirtschaft zugrunde, die auch in den ERT-Berichten zu sehen ist: dass es eine direkte Verbindung zwischen dem Anwachsen des Transportwesens und dem Anwachsen der Wirtschaft gaebe. Aber die Tatsache, dass sechs bis sieben Prozent der europaeischen Arbeitnehmerlnnen direkt oder indirekt im Transportsektor arbeiten, heisst nicht, dass mehr Verkehr gut fuer die Wirtschaft ist. In Wirklichkeit dient es nur der Transport-Lobby. Zu allererst ist Transport ein Kostenfaktor und somit gibt es keine oekonomische Begruendung dafuer, den Strassentransport weiter zu subventionieren. Weniger Investitionen der Regierungen (oder der EU) schaden nur fuer den Speditionen, Autoherstellern und Oelgesellschaften. Andere Sektoren wuerden eher von neuen Investitionen in anderen Bereichen profitieren, die dann moeglich wuerden. Eine Haupthuerde fuer die Aenderung solcher Fehlkonzeptionen, welche die Erschaffung einer dauerhafteren Politik blockieren, sind die engen Beziehungen zwischen dem ERT und dem Rest der Strassenlobby. Die Kommission versucht nicht, ihre guten Beziehungen zur Strassenlobby zu verbergen. In ,Transeuropaeische Netze" gibt sie zu, dass sie ,bei der Ausarbeitung ihrer Vorschlaege besonders die Empfehlungen der Motorway Working Group (MWG) beruecksichtigt wurden." Die MWG war eine ad hoc Arbeitsgruppe, die extra von der Kommission eingeladen wurde, sich in dieses Dokument einzubringen. Sie bestand aus sieben Gruppen ausschliesslich privater Lobbyorganisationen, zu denen auch der ERT und andere Strassenlobbyorganisationen gehoerten.Quelle: cl.europa.eu, 05.12.1994
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