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1991-06-20

Berliner Treffen des Rates der KSZE




Zusammenfassung der Schlußfolgerungen

1. Der Rat der KSZE hielt am 19. und 20. Juni 1991 in Berlin sein 
erstes treffen ab.

2. Die Minister begrüßten die Republik Albanien als Teilnehmerstaat der
KSZE im Anschluß an die Entgegennahme eines Schreibens des Ministers 
für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Albanien, Herrn Kapllani, 
an den amtierenden Vorsitzenden des Rates, den Bundesminister des 
Auswärtigen, Herrn Genscher, in welchem sämtliche KSZE-Verpflichtungen 
und Verantwortlichen angenommen wurden (Anhang 1).

3. Die Minister führten politische Konsultationen über die Europäische 
Architektur und die Stärkung der Sicherheit in Europa sowie über die 
Festigung der Menschenrechte, von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, 
über Perspektiven des wirtschaftlichen Übergangs und des sozialen 
Wandels in Europa, über aktuelle Fragen und über die künftige Arbeit 
der KSZE.
Im Rahmen dieser Konsultationen kamen die Minister zu folgenden 
Schlußfolgerungen:

4. Sie bekräftigten erneut die Bedeutung anhaltenden politischen und 
wirtschaftlichen Wandels in den demokratischen Ländern, die sich auf 
dem Wege zur Marktwirtschaft befinden. Sie betonten die Notwendigkeit, 
dieser Länder auch weiterhin in ihren Anstrengungen bei der Festigung 
der Demokratie und der Umgestaltung ihrer Wirtschaft zu untersützen.

5. Sie bekräftigten, daß die Zusammenarbeit in den Bereichen 
Wirtschaft, Wissenschaft, Technologie und Umwelt auch weiterhin ein 
wichtiger Pfeiler der KSZE bleibt.

6. Sie nahmen einen Mechanismus für Konsultation und Zusammenarbeit in 
dringlichen Situationen an (Anhang 3).

7. Sie beschlossen, daß das Kommunikationsnetz, welches gemäß den 
Bestimmungen des Wiener VSBM-Dokuments 1990 eingerichtet werden soll, 
vorzugsweise für sämtliche im Rahmen des Dringlichkeitsmechanismus 
vorgesehenen Mitteilungen genutzt wird. Hierfür wird das KSZE-
Sekretariat in das Kommunikationsnetz einbezogen.

8. Sie billigten den Bericht des Expertentreffens von La Valetta über 
die Friedliche Regelung von Streitfällen und vereinbarten, gemäß den 
entsprechenden Empfehlungen des Ausschusses Hoher Beamter das 
Konfilktverhütungszentrum zur ernennenden Institution für den KSZE-
Streitbeleigungsmechanismus (Anhang).

9. Sie begrüßten die Schaffung der Parlamentarischen Versammlung der 
KSZE. (Anhang 4)

10. Sie nahmen mit Genugtuung die Ergebnisse des Symposiums von Krakau 
über das Kulturelle Erbe der KSZE-Teilnehmerstaaten zur Kenntnis.

11. Sie luden das Zentrum für Menschenrechte der Vereinten Nationen 
ein, einen Betrag zum Genfer Expertentreffen über Nationale 
Minderheiten zu leisten.

12. Sie luden den Europarat ein, einen Beitrag zum Moskauer Treffen der
Konferenz über die Menschliche Dimension zu leisten.

13. Sie befürworteten den Austausch von Informationen und einschlägigen
Dokumenten zwischen der KSZE und den wichtigsten eruopäischen und 
transatlantischen Institutionen, wie der Europäischen Gemeinschaft, dem
Europarat, der ECE, der NATO und der WEU. Die Modalitäten der 
Beteiligung der KSZE an diesem Austausch sollten auf der nächsten 
Sitzung des Ausschusses Hoher Beamter ausgearbeitet und sechs Monate 
später überprüft werden.

14. Sie ersuchten den Ausschuß Hoher Beamter, unter Berücksichtigung 
der auf diesem Ersten Ratstreffen geführten Debatte für das nächste 
Treffen des Rates Empfehlungen über die künftige Entwicklung der KSZE-
Institutuionen und -Strukturen vorzubereiten. Der Konsultativausschuß 
des Konfliktverhütungszentrums wird die Teile der Empfehlungen 
beitragen, die die Sträkung der Rolle des Konfliktverhütungszentrums 
betreffen.

15. Sie sahen erwartungsvoll einer Folge informeller Gespräche und 
Konsultationen über neue Verhandlungen über Abrüstung und Vertrauens- 
und Sicherheitsbildung entgegen, die allen KSZE-Teilnehmerstaaten 
offenstehen. In diesem Zuammenhang beauftragten sie ihre Vertreter in 
Wien, in der Regel ihre Vertreter beim Konsultativausschuß des 
Konfliktverhütungszentrums, im September dieses Jahres mit informellen 
Vorbereitungsgesprächen zu beginnen, die zum Ziele haben, 1992 nach 
Abschluß des Folgetreffens von Helsinki neue, allen Teilnehemrstaaten 
offenstehende Verhandlungen über Abrüstung und Vertrauens- und 
Sicherheitsbildung aufzunehmen. Sie beschlossen, auf dem Folgetreffen 
von Helsinki formelle vorbereitende Verhandlungen für das neue Forum zu
führen.

16. Sie begrüßten, daß im Rahmen des Konfiltverhütungszentrum vom 8. 
bis 18. Oktober 1991 in Wien ein weiteres Seminar über Militärdoktrinen
abgehalten wird, von den Teilnehmerstaaten noch zu vereinbarender 
Seminare.

17. Angesichts der jüngsten Ereignisse in der Golfregion halten es die 
Minister für erforderlich, der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen
Einhalt zu gebieten und hinsichtlich der Verlagerung konventioneller 
Waffen und Waffentechnologien, insbesondere in Spannungsgebiete, mehr 
Zurückhaltung zu üben und größere Transparenz zu gewährleisten. Diesem 
Anliegen sollten die KSZE-Regierungen Vorrang geben; die Minister 
vereinbarten, den Dialog über diese Fragen unter den KSZE-Staaten 
fortzuführen.

18. Sie erinnerten an die Bande der Solidarität und der Zusammenarbeit,
die zwischen ihren Ländern und den Entwicklungsländern bestehen sowie 
an die Bedeutung, die sie in diesem Zusammenhang der Achtung der 
Menschenrechte und der Förderung der Grundwerte der KSZE beimessen. Sie
unterstrichen den Nutzen einer verstärkten Zuammenarbeit ihrer Länder 
in diesen Fragen in den geeigneten Foren.

19. Sie unterstrichen, daß die KSZE offenbleiben muß für Dialog und 
Zusammenarbeit mit der übrigen Welt, und nahmen das Interesse anderer 
Länder an der KSZE zur Kenntnis. Sie ersuchten den Anschluß Hoher 
Beamter, diesen Gedanken zu vertiefen und hierüber dem Rat bei einem 
künftigen Treffen Bericht zu erstatten.

20. Sie vereinbarten, das nächste Treffen des Rates am 30. und 31. 
Januar 1992 in Prag abzuhalten.



ANHANG 1 (Beitrittserklärung Albaniens)

Se. E. Hans-Dietrich Genscher
amtierender Vorsitzender des
Ministerrates der KSZE
Bundesminister des Auswärtigen Bonn

                                               Tirana, 18. Juni 1991

Herr Minister,
die Regierung der Rupublik Albanien nimmt hiermit die Schlußakte von 
Helsinki, die Charta von Paris für ein neues Europa sowie alle weiteren
Dokumente der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa 
an.

Die Regierung der Republik Albanien übernimmt sämtliche der in diesen 
Dokumenten enthaltenen Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten und 
erklärt ihre Entschlossenheit, in Übereinstimmung mit den darin 
enthaltenen Bestimmungen zu handeln.

Die Regierung der Republik Albanien begrüßt den Besuch einer 
Berichterstattermission, die vom Vorsitzenden des Ministerrates der 
Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa vorbereitet 
werden soll. Die Regierung von Albanien wird alles in ihrer Macht 
Stehende tun, um diese Mission zu erleichtern und zu unterstützen. 
Die Regierung von Albanien ist zuversichtlich, daß diese Mission die 
Teilnehmerstaaten über den in Albanien im Hinblick auf die 
uneingeschränkte Durchführung der KSZE-Verplichtungen erzielten 
Fortschritt informieren und Albanien bei der Erreichung dieses Ziels 
unterstützen wird. Die Regierung Albaniens geht davon aus, daß für 
diese Mission auf den Sachverstand von Persönlichkeiten aus den 
Teilnehmerstaaten, KSZE-Institutionen und anderen einschlägigen 
Organisationen zurückgegriffen wird.

Die Regierung Albaniens bringt ihre Bereitschaft zur Unterzeichnung der
Schlußakte von Helsinki und der Charta von Paris durch den Staats- oder
Regierungschef der Repbulik Albanien zum frühest möglichen Zeitpunkt 
zum Ausruck.

Ich ersuche sie höflichst, Herr Minister, allen Vertretern der am KSZE-
Ministerrat teilnehmenden Staaten Kopien dieses Schreibens, zu 
übermitteln. Genehmigen Sie, Herr Minister, die Versicherung meiner 
ausgezeichneten Hochachtung.

Muhamet Kapllani



ANHANG 2 (Konfliktverhütung)

Mechanismus für Konsultaion und Zusammenarbeit in dringlichen 
Situationen

Die Teilnehmerstaaten werden einander in schwerwiegenden dringlichen 
Situationen, die auf Grund der Verletzung eines Prinzips der Schlußakte
oder größerer, den Frieden, die Sicherheit oder die Stabilität 
gefährender Zwischenfälle entstehen können, gemäß folgnder Bestimmungen
konsultieren und zusammenarbeiten. Bei der Anwendung des Mechanismus 
für Konsultation und Zusammenarbeit in dringlichen Situationen sind 
sämtliche Prinzipien der Schlußakte, einschließlich des Prinzips der 
Nichteinmischung in innere Angelegenheiten, sowie die der Charta von 
Paris von vorranger Bedeutung und finden gleichermaßen und ohne 
Vorbehalte Anwendung, wobei jedes von ihnen unter Berücksichtigung der 
anderen ausgelegt wird.

1.  Wenn ein Teilnehmerstaat der Ansicht ist, daß eine dringliche 
Situation, wie oben beschrieben, entsteht, kann er vom betroffenen 
Staat oder den betroffenen Staaten Klarstellung verlangen. In dem 
Ersuchen werden der Grund bzw. die Gründe der Angelegenheit dargelegt.

1.1 Der ersuchte Staat bzw. die ersuchten Staaten stellen innerhalb von
48 Stunden alle zweckdienlichen Informationen zur Verfügung, um die 
Situation, die dem Ersuchen zugrunde liegt, zu klären.

1.2 Das Ersuchen und die darauf erteile Antwort werden allen anderen 
Teilnehmerstaaten unverzüglich übermittelt.

2.  Bleibt die Situation weiterhin ungelöst, kann jeder der betroffenen
Staaten im Rahmen des im Absatz 1 oben beschriebenen Verfahrens an den 
amtierenden Vorsitzenden des Ausschusses Hoher Beamter ein Ersuchen um 
Einberufung einer Dringlichkeitssitzung des Ausschusses richten.

2.1 Jedes Ersuchen, das derselbe Staat zu einer gleichlautenden Frage 
zwischen zwei planmäßigen Sitzungen des Ausschusses Hoher Beamter 
einbringt, ist unzulässig.

2.2 In jedem Ersuchen sind die Gründe anzuführen, aus denen die 
Angelegenheit dringend ist und weshalb der Dringlichkeitsmechanismus 
der geeignetste ist.

2.3 Jedem Ersuchen ist die Bitte um Klarstellung die gemäß Absatz 1 
oben erteilte Antwort beizufügen.

2.4 Nach Eingang des Ersuchens benachrichtigt der amtierende 
Vorsitzende des Ausschusses Hoher Beamter unverzüglich aller 
Teilnehmerstaaten woie das KSZE-Sekretariat und unterbreitet die 
einschlägige Dokumentation.

2.5 Darüber hinaus nimmt der Vorsitzende mit den betroffenen Staaten 
innerhalb von 24 Stunden nach Eingang des Ersuchens Kontakt auf.

2.6 Sobald zwölf oder mehr Teilnehmerstaaten das Ersuchen innerhalb von
höchstens 48 Stunden durch eine entsprechende Mitteilung an den 
Vorsitzenden unterstützt haben, verständigt dieser unverzüglich alle 
Teilnehmerstaaten von Datum und Zeitpunkt des Treffens, das frühestens 
48 Stunden und spätestens drei Tage nach dieser Mitteilung abzuhalten 
ist. In der Mitteilung werden auch die Gründe für das Treffen und 
dessen Tagesordnung angeführt.

2.7 Vorbehaltlich der in den Absätzen 2.1 und 2.6 oben aufgeführten 
Bedingungen kann weder eine Beurteilung der Fakten noch eine mögliche 
Meinungsverschiedenheit über die Stichhaltigkeit der für die 
Einberufung einer Dringlichkeitssitzung geltend gemachten Gründe Anlaß 
zur Verschiebung oder Verhinderung einer Dringlichkeitssitzung geben.

2.8 Das Treffen findet am Sitz des Sekretariats statt und dauert 
höchstens zwei Tage, sofern nicht anderes vereinbart wurde.

2.9 Die Tagesordnung der Dinglichkeitssitzung besteht aus einem 
einzigen Punkt. Dieser ist in demselben Wortlaut zu formulieren, wie er
in der Absatz 2.6 vorgesehenen Mitteilung gebraucht wurde. Eine 
Änderung ist nicht möglich. Der Vorsitzende trägt dafür Sorge, daß 
die Diskussionen nicht vom Gegenstand der Tagesordnung abweichen.

2.10 Den Vorsitz bei dem Treffen führt der Vertreter jenes Staates, der
den Vorsitz im Ausschuß Hoher Beamter wahrnimmt.

2.11 Ist der Vorsitzende des Ausschusses Hoher Beamter Angehöriger 
eines der betroffenen Staaten wie in Punkt 1 oben beschrieben, führt 
den Vorsitz bei dem Treffen der Vertreter des nächsten Staates nach der
Reihenfolge des französischen Alphabets, der von der Situation nicht 
betroffen ist.

2.12 Zu Beginn der Verhandlung gibt der Vorsitzende eine Kurze 
Erklärung ab, in der die Fakten und die einzelnen Phasen, die zur 
Entstehung der Situation geführt haben, nochmals dargelegt werden. Er 
gibt daraufhin bekannt, wieviele Redner um das Wort gebeten haben, und 
eröffnet die Debatte.

2.13 Je nachdem, wie es die Situation beurteilt, kann das Treffen 
Empfehlungen oder Schlußfolgerungen zur Herbeiführung einer Lösung 
vereinbaren. Es kann außerdem beschließen, ein Treffen auf 
Ministerebene einzuberufen.

2.14 Die Verfahren zur Einberufung von Treffen nach diesem Mechanismus 
führen in anderen Situationen zu keiner Abänderung der Konsensregel.

3.  Die oben beschriebenen Verfahren werden nicht anstelle des 
Mechanismus betreffend ungewöhnliche militärische Aktivitäten 
angewendet.

4. Die oben beschriebenen Mitteilungen zwischen Teilnehmerstaaten 
werden vorzugsweise durch das VSBM-Kommunikationsnetz übermittelt.

Die oben erwähnten Verfahren werden beim Folgetreffen von Helsinki 
einer Prüfung unterzogen und, falls erforderlich, revidiert.



ANHANG 3 (Streitigkeiten)

Friedliche Beilegung von Streitigkeiten

Unter Berücksichtigung des Berichts über das KSZE-Expertentreffen über 
die friedliche Regelung von Streitfällen von Valletta 1991, der die 
Prinzipien der Streitbeilegung und Bestimmungen für ein KSZE-Verfahren 
zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten enthält, ergreift der Rat 
in Übereinstimmung mit der Charta von Paris folgende Maßnahmen:

Der Rat
1. beauftragt das Konfliktverhütungszentrum (KVZ), in Übereinstimmung 
mit Abschnitt V der genannten Bestimmungen als ernennende Institution 
zu fungieren, und ersucht den Direktor des Sekretariats des KVZ, seine 
Aufgaben gemäß der Gesamtverantwortung des Rates entsprechend 
wahrzunehmen;

2. lädt die Teilnehmerstaaten, die dies wünschen, ein so bald wie 
möglich und vorzugsweise bis zum 30. August 1991 bis zu vier Personen 
zur Eintragung in das Verzeichnis qualifizierter Kandidaten zu 
benennen, welches gemäß Abschnitt V der genannten Bestimmungen von der 
ernennenden Institution zu führen ist;

3. beschließt, daß der Mechanismus in Kraft tritt, sobald vierzig 
Benennungen beim Direktor eingegangen sind;

4. weist den Direktor des Sekretariats des KVZ an, die vollständige 
Liste der Benennung bekanntzugeben, sobald die vierzigste Benennung 
eingegangen ist, sowie sämtliche anschließend eventuell vorgenommenen 
Änderungen und Aktualisierungen;

5. erinnert an die Erfahrung des Ständigen Schiedhofs und seines 
Generalsekretärs, auf die, falls vereinbart, zurückgegriffen werden 
sollte, wenn das KSZE-Verfahren zur friedlichen Beilegung von 
Streitigkeiten angewendet wird;

6. stellt fest, daß von den Räumlichkeiten und Einrichtungen des 
Internationalen Büros des Ständigen Schiedshofs in geeigneter Weise 
Gebrauch gemacht werden kann.

Quelle: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Nr. 72, 22.6.1991




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