Start

quellen 




1990-11-19

Gemeinsame Erklärung von zweiundzwanzig Staaten

Die Staats- und Regierungschefs Belgiens, Bulgariens, Dänemarks, 
Deutschlands, Frankreichs, Griechenlands, Islands, Kanadas, Luxemburgs,
der Niederlande, Norwegens, Polens, Portugals, Rumäniens, Spaniens, der
Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik, der Türkei, 
Ungarns, der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, des 
Vereinigten Königsreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika.

- HOCHERFREUT über den historischen Wandel in Europa,

- BEFRIEDIGT über die in ganz Eruopa zunehmende Verwirklichung zu 
  pluralistischer Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten, 
  die für den Fortbestand der Sicherheit auf dem Kontinent wesentlich 
  sind.

- IN BEKRÄFTIGUNG der Feststellung, daß das Zeitalter der Teilung und 
  Konfrontation, das mehr als vier Jahrzehnte gedauert hat, zu Ende 
  ist, daß sich die Beziehungen zwischen ihren Ländern verbessert haben
  und daß dies zur Sicherheit aller beiträgt.

- IM VERTRAUEN darauf, daß die Unterzeichnung des Vertrages über 
  konventionelle Streitkräfte in Europa einen bedeutenden Beitrag zum 
  gemeinsamen Ziel erhöhter Sicherheit und Stabilität in Europa 
  darstellt, und

- ÜBERZEUGT, daß diese Entwicklung Teil eines fortwährenden Prozesses 
  der Zusammenarbeit sein muß, um die Strukturen für einen 
  zusammenwachsenden Kontinent zu schaffen,

GEBEN folgende Erklärung ab:

1. Die Unterzeichnerstaaten erklären feierlich, daß sie in dem 
anbrechenden neuen Zeitalter europäischer Beziehungen nicht mehr 
Gegner sind, sondern neue Partnerschaften aufbauen und einander die 
Hand zur Freundschaft reichen wollen.

2. Sie rufen ihre Verpflichtungen aus der Charta der Vereinten Nationen
in Erinnerung und bekräftigen alle ihre Verpflichtungen gemäß der 
Schlußakte von Helsinki. Sie betonen, daß alle zehn Prinzipien von 
Helsinki von grundlegender Bedeutung sind und daß sie folglich 
gleichermaßen und vorbehaltlos angewendet werden, wobei ein jedes von 
ihnen unter Beachtung der anderen ausgelegt wird. In diesem 
Zusammenhang bekräftigen sie ihre Verpflichtung, sich der Androhung 
oder Anwendung von Gewalt zu enthalten, die gegen die territoriale 
Integrität oder die politische Unabhängigkeit irgendeines Staates 
gerichtet ist, sowie des Versuches, bestehende Grenzen durch Androhung 
oder Anwendung von Gewalt zu ändern, und ferner aller Handlungen, die 
auf irgendeine andere Weise mit den Prinzipien und Zielen dieser 
Dokumente unvereinbar sind. Keine ihrer Waffen wird jemals eingesetzt 
werden, außer zur Selbstverteidigung oder in anderer Weise, die mit der
Charta der Vereinten Nationen in Einklang stehen.

3.  Sie erkennen an, daß Sicherheit unteilbar ist und daß die 
Sicherheit eines jeden ihrer Länder untrennbar mit der Sicherheit aller
KSZE-Teilnehmerstaaten verbunden ist.

4.  Sie verpflichten sich, nur solche militärische Potentiale 
aufrechtzuhalten, die zur Kriegsverhütung und für eine wirksame 
Verteidigung notwendig sind. Sie werden die Beziehung zwischen 
Militärprotentialen und Doktrinen im Auge behalten.

5.  Sie bekräftigen erneut das Recht jedes Staates, Vertragspartei 
eines Bündnisses zu sein oder nicht zu sein.

6.  Sie nehmen die Intensivierung politischer und militärischer 
Kontakte zwischen ihren Ländern zur Förderung gegenseitigen 
Verständnisses und Vertrauens mit Befriedigung zur Kenntnis. Sie 
begrüßen in diesem Zusammenhang, daß vor kurzem gemachte Vorschläge für
neue ständige diplomatische Verbindungen ein positives Echo gefunden 
haben.

7.  Sie bekunden ihre Entschlossenheit, aktiv zu Abkommen über 
konventionelle, nukleare und chemische Rüstungskontrolle und Abrüstung 
beizutragen, welche die Sicherheit und Stabilität für alle Länder 
erhöhen. Sie rufen insbesondere zu einem baldigen Inkraftreten des 
Vertrages über konventionelle Streitkräfte in Europa auf und 
verpflichten sich, den Prozeß der Festigung des Friedens in Europa 
durch konventionelle Rüstungskontrolle im Rahmen der KSZE fortzuführen.
Sie begrüßen die Aussicht auf neue Verhandlungen zwischen den Vereinten
Nationen und der Sowjetunion über die Reduzierung ihrer nuklearen 
Kurzstreckensysteme.

8.  Sie begrüßen den Beitrag, den vertrauens- und sicherheitsbildende 
Maßnahmen zum Abbau von Spannungen geleistet haben, und unterstützen 
uneingeschränkt die Weiterentwicklung solcher Maßnahmen. Sie 
bekräftigen die Bedeutung der Initive "Offener Himmel" sowie die 
Entschlossenheit, die Verhandlungen so bald wie möglich zu einem 
erfolgreichen Abschluß zu bringen.

9.  Sie verpflichten sich, mit den anderen KSZE-Teilnehmerstaaten 
zur Stärkung des KSZE-Prozesses zusammenarbeiten zu wollen, damit 
dieser Prozeß einen noch bedeutsameren Beitrag zur Sicherheit und 
Stabilität in Eruopa leisten kann. Sie erkennen an, daß es notwendig 
ist, politische Konsultationen zwischen den KSZE-Teilnehmern zu 
verstärken und andere KSZE-Mechanismen zu entwickeln. Sie sind 
überzeugt, daß der Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa 
und die Vereinbarung über einen substantiellen neuen Satz vertrauens- 
und sicherheitsbildender Maßnahmen zusammen mit neuen Strukturen für 
die Zusammenabeit im Rahmen der KSZE zu größerer Sicherheit und somit 
zu dauerhaftem Frieden und Stabilität in Europa führen werden.

10. Sie sind der Auffassung, daß die vorhergehenden Punkte die tiefe 
Sehnsucht ihrer völker nach enger Zusammenarbeit und gegenseitigem 
Verständnis widerspiegeln. Sie erklären, sich stetig für die 
Weiterentwicklung ihrer Beziehungen im Einklang sowohl mit der 
vorliegenden Erklärung als auch mit den Prinzipien einsetzten zu 
wollen.

Das Original der vorliegenden Erklärung, deren deutscher, französicher,
italienischer, russischer und spanischer Wortlaut gleichermaßen 
verbindlich ist, wird der Regierung Frankreichs zur Aufbewahrung in 
ihren Archiven übergeben. Die Regierung Frankreichs wird gebeten, den 
Text der Erklärung dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zur 
Weiterleitung an alle Mitglieder der Organisation als offizielles 
Dokument der Vereinten Nationen als Hinweis darauf zu übermitteln, daß 
sie nicht nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen 
registrierbar ist. Jeder der Unterzeichnerstaaten erhält von der 
Regierung Frankreichs eine gleichlautende Abschrift der vorliegenden 
Erklärung.

ZU URKUND DESSEN haben die unterzeichneten Hohen Vertreter ihrer 
Unterschrift unter die vorliegende Erklärung gesetzt.

Paris, den 19. November 1990

Quelle: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Nr. 137, 24.11.1990




©  GLASNOST, Berlin 1992 - 2019