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I. Wir sind bereit, Verantwortung für Deutschland zu übernehmen
II. Wirtschafliche Einheit, internationale Wettbewerbsfähigkeit,
ökologische Modernisierung
III. Soziale Sicherheit schaffen - inneren Frieden sichern
IV. Deutschlands Rolle in der Völkergemeinschaft neu bestimmen
V. Solide Finanzen und gerechte Steuern
I. Wir sind bereit, Verantwortung für Deutschland zu übernehmen
Die tiefgreifenden Veränderungen, die in Deutschland und Europa
stattgefunden haben, sind Herausforderung und historische Chance
zugleich.
Der übergangslose Zusammenschluß zweier unterschiedlicher
Gesellschaftssysteme in Deutschland hat zu dramatischen ökonomischen,
sozialen und psychologischen Problemen geführt. Die Menschen sind tief
verunsichert, vertraute Orientierungen sind verlorengegangen. In den
neuen Bundesländern findet eine radikale Entindustrialisierung statt,
immer mehr Menschen verlieren ihren Arbeitsplatz. In den alten
Bundesländern stagniert die Wirtschaft, die Arbeitslosigkeit nimmt zu.
Im Osten breiten sich Angst und Unsicherheit aus, im Westen das Gefühl
der Überforderung. Zwischen 0st und West vertieft sich die soziale
Spaltung, die Fremdheit wächst.
Die Chance der deutschen Einheit, Staat und Gesellschaft umfassend zu
modernisieren und eine Wende zu wirtschaftlichen, sozialen und
ökologischen Reformen einzuleiten, ist bisher nicht genutzt worden. Wir
werden in Zukunft nur sicher leben können, wenn wir jetzt rechtzeitig
Veränderungen dort herbeiführen, wo Strukturen unbeweglich und
ineffektiv geworden sind.
Statt "aus dem unerwarteten Glücksfall der Einheit ein dauerhaftes
Glück zu schmieden" (Helmut Schmidt), hat die Bundesregierung die
deutsche Einheit zum Problemfall werden lassen. Sie hat die mit dem
Einigungsprozeß verbundenen Probleme verschärft und seine Chancen zum
Teil schon endgültig verspielt.
Die Bundesregierung hat den historischen Fehler begangen, die Wahrheit
über den notwendigen Zeitraum und die finanziellen Aufwendungen für die
Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen 0st und West zu leugnen.
Bis heute hat sie für den wirtschaftlichen Aufbau der neuen Länder und
für eine solide Finanzierung der deutschen Einheit kein tragfähiges
Konzept. Diese Fehler haben zu ökonomischen Schäden und menschlichem
Leid geführt, die zum Teil nicht mehr gutzumachen sind.
Die Bundesregierung hat die Bereitschaft der Deutschen, ihren
solidarischen Beitrag für die Herstellung der inneren Einheit zu
leisten, nicht genutzt. Statt dessen betreibt sie unter dem Deckmantel
der Einheit eine Umverteilungspolitik zu Lasten der sozial Schwächeren.
Damit hat sie die soziale Spaltung unseres Landes vertieft und der
Überwindung der Spaltung zwischen 0st und West einen schlechten Dienst
erwiesen.
Wenn die dramatische Entwicklung in den neuen Ländern gestoppt und die
Chancen der Einheit im Interesse aller Deutschen genutztwerden sollen,
muß jetzt das Steuer herumgerissen werden. Deutschland braucht eine
ehrliche Politik, die auch unpopuläre Wahrheiten ausspricht.
Deutschland braucht eine Politik der sozialen Gerechtigkeit, die die
soziale Spaltung unseres Landes nicht immer weiter verschärft.
Die ideologischen Scheuklappen der Bundesregierung in der Wirtschafts
und Gesellschaftspolitik und ihrer Angst, Fehler einzugestehen, machen
sie unfähig, zu sachbezogenen Lösungen zu kommen und die notwendige
Kurskorrektur in der deutschen Politik vorzunehmen. Deshalb legen wir
ein Sofortprogramm vor, mit dem wir darstellen, wie eine
sozialdemokratisch geführte Bundesregierung die bis 1994 anstehenden
Herausforderungen meistern würde.
Dieses Sofortprogramm orientiert sich an folgenden Grundprinzipien, die
auch den Unterschied zur gegenwärtigen Bundesregierung deutlich
machen:
* Politik muß den Mut zur Wahrheit haben. Die klare Benennung der
Probleme ist eine Voraussetzung für ihre gemeinschaftliche Lösung. Es
ist ein Gebot der Ehrlichkeit festzustellen: Die Angleichung der
ökonomischen Leistungkraft und der privaten Lebensverhältnisse
zwischen 0st und West wird leider länger dauern, als die jetzige
Bundesregierung versprochen hat. Die deutsche Einheit erfordert auch
größere finanzielle Anstrengungen, als die Bundesregierung bisher
zugegeben hat.
* Wir brauchen eine Politik der sozialen Gerechtigkeit. Nur wer dafür
sorgt, daß Lasten und Chancen gerecht verteilt werden, ist in der
Lage, die Spaltung unseres Landes zu überwinden. Wir wollen
Deutschland zum Modell für eine gerechte Gesellschaft machen.
* Eine leistungsfähige Wirtschaft ist Grundlage des Wohlstands für ganz
Deutschland. Deshalb muß die internationale Wettbewerbsfähigkeit des
Wirtschaftsstandorts Deutschland dauerhaft gestärkt und der
Industriestandort Ostdeutschland erhalten werden. Die
Wirtschaftskraft Westdeutschlands ist noch auf lange Zeit
Voraussetzung für den Erfolg des Einigungsprozesses.
* Die ökologische Modernisierung ist und bleibt eine Zukunftsaufgabe
ersten Ranges. Wir wollen Deutschland weltweit zum Modell für eine
ökologisch-soziale Marktwirtschaft machen. Dabei werden wir auch die
Kräfte des Marktes in den Dienst des Umweltschutzes stellen.
Angesichts der globalen Umweltkrise kann Umweltpolitik nicht auf den
nationalen Rahmen beschränkt sein. Dennoch muß und kann Deutschland
international eine ökologische Vorreiterrolle übernehmen.
* Nicht alles, was wünschbar ist, ist finanzierbar. Der finanzielle
Spielraum der öffentlichen Hand ist so eng geworden, daß brennende
gesellschaftliche Probleme nicht mehr einfach durch quantitative
Ausweitung der Staatsausgaben, sondern nur noch durch einen
qualitativen Umbau und durch Beschränkung auf das Wesentliche gelöst
werden können. Aufgrund der drastischen Steuer- und Abgabenerhöhungen
der Bundesregierung ist für die Bezieher kleiner und mittlerer
Einkommen die Grenze der Belastbarkeit weitgehend erreicht. Der
besorgniserregende Anstieg der Staatsverschuldung engt die
Handlungsfähigkeit der Politik immer weiter ein. Deshalb müssen die
erforderlichen Aufwendungen für die Einheit in erheblichem Maß durch
Einsparungen, Kürzungen und Streckungen erbracht werden.
* Der soziale Friede ist eine Produktivkraft ersten Ranges. Statt die
Gesellschaft durch ungerechte Politik zu spalten, muß der soziale
Konsens durch ständigen Dialog mit den gesellschaftlichen Gruppen
hergestellt werden.
* Wir brauchen einen modernen, leistungsfähigen Staat, der sich auf
seine eigentlichen Aufgaben konzentriert. Die Bürger müssen
überzogene Ansprüche an den Staat aufgeben. Der Staat darf auch nicht
den Eindruck erwecken, alle Probleme lösen zu können. Aufgaben, die
ebensogut vom einzelnen selbst, von der Wirtschaft oder von
gesellschaftlichen Initiativen erfüllt werden können, sollte der
Staat nicht an sich ziehen. Wo staatliche Überregulierung,
überflüssige Zentralisierung und bürokratische Erstarrung bestehen,
müssen sie abgebaut werden. Damit kann die Eigenverantwortlichkeit
der Menschen und die Selbstregulierungsfähigkeit der Wirtschaft
gestärkt und für das Gemeinwohl eingesetzt werden. Die leeren
öffentlichen Kassen setzen uns unter einen heilsamen Reformzwang, der
für die Modernisierung von Staat und Gesellschaft genutzt werden muß.
Nicht Ausweitung, sondern Stärkung der Effizienz des Staates steht
auf der Tagesordnung.
* Die Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch darauf, daß der Staat
für innere Sicherheit sorgt. Die steigende Bedrohung durch
Alltagskriminalität, Drogen und international organisiertes
Verbrechen muß entschlossen bekämpft werden.
* Die Politik muß ihrer Verantwortung für kommende Generationen gerecht
werden. Deshalb muß sie für eine langfristig vertretbare Entwicklung
sorgen, die unseren Kindern und Enkeln keine unerträglichen Erblasten
durch zerstörte Umwelt und übermäßige Staatsverschuldung hinterläßt.
Mit diesem Sofortprogramm machen wir deutlich, daß die SPD bereit und
in der Lage ist, die Verantwortung für Deutschland zu übernehmen, jetzt
noch aus der Opposition heraus und spätestens 1994 in der Regierung.
II. Wirtschaftliche Einheit, internationale Wettbewerbsfähigkeit,
ökologische Modernisierung
Der Zusammenbruch der Industrie und die steigende
Massenarbeitslosigkeit zeigen, daß sich die neuen Länder trotz des
Versprechens von den "blühenden Landschaften" (Bundeskanzler Kohl) in
einer tiefgreifenden Wirtschaftskrise befinden. Auch in den alten
Ländern zeigen Konjunkturabschwächung, Arbeitslosigkeit, Inflation und
sprunghaft steigende Staatsverschuldung, daß es höchste Zeit ist für
eine grundlegende Kurskorrektur in der deutschen Wirtschafts- und
Finanzpolitik.
Die wirtschaftliche Einheit herzustellen und die internationale
Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu stärken, sind die großen
Herausforderungen für Wirtschaft und Politik. Wir brauchen eine
Politik, die neuen Investitionen und Arbeitsplätzen Vorrang gibt.
Um die Weltmärkte von morgen zu erringen und zukunftssichere
Arbeitsplätze zu schaffen, muß die ökologische Modernisierung der
Wirtschaft vorangebracht werden.
Mit verläßlichen ökonomischen Rahmenbedingungen, einer
marktwirtschaftlichen Industriepolitik und einer berechenbaren
Umweltpolitik werden wir den Aufbau 0st beschleunigen, den
Wirtschaftsstandort Deutschland stärken und der ökologischen
Modernisierung einen entscheidenden Schub geben.
Um diese Aufgaben zu meistern, müssen alle gesellschaftlichen Kräfte
zusammengeführt werden. Nur wenn Staat, Unternehmen und Gewerkschaften
in einer großen Gemeinschaftsanstrengung zusammenarbeiten, kann die
ökonomische Einheit verwirklicht und die Leistungsfähigkeit der
deutschen Wirtschaft dauerhaft gesichert werden.
Solidarische Politik für die neuen Länder
Mit der ideologischen Fixierung auf den Markt allein läßt sich der
Aufbau Ostdeutschlands nicht bewältigen. Wir brauchen eine
marktwirtschaftliche Industriepolitik, die die Eigendynamik der
Unternehmen und staatliches Handeln zusammenführt. Um den
wirtschaftlichen Aufbau der neuen Länder zu beschleunigen, ist ein
umfassendes "Zukunftsinvestitionsprogramm Ost" erforderlich:
1. Wir werden die gesetzlichen Grundlagen dafür schaffen, daß
Treuhandunternehmen, die noch nicht zu privatisieren sind und ihre
Wettbewerbsfähigkeit erst mittelfristig erreichen können, wirksam
saniert werden. Dafür werden wir befristete und degressiv
gestaftelte Hilfen einsetzen.
2. Die Sanierung von Treuhandunternehmen ist durch länderspezifische
Gemeinschaftsinitiativen von Wirtschaft und öffentlicher Hand zu
unterstützen. Um den für die Beschäftigung entscheidenden
Industriestandort Ostdeutschland zu sichern und die technologische
und ökologische Modernisierung voranzubringen, muß sich die
öffentliche Hand im Rahmen einer marktwirtschaftlichen
Industriepolitik für eine Ubergangßeit an ausgewählten Unternehmen
auch direkt beteiligen.
3. Wir werden die Investitionsförderung vereinfachen und verbessern;
dazu soll die Investitionszulage von 8 auf 20 Prozent angehoben
werden. Da Unternehmen, die für den regionalen Bedarf
standortgebunden arbeiten (z.B. Dienstleistungen und Handel), sich
auch ohne Subventionen in den neuen Ländern ansiedeln, wird die
Investitionsförderung auf den gewerblich-industriellen Bereich
konzentriert.
4. Wir werden den Absatz ostdeutscher Produkte nachhaltig fördern. Um
Osteuropa und die GUS-Staaten wieder als Absatzmarkt zu gewinnen,
sind Gemeinschaftseinrichtungen zu schaffen, die Tauschgeschäfte
organisieren. Finanzhilfen für diese Staaten sind an
Abnahmeverpflichtungen für ostdeutsche Güter und Dienstleistungen
zu koppeln.
5. Wir werden bei der Eigentumsregelung das Investitionshemmnis
"Rückgabe vor Entschädigung" beseitigen und den Investitionen
Vorrang geben. Städte und Gemeinden müssen erheblich mehr Rechte
bekommen, Flächen auszuweisen, in denen Rückgabeansprüche hinter
Investitionsvorhaben zurücktreten müssen. Die schreienden
Ungerechtigkeiten in der Eigentumsfrage müssen beseitigt werden.
6. Wir werden Arbeitsmarktpolitik und Infrastrukturpolitik in einem
Programm "Arbeit statt Arbeitslosigkeit" zusammenführen: Menschen,
die sonst arbeitslos wären, sollen in Qualifizierungs- und
Beschäftigungsgesellschaften die für die Zukunft wichtigen Arbeiten
bei der Infrastruktur, der Umweltsanierung, der Flächenaufbereitung
und der Rekultivierung der Tagebaugebiete durchführen. Durch diese
aktive Arbeitsmarktpolitik verringern wir in erheblichem Umfang den
Transferbedarf der neuen Länder.
Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland sichern
Deutschland ist einer der besten Wirtschaftsstandorte der Welt. Die
hohe Arbeitsproduktivität, die Qualifikation der Arbeitskräfte, das
weltweit als vorbildlich anerkannte duale Bildungssystem, die
Infrastruktur, die öffentliche Verwaltung und nicht zuletzt der soziale
Friede sind für die deutsche Wirtschaft entscheidende
Standortvorteile.
Zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland gehört auch eine
hohe Umweltqualität. Ein hohes Umweltschutzniveau bewirkt einen
positiven Strukturwandel und schafft zukunftssichere Arbeitsplätze.
Der internationale Wettbewerb zwingt nicht nur die Unternehmen zu immer
neuen Anstrengungen, auch die staatlichen Rahmenbedingungen und
Infrastrukturleistungen müssen immer weiter verbessert werden.
7. Wir werden eine aufkommensneutrale Unternehmenssteuerreform für
mehr Investitionen und mehr Arbeitsplätze durchführen. Dabei sind
reinvestierte Gewinne durch Senkung des Körperschaftsteuersatzes zu
begünstigen. Steuersenkungen für Investitionen schaffen die
Arbeitsplätze von morgen.
8. Wir werden eine steuerfreie Investitionsrücklage einführen, um die
Investitionskraft kleinerer und mittlerer Unternehmen zu stärken.
9. Wir werden Forschung und Entwicklung verstärkt fördern,
insbesondere auch in den neuen Ländern. Dabei wollen wir neuen
Umwelt- und Energietechnologien zum Durchbruch verhelfen, um diese
Zukunftsmärkte zu gewinnen. Um den Anschluß an Japan und die USA
nicht zu verlieren und technologische Abhängigkeiten zu verhindern,
müssen auch andere Schlüsseltechnologien stärker gefördert werden.
Wir werden die Mittel für die Max-Planck-Gesellschaft, die Deutsche
Forschungsgemeinschaft, die Fraunhofer-Institute und die Institute
der "blauen Liste" aufstocken.
10. Wir werden die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand verbessern.
Damit ergeben sich auch neue Möglichkeiten, die Investitionskraft
der Unternehmen zu stärken und die Entwicklung von Lohn und
Produktivität besser aneinander anzupassen. Die Beteiligung der
Arbeitnehmer am Sagen und Haben durch Mitbestimmung und Mitbesitz
ist eine gesellschaftspolitische Aufgabe ersten Ranges.
Für eine neue Verkehrspolitik
Ohne konsequentes Umsteuern droht Deutschland das Verkehrschaos. Wir
brauchen eine Verkehrspolitik, die den berechtigten Wunsch nach
individueller Bewegungsfreiheit mit dem Schutz von Leben und Umwelt in
Einklang bringt. Hierzu gehört ein Gesamtverkehrskonzept mit den Zielen
Verkehrseinsparung, Verlagerung auf umweltfreundliche Verkehrsträger
und Optimierung der Verkehrsströme:
11. Wir werden der Bahn Vorrang geben und zu Lasten der Schiene
bestehende Wettbewerbsverzerrungen abbauen. Die
Schieneninfrastruktur muß verbessert werden, weitere
Streckenstillegungen müssen unterbleiben.
12. Wir werden den öffentlichen Personennahverkehr durch Finanzhilfen
des Bundes nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz stärken.
Wir werden ein Sofortprogramm zur Neuanschaffung zusätzlicher Wagen
durchführen und die Ausgabe von "Job-Tickets" für Bus und Bahn an
Arbeitnehmer erleichtern.
13. Wir werden den Autoverkehr umweltverträglicher gestalten. Die
Emissions- und Lärmbelastung durch den Straßenverkehr muß
verringert werden. Wir werden Grenzwerte festlegen, um den
Kraftstoffverbrauch von Autos stufenweise bis zum Jahr 2005 zu
halbieren. Für die umweltverträgliche Entsorgung von
Kraftfahrzeugen müssen gesetzliche Regelungen geschaffen werden.
14. Wir werden die Kfz-Steuer abschaffen und auf die Mineralölsteuer
umlegen, um Energieeinsparung und Umweltentlastung voranzubringen.
15. Wir werden ein Tempolimit für PKW einführen, um Verkehrssicherheit
und Umweltschutz zu verbessern: 120 km/h auf Autobahnen, 90 km/h
auf Landstraßen, 30 km/h in Wohngebieten.
Für eine neue Energiepolitik
Zum Schutz von Umwelt und Gesundheit und zur Schonung der knappen
fossilen Ressourcen ist eine Umstrukturierung der Eneraieversorgung
unerläßlich. Wir wollen erreichen, daß die Bundesrepublik Deutschland
den Energieverbrauch deutlich absenkt und die C02-Emissionen und andere
Spurengase verringert. Wir wollen, daß die Bundesrepublik zu einem
Vorreiter für "Effizienzrevolution" bei der Nutzung von Energie und
beim Einstieg in das Solarzeitalter wird.
Wir wollen unserer Verantwortung für die Umwelt gerecht werden, die
wirtschaftlichen Chancen aus der Entwicklung neuer Energietechniken
nutzen und international wirksame Anstöße für eine globale
Klimaschutzpolitik schaffen.
16. Wir werden eine Steuerreform durchführen, bei der die Arbeit durch
eine Senkung der Lohn- und Einkommensteuer spürbar entlastet und
der umweltschädliche Energieverbrauch durch eine höhere
Mineralölsteuer belastet wird. Die bisherige Kilometerpauschale für
Autos wird in eine ökologisch orientierte Entfernungspauschale für
alle Verkehrsmittel umgewandelt. Z.B. für Fernpendler,
Schwerbehinderte und Rentner wird es einen Ausgleich geben. Wir
werden die Voraussetzungen für verstärkte Umweltschutzinvestitionen
schaffen.
17. Entsprechend den Plänen der EG unterstützen wir die Einführung
einer EG-weiten Energiesteuer, in deren Rahmen die Energiepreise
schrittweise und berechenbar angehoben werden. Dabei wird die
Besteuerung nicht nach dem Kohlenstoffgehalt der Energieträger
bemessen. Erneuerbare Energien werden von der Energiesteuer
ausgenommen.
18. Wir halten an dem Ausstieg aus der Kernenergie fest. Die Nutzung
der Kernenergie ist wegen der mit ihr verbundenen
Sicherheitsrisiken und der ungelösten Entsorgungsfragen auf Dauer
nicht zu verantworten. Notwendig sind konsequente
Energieeinsparung, wirksame Förderung regenerativer Energien und
der Verzicht auf Zubau von neuen und Ersatz von bestehenden
Kernkraftwerken
III. Soziale Gerechtigkeit schaffen - inneren Frieden sichern
Die Ungerechtigkeiten der Steuerund Familienpolitik, Wohnungsnot,
Kostenexplosion im Gesundheitswesen, Pflegenotstand und die mit der
ungesteuerten Zuwanderung verbundenen Ängste zeigen, daß der soziale
Friede in Deutschland bedroht ist. Um trotz der eng begrenzten
Möglichkeiten der öffentlichen Haushalte den Sozialstaatsauftrag des
Grundgesetzes zu erfüllen, ist eine Umorientierung der Sozialpolitik
erforderlich: Statt quantitativem Ausbau geht es um den qualitativen
Umbau des Sozialstaats.
Steuerfreiheit für das Existenzminimum
Es ist ein Gebot sozialer Gerechtigkeit, daß das Existenzminimum eines
Menschen nicht länger unter Verstoß gegen die Verfassung besteuert
wird.
19. Wir werden Einkommen bis zu 8 000,- DM für Ledige und 16 000,- DM
für Verheiratete steuerfrei stellen. Diese Verbesserung des
Grundfreibetrages bedeutet vor allem für die Arbeitnehmer eine
spürbare Senkung der Lohn- und Einkommensteuer.
Den Familien besser helfen
Der derzeitige Familienlastenausgleich ist zutiefst ungerecht. Bei den
Kinderfreibeträgen erhält ein Spitzenverdiener fast dreimal soviel wie
das Kind eines Geringverdienenden. Auch das Ehegattensplitting mit
einem maximalen Steuervorteil von 22.842 DM bevorzugt einseitig die
Besserverdienenden. Es ist ein Gebot sozialer Gerechtigkeit, den
Familienlastenausgleich kostenneutral so umzugestalten, daß nicht vor
allem der Trauschein, sondern die Familie mit Kindern gefördert wird.
20. Wir werden ein einheitliches Kindergeld ab dem ersten Kind in Höhe
von monatlich 250 DM für alle einführen. Damit werden wir den
Familien mit Kindern besser helfen, ohne die öffentlichen Haushalte
zusätzlich zu belasten.
Unser Gesundheitswesen reformieren
Die Leistungsfähigkeit und Finanzierbarkeit unseres Gesundheitswesens
ist bedroht. Statt die strukturellen Ursachen der ausufernden
Kostenentwicklung zu beseitigen, betreibt die Bundesregierung
vordergründige Kostendämpfung zu Lasten der Kranken. Unser
Gesundheitssystem muß mit einer durchgreifenden Strukturreform
grundlegend umgebaut werden.
21. Wir werden die Organisation unserer Krankenversicherung
modernisieren, für alle Versicherten die freie Wahl ihrer
Krankenkasse einführen und zwischen den Krankenkassen für einen
gerechten Wettbewerb sorgen.
22. Wir werden den Arzneimittelmarkt bereinigen und die Zahl der
verschreibungsfähigen Medikamente auf das medizinisch Notwendige
begrenzen. Wir werden als marktwirtschaftliches Element im
Gesundheitswesen verbindliche Preisverhandlungen zwischen
Krankenkassen und Pharmaindustrie einführen.
23. Wir werden gegen unwirtschaftliches Verhalten vorgehen und die
Vergütung von Ärzten, Zahnärzten und Krankenhäusern nach
Leistungsgrundsätzen neu ordnen.
Solidarische Pflegeversicherung einführen
Pflegebedürftig zu sein, darf nicht länger zu materieller Not oder zur
Beeinträchtigung menschlicher Würde führen.
24. Wir werden eine solidarische Pflegeversicherung einführen, die nach
dem bewährten Prinzip der Sozialversicherung gerecht finanziert
wird. Die Pflegeversicherung ist ein Beitrag zu einem sinnvollen
Umbau des Sozialstaats, weil sie sowohl die Krankenkassen als auch
die Städte und Gemeinden als Sozialhilfeträger entlastet.
Mehr Wohnungen bauen und Mietsteigerungen begrenzen
In Deutschland fehlen 2,5 Millionen Wohnungen. Die Mieten steigen
sprunghaft an. Immer mehr Menschen werden aus ihren Wohnungen
verdrängt, besonders in den Ballungszentren können Arbeitnehmerfamilien
eine angemessene Wohnung kaum noch bezahlen.
Durch eklatante Fehlplanungen und durch eine unverantwortliche Kürzung
des sozialen Wohnungsbaus hat die Bundesregierung die Wohnungsnot in
entscheidendem Ausmaß mitverursacht und verschärft.
In Ostdeutschland wird durch die Eigentums- und Altschulden-Regelung
die Chance vertan, den Wohnungsbestand schnell instandzusetzen und
damit auch viele ortsgebundene Arbeitsplätze zu schaffen.
Das spekulative Horten von Bauland blockiert den Neubau von Wohnungen
und führt dazu, daß auf der grünen Wiese gebaut und die Landschaft
zubetoniert wird.
Um die Wohnungsnot endlich wirksam zu bekämpfen, werden wir ein
gesamtdeutsches Wohnungsbau- und Sanierungsprogramm auflegen: Der
Neubau von Wohnungen muß entscheidend verstärkt werden. Der
Wohnungsbestand muß erhalten und sozial genutzt werden. In
Ostdeutschland hat Instandsetzung Vorrang. Der Mieterschutz muß
verbessert werden. Eine Bodenreform ist unverzichtbar.
25. Wir werden die Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau auf
jährlich 6 Mrd. DM aufstocken. Ziel ist es, in jedem Jahr 200 000
Sozialwohnungen zu bauen.
26. Wir werden die Wirksamkeit und die soziale Ausgewogenheit der
Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums verbessern, indem wir
die Steuerfreibeträge durch einen einkommensunabhängigen Abzug von
der Steuerschuld ersetzen. Neubau soll stärker gefördert werden als
der Bestand. Mitnahmeeffekte sollen abqebaut werden.
27. Wir werden Mieter besser gegen Verdrängung schützen,
Mietsteigerungen begrenzen und die Miethöhe stärker an den
Einkommen orientieren.
28. Wir werden die ostdeutschen Wohnungsunternehmen bei ihren
Altschulden entlasten und damit ihre Investitionsfähigkeit stärken.
Den Weg für eine umfassende Sanierung des Wohnungsbestandes werden
wir freimachen, indem hierfür der Rückgabevorbehalt aufgehoben
wird.
29. Wir werden in der Bodenpolitik neue Akzente setzen. Aus
Spekulationsgründen gehortetes Bauland wird für den Wohnungsbau
mobilisiert. Einkünfte aus Bodenwertsteigerungen müssen genauso
versteuert werden wie sonstiges Einkommen.
Innere Sicherheit gewährleisten
Die Bedrohung durch Alltagskriminalität, Drogen und international
organisiertes Verbrechen nimmt immer weiter zu und führt in der
Bevölkerung zu steigender Verunsicherung und Angst. Um innere
Sicherheit zu gewährleisten, brauchen wir eine effizientere
Organisation polizeilicher Maßnahmen: Wenn sich das Verbrechen
international organisiert, muß auch die Polizei international
operieren. Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen und Instrumente
müssen überprüft werden.
30. Abwehr von sozialschädlichem Verhalten und Strafmaß müssen wieder
besser zueinander passen, d.h. unsere Strafgesetze einschließlich
des Sanktionensystems müssen modernisiert und wieder effizienter
auf den notwendigen Grundrechtsschutz zugeschnitten werden.
Wiedergutmachung für erlittene Schäden und Hilfe für die Opfer von
Verbrechen müssen stärker in den Vordergrund gerückt werden.
31. Notwendige Eingriffsbefugnisse für Polizei und Justiz zur
Bekämpfung der neuen, besonders gefährlichen Kriminalitätsformen
werden wir an wirksame zusätzliche gerichtliche Kontrollen binden.
32. Polizei- und Justizbehörden müssen von Verwaltungs- und unnötigen
anderen Aufgaben entlastet, die Verfahren müssen vereinfacht
werden, um Kapazitätenzurwirksamen Bekämpfung der
Schwerpunktkriminalität und zur Gewährung von Rechtsschutz
freizusetzen.
33. Zur Bekämpfung der international organisierten Kriminalität,
insbesondere der Drogenmafia, Waffenschieber, Menschenhändler und
Diebesbanden, muß die Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn auf dem
Gebiet des Strafrechts, im Bereich der Polizei und der Justiz
europaweit verstärkt werden.
Flüchtlingen helfen, Zuwanderung steuern, Gemeinden entlasten
Deutschland muß ein weltoffenes Land bleiben. Die über 4,5 Millionen
ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihre Familien
leben vielfach schon in der 3. Generation bei uns. Sie tragen
wesentlich zu unserem Wohlstand bei zahlen Steuern und
Sozialversicherungsbeiträge und bereichern unsere Kultur. Das
gutnachbarschaftliche Zusammenleben mit Ausländern und ihre
gesellschaftliche Integration müssen aber verbessert werden.
34. Für die schon lange bei uns lebenden Ausländer werden wir das Recht
auf Einbürgerung ausweiten und die Doppelstaatsangehörigkeit
generell zulassen.
Die internationale Politik muß vor allem darauf ausgerichtet werden
verstärkt die Fluchtursachen zu bekämpfen und nachdrücklicher als
bisher auf die Einhaltung der Menschenrechte zu drängen.
35. Wir werden den Menschen, die vor Bürgerkriegen flüchten wie heute
im zerfallenen Jugoslawien durch vorübergehende Aufnahme Schutz und
Sicherheit bieten, bis wieder eine Rückkehr in ihre Heimat möglich
ist. Sie gehören nicht in das Asylverfahren. Wir werden auf
internationaler Ebene versuchen, Bürgerkriegsflüchtlingen eine
möglichst heimatnahe Zufluchtstätte zu schaffen.
Da in der deutschen Bevölkerung in den nächsten 40 Jahren der Anteil
der Älteren erheblich zunehmen und der Anteil der Erwerbsfähigen
deutlich zurückgehen wird, sind wir auch künftig auf Zuwanderung
angewiesen, um unseren Wohlstand zu sichern. Um die gesellschaftliche
Integration der Zuwanderer zu ermöglichen und die legitimen Interessen
der Einheimischen zu berücksichtigen, muß die Zuwanderung gesteuert und
auf ein vertretbares Maß begrenzt werden. Ein europäisch abgestimmtes
Einwanderungsrecht mit jährlichen Zuwanderungsquoten ist deshalb ein
Gebot der ökonomischen und sozialen Vernunft.
36. Wir werden ein modernes Einwanderungsgesetz schaffen, das die
Zuwanderung von Ausländern begrenzt und vernünftig steuert. Dabei
soll das Recht, einen Einwanderungsantrag stellen zu können,
entfallen, sobald der Betreffende einen Asylantrag stellt.
Das Grundgesetz hat das Asylrecht politisch Verfolgter zum Grundrecht
erhoben. Dieses individuelle Grundrecht bleibt voll erhalten.
37. In das individuelle Asylverfahren werden Personen nicht
aufgenommen,
- die zu ihrer Person keine oder mutwillia falsche Anaaben machen
oder
- die aus Staaten kommen, in denen nach verbindlicher Feststellung
des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen allgemein
politische Verfolgung derzeit nicht stattfindet. Eine Ausnahme gilt
nur für jene, die spezifische individuelle Verfolgungsgründe
glaubhaft vortragen.
Die Verfahren zur Anerkennung des Asylrechts in Deutschland sind so zu
gestalten, daß die unzumutbaren Belastungen aufhören, die heute für die
aufnehmenden Gemeinden, aber auch für die politisch Verfolgten
bestehen.
38. Wir werden wirksame Schritte einleiten, damit in Europa bald
einheitliche Grundsätze für die Anerkennung politischer Flüchtlinge
gelten. Grundlage dafür ist die Genfer Flüchtlingskonvention sowie
ein individuelles Anerkennungsverfahren und eine
weisungsunabhängige Nachprüfungsinstanz. Wir werden die
Flüchtlingsentscheidungen anderer europäischer Staaten anerkennen,
die auf dieser Grundlage erfolgt sind. Die gemeinsame europäische
Asylpolitik muß zu einer gerechteren Verteilung der damit
verbundenen Lasten führen.
Die Zahl der Angehörigen der Minderheit in der ehemaligen Sowjetunion
mit deutschen Vorfahren, die in die Bundesrepublik aussiedeln wollen,
ist anhaltend groß.
39. Wir werden die Wanderung dieser Menschen in die Bundesrepublik
Deutschland entsprechend der Integrationskraft unserer Gesellschaft
im Rahmen einer Kriegsfolgen-Abschlußgesetzgebung steuern.
Deutschlands Rolle in der Völkergemeinschaft neu bestimmen
Die Neuorientierung der deutschen Außenpolitik nach den fundamentalen
Umwälzungen in Europa und nach der Verwirklichung der Einheit verlangt
Realismus und Verantwortung. Realismus bei der Einschätzung unserer
Gestaltungsmöglichkeiten in Europa und in der Welt. Verantwortung bei
der Prioritätensetzung: Unser Ziel ist die Verhinderung von Kriegen und
die Stärkung des Friedens durch Zusammenarbeit und Integration.
Die richtige Antwort auf die Überwindung des Ost-West-Konflikts und auf
die Einheit Deutschlands ist die europäische Einigung. Die Europäische
Gemeinschaft hat über Jahrzehnte Frieden und wirtschaftlichen
Fortschritt durch enge Verflechtung zwischen den Mitgliedstaaten
gesichert. Sie muß jetzt zur Politischen Union ausgebaut werden:
demokratisch, bürgernah, sozial und ökologisch.
40. Wir werden der Ratifizierung des Maastrichter Vertrages zustimmen.
Um die Geldwertstabilität zu sichern und wirtschaftliche
Verwerfungen zu verhindern, werden wir aber dafür sorgen, daß vor
dem Übergang zur 3. Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion die
erneute Zustimmung vom Bundestag und Bundesrat eingeholt wird.
41. Wir werden uns für eine umfassende Demokratisierung der
europäischen Entscheidungsprozesse und eine Stärkung des
Europäischen Parlaments einsetzen. Wir wollen eine "Europäische
Verfassunggebende Versammlung", die eine neue demokratische
Verfassung für die Europäische Union erarbeitet.
42. Wir befürworten eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der
Europäischen Gemeinschaft. Wir werden aber nicht die militärische
Integration zum Katalysator des Einigungsprozesses machen. Deshalb
werden wir die Pläne zum deutsch-französischen Korps beiseite legen
und die Petersberg-Erklärung der WEU nicht ratifizieren.
43. Wir werden die Erweiterung der EG durch Schweden, Finnland,
Norwegen, Island, Österreich und die Schweiz beschleunigen. Sie
gehören - wenn sie wollen - in die Gemeinschaft.
Wir werden dafür sorgen, daß die Länder Mittel-, Ost- und
Südosteuropas eine verläßliche europäische Perspektive erhalten.
Die Assoziierungsabkommen mit der EG können auf den Beitritt
vorbereiten. An erster Stelle stehen hier Polen, die CSFR und
Ungarn.
Nach Überwindung der Blockkonfrontation besteht für ganz Europa die
Chance zu umfassender Abrüstung und zum Aufbau eines Systems
kollektiver Sicherheit.
44. Wir werden die Ausgaben für die Streitkräfte nachhaltig senken und
überflüssige Rüstungsprojekte streichen sowie die militärischen
Tiefflüge einstellen. Die steigenden Beiträge für die UNO sind
durch Einsparungen im Verteidigungshaushalt zu finanzieren.
45. Wir werden alle Anstrengungen unterstützen, die KSZE zu einem
kollektiven Sicherheitssystem unter der Verantwortung der UNO
auszubauen.
46. Wir werden darauf dringen, daß die NATO auf den atomaren
Ersteinsatz verzichtet, daß alle land-, see- und luftgestützten
taktischen Atomwaffen verschrottet werden und keine
Massenvernichtungswaffen auf dem Gebiet der Bundesrepublik
stationiert bleiben.
Um den Weltfrieden zu sichern und die Durchsetzung des Völkerrechts zu
garantieren, muß die UNO gestärkt und zu einer Weltfriedensinstanz mit
internationalem Gewaltmonopol (Weltpolizei) entwickelt werden. Mit
einer umfassenden Reform der UNO muß ausgeschlossen werden, daß die
Weltorganisation durch Großmächte oder Staatengruppen für ihre Zwecke
mißbraucht wird. Alle internationalen Anstrengungen zur Schaffung einer
gerechten Weltwirtschaftsordnung, zur Bekämpfung von Armut, Hunger,
Seuchen und globaler Umweltzerstörung werden wir nachhaltig
unterstützen.
Wir wollen die UNO stärken und aktiv mitgestalten. Dies bedeutet die
finanzielle Sicherstellung ihrer Arbeit sowie die materielle und
personelle Unterstützung der Maßnahmen, die der UNO Generalsekretär in
seinem Bericht "Agenda für den Frieden" als das zentrale Instrument der
Konfliktverhütung, Konfliktlösung und Friedenserhaltung bezeichnet. Wir
sind bereit, uns an notwendigen friedlichen Sanktions- und
Embargomaßnahmen zu beteiligen.
47. Wir wollen durch eine Grundgesetzänderung der Bundeswehr die
Teilnahme an friedenserhaltenden Blauhelmeinsätzen der UNO
ermöglichen. Dazu gehört auch die Sicherung von humanitären
Maßnahmen.
48. Wir sind für das Gewaltmonopol der UNO. Wenn im Rahmen der Reform
der UNO der Generalsekretär Kontingente möglichst vieler
Mitgliedstaaten dem UNO Kommando im Sinne des Art. 43 der UNO
Charta unterstellen will und dabei auch an die Bundesrepublik
Deutschland herantritt, werden wir das dafür notwendige Abkommen
prüfen und die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen dafür
schaffen.
V. Für solide Finanzen und gerechte Steuern
Der Aufbau der neuen Bundesländer ist bisher vor allem von den Bürgern
mit kleinen und mittleren Einkommen finanziert worden, während die
Bezieher hoher und höchster Einkommen von der Steuerpolitik der
Bundesregierung profitiert haben. Im Jahr 1992 müssen die Bürger 50
Mrd. DM mehr an Steuern und Abgaben zahlen. Demgegenüber hat die
Bundesregierung die Leistungsfähigsten in unserem Land mit
Milliardenbeträgen bei der Vermögensteuer entlastet. Für die Bezieher
höchster Einkommen plant sie mit der Senkung des Spitzensteuersatzes
bei der Einkommensteuer ein zusätzliches Steuergeschenk in Höhe von 8
Mrd. DM pro Jahr.
Jeder in Deutschland weiß, daß für eine solide Finanzierung der Einheit
an rigorosen Einschränkungen und zusätzlichen Belastungen kein Weg
vorbeiführt. Aber dabei muß es gerecht zugehen. Es ist ein Gebot der
Gerechtigkeit, daß die Bezieher hoher und höchster Einkommen verstärkt
zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben herangezogen werden.
Der dramatische Anstieg der Staatsverschuldung untergräbt die
Handlungsfähigkeit unseres Gemeinwesens. Von 1992 bis Ende 1996 wird
sich der Schuldenstand des öffentlichen Sektors um rd. 600 Mrd. DM auf
2,3 Billionen DM erhöhen. Zwangsläufige Folge der anschwellenden
Staatsverschuldung ist ein explodierender Anstieg der Zinsausgaben. Den
drängenden Aufgaben im Sozialbereich, dem Wohnungsbau, der
Arbeitsmarktpolitik und dem Umweltschutz werden da durch notwendige
Mittel entzogen. Der Anstieg der Zinslastquote (Anteil der Zinsausgaben
an den Gesamtausgaben) von knapp 10% in 1991 auf über 18% in 1996
zeigt, daß die zunehmende Staatsverschuldung in die finanzpolitische
Handlunasunfähiakeit führt.
49. Wir werden der Konsolidierung der Staatsfinanzen höchste Priorität
einräumen. Eine drastische Rückführung der Neuverschuldung ist
zwingend geboten. Hierfür sind zuallererst eisernes und
konsequentes Sparen sowie Umschichtungen in den öffentlichen
Haushalten erforderlich. Nur wenn alle denkbaren Einspar- und
Umschichtungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind, werden Bürger und
Wirtschaft notwendige Einnahmeverbesserungen akzeptieren.
50. Wir werden ein sozial ausgewogenes Finanzierungskonzept
verwirklichen, das zur einen Hälfte aus Einsparungen und
Streichungen bei Subventionen und Steuervergünstigungen und zur
anderen Hälfte aus Einnahmeverbesserungen besteht. Mit diesem
Konzept mobilisieren wir einen zusätzlichen Finanzierungsspielraum
in Höhe von jährlich 40 bis 50 Mrd. DM (muß noch aktualisiert
werden).
- Einsparung im Verteidigungshaushalt 5 Mrd. DM (In den
Folgejahren jeweils um 1 Milliarde ansteigend)
- Subventionsabbau 5 Mrd. DM (u.a. EG Agrarexport, bemannte
Raumfahrt, Flugbenzin, steuerliche Abzugsfähigkeit von
Bewirtungsspesen, Schmiergeldern, Haushaltshilfenfreibetrag,
Ausdehnung der Spekulationsfristen)
- Strecken und Streichen im Haushalt 3 bis 5 Mrd. DM
- Verzicht auf die für 1993 beschlossene Senkung der Vermögen und
Gewerbesteuer 4,5 Mrd. DM
- Neugestaltung der Zinsbesteuerung 3 bis 5 Mrd. DM
- Arbeitsmarktabgabe für Selbständige, Beamte, Minister u.
Abgeordnete 5 Mrd. DM
- Ergänzungsabgabe für Höherverdienende 15 bis 20 Mrd. DM
(Zuschlag zur Einkommen- und Körperschaftsteuer, an dem auch
Länder und Gemeinden beteiligt werden; die Ergänzungsabgabe wird
erhoben ab einem Jahreseinkommen von 60.000 DM für
Ledige/120.000 DM für Verheiratete)
Dieses Finanzierungsvolumen dient der Konsolidierung der
Staatsfinanzen, der Beschleunigung des Aufbaus 0st und der Finanzierung
eines gesamtdeutschen Wohnungsbauprogramms.
Die übrigen Maßnahmen unseres Sofortprogramms sind nach dem Grundsatz
eines intelligenten Umbaus der Staatsaufgaben weitgehend
aufkommensneutral ausgestaltet. Eine gerechtere Familienpolitik
zugunsten der Familien mit Kindern, eine ökologische Modernisierung der
Industriegesellschaft, eine effiziente und gerechte Umgestaltung der
Wohneigentumsförderung, eine investitions- und arbeitsplatzschaffende
Reform der Unternehmensbesteuerung und eine gerechte Steuerpolitik sind
möglich, ohne daß zusätzliche Finanzmittel erforderlich wären. Mit
unserem Programm beweisen wir, daß gesellschaftliche Reformen möglich
sind, ohne die öffentlichen Haushalte zusätzlich zu belasten.
Quelle: SPD-Zentrale
© GLASNOST, Berlin 1992 - 2019