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Beiträge zur Politik  






Hartmut Krauss

Euroislamismus statt Euroislam - die Quittung für multikulturalistische Ignoranz

Der Islamismus, die radikalisierte Variante des Islam, hat viele Gesichter. In den Medien begegnet er uns vornehmlich als globaler Djihad, als weltweit auftretende Serie von terroristischen Anschlägen und Selbstmordattentaten. Diesen islamistischen Terrorismus gibt es nicht etwa nur dort, wo amerikanisches und israelisches Militär im Einsatz ist wie im Irak, Afghanistan oder Palästina, sondern im Grunde überall auf der Welt: in New York, auf Djerba, auf Bali, in Istanbul, in Madrid, in Beslan, in Riad, in Tel Aviv, in Karachi u.s.w.

Doch der Islamismus kann und darf nicht auf seine unmittelbar gewalttätige und spektakulär inszenierte Erscheinungsform reduziert werden. Tendenziell bedeutsamer und bedrohlicher noch als seine "bombenterroistische" Seite ist seine alltagsdiktatorische bzw. "sittenterroristische" Praxis. Diese trat bislang in besonders abstoßender Weise in der religiösen Barbarei der Taliban-Herrschaft zu Tage, bietet aber aktuell reichhaltiges Anschauungsmaterial in einflußreicheren islamisch legitimierten Diktaturen wie dem Iran oder Saudi-Arabien. In diesen Ländern und in den islamistisch dominierten Sektoren zahlreicher anderer Staaten mit muslimischer Mehrheitsbevölkerung herrscht die absolute Normsetzung der menschenrechtswidrigen Scharia, die liberale Grundregeln wie Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung, weltanschaulich-moralische Selbstbestimmung etc. mit Füßen tritt und die unterworfenen Menschen der repressiven Überwachungs- und Kontrollmacht von Religionspolizei, Koranschulen, reaktionären Geistlichen, patriarchalischen Großfamilien sowie paramilitärischen Banden von "Sittenwächtern" und Denunzianten ausliefert.

Ist der Islamismus nach innen gewalttätig im Interesse einer totalitären Religionsherrschaft, so zielt seine nach außen gerichtete Aggressivität gegen die Kultur (Weltanschauung und Werteordnung) der Anders- und Ungläubigen. Insbesondere die säkulare Kultur und Menschenrechtsorientierung der westlichen Moderne gilt den Islamisten als "unrein", so dass deren Auslöschung als gottgewollte Handlung gepriesen wird. In diesem Sinne muß auch das "Schlachten von Ungläubigen" z. B. in Algerien oder die Enthauptung von Geiseln vor laufender Kamera gesehen werden. Aber schlimmer noch als diese bestialischen Morde ist freilich die Existenz von Atomwaffen in unmittelbarer Reichweite der Islamisten (wie in Pakistan) oder aber das Streben nach der Atombombe seitens des Iran. Auch die Saudis haben bereits ihr Interesse am Bau einer Atombombe bekundet.

Im Zuge globaler Migrationsbewegungen siedelten sich nach dem zweiten Weltkrieg bis heute ca. 15 Millionen Muslime in Westeuropa an. Darunter sind nicht nur Wirtschaftsimmigranten und Menschen, die aufgrund ihrer oppositionell-demokratischen Haltung zur islamisch geprägten Herrschaftskultur ihrer Herkunftsländer hierher gekommen sind. Dazu zählt auch eine beträchtliche Zahl von Leuten, die ihre schariatische bzw. konservativ-gesetzesislamische bis fundamentalistische Grundeinstellung mitgebracht haben. Aus den Reihen dieser Gruppe von "streng gläubigen" MigrantInnen, die sich einer Integration kategorisch widersetzen, hat sich eine demokratie- und grundrechtsfeindliche Gegengesellschaft in Form abgeschotteter Sozial- und Erziehungsmilieus gebildet. Geschützt durch eine Mischung aus politischer Ignoranz, schönfärberischer Multi-Kulti-Ideologie und einer Laissez-faire-Rechtssprechung konnte sich ein institutionell verzweigter Euroislamismus etablieren, der über eigene Medien, politische Organisationen, Koranschulen, Moscheevereine, Wirtschaftsverbänden etc. verfügt. Damit existiert in Westeuropa bereits seit längerem eine festgefügte antiemanzipatorische Subkultur, in der totalitäre Überzeugungen und Handlungsweisen systematisch herangezüchtet und reproduziert werden.

Innerhalb dieses euroislamistischen Gegenmilieus wird Haß gegen die säkular-demokratische Aufnahmegesellschaft gepredigt und ein kulturrassistisches Feindbild gegen die nichtislamischen einheimischen Bevölkerungen propagiert. So hieß es bereits 1986 in Propagandaschriften der türkischen Islamisten:

"Der Europäer ist ein Atheist und Götzenanbeter, ein Wucherer, Kapitalist, Sozialist, Zionist, Kommunist und Imperialist, ständig brünstig und betrunken, ehebrecherisch und materialistisch. Er hat sich dem Teufel verschrieben. Sie sind Agenten und Spione. Sie können als Arzt auftreten, als Krankenpfleger, als kluger Lehrer, als Gewerkschafter, aber alle sind sie Feinde des Islam".

Das ZDF-Magazin Frontal 21 zitierte am 9.11. 2004 in einem Beitrag über muslimische Gegenwelten in Deutschland aus einer Freitagspredigt in der Berliner Mevlana-Moschee. Darin hieß es:

"Es gibt Deutsche, die auch gut sind. Aber sie sind und bleiben doch Atheisten. Wozu nutzen sie also? Haben wir jemals einen Nutzen von ihnen gehabt? Auf der ganzen Welt noch nicht. Weil Gott mit ihnen Mitleid hatte, gab er ihnen Freuden im Diesseits. Aber im Jenseits kann der Deutsche wegen seiner Ungläubigkeit nur das Höllenfeuer erwarten."

Und weiter sagte der Hodscha in dieser gut besuchten Predigt mitten in Berlin:

"Diese Deutschen, diese Atheisten, rasieren sich nicht unter den Armen. Ihr Schweiß verbreitet einen üblen Geruch und sie stinken. Sie benutzen daher Parfum und haben deshalb eine ganze Parfumindustrie aufgebaut."

Angefeuert durch den globalen Djihad und die islamistische Internetkommunikation begnügen sich Teile der euroislamistischen Kräfte längst nicht mehr mit der Strategie der langfristig angelegten Islamisierung auf leisen Sohlen, d. h. dem stufenweisen Ausbau repressiver Gegenmilieus und grundrechtsfreier Zonen. In Wohnquartieren und Schulen, wo Muslime bereits in der Mehrheit sind, werden z. B. einheimische unverschleierte Frauen und Mädchen drangsaliert und bedroht, als "Huren" beschimpft" oder auf andere Weise übel "angemacht". Manche Stadtteile, so wird jetzt aus Holland berichtet und so hörte man bereits aus Frankreich, sind "no go areas", in die sich kein einheimischer Polizist mehr traut. Wer sich gegen diese Zustände zur Wehr setzt, läuft Gefahr, unversehens als "Ausländerfeind" diskriminiert oder als "Rassist" verleumdet zu werden, während gleichzeitig der islamistische Antisemitismus immer unverschämter propagiert wird und sich westliche Rechtsextremisten und Islamisten verbünden.

Mit der Ermordung des niederländischen Filmemachers Theo van Gogh ist das beharrlich verleugnete Problem des Euroislamismus unvermittelt in die Schlagzeilen geraten und hat damit eine diskursiv und konzeptionell weitgehend unvorbereitete Öffentlichkeit kalt erwischt. Zugleich hat sich eine neue Qualität offenbart: Mitten in Europa sind einheimische Kritiker des Islam ihres Lebens nicht mehr sicher. Sie werden nicht mehr nur mit Haßanrufen und Morddrohungen konfrontiert, sondern auf Todeslisten euroislamistischer Gruppen gesetzt und auf offener Straße niedergestochen und erschossen. Theo van Gogh mußte augenscheinlich sterben, weil er einen Fernsehfilm über die Frauenunterdrückung innerhalb der islamisch kodierten Herrschaftsordnung gedreht hatte. Sein Mörder, ein 26-Jähriger mit niederländischer und marokkanischer Staatsbürgerschaft, war kein Einzeltäter. Er hatte Verbindungen zu einer islamistischen Gruppe, deren Mitglieder bereits wegen eines geplanten Terror-Anschlags auf den Amsterdamer Flughafen in Haft sitzen. Inzwischen wurden dreizehn weitere Personen verhaftet, weil sie verdächtigt werden, die Mordtat unterstützt zu haben. Zudem muß bedacht werden, dass islamistische Gewalttäter den legitimierenden Beistand religöser Führer benötigen, die solche Taten gutheißen und dafür das Paradies versprechen. So ging der Mörder in der Amsterdamer al-Tahweed Moschee ein und aus. Dort sollen nach Erkenntnissen der Fahnder regelmäßig Aufrufe zum gewaltsamen Kampf gegen die Ungläubigen gepredigt werden. Unterdessen haben niederländische Sicherheitskräfte einen Spion beim Geheimdienst Aivd enttarnt. Dabei handelt es sich um einen 34-jährigen Marrokaner, der dort als Übersetzer arbeitete und den Islamisten, darunter dem van-Gogh-Mörder, geheime Informationen zuspielte. Dieser wußte beispielsweise von dem Übersetzer, dass er vom Aivd beschattet wurde, aber nicht als eine Schlüsselfigur der islamistischen Terrorszene galt.

Der islamistische Mörder van Goghs streckte sein Opfer zunächst mit sechs Schüssen nieder, stach danach mehrfach auf den bereits leblosen Körper ein, um ihm schließlich mit einem wuchtigen Messerhieb ein Bekennerschreiben in den Brustkorb zu rammen. Taten wie diese und die Enthauptungen von Geiseln sind nicht etwa ein Einzelfall, sondern gehören in die lange blutige Agenda des islamistischen Schlachtens von "Ungläubigen". Zudem - und das ist auch der FAZ aufgefallen - hat bislang keine einzige namhafte arabische oder islamische Persönlichkeit den feigen Mord in gebührender Form verurteilt. Was ist von diesem Schweigen zu halten? Vielleicht entspricht die uns von den Medien aufgeherrschte starre Entgegensetzung vom "guten Islam und "bösem Islamismus" gar nicht den Tatsachen. Vielleicht gibt es viel mehr klammheimliche SympathisantInnen und VerständnisträgerInnenin innerhalb der Umma, als uns die medial allgegenwärtigen Schönredner suggerieren wollen.

Nun sind aber, und diese Rechnung ist den Gotteseiferern von Allah wohl vorenthalten worden, nicht alle Ungläubigen weinerliche Herz-Jesu-PazifistInnen, tumbe Multikulturalisten oder ignorante Islam-Dialogisten, die sich ohne weiteres zur Schlachtbank führen lassen. Ein Teil von ihnen, und dieser könnte wachsen, hat die Geduld verloren, ist der herrschenden Abwiegelei überdrüssig und geht zum Gegenangriff über. In Kathmandu beispielsweise kam es nach der Köpfung von 12 nepalesischen Geiseln im Irak im Namen Allahs zu den schwersten Unruhen seit Einführung der Demokratie im Jahr 1990. Unter anderem wurde eine Moschee, ein muslimisches Gemeindezentrum und das Büro von Katar Airways in Brand gesetzt. Die Demonstranten skandierten Parolen gegen den Irak, gegen Muslime und gegen die nepalesische Regierung, der sie vorwarfen, sich nicht ausreichend um die Freilassung der Geiseln bemüht zu haben. Ähnliche Reaktion gibt es nun in Holland. So detonierte in Eindhoven eine Bombe vor einer Koranschule, wobei die Eingangstür zerrissen wurde. An einer Moschee wurden Schweineköpfe sowie antiislamische Plakate angebracht, andere Moscheen wurden angezündet etc. Menschen kamen bislang nicht zu Schaden.

Diese Ausschreitungen und Übergriffe sind keine geplanten Handlungen von strategisch vorgehenden Rassisten oder Rechtsextremisten. Es ist die spontan-emotionale Überreaktion von Leuten, die den erfahrenen islamistischen Haß gegen Ungläubige in Rage versetzt, die den muslimischen Hang zur Opferinszenierung und zum selbstgerechten Demütigungskult nicht mehr länger ertragen können, und die sich durch die Ausbreitung einer antiliberalen Gegengesellschaft mit Vermummungsgeboten, Zwangsverheiratungen und aggressiven Sittenwächtern herausgefordert fühlen. "Was wollen die eigentlich hier, wenn sie unsere nichtislamische Kultur und Lebensweise so hassen?" Hinzu kommt, dass zahlreiche Menschen obendrein über ein ganzes Bündel von negativen Alltagserfahrungen mit diversen konservativen und fundamentalistischen Muslimen verfügen, die man nicht per se als "Vorurteile" abstempeln kann. Diese Einheimischen fühlen sich durch die bisher praktizierte Politik der naiven Duldung, des Wegschauens, des islamophilen Bagatellisierens und Dementierens im Sinne eines kulturrelativistischen Offizialdiskurses verraten und betrogen. Wenn diese Politik der Verharmlosung und ignoranten Tolerierung islamistischer Umtriebe, Indoktrination und Propaganda weiter fortgesetzt wird und keine wirksamen Maßnahmen gegen die Ausbreitung des religiösen Totalitarismus in Europa ergriffen werden, dann besteht allerdings die Gefahr, dass antimuslimische Ausschreitungen eskalieren und tatsächlich rechtextremistische Trittbrettfahrer den spontanen Unmut nutzen könnten.


Was tun?

1) Der innenpolitische Ausländerdiskurs muß grundsätzlich enthomogenisiert und entpauschalisiert werden. "Den" Ausländer bzw. "den" Moslem gibt es nicht. Entsprechend gilt es auch eine differenzierende Sichtweise auf Muslime beiderlei Geschlechts zu entwickeln. Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen politisch-kulturell integrationsbereiten Muslimen, welche die säkular-demokratische Werte- und Rechtsordnung anerkennen bzw. die kulturelle Moderne akzeptieren und jenen Muslimen, die das ablehnen und die demokratische Grundordnung durch ein schariatisches Herrschaftsregime ersetzen wollen. Ignoriert man aber den zentralen Tatbestand, dass es im Islam keine Glaubensfreiheit gibt, dann läßt sich auch kein adäquates Differenzierungsverhältnis gegenüber Muslimen entwickeln. Tatsache ist nämlich, dass für das Individuum, das in eine islamisch bestimmte Sozialordnung hineingeboren wird, keine religiöse Wahlfreiheit existiert. Nichtanerkennung bzw. Distanzierung vom Islam wird als Abfall vom rechten Glauben gewertet und massiv bestraft. So ist ein männlicher Apostat zum Tode zu verurteilen, wenn er nicht widerruft, eine weibliche Abtrünnige hingegen soll so lange gefangengehalten werden, bis sie widerruft. Wenn auch die Todesstrafe für Glaubensabfall seit dem 19. Jahrhundert tendenziell durch Gefängnisstrafe, Verbannung, Einziehung des Vermögens und Annullierung der Ehe ersetzt worden ist, so ist doch der von dieser Norm ausgehende massive, sozialisatorisch wirksame Unterwerfungs- und Anpassungsdruck auf den Einzelnen erhalten geblieben. Es ist deshalb begründet davon auszugehen, dass zahlreiche Menschen nicht aufgrund eines autonomen Überzeugungsbildungsprozesses, sondern nur infolge dieser sozialisatorisch-kulturellen Drucksituation und Alternativlosigkeit Muslime (geblieben) sind. Insofern ist unsere sprachliche Pauschalbezeichnung "die Muslime" korrekturbedürftig. Die zentrale - auch integrationspolitisch bedeutsame - intramuslimische Unterscheidungslinie verläuft demnach nicht primär zwischen "Mehrheit der Muslime" und "Minderheit islamistischer Extremisten", sondern zwischen subjektiv überzeugten "streng gläubigen Muslimen" konservativer bis fundamentalistischer Couleur einerseits und innerlich glaubens- und weltanschauungsdistanzierten "Zwangsmuslimen". Was den "streng gläubigen" Teil der Muslime betrifft, so zeigt sich tatsächlich, dass die Abgrenzung zwischen Islam und Islamismus, Orthodoxie und Extremismus nicht nur schwierig und willkürlich ist, sondern im Grunde realitätswidrigem westlichen Wunschdenken entspringt.

2) Angesichts der Erfahrungen mit Islam und Islamismus ist das Recht auf Religionsfreiheit neu zu reflektieren. Der Religionsbegriff des Grundgesetzes unterstellt unter dem Eindruck der Wirkungsmacht des Aufklärungshumanismus implizit ein modernes Religionsverständnis, wonach Religion gleich welcher Art keine absolute Geltungsmacht mehr beanspruchen kann, sondern eine Trennung von Religion, Staat, Recht und Privatsphäre vorausgesetzt ist. Genau diese Trennung aber hat der Islam in Lehre und Praxis nicht vollzogen. Zudem gewährt er, wie ausgeführt, keine Glaubensfreiheit. Insofern kann der Islam auch keinen vollen Schutz des Grundgesetzes für sich in Anspruch nehmen; zumal er in seiner dominanten, konservativ-schariatischen, Form z. B. massiv mit diversen Artikeln des Grundgesetzes kollidiert.

3) Zurückzuweisen ist die Forderung, der Steuerzahler solle die Ausbildung von islamischen Religionslehrern an deutschen Universitäten übernehmen. Stattdessen muß die Abschaffung von konfessionsgebundenem Religionsunterricht an deutschen Schulen durchgesetzt werden. Im Interesse interkulturellen Lernens muß das Fach Religion durch ein neu zu schaffendes Fach "Religions- und Weltanschauungskunde" ersetzt werden, indem die Heranwachsenden sowohl mit den Grundinhalten aller Weltreligionen sowie der aufklärungshumanistischen Religionskritik bekannt gemacht werden. Ein solche neutrale Informations- und Wissensvermittlung ist die beste Prophylaxe gegenüber einem "Kampf der Kulturen".


In Deutschland gibt es bislang keine Partei, die ein solches Programm, das hier nur rudimentär angedeutet werden kann, umzusetzen bereit und in der Lage wäre. In Zukunft wird dieser Tatbestand aber immer stärker als schmerzhafte Lücke spürbar werden. Kritisch-humanistische, atheistische und antifundamentalistische Kräfte: Deutet die Signale!



© Hartmut Krauss, Osnabrück 2004








 

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