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Beiträge zur Politik  









Wolfgang Bernhagen


Bildung im Widerstreit der Meinungen

Einleitung

In den letzten Jahren standen nach den Hochschulen nun die allgemeinbildenden Schulen, insbesondere die Gymnasien, im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Ausgangpunkt war vor allem die in Berlin am 18.2.1997 vorgestellte TIMSS-Studie. Dr. Gisela Lück schreibt in diesem Zusammenhang: "Dabei zeichnet sich in den letzten Jahren eine Verschiebung der Bildungsdiskussion von der Qualität deutscher Hochschulen hin zur Schulausbildung ab. Durch die Ergebnisse der "Third International Mathematics and Science Study" (TIMSS), nach denen deutsche Schülerinnen und Schüler der 7. und 8. Jahrgangsstufe in den naturwissenschaftlichen Fächern im internationalen Vergleich lediglich einen Platz in der breiten Mittelgruppe einnehmen, ist neben der Sekundarstufe II zunehmend auch die Sekundarstufe I in den Mittelpunkt gerückt." 1)

Noch präziser ist dabei der CDU-Politiker Jürgen Rüttgers, wenn er schreibt: "Deutsche Schüler erreichen allenfalls noch einen Platz im Mittelfeld. Abgeschlagen hinter Schülern aus Japan, Korea und Singapur, aber auch hinter Schülern aus Russland und Österreich." 2)

In der SPD nimmt man diesen Zustand nicht nur zur Kenntnis, sondern versucht auch gleichzeitig die Ursachen zu ergründen. In einer vom Parteivorstand der SPD herausgegebenen Veranstaltungsdokumentation "Die Rolle des Lehrers, der Lehrerin in der Schule der Zukunft" heißt es dazu: "Die TIMSS-Untersuchung weist nach, dass die Leistungen von Schülerinnen und Schülern in Mathematik auch wesentlich davon abhängen, welche Auffassungen Lehrkräfte von Entwicklungsmöglichkeiten von Jugendlichen haben, wenn ‚Begabungstheorien‘ herrschend sind, wie anscheinend bei vielen Mathematiklehrkräften in Deutschland, dann ist es die Rolle des Lehrers herauszufinden, was der Schüler kann, wer dagegen auf Lernmöglichkeiten und Anstrengungen der Schülerinnen und Schüler setzt, der versucht, fördernde Maßnahmen zu entwickeln." 3)

Auf einen gravierenden Umstand weist andererseits Hartmut Holzapfel in der genannten Dokumentation hin, nämlich auf den Tatbestand, dass in Japan hohe Klassenfrequenzen bis zu 45 Schülern anzutreffen sind. 4)
Trotz der erschwerten Umstände ist es in Japan gelungen, im Wettbewerb mit anderen Ländern einen vorderen Platz zu belegen. Es sind offenbar nicht die äußeren Umstände und Bedingungen, die hierbei von Einfluss sind, sondern es ist aller Wahrscheinlichkeit nach die Konzeption, nach der in Deutschland das Schulwesen ausgerichtet ist und seine Organisationsform sowie theoretische Auffassungen, die sich offenbar als Hindernis in den Weg stellen. Die Begabungstheorien sind schon angesprochen worden. Aber es gibt noch andere Auffassungen, die die Lehrer von den Universitäten und Hochschulen mitbringen, die sich möglicherweise als Hindernis erweisen.

In ihrem Leitantrag "Leitbild Wissenschaft 2010" auf dem Essener Parteitag der CDU im April 2000 heißt es: "Durch enge Zusammenarbeit zwischen Gymnasien und Hochschulen soll die Studierfähigkeit der Abiturienten gefördert und die individuelle Studienfachwahl begleitet werden. Besonderer Aufmerksamkeit bedarf die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses im mathematisch-technisch-naturwissenschaftlichen Bereich. Die Förderung muss schon in der Mittelstufe des Gymnasiums ansetzen und sollte in Kooperation mit Hochschule und Wirtschaft geschehen - auch um den Jugendlichen Berufschancen deutlich zu machen, die für sie in diesen Feldern liegen." 5) An anderer Stelle heißt es unverhohlen: "Der wissenschaftliche Nachwuchs soll früh identifiziert und zielgerichtet gefördert werden. Ebenso wichtig ist die systematische Unterstützung von Existenzgründungen aus den Hochschulen heraus. 6)

In diesen Sätzen ist tatsächlich viel Zündstoff verborgen, wie die Kritik aus der SPD in einem Positionspapier für eine neue Bildungsinitiative vom 17. Januar 2000, also noch vor dem CDU-Parteitag, beweist. Dort lesen wir: "Die konservative Bildungspolitik will statt dessen die staatlichen Ressourcen umsteuern zur Förderung von Hochqualifizierten und Spitzenbegabungen" (Bayerisch-Sächsische Zukunftskommission). Im Gegensatz zu einer einseitigen Fixierung auf Spitzenbegabungen sagen wir: "Qualifizierungen werden in der gesamten Gesellschaft benötigt, um innovative Prozesse nachhaltig zu fördern und um die Beschäftigungsfähigkeit zu sichern. Den Gleichklang von Chancengleichheit und Spitzenleistungen aufzukündigen würde eine Kapitulation vor der eigentlichen bildungspolitischen Aufgabe im 21. Jahrhundert bedeuten und würde zu weiteren Spaltungen auf dem Arbeitsmarkt führen." 7)

Eine weitere Kritik kann man bei Eva Maria Stange lesen. Bei ihr heißt es: "Die Reduzierung auf die Marktverwertbarkeit wird der Bedeutung für den Einzelnen und die Gesellschaft nicht annähernd gerecht. Die zahlreichen und rasanten Veränderungen, die nicht allein die Arbeitswelt betreffen, sondern alle gesellschaftlichen Bereiche, verlangen die Entwicklung von Kompetenzen und Orientierungswissen, aber vor allen Dingen die Garantie einer tatsächlichen Chancengleichheit. 8)

Weiter wird festgestellt, dass nach wie vor Kinder aus Familien mit geringem Einkommen im Gymnasium und an den Hochschulen unterrepräsentiert sind. Wörtlich wird in "Bildung entscheidet über unsere Zukunft. Für eine neue Bildungsinitiative." festgestellt: "Noch immer haben es Kinder und Jugendliche, die in Armut oder prekären Lebenslagen aufwachsen, sehr viel schwerer als ihre Altersgenossen." Obendrein verlängert sich die Studienzeit dieser Kinder erheblich, da sie die Strapazen des eigenen Lebensunterhaltes (oft reicht das Bafög nicht) auf sich nehmen müssen und deshalb längere Studienzeiten benötigen oder zu Studienabbrechern werden. Und warnend heißt es in der gleichen Publikation: "Unsere Hochschulen dürfen nicht zu einem Closed Shop für Kinder von Besserverdienenden werden" 9),wenn sie es nicht schon geworden sind.

Fakt ist, dass die Gymnasien heute im wesentlichen von Kindern besucht werden, deren Eltern schon eine solche Bildungseinrichtung durchlaufen haben oder einen Intelligenzberuf einer Familientradition folgend ausüben, also in sozialer Vererbung als Studienräte, Lehrer, höhere Verwaltungsbeamte, Juristen und Professoren tätig sind und ihren Kindern einen anderen kulturellen Hintergrund vermitteln können, als Eltern von Kindern, die in Industrie, Handel oder Handwerk tätig sind, abgesehen von den Vermögenden, die solche kulturellen Unterstützungen oder Leistungen jederzeit kaufen können (z.B. Nachhilfelehrer, Integrierung in die Bildungsangebote wie Musikschulen, Reisen, Schüleraustausch, Kurse, von Museen und anderen privaten Bildungseinrichtungen). Hier sollte der Satz von Bundeskanzler Gerhard Schröder stehen, der sagte: "Soziale Gerechtigkeit heißt heute auch, unser Bildungssystem so einzurichten, dass der Einzelne, unabhängig von seiner sozialen Herkunft, die Chance hat, seine Fähigkeiten zu entwickeln, die Zukunft mit zu gestalten und Verantwortung zu übernehmen." 10)

Eine Kampfansage an neoliberale Konzepte, Denkmuster und Vorstellungen? Man wird sehen. Für die CDU sind das Ideen aus den siebziger Jahren, womit die SPD die Zukunft gestalten will. 11) Soviel zu den theoretischen und konzeptionellen Auffassungen von SPD und CDU zu Schule und Bildung.

Tatsache ist, dass die TIMSS-Studie darauf verweist, dass in der Vergangenheit nicht genügend getan wurde, um Talente aufzuspüren und zu entwickeln und zum Erfolg zu führen, die zu einem der vorderen Plätze im internationalen Wettbewerb berechtigt hätten. Der Bundesverband der Deutschen Banken wird da schon deutlicher. In seinem "Informationsdienst für Schüler und Lehrer" heißt es nämlich: "In den neunziger Jahren haben in Deutschland gut zwei Millionen Studenten ihren Abschluss an einer Hochschule gemacht. Die Richtungen Lehramt und Geisteswissenschaften waren besonders gefragt, das Ingenieurwesen erfreute sich geringer Beliebtheit." Und weiter unten heißt es dann: "Die Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften legten im gleichen Zeitraum um 50% zu, die Ingenieurwissenschaften hatten einen Rückgang um 11% zu verzeichnen. Insgesamt ist die Zahl aller Hochschulabsolventen um 10% gestiegen." 12)

Deutlich wird an den genannten Konzepten, dass erst das Suchen nach Begabungen und ihre Förderung auf Grund von Begabungstheorien, die neoliberalen Auffassungen nahe stehen - jeder hat die Freiheit und die Chance sich zu entwickeln - und biologistischen und sozialdarwinistischen Auffassungen nahe kommen, zum sichtlichen Versagen der Schüler im internationalen Vergleich geführt haben. Weiter ist festzustellen, dass das Alte Gymnasium, angereichert mit vielen theoretischen Erörterungen und überbordendem Stoff, sowie seiner Organisation mit Leistungskursen, Schüler nicht hat bewegen können, sich mit naturwissenschaftlichen Disziplinen zu beschäftigen. Die Dominanz der Geisteswissenschaften hat auch im wesentlichen eine Orientierung auf Geistes- und Sozialwissenschaften im Studium bewirkt, das im wesentlichen später eine Beschäftigung beim Arbeitgeber Staat ermöglichte. Eine eventuelle Aussicht, Beamter und damit unkündbar zu sein, mag bei der Studienwahl auch eine Rolle gespielt haben. Dr. Gisela Lück, deren Arbeit über naturwissenschaftliche Bildung im frühen Kindesalter bereits zitiert wurde, schreibt darin, dass an der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel ein Forschungsprojekt zum Thema Naturwissenschaften im frühen Kindesalter durchgeführt wurde, dessen Ergebnisse durchaus erfolgreich waren. 13)

In Berlin wurde in Eigeninitiative von einem pensionierten Lehrer im Stadtbezirk Treptow schon vor Beginn des naturwissenschaftlichen Unterrichts ab Klasse 8 begonnen, Schüler bereits im 7. Schuljahr, wie es in einem Zeitungsbericht heißt, "in die Fächer Biologie, Physik und Chemie hineinschnuppern zu lassen: Immerhin 20 Schüler aus 7. Klassen eines Gymnasiums konnte er dafür begeistern. Diese Schüler sollen dann in Absprache mit den Fachlehrern der 8. Klasse als deren Assistenten im Unterricht helfen, beispielsweise bei der Vorbereitung von Experimenten." 14) Die hier dargestellten Tatsachen zeigen, dass man in der Welt außerhalb von Bildungspolitik und Bildungskonzepten sowie entsprechenden theoretischen Erwägungen Schritte anbahnt, die später in den Gymnasien ihren Niederschlag finden sollten. Die Schwierigkeiten sind aber bei der geisteswissenschaftlichen Orientierung an Gymnasien, bei den Ländern und in den Verwaltungen zu finden. Eine Veränderung von Organisationsstruktur und Lehrinhalten an Gymnasien steht also auf der Tagesordnung.


Wilhelm von Humboldt, das humanistische Gymnasium und seine spätere Instrumentierung zu politischen Zwecken
Werfen wir nun einen Blick auf das humanistische Gymnasium, als dessen Vater Wilhelm von Humboldt gilt. Seine Ansichten, die dann für die Entwicklung dieser Bildungsanstalt in den folgenden 200 Jahren maßgebend waren, finden wir erstmals im sogenannten Königsberger und Litauischen Schulplan. Die Aufgabe der gelehrten Schulen, in Zukunft Gymnasien genannt, sieht er darin, "dass die gelehrten Schulen nicht bloß lateinische seyen, sondern der historische  und mathematische Unterricht gleich gut und sorgfältig mit dem philologischen behandelt werde" 1), dessen Ziel er so formuliert: "Der Schulunterricht führt den Schüler nun in Mathematik, Sprach- und Geschichtskenntnisse bis zu dem Punkte, wo es unnütz seyn würde, ihn noch ferner an einen Lehrer und eigentlichen Unterricht zu binden, er macht ihn nach und nach vom Lehrer frei, bringt ihm aber alles bei, was ein Lehrer beibringen kann." 2) Dann war nach Humboldts Ansicht die Universitätsreife erreicht.

Auffallend ist vom heutigen Betrachter aus gesehen, dass die Naturwissenschaften, Physik, Chemie und Biologie gänzlich fehlten.
Deshalb überließ Humboldt diese Bereiche den Gewerbeschulen, die die Handwerker ausbildeten. Man ordnete diese Kenntnisse der Technologie zu. Humboldt wollte: "dass es viele Special Schulen gebe und kein bedeutendes Gewerbe des bürgerlichen Lebens Einer entbehre. Was man in Bürgerschulen in Technologie lehrt, ließe sich sehr gut mit den Kunstschulen, in denen ja viele Handwerker schon jetzt unterrichtet werden, verbinden. Außerdem könnten sie, wie es in Berlin geschieht, technische und chemische Vorlesungen hören, und da viele doch wandern und reisen, so schadete es nichts, wenn diese nur an einigen Orten der Monarchie zu finden wären. Ackerbau-, Handels-, Steuermannsschulen giebt es schon jetzt. Ebenso Anstalten für nicht wissenschaftlich ausgebildete Aerzte u.s.f." 3)

Zusammenfassend beschreibt Manfred Fuhrmann das humanistische Gymnasium wie folgt: "Das neun-, mitunter achtjährige humanistische Gymnasium begnügte sich im allgemeinen mit fünf Stunden je Tag, also mit dreißig Wochenstunden. Hiervon beanspruchten die Alten Sprachen ungefähr die Hälfte, wobei sich das Lateinische eines etwas höheren Deputats erfreute als das Griechische. Außerdem wurde es von der ersten bis zur letzten Klasse gelehrt, während das Griechische erst in der dritten Klasse hinzukam. Um diesen Kern des humanistischen  Unterrichts gruppierten sich etliche mittlere und kleine Fächer. Zu den Mittleren zählten die Mathematik, die Unterweisung in der jeweiligen Nationalsprache und -literatur sowie die Geschichte, den Rest teilten sich das Französische, die Naturwissenschaften, die Religion und die musischen Fächer." 4)

Erst in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts bekamen die Naturwissenschaften einen festen Platz im gymnasialen Fächerkonsens. Manfred Fuhrmann bemerkt hierzu: " Im letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts vollzog sich die endgültige Eingliederung der naturwissenschaftlichen Disziplinen in den Fächerkanon des Gymnasiums. Die Vielzahl der physikalischen und chemischen Entdeckungen (des Automobils, des Telefons, der Fotografie, der Glühlampe, der Farbstoffe), sowie die hierdurch bedingten sich rasch entwickelnden Industriezweige ließen den auf die Spitze getriebenen Neuhumanismus als unglaubwürdig erscheinen." 5) Und er fährt weiter unten fort: "dass der gymnasiale Naturkundeunterricht nicht nur ausgeweitet, sondern auch energisch modernisiert wurde - man setzte die Einrichtung besonderer Schulräume für Physik und Chemie durch und machte das Experiment zur Grundlage der Lehre in diesen Fächern." 6)

Aber es gab auch Ausnahmen. "Das bayerische Gymnasium blieb bis gegen Ende des Neunzehnten Jahrhunderts ohne naturwissenschaftlichen Unterricht, abgesehen von insgesamt drei Stunden Physik in den Oberklassen." 7)
Das humanistische Gymnasium blieb also gewissermaßen den Geisteswissenschaften verpflichtet und orientierte seine Abiturienten auf ein entsprechendes Studium. Das blieb bis ins Zwanzigste Jahrhundert so. Die Studenten der Naturwissenschaften gingen im wesentlichen aus den, um die Jahrhundertwende vom Neunzehnten zum Zwanzigsten Jahrhundert entstandenen, Oberreal- oder Oberschulen hervor. Noch ein anderes Problem stand dem Studium der Naturwissenschaften entgegen. Erst 1879 erhielten die preußischen Hochschulen neue Verfassungsstatute, Hannover und Aachen 1880, Berlin 1882, die Berliner Hochschule erhielt sogar in Charlottenburg ein neues Gebäude. 8)
Die relativ späten Gründungen der technischen Hochschulen, die gegenüber anderen Universitäten in der Minderzahl waren und auch nicht so viele Studenten ausbilden konnten, waren für die Absolventen von Gymnasien, noch dazu, wenn sie so gut wie keine Vorkenntnisse hatten, was meistens der Fall war, kaum erstrebenswerte Studienanstalten, zumal das Sozialprestige eines Pfarrers, Juristen, Arztes oder Philologen im Gymnasialdienst höher als das eines Ingenieurs oder Chemiker war.
Die Orientierung der größten Zahl der Gymnasiasten auf die Geisteswissenschaften blieb erhalten und wurde durch die Schule selbst und die Öffentlichkeit gefördert. Das blieb auch so bis ins Zwanzigste Jahrhundert. Hans Mayer, der bekannte Literaturwissenschaftler, schreibt in seinen Erinnerungen: "In solcher Gleichzeitigkeit (er meint hier mit dem Leben außerhalb des Gymnasiums mit Schiebern, Inflation und Hunger) übersetzten wir Herodot und Thukydides, auch die Apologie des Sokrates, Lateinische Texte wurden ohne irgendeine Beachtung irgendeiner Stofflichkeit nach dem Prinzip fortschreitender Schwierigkeit ausgewählt, von Livius über Sallust zu Tacitus". Und weiter unten heißt es dann, "Physik wurde als Bagatelle abgetan, die ohnehin nicht geprüft wird. Bis heute ist mir der Rundfunkapparat ein mystisches Geheimnis geblieben." 9) Das erste Drittel des Neunzehnten Jahrhunderts war im Gymnasium lebendig geblieben, wie eh und je.

Die Wirklichkeit und der Alltag des Lebens blieben außen vor, statt dessen wurde augenscheinlich strikt Humboldt gefolgt und verkehrt interpretiert, der nämlich schrieb: "dass der Sprachunterricht wirklich Sprachunterricht und nicht wie jetzt so oft eine mit Althertum und historischen Kenntnissen verbrämte und hauptsächlich auf Uebung gestützte Anleitung zum Verständnis der classischen Schriftsteller sey. Denn die Kenntnis der Sprache ist immer als den Kopf aufhellend, und Gedächtnis und Phantasie übend, auch vollendet nützlich, die Kenntnis der Literatur hingegen bedarf, um es zu werden, einer gewissen Vollständigkeit, und anderer günstiger Umstände." 10) Dietrich Benner schreibt dazu, Humboldts Gedanken erläuternd: "Die Aneignung der alten Sprachen soll nicht der Vorbereitung auf ein theologisches, medizinisches oder juristisches Studium oder gar, vergleichbar dem Kirchenleiter, der mündlichen und schriftlichen Kommunikation mit Sprechern fremder Sprachen dienen, sondern frei von allen möglichen Zwecken des Lebens zur linguistischen und philosophischen Erkenntnis dessen führen, was Sprache und Denken überhaupt sind." 11)
Das Abitur beschreibt Hans Meyer so: "Ich schrieb einen Aufsatz über das Thema: "Ist Goethes Egmont ein Freiheitsheld?" es war das einzige zugelassene Thema. Wenn auf solche Weise gefragt wurde, das wussten alle, musste stets der Freiheitsheld herausgestellt werden, was ich auch tat. Im ganzen gut. Mathematik, eine Übersetzung aus dem Griechischen. Und dann noch, es klingt traumhaft, die Aufgabe, in fünf Klausurstunden einen Text der "Kölnischen Zeitung" ins Lateinische zu übersetzen." 12) So auf das Universitätsstudium vorbereitet, konnten die Studenten ja nur Geisteswissenschaften oder Jura oder, wenn sie aus Medizinerfamilien stammten, Medizin als Studienfächer wählen. Ökonomie wurde nur dann gewählt, wenn der künftige Student ein Familienunternehmen weiterführen sollte. Studenten der Naturwissenschaften oder gar technischer Disziplinen gingen aus solchen Lehranstalten nur selten hervor, es sei denn, sie seien von Hause dazu aufgefordert oder interessiert worden. Bei Physik, als einem nicht prüfungspflichtigem Nebenfach, war ein naturwissenschaftliches Studium auch kaum zu erwarten.

Auch wenn der Unfug der Übersetzung eines Zeitungsartikels ins Lateinische aus der Abiturprüfung längst verschwunden ist und nicht mehr nur Gedichte und Dramen von Goethe und Schiller im Unterricht besprochen werden und sogar der frühere tabuisierte "Faust" ins Lehrprogramm aufgenommen wurde und die Behandlung von Epischem Einzug ins Gymnasium hielt, blieb die Dominanz der geisteswissenschaftlichen Fächer bis in die Neuzeit erhalten. Aber gesellschaftliche Entwicklungen, technische Errungenschaften, volkswirtschaftliche Erkenntnisse wurden von den Menschen außerhalb des Gymnasiums bewusst wahrgenommen, reflektiert und diskutiert, und diese Tatsache machte auch vor den Mauern des Gymnasiums nicht halt. Zusammenfassend konnte Martin Baethge über die humanistische Bildung, die das Gymnasium vermittelte, sagen: "Eine solche Bildung aber ließ sich nur in einem von der Wirklichkeit losgelösten Bereich der Reflexion finden. Ihr Gegenstand waren die großen Ideen und vorbildlichen Gestalten der Menschheitsgeschichte, welchen man in der Betrachtung der Zeit des klassischen Griechentums und des Humanismus nahe zu kommen glaubt. Im Nacheifern und Verinnerlichen wurde versucht, die eigene Person zur harmonischen Persönlichkeit zu nobilitieren, um zu einem würdigen Mitglied der "Geistesaristokratie" zu werden, in deren internen Verkehr die Prinzipien einer humanen Welt im Gegensatz zu denjenigen in der Welt bloßer "Wirtschaftlichkeit" galten. Die technische Voraussetzung für diese Bildung war die Kenntnis der Alten Sprachen. Der individualisierende Zug des Bildungsbegriffes und die radikale Vereinseitigung auf Bewusstseinsbildung und Persönlichkeitsentfaltung im Sinne einer "gesellschaftlichen exterritorialen Persönlichkeit als dem Kerngehalt des Humanen" in der neuhumanistischen Theorie forderten Anschluss und Abkehr von der sozialen Wirklichkeit, also Verzicht auf eine kritische Durchdringung der eigenen gesellschaftlichen Situation. Das begründet die Stärke wie die Schwäche des neuhumanistischen Bildungsprinzips: seine Stärke insofern, als der gesellschaftlichen Wirklichkeit - in Sonderheit der wirtschaftlichen und politischen Praxis - ein kritischer Maßstab idealer Menschlichkeit vorgehalten wurde; seine Schwäche, da diese Kritik durch ihre Orientierung an der Vergangenheit, durch ihre Verinnerlichung im Bewusstsein und durch ihre Zurücknahme ins unverbindliche Bildungsräsonnement von vorn herein zur politischen Unwirksamkeit verurteilt war." 13)

Kehren wir noch einmal zu Wilhelm von Humboldt zurück, dessen Vorstellungen von der Einführung eines nationalen Bildungswesens scheiterten. Dietrich Benner schreibt darüber und stellt in diesem Zusammenhang fest: "Als dann aber die von Humboldt in kluger Voraussicht und Vorsorge geplante Einführung eines Fachklassensystems misslang und in Preußen ein einseitig auf Selektion ausgerichtetes Klassensystem eingeführt wurde, trug gerade der altsprachliche Schulunterricht mit dazu bei, dass der von Humboldt konzipierte einheitliche Aufbau des allgemeinbildenden nationalen Schulsystems scheiterte und sich das reformierte Gymnasium zu einer Eliteschule entwickelte, in der Humboldts Idealisierung der Welt der Griechen unpolitisch in der Hypostasierung der Alten Sprachen zum Wert an sich auflebte und fortwirkte." 14) Hans Mayers Schilderung seiner Gymnasialzeit und seines Abiturs sind der beste Beleg für diese Aussage.
Die Naturforscher des Neunzehnten Jahrhunderts setzten sich ebenfalls für einen enzyklopädischen, naturwissenschaftlichen und geisteswissenschaftlichen bestimmten Bildungsbegriff ein, unter Verzicht auf alle Metaphysik; naturwissenschaftliche Bildung richtete sich nach ihnen vorzüglich auf die physische wie geistige Prägung des einzelnen Menschen und auf die Gestaltung der Gesellschaft und Kultur. Im Gegensatz dazu war die Mehrzahl der Geisteswissenschaftler abgeneigt, die Bedeutung der Naturwissenschaften für die moderne Welt, wie auch ihren geistigen Charakter anzuerkennen. Grundlage der Auffassung über die Bedeutung eines naturwissenschaftlichen Bildungsbegriffes ist die Überzeugung von der überragenden Rolle der Naturwissenschaften für die Menschheit.
Die Bemühungen der Naturforscher um einen naturwissenschaftlichen wie geisteswissenschaftlichen Bildungsbegriff während des Neunzehnten und Zwanzigsten Jahrhunderts sind relativ erfolglos geblieben, haben auch in der Zeit selbst wie in der Forschung wenig Resonanz gefunden. 15) Du Bois-Reymonds Aussage von 1877: "Kegelschnitte, kein griechisches Skriptum mehr" ist deshalb auch heftig kritisiert worden. 16)
Auch der Pädagoge Theodor Litt war der Ansicht: " Die Unterscheidung von Natur- und Geisteswissenschaften beruhe nicht auf sachlicher Notwendigkeit, sondern sei "aus zufälligen Entwicklungen" entstanden und müsse daher fallengelassen werden. 17) Weiter unten stellt er fest, dass aus den Naturwissenschaften keine Norm des menschlichen Verhaltens zu entnehmen ist und kommt zu folgendem Schluss, wenn er schreibt: "Allein es ist ein Fehlschluss aus der Neutralität all dessen, was diese Wissenschaft als ihr Ergebnis vorlegt die menschliche Bedeutungslosigkeit dessen zu folgern, was in dem äußeren und innerem Leben des Individuums und der Gemeinschaft vor sich geht, indem sie geschaffen, ausgebaut, überliefert, gelehrt, gelernt und praktisch verwertet wird." 18) Und das Dilemma der Vergangenheit beschreibend, lesen wir bei ihm: "Die Tatsache, dass Jahrhunderte abendländischer Bildungsgeschichte nicht genügt haben, ihr im Rahmen des Bildungsganzen einen auch nur einigermaßen gesicherten Platz zu verschaffen, die Tatsache, dass das allgemeine Bewusstsein in ihrer Bewertung noch heute zwischen Verhimmlung und Verketzerung  hin und her schwankt, weist auf einen Notstand hin, der nicht durch bloße Sachhingabe geändert werden kann, ja, der unter Umständen durch sie noch gesteigert wird." 19) Und er kommt zu dem Schluss, dass naturwissenschaftliche Bildung des Menschen dazugehört, wie die geisteswissenschaftliche, wenn er schreibt: "Die "bildende" Funktion der exakten Naturwissenschaft ist nicht schon dadurch hinlänglich garantiert, dass sie von dem zu Bildenden sachgemäß angeeignet und sachverständig ausgeführt wird. Er muss auch dahin gelangen, sie zu den anderen, um seine Seele werbenden Mächten, so ins Verhältnis zu setzen, dass er weder an ihrem Wahrheitswert und ihrem Lebensrecht irre, wird noch auch sie auf Kosten und zum Schaden aus anderer Wurzel Wachsende auswuchern lässt." 20)

Statt all dessen wurde das Gymnasium im deutschen Kaiserreich als eine "Anstalt", die vor allem der Gesinnungsgebung zu dienen hatte 21), angesehen, wobei verstärkt eine kirchliche und religiöse Identifizierung der Untertanen mit den moralisch-politischen Zielen der weltlichen Obrigkeit erzielt werden sollten. 22) Ausführlich sei an dieser Stelle eine kaiserliche Order vom 1. Mai 1889 zitiert, in der es heißt: "Schon längere Zeit hat mich der Gedanke beschäftigt, die Schule in ihren einzelnen Abstufungen nutzbar zu machen, um der Ausbreitung sozialistischer und kommunistischer Ideen entgegen zu wirken. In erster Linie wird die Schule durch Pflege der Gottesfurcht und der Liebe zum Vaterlande die Grundlage für eine gesunde Auffassung auch der staatlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse zu legen haben ... Sie muss bestrebt sein, schon der Jugend die Überzeugung zu verschaffen, dass die Lehren der Sozialdemokratie nicht nur den göttlichen Geboten und der christlichen Sittenlehre widersprechen, sondern in Wirklichkeit unausführbar und in der Konsequenz dem Einzelnem und dem Ganzen gleich verderblich sind. Sie muss die neue und die neueste Zeitgeschichte mehr als bisher in den Kreis der Unterrichtsgegenstände ziehen und nachweisen, dass die Staatsgewalt allein dem Einzelnen seine Familie, seine Freiheit, seine Rechte schützen kann, und der Jugend zum Bewusstsein bringen, wie Preußens Könige bemüht gewesen sind, in fortschreitender Entwicklung die Lebensbedingungen der Arbeiter zu heben, von den gesetzlichen Reformen Friedrichs des Großen und von Aufhebung der Leibeigenschaft an bis heut." Und weiter unten lesen wir dann: "1. Um den Religionsunterricht in dem angedeuteten Sinne fruchtbarer zu machen, wird es erforderlich sein, die ethische Seite desselben mehr in den Vordergrund treten zu lassen, dagegen den Memoirestoff auf das Notwendige zu beschränken." 23)

Die Äußerungen Seiner Majestät sind bis heute die Grundlagen für das konservative Bildungs- und Erziehungsziel geblieben. Matthias Rauch schreibt dazu: "In diesem Konzept kommt der Schule die Aufgabe zu, den Schüler zur Einpassung in die gesellschaftlichen Strukturen und zum Befolgen ihrer Regeln anzuleiten. Hier wird als Gegensatz zu der von der kritischen Theorie geforderten Emanzipation als Freiheit zur Lebensgestaltung, wiederum Freiheit als Pflichterfüllung gegenüber der Gesellschaft definiert. Um diese Forderung nach einer Einpassung der Schüler in die Gesellschaft durchzusetzen wurde sich des sogenannten Elternrechtes bedient." 24) Und Jürgen August Alt kommt deshalb zu folgender Schlussfolgerungen: "Zudem sind hierbei auch soziale und ökonomische Faktoren wirksam, wie etwa das Interesse an der Erhaltung der Macht. Die jeweiligen Weltdeutungen können von der herrschenden Gruppe auch benutzt werden, um die Herrschaft zu rechtfertigen, ein Vorgang den die Herrschenden vielleicht selbst nicht ganz durchschauen." 25) Matthias Rauch kommt deshalb zu folgendem Schluss: "Die konservative Forderung nach Kritikfähigkeit richtet sich nur auf Konditionierung eines Reflexes der Abwehrhaltung gegen das immer wieder propagierte Feindbild der "Linken", der Indoktrination vorgeworfen wird. Gegenüber den von Konservativen propagierten Lebenswelten Familie, Staat, Religion und Nation sind kritische Gedanken verboten, eine Infragestellung wird als Verlust der eigenen Identität und Infragestellung des Unhinterfragbaren tabuisiert. Durch den Aufbruch dieses Tabus verhindert der Konservatismus auch politische Entscheidungen, die auf eine Integration von Migranten und Minderheiten zielen." 26)

Das konservative Erziehungskonzept heute

Tatsache ist, dass sich konservative Politiker und Pädagogen nur eine konservativ geprägte Gesellschaft vorstellen können und alle Kräfte daran setzen, diese durchsetzen zu helfen und zu ihrer Etablierung beizutragen. Nicht Tatsachen, sondern ihre Auffassungen von der Welt sind als richtig und damit als Leitvorstellungen für Andere anzusehen. Anschaulich schildert das der amerikanische Literaturwissenschaftler Fredric Jameson, wenn er schreibt: "In der Geschichtsschreibung - gelte diese einer Form, einer nationalen Bevölkerung oder einem einzelnen produktiven Geist - ist die Entscheidung über Kontinuität oder Diskontinuität nicht empirischer Natur; wie ich anderen Orts bemerkte, wird sie von vornherein gefällt, als eine Art absoluter Voraussetzung, welche die darauffolgende Analyse und Interpretation der (bisweilen auch Tatsachen genannten) Materialien determiniert. Wir sind heute gut genug postiert, um zu erkennen, wie die wir mit eigenen Augen eine Woge konterrevolutionärer Geschichtsschreibung herannahen sahen, die etwas zu beweisen gedachte, wie wenig doch die Französische oder Russische Revolution erreicht hätten, außer durch ihr sinnloses Blutvergießen einen friedvollen, wirtschaftlichen Fortschritt zu unterbrechen, der schon im Gange und auf dem besten Wege war." 1)

Der Schüler, dem ein solches Weltbild vermittelt wird, soll erkennen, dass die Einmischung von Einzelpersonen oder Gruppen in Struktur, Wesen oder Politik des Staates oder der Gesellschaft zum Scheitern verurteilt ist, und dass es darauf ankommt, seinen Platz in der Gesellschaft zu finden, der ihm von Herkommen, persönlichem Vermögen und Können zugedacht ist. Alles Andere hat vor der Geschichte keinen Bestand. Ja, man geht sogar so weit, genetische Ursachen für die gesellschaftliche Situation des Einzelnen verantwortlich zu machen. Eine Theorie aus den USA geht sogar so weit, ein Kriminalitätsgen anzunehmen. 2)

Tatsache aber ist, wie Matthias Rauch schreibt: "Konservative Gewehrsleute haben Ämter übernommen und werden auch noch in Jahren, eventuell Jahrzehnten, Einfluss ausüben." 3)

Die Bekämpfung der Linken als Feindbild und deren Wirken, das als destruktiv und verantwortlich für den Werteverfall in der Gesellschaft angesehen wird, nimmt in der Tat Formen an, die angeblich als diffuse linke Unkultur bis tief in die Medien reicht, unter dem Deckmantel des Antifaschismus. Die Linken, die in der Vergangenheit gegen Hitler gekämpft hatten, taten das angeblich nur, um selbst die Macht zu übernehmen und ein totalitäres Regime errichten zu wollen, wobei sozialdemokratischer und kommunistischer Widerstand gleichgesetzt werden. 4) Als Gegner der Konservativen werden also hier, versteckt angedeutet, auch die Sozialdemokraten, die sich ja auch vehement gegen ein konservatives Erziehungskonzept stellen, angesehen. 5)

Wie sich eine solche, gegen Linke gerichtete, Erziehung in der Praxis auswirkt, die in deutschen Amtsstuben herrscht, möge ein Gerichtsurteil, ausgesprochen von deutschen Richtern, die solches Erziehungskonzept erlebt und verinnerlicht haben, belegen. Der Journalist Hinnerk Berlekamp schreibt nämlich in der "Berliner Zeitung" unter der Überschrift "Deutsche Kommunisten gibt es nicht" folgendes: "Tatsächlich litt ein hauptamtlicher Parteisekretär, in dessen Sowjet-Pass als Nationalität deutsch eingetragen war, wohl kaum unter einer, aus seiner Herkunft abgeleiteten, Diskriminierung, für die ihm die Bundesrepublik heute durch die Gewährung ihrer Staatsbürgerschaft eine Art Wiedergutmachung gewähren müsste. Trotzdem ist der Richterspruch mehr als fragwürdig - und nicht nur, weil Personen, die "mindestens drei Jahre mit den genannten Funktionsträgern in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben", ebenfalls die Zuerkennung der deutschen Staatsbürgerschaft verweigert und damit Sippenhaft praktiziert worden ist. Nach geltendem deutschen Recht hat Anrecht auf den Status als Aussiedler, wer einen deutschen Vorfahren und deutsche Sprachkenntnisse besitzt. Der konkrete Nachweis eines "Kriegsfolgenschicksals" wurde bisher nicht verlangt. Wenn die Richter dieses Prinzip nun für eine kleine Gruppe von Anwärtern außer Kraft setzen, erlassen sie damit praktisch ein neues Reinheitsgebot: Deutsches Blut ist nur solange deutsches Blut, wie es nicht von kommunistischen Blutkörperchen verunreinigt wird." 6)

Kaiser Wilhelm hätte wahrscheinlich solche Richter öffentlich belobigt oder gar ausgezeichnet.
Angesichts solcher Auffassungen ist es kein Wunder, dass vom Bürger gefordert wird, mit dem schlechtesten Arbeitsplatz zufrieden zu sein, 7) keine Verbesserung der Lebensumstände zu verlangen8) und Initiativen von Bürgern abzulehnen, weil sie bedeuten, dass man dem Staat nicht mehr vertraut. Das Streben nach Mitsprache, das sich in Bürgerinitiativen offenbart, wird als Störung angesehen und Matthias Rauch resümiert: "Hierin zeigt sich, dass zwar vorgegeben wird, sich für Demokratie einzusetzen, die dahinterstehende Staatsvorstellung aber elitär ist und starke Züge einer Oligarchie besitzt." 9)

Anstelle eines Kaisers sind Berufspolitiker und Wirtschaftsbosse getreten, die direkt oder indirekt den Staat lenken und leiten. Des weiteren spielen Religion und Religionsunterricht im konservativen Erziehungskonzept eine bedeutende Rolle. Matthias Rauch schreibt dazu: "Neben der Familie haben Schule und Religion einen besonderen Stellenwert in der konservativen Wertedebatte. Zum einen sollen sie den außerfamiliären Erziehungsbereich abdecken, zum anderen kommt ihnen die Aufgabe zu, fehlende Erziehung im familiären Bereich auszugleichen. Ihnen wird die Aufgabe zugesprochen, die Folgen der "defizitären" Erziehung der Alleinerziehenden zu kompensieren." 10)

Andererseits ist nicht abzuleugnen, dass der Dualismus Glaube und Vernunft nicht zu vereinen ist, angesichts der Tatsache, dass heute die Erkenntnisse der Wissenschaft immer stärker, bedingt durch ihre stetige Zunahme, eine immer größere Rolle spielen, und Jürgen August Alt warnt vor der Gefahr, Wissenschaft und Vernunft zugunsten von Glaubensvorstellungen zurückzudrängen, wenn er schreibt: "Problematisch wird es, wenn sich die Gläubigen mit den zwei Wahrheiten, hier der Glaube, da die Vernunft, nicht abfinden wollen, andererseits aber die Versuche, Glauben und Wissen in Einklang zu bringen, nicht recht gelingen. In dieser Situation wächst leicht die Versuchung, Vernunft und Wissenschaft mit den Mitteln der Macht zurückzudrängen und Verschwörungen ausfindig zu machen, die es zu bekämpfen gilt. Ein Beispiel sind die christlichen Fundamentalisten, die in Amerika bestimmte Erkenntnisse der Biologie aus den Lehrplänen verbannen wollen." 11) Bei Jürgen Streich, der mit Jürgen August Alt übereinstimmt, lesen wir folgende Zeilen - im politischen Journal der Konfessionslosen und Atheisten MIZ (Materialien Informationen zur Zeit) Ausgabe 1/1992, heißt es hierzu: "Generell wird hiermit unterstellt, religiös erzogene Kinder würden durch den Religionsunterricht zu sittlichem Handeln befähigt, nichtreligiös erzogenen Kindern müsse der Staat in einem zwangsweise bestehenden Sittenunterricht moralische Maßstäbe beibringen." 12)

Sollte diese Befürchtung schon im deutschen Kaiserreich bestanden haben, so dass naturwissenschaftliche Kenntnisse und Erkenntnisse sich nur in geringem Maße und im Gegensatz zu den Geisteswissenschaften haben durchsetzen können?

Beim Pädagogen Hartmut von Hentig lesen wir nicht ohne Ironie: "Wer sich um den Zerfall des Abendlandes, seiner Gesittung und Kultur Sorge macht, sollte nicht meinen, er könne diese aufhalten, indem er auf einem besonderen Status des Religionsunterrichts besteht, auf dem, was man in der Debatte das "kostbare Verfassungsgut des Religionsunterrichts als ordentlichen Unterrichtsfachs" genannt hat." 13)

Anette Schavan misst dagegen dem Religionsunterricht eine kritische und freiheitsstiftende Funktion zu und schreibt folgendes dazu: "Religion darf weder pädagogisch noch sozial noch moralisch funktionalisiert werden, wenn sie ihre freiheitsstiftende Kraft behalten soll." Und weiter unten heißt es dazu: "Der Religionsunterricht thematisiert Religion als gesellschaftskritische Kraft, die nicht Privatsache bleibt, sondern zu gesellschaftlicher und kultureller Verständigung beiträgt. Er leistet damit einen diakonischen Dienst an Kindern und Jugendlichen, der auch Lebenshilfe bedeutet, Hilfe bei der Suche nach Orientierung, Hilfe zur eigenen Entscheidung. Dieser Anspruch bleibt auch in Zeiten gültig, in denen die Zahl derer, die den Religionsunterricht besuchen, geringer wird." Und sie kommt schließlich zu der Schlussfolgerung, dass der Religionsunterricht "doch Ausdruck des Respekts vor diesen Schülerinnen und Schülern, die einen Anspruch darauf haben, dass die Gottesfrage wachgehalten bleibt" ist. 14) Albert Biesinger geht noch weiter, wenn er fordert: "Religionsunterricht kann und darf nicht von dem Anspruch abgehen, dass er Erschließung der Beziehung zu Gott, zu Jesus Christus und zum heiligen Geist anstrebt - und nicht nur Wissen." 15)

Drastisch formuliert heißt das bei Jürgen Streich so: "Der Staat treibt den Kirchen gar die Steuern ein und erlaubt die Indoktrination von Überzeugungen der Frühzeit im Schulunterricht. Um des lieben Jenseits willen." 16) Und er kommt zu dem Schluss, dass das kritische Denken im Religionsunterricht abtrainiert werde, was Anette Schavan bestreitet und sogar dieses Denken für den Religionsunterricht in Anspruch nimmt. Er schreibt deshalb: "Wer geht schon das Risiko ein, sich den Numerus Clausus zu versauen? Da lässt man sich lieber eine Doppelstunde in der Woche auf "Glaubensgewissheiten" (was immer diese sein mögen) ein, nimmt die abenteuerlichsten Behauptungen widerspruchslos hin und lernt dunkelste Wortungetüme. Immerhin ist Religion ja Abiturfach. Abtrainiert wird nichts weniger als das kritische Denken." 17) Für Anette Schavan also ist Religionsunterricht sinnstiftend, während "staatliche Normierung", die sie im Fach LER sieht, es nicht ist. Für viele Menschen dagegen ist in der Wirklichkeit zunächst kein Sinn mehr auszumachen. So schreibt beispielsweise Jürgen August Alt: "Auf viele Ereignisse, die uns bedrohen und ein gelingendes Leben erschweren, haben wir überhaupt keinen oder nur einen geringen Einfluss." 18) Und Hartmut von Hentig stellt fest: "Die Ungleichheit nimmt auf dieser Welt und in unserem Land zu. Der Markt gleicht Arm und Reich nicht aus, weder global noch national und der Staat begrenzt die Schäden nicht, weil er selbst von den Einnahmen der Wirtschaft lebt, deren Tätigkeit er einschränken müsste - zum Beispiel um des Schutzes der Umwelt oder bestimmter ethischer Prinzipien willen. 19) So kommt deshalb Jürgen August Alt zu folgender Aussage: "Die Chancen für ein gelingendes Leben sind demnach sehr ungleich verteilt." 20) Hartmut von Hentig fragt deshalb: "Wie zum Beispiel sollen wir uns zu unverschuldeten, jedenfalls nicht persönlich und direkt verschuldeter Ungerechtigkeit verhalten: zu "struktureller" Arbeitslosigkeit oder ebensolcher Armut - und ihrer beider Gegenteil: zur Häufung von Macht , Verantwortung und Reichtum bei Wenigen?" 21)

Während sich Befürworter und Gegner des Religionsunterrichts über den Wert desselben für Schule, Erziehung und Gesellschaft streiten, und ihn als sinnstiftend oder sinnlos ablehnen, äußert sich der Pädagoge  Hartmut von Hentig dazu wie folgt: "Wir haben einen zu weltanschaulicher Neutralität verpflichteten Staat, der unter anderem das Schulwesen betreibt. Die vollständige Trennung von Kirche und Staat wäre die für den zweiten Tatbestand folgerichtige Lösung." 22)
Diese folgerichtige Lösung wird aber nicht angestrebt, weil das konservative Erziehungskonzept einen neutralen Staat als störend ansieht.


Veraltete und überholte Bildungsinhalte

Das Eindringen der Naturwissenschaften in den Schulunterricht, bedingt auch durch die technische Entwicklung in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, ist der beste und einschlägigste Beweis dafür, dass auf Dauer ein konservatives Bildungskonzept, basierend noch auf dem des Deutschen Kaiserreiches, nicht aufrecht zu erhalten ist. Heute stehen wieder eine neue soziale Welt und Wirtschaft vor der Tür der Gymnasien, die die des Neunzehnten Jahrhunderts noch in den Schatten stellen. Die Informatik, die Elektronik und Raumfahrt, die Biotechnologie, Atomwissenschaft, Raketentechnik und Gentechnologie, die Automatisierung ganzer Produktionsabläufe und die Steuerung durch Computer verlangen von den künftigen Wissenschaftlern, Ingenieuren und Forschern eine andere Art der Schulbildung als die vom Neunzehnten Jahrhundert geprägten Anforderungen. Anette Schavan, die Ministerin für Kultur und Sport im Land Baden-Württemberg, musste in diesem Zusammenhang feststellen: "60% aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland haben zu Hause einen Computer, bislang steht aber nur für 2% von ihnen in der Schule ein Gerät zur Verfügung. Die neue Technik ist eine Chance für Unterricht, Bildung und Erziehung, aber sie ist auch eine Herausforderung. Weil der Computer die Arbeitswelt nicht nur in technischen Berufen immer mehr prägt und die Fähigkeit zum souveränen Umgang damit für immer mehr Berufe an Bedeutung gewinnt, müssen Medientechnik und Medienkompetenz notwendigerweise auch Gegenstand von Bildung und Erziehung sein. Es kommt also darauf an, die neuen technischen Möglichkeiten in einen überzeugenden Zusammenhang mit Schule und Bildung, mit Pädagogik und Didaktik zu bringen." 1)

Damit ist aber noch nichts von der notwendigen Veränderung des Bildungsinhaltes gesagt. Anette Schavan stellt aber andererseits auch fest, "dass Lehrinhalte gegenüber dem tatsächlichen naturwissenschaftlichen, technischen, humanen und sozialwissenschaftlichen Kenntnisstand veraltet seien." 2) Sie stützt sich dabei auf Georg Picht, der diese Aussage bereits 1964 machte. Andrerseits muss sie aber feststellen, dass es zu einer verstärkten Theoretisierung an den Schulen kam, ohne dass eine Veränderung der Lehrinhalte erfolgte. Deshalb fordern Kritiker, dass endlich die Lehrpläne entrümpelt werden. Jürgen Streich schreibt deshalb: " Die Überfrachtung des Lehrplans lässt die Schüler in einem Wust von unwichtigen Einzelheiten ersticken. Kein Wunder, dass sie "keinen Bock" haben, "nicht mehr durchblicken" und bestenfalls für die nächste Arbeit pauken, um das Gelernte danach wieder zu vergessen." 3) Ähnlich äußert sich Hartmut von Hentig, der langjährige Leiter des Bielefelder Schulprojekts, das mit der Laborschule und dem Oberstufenkolleg neue Wege der gymnasialen Bildung ging, sich dabei ebenfalls auf Georg Picht stützend. Er schrieb nämlich: "Da waren sodann die von Georg Picht und einem Kreis von Industriellen vorgelegten Daten, die ein Syndrom starken Schülerjahrgängen, struktureller Lehrermangel, überholten Elitevorstellungen, Ausbildungsschwächen und konstitutioneller Immobilität - zusammenfassend "Modernitätsrückstand" genannt - aufwiese." 4)

Konkrete Beispiele nennt Jürgen Streich, wenn er vom Literaturunterricht feststellt, "dass man sich im Oberstufenunterricht etwa mit literatur- und kunsttheoretischen Instrumentarien befasst, aber dabei kaum Sinn für Literatur und Kunst entwickelt." Weiter unten dann heißt es bei ihm: "Mit der Flucht ins Unverbindliche einer abstrakten, wissenschaftlichen Theorie wähnen sich die meisten Pädagogen sicher. Die Schüler werden den Weg zur Literatur schon selbst finden." 5) Vom Fremdsprachunterricht heißt es beim gleichen Autor: "Dort wo Reden, Schreiben und Verstehen, lebendige Kommunikation im Vordergrund stehen sollten, wendet man sich antiquierten Inhalten zu, die mit der aktuellen Realität nichts zu tun haben. Da wird Shakespeare interpretiert, statt Guardian und Washington Post gelesen. Vor diesem Hintergrund erleben selbst Leistungskursabsolventen ihr Canossa, wenn es sie etwa nach London verschlägt und sie mit Erstaunen feststellen, dass sie die dortige Umgangssprache nicht gelernt haben." Weiter heißt es bei ihm: "Neuerdings steigt wieder die Zahl der Schüler, die eine alte Sprache wählen, zumeist Latein. Da behaupten dreizehnjährige Schüler, das hätten sie getan, weil sie die tote Sprache zwingend für ihr angestrebtes Medizinstudium bräuchten, und werden auf die Nachfrage, welche Rolle ihre Eltern bei dieser Entscheidung gespielt haben, sichtlich verlegen. In der gleichen Zeit sinkt die Belegung der Französisch-Kurse. Das in Zeiten der immer weitergehenden politischen und wirtschaftlichen Vereinigung der in der Europäischen Union miteinander verbundenen Länder, wo Fremdsprachenkenntnisse dringend erforderlich sind."6) Böse resümiert Streich deshalb: "Ahnungslose Eltern werden von sogenannten Althumanisten mit einem Bildungsideal konfrontiert, mit dem seit zweihundert Jahren Schüler gezwungen werden, Sprachen nicht fürs Leben, aber für die Schule zu lernen. 7)

Auch Hartmut von Hentig bleibt , obwohl er das Bielefelder Schulprojekt leitete, im Neunzehnten Jahrhundert stehen, wenn er schreibt: "Aber die Gegenstände der deutschen Schule sind nicht falsch - sind weder entbehrlich noch veraltet. Auf das, was die zwölf bis fünfzehn Unterrichtsfächer ausrichten sollten, die vor sechzig Jahren auf meinem Zeugnis, vor hundert Jahren auf dem meines Vaters standen, wird keiner verzichten wollen, der eine allgemeine Bildung im Sinne hat. Falsch oder nicht mehr tauglich können ihre zeitliche und sachliche Verteilung, ihre Gewichtung, ihre Bezeichnung, das Bemühen um Vollständigkeit des Stoffes und nicht zuletzt die Verben geworden sein, die man für ihre Aneignung verwendet (durchnehmen/behandeln/lehren; erkunden/erörtern/erfah-ren; prüfen/verarbeiten/rekonstruieren, sich einlassen auf/sich erproben an/um-gehen mit). Hier und da wird man den Anlass und die Beispiele, den Fokus und die Fragen auswechseln, also einen anderen Gebrauch vom gleichen Gegenstand "Deutsch" oder "Biologie" oder "Mathematik" machen." 8)

Veraltete Lehrinhalte durch Neue zu ersetzen, ist oft deshalb schwierig, weil oft Lehrer dafür fehlen. Martin Baethge hat aus der Geschichte des Gymnasiums und seiner Umwelt, in dem es sich entwickelte und für wen es gedacht war, folgende Erklärung gefunden: "Ein Bildungssystem, das den aufgezeigten und gesellschaftlichen Funktionen gerecht werden soll, wäre von einem Bildungsprinzip her aufzubauen, dem die sozial aktive Rolle von Bildung in der industriellen Gesellschaft konstitutiv wäre. Im Gegensatz zu einem solchen sozial aktiven Bildungsverständnis - das ist die These, die im folgenden belegt werden soll - ist das deutsche Bildungssystem auf einem sozial passiven Bildungsprinzip aufgebaut; dieses sozial passive Bildungsverständnis bedingt die spezifische Struktur des deutschen Bildungssystems und deren Interessensspezifität, sowohl im Hinblick auf die Privilegierung bestimmter Bevölkerungsgruppen im Zugang zu höherer Bildung, als auch im Hinblick auf die Begünstigung von gesellschaftlichen Machtinteressen bestimmter sozialer Gruppen, wie beispielsweise der Unternehmer." 9)

Wie eine Bestätigung der Aussage von Martin Baethge klingt da, bezogen auf die Manager, die Aussage von Michael Hartmann, wenn er schreibt: " Ganz wesentlich für das Empfinden "dazuzugehören" ist dabei die große Bedeutung , die klassischer kleinbürgerlicher Allgemeinbildung für die Besetzung von Spitzenpositionen in der deutschen Wirtschaft zukommt. Wie wichtig Allgemeinbildung ist, illustriert die folgende typische Aussage eines Topmanagers: "Ich habe immer wieder festgestellt, dass unsere Topleute oftmals profunde Kenntnisse haben über Musik oder Literatur oder Geschichte oder die Bibel, bzw. Religionen überhaupt. Das ist ein Kriterium nicht ausgesprochen, aber unausgesprochen." Die Mehrzahl der "Entscheider" sieht (zumeist aufgrund ihres eigenen Lebenswegs) eine umfassende Allgemeinbildung und den damit assoziierten "breiten Horizont" als wesentlich für die Übernahme von Funktionen im Topmanagement an." 10) Die Topmanager, Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer und Direktoren entstammen bereits dem genannten Milieu. Michael Hartmann nennt eine Zahl von 60%. 11)

Ihrer Ausbildung nach hatten 70-73% Jura oder Betriebswirtschaft studiert und nur 32% haben einen naturwissenschaftlichen oder ingenieurtechnischen Studiengang absolviert." 12) Die Tradition des Gymnasiums und die Orientierung seiner Schüler ist deutlich erkennbar. Dass diese Allgemeinbildung in der Jugend am neuhumanistisch orientierten Gymnasium erworben wurde, spiegelt sich in zwei Aussagen von Topmanagern wider, die Michael Hartmann zitiert. Bei ihm lesen wir: "Allgemeinbildung spielt eine große Rolle, denn sie müssen immer wieder Reden halten, sich der Öffentlichkeit präsentieren, in der Lage sein, einen großen Bogen zu schlagen, was man nur mit einer großen Allgemeinbildung kann." - So die Aussage eines Personalmanagers einer Großbank. Und weiter unten heißt es dann: "Mangelnde Allgemeinbildung ist vielfach ein Hindernis, um von der zweiten in die erste Ebene zu kommen." So äußert sich ein Personalmanager eines großen Chemiekonzerns. 13)

Wie hoch heute die humanistische Bildung steht, lässt sich daran erkennen, dass sich beispielsweise in Berlin-Buch eine Privatuniversität niederlassen will (European College of Liberal Arts), die eine geisteswissenschaftliche Ausbildung für Studenten anbieten will, deren eigentliches Ziel ein Job in der Wirtschaft ist. 14)

Damit erhebt sich die Frage, ob das Gymnasium künftig weiter eine Eliteschule für die Oberschichten bleiben soll oder die Aufgabe hat die Schüler aus großen Teilen der Bevölkerung auf ein Studium an einer Universität, Hochschule oder Fachhochschule vorzubereiten.

Bildungsreform - aber wie?

Das Dilemma des vorwiegend geisteswissenschaftlich orientierten Gymnasiums erkennend, wirft Josef Kraus einen Blick auf das Bildungswesen der ehemaligen DDR und kommt dabei zu folgenden Ergebnissen, die für eine künftige Bildungsreform nicht uninteressant sein könnten, wenn er schreibt: "Eine Vielzahl an Einrichtungen zur Förderung besonders begabter Kinder gab es im ehemaligen Ostblock. Die ehemalige DDR mag hierfür als Beispiel - nicht als Vorbild - dienen. Dort wurden etwa drei bis fünf Prozent der Schüler besonders betreut: in Spezialklassen mit erweitertem Fremdsprachenangebot ab Klasse drei, in Spezialschulen und -klassen für Mathematik ab Klasse neun, in Spezialschulen und -klassen der physikalisch-technischen Richtung ebenfalls ab Klasse neun. Im Unterschied zu den Normalschulen wurden in solchen Spezialeinrichtungen die besonders profilierten Fächer mit hohen Stundenzahlen unterrichtet." 1)
Tatsache ist, dass es in der DDR-Schule gelungen war, Grundlagen für ein gutes Wissen bei den Schülern zu schaffen und ihre Intelligenz zu entwickeln. Alexander Schalck-Golodkowski, der ehemalige Chef der KOKO schreibt in seinen Erinnerungen: "Eine unserer Erfolgsgeschichten handelt von der Intrac, einem Chemiehandelsunternehmen. Intrac saß in einem vorzeigbaren Neubau in Berlin-Pankow (für dessen Finanzierung sie selbst gesorgt hat). Viele der ungefähr 400 Mitarbeiter haben nach der Wende aufgrund ihrer Qualifikation Arbeit gefunden, nicht Wenige wurden von ihren früheren westlichen Geschäftspartnern eingestellt. 2)
Da haben also mitten im sogenannten "Sozialistischen Lager" Menschen, die durch die Schulen der DDR gegangen waren, kapitalistische Wirtschaften betrieben und zwar erfolgreich, ohne je ein kapitalistisches Handelsunternehmen kennen gelernt zu haben.
Ein ebenso gutes Zeugnis für die in der DDR entwickelte Intelligenz, die ja durch die DDR-Schulen gegangen ist, stellt Hans Olaf Henkel, der einstige Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie, dieser Schule aus, denn er schreibt: "Die meisten von uns wissen noch genau, wo sie waren, was sie taten, als sie von der Öffnung der Mauer erfuhren. Als Günther Schabowski seine historische Presseerklärung abgab, war mein erster Gedanke: "Auf nach Berlin!" In einem IBM-Laden in Kudamm-Nähe bereiteten wir uns auf den dann erfolgenden Ansturm der DDR-Besucher vor. Das mich am meisten beeindruckende Erlebnis war der Besuch eines jungen Ostberliners, der sich vor einen IBM-PC setzte und ihn perfekt bediente. Ich fragte ihn, ob er denn so einen zu Hause habe. "Nein, nicht wirklich, aber er habe alle Unterlagen." Ich weiß nicht, was mich mehr faszinierte, seine Fähigkeit, einen PC nur aufgrund des Studiums von Gebrauchsanweisungen bedienen zu können, oder sein Optimismus an so ein Gerät einmal heranzukommen. Der Export dieser PCs war damals ja noch verboten." 3)
Die Qualität von Schule und Ausbildung offenbart sich hier ganz deutlich, und alles wurde erreicht ohne die "klassische Allgemeinbildung" mit Latein, Griechisch und Religion.

Der Zustand einer Gesellschaft, der sich auch in der Entwicklung ihrer Kinder offenbart, zeigt sich sehr deutlich in den Aussagen von Bildungspolitikern, die doch erhebliche Defizite feststellen müssen. Anette Schavan beispielsweise muss konstatieren: "In einer Mainzer Untersuchung wird festgestellt, dass jedes vierte Kind, das in die Schule  kommt, Sprachstörungen aufweist. Dahinter stehen weniger medizinische Befunde, denn die Tatsache, dass mit diesen Kindern wenig oder kaum gesprochen und folglich auch auf ihre Sprachentwicklung wenig geachtet wird." 4)
Freerk Huisken aber geht der Sache auf den Grund und erklärt die Ursache der eben genannten Fakten, wenn er schreibt: "Nun treten Arbeiterkinder in der Tat mit schlechteren Voraussetzungen in der Schule an. Sie können einem Intellektuellennachwuchs in Sachen Sprachbeherrschung in der Regel nicht das Wasser reichen. Diese mitgebrachten Bedingungen verwechseln Pädagogen aber sehr gekonnt mit dem Grund gewisser Schulkarrieren. Dabei könnte ihnen doch auffallen, dass es am Umgang der Schule mit solchen Mitbringseln liegen muss, wenn die Lücken im Unterricht nicht behoben, sondern festgeschrieben und dann exekutiert werden. Wie sollte auch der rationelle Ausgangspunkt für Bildungsanstrengungen - einer beherrscht die Muttersprache nicht recht, der andere tut sich schwer mit dem Rechnen - gleichzeitig ein Hindernis für erfolgreiche Unterweisung darstellen! Unterschiedliche Voraussetzungen können sich also nur deshalb als Unterschiede im Schulerfolg niederschlagen, weil es in der Schule gar nicht um Bildung, d.h. um Ausräumen von Wissenslücken geht."
Weiter unten lesen wir bei ihm: "Die Unterschichtkinder kommen laut Pädagogik eben nicht einfach mit Wissensmängeln in die Schule. Sie sind mit einem "Sozialcharakter" ausgestattet, der sie für die Bildungsanstrengungen der Schule recht ungeeignet macht. So soll sich zum Beispiel im "restringierten Code" solcher Kinder nicht ein Mangel an Sprachbeherrschung zeigen, der zu beheben wäre, sondern schichtspezifische Sprechweise, die die Denkmöglichkeiten der Kleinen beschränkt. Damit wäre also glücklich das Unwissen von Kindern in ein Charaktermerkmal von ihnen verwandelt." 5)

Nach konservativer Ansicht finden sich nur in Familien die Grundlagen für ein harmonisches Leben und eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung als Weitergabe der geistigen und sittlichen, wie überhaupt der kulturellen Werte. Matthias Rauch resümiert deshalb: "Entsprechend leiten Konservative aus der Zunahme von Scheidungen und Alleinerziehenden eine gesellschaftliche Gefahr ab, da in ihren Augen Alleinerziehende nicht zu wirklicher Erziehung fähig seien und Scheidungskinder deswegen eine defizitäre Erziehung erleben." 6)

Hier werden Kinder abqualifiziert, weil ihre Eltern sich nicht konservativen Vorstellungen fügen oder beugen. Im Hintergrund steht dabei, wer aus einem solchen "anarchistischen Milieu" stammt, notwendigerweise Defekte aufweisen müsse, die eine höhere Bildung und damit eine Entwicklung in Richtung auf gehobene Positionen in der Gesellschaft nicht anstreben können oder sollten. Das Gymnasium sollte den Kindern der Eliten und den Kindern der Geistesaristokratie vorbehalten bleiben.

Solche unwissenschaftlichen Theorien verhindern eher die Entwicklung von Schülern, anstatt mehr Schüler für Mathematik, Naturwissenschaften und Informatik zu gewinnen und für ein Studium solcher Fächer vorzubereiten.
Dafür fordert der Berliner CDU-Politiker Günter Nooke mehr Privatschulen für Berlin (Berliner Zeitung vom 7./8. Juli 2001). Der fragenden Journalistin Brigitte Fehrle antwortet er auf die Frage, ob denn nicht Gefahr bestände, dass die öffentlichen Schulen dann nur noch die weniger begabten oder sozial schwächeren Kinder bekämen: ... "Es ist doch besser wir haben Eliten in der Stadt, die auch die Anderen mit hochziehen, als dass wir Mittelmaß haben und es immer schwieriger wird das international gefragte Niveau zu halten." 7) Wie sich Nooke das allerdings vorstellte, verrät er nicht, und die laut "Topos Einkommens- und Armutsbericht 2000" ausgewiesenen 45.000 armen Kinder (S.38), die ja zu den sozial Schwachen gerechnet werden müssen, und deren Chance eine höhere Bildung zu erwerben, kaum besteht, interessieren ihn offenbar nicht. Er verfolgt damit genau die Linie, die wir im schon zitierten "Leitbild Wissenschaft 2010" vorfinden.

Deshalb stellt der Pädagogikwissenschaftler Rainer Brockmeyer fest: "Die grundlegenden Bildungsziele müssen in einer pluralistischen Gesellschaft für alle Kinder und Jugendlichen Gültigkeit besitzen können. Sie können nicht von einem eindeutigen Menschenbild abgeleitet werden, sie ergeben sich aus den Anforderungen, die eine veränderte Gesellschaft an ihre Bürger stellt." 8) An anderer Stelle stellt er deshalb fest: "Eine Schule, die die veränderten Anforderungen , Qualifikationen und Kompetenzen in Wirtschaft und Arbeit nicht offensiv aufgreift und in ihrem Arbeitsrahmen realisiert, hat ebenso wenig ihren Platz in der Gesellschaft gefunden, wie eine Schule, die in eine Art Verweigerungshaltung auf diese Entwicklung sich gewissermaßen in den "reinen Raum" der Erziehungsarbeit zurückzieht." 9)
Des weiteren stellt er fest: "Das Konzept einer betont auf Fachunterricht ausgerichteten Instruktionsschule, das sich den traditionellen Bildungsgütern und Wertvorstellungen verpflichtet fühlt, das zugleich auf Bildungssicherheit angelegt ist, ist trotz aller Veränderungen in den Einzelschulen noch weit verbreitet. Es zeigt sich andererseits immer stärker, dass weder die vermuteten inhaltlichen und normativen Sicherheiten noch die Instruktion als Methode des Bildungsaufbaus trägt und ausreicht." 10) Weiter lesen wir bei ihm: "Schulen stehen immer noch stark in der Tradition "sicheren" Lernens, sie arbeiten in einer Art Vertrauen auf bewährte Ziele, Inhalte und Methoden, sie vertrauen auf die traditionelle Qualitätsdefinition, die in der Regel an abrufbaren Wissensbeständen und an der Lösung tradierter exemplarischer Probleme sich orientiert. Schulen in einer dynamisch und offenen Gesellschaft verfehlen bei einem solchen Arbeitsansatz die Möglichkeiten und die Aufgabe, Bildung auf Zukunft hin, d.h. auf eine veränderte Welt hin, aufzubauen." 11)

Damit ist auch die Frage nach der Länge der Schulzeit verknüpft, die besonders bei dem Philologenverband eine große Rolle spielt, denn Anette Schavan schreibt: "dass die Frage nach dem achtjährigen Bildungsgang trotz dieses Votums und trotz des internationalen Vergleichs bei den Überlegungen über eine konzeptionelle Weiterentwicklung des Gymnasiums einen immer noch hohen Streitwert - vor allem im Gespräch mit dem Philologenverband - hat." 12) Und Hartmut von Hentig  bemerkt dazu: "Wer Pädagogen sagt, was sie tun sollen, hat es doppelt schwer. Er weckt ihren Widerstand, und er muss angeben, wie es geht. Leichter hat er es, wenn er ihnen sagt, welchen Vorstellungen sie, bitte, lieber kein Gehör schenken sollten - zum Beispiel denen der organisierten Philologen." 13)
Zu den Lehrinhalten, die durch neue ersetzt werden müssten, ist zu sagen, dass meist die Lehrer dazu fehlen. Meist kommt man über Umstrukturierungen nicht hinaus, wie beispielsweise in Bayern. Als Ergebnis des Bildungskongresses des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht, Kultur, Wissenschaft und Kunst, beschloss der Ministerrat am 23. Juni 1998 eine Bildungsreform. Hier seien einige Schwerpunkte aus diesem Konzept genannt. Es heißt dort nämlich: "Leistungsorientierung beginnt in der Grundschule. Es ist dagegen geboten die Kürzungen der Stundentafeln zurückzunehmen und schrittweise die Ausweitung von jeweils einer Unterrichtsstunde in den nächsten drei Jahren vorzunehmen. Das Kultusministerium strebt eine Ausweitung von insgesamt sechs Wochenstunden an." Es werden Schulversuche gestartet, und dazu heißt es im Konzept: "Ziel des Schulversuchs ist die Beseitigung der Einstündigkeit von Fächern zugunsten von Zweistündigkeit, die Reduzierung der Fächerhäufung in den pädagogisch schwierigen Klassen der Mittelstufe, die Stärkung der Naturwissenschaften, Chemie und Physik im sprachlichen Gymnasium. Eingeführt werden in der Jahrgangsstufe fünf eine Stunde "Natur und Technik", in der Jahrgangsstufe elf eine Stunde Konversation oder Rhetorik, in Jahrgangsstufe zehn am MNG zusätzliche Stunden für Informatik bzw. Medien ..." Weiter unten lesen wir: "Die gegenwärtige Differenzierung des Unterrichtsangebots in Grund- und Leistungskurse soll aufgegeben werden, um eine übertriebene Spezialisierung und das Übergewicht der Leistungskurse bei der Festlegung der Gesamtqualifikation zugunsten einer stärker gewichteten breiten Allgemeinbildung zu beseitigen. Das Kurssystem bleibt dabei erhalten." 14)

Die Leistungskurse wurden schon vorher von Kritikern des Schulwesens angegriffen. Bei Jürgen Streich lesen wir dazu: "Mit der breit angelegten vorwissenschaftlichen Ausbildung, die sich am deutlichsten in den sogenannten Leistungskursen der gymnasialen Oberstufe zeigt, wird man sicherlich Ökonomen, Höhere Beamte, Ingenieure und Offiziere ausbilden können. Ab und zu kommt dabei sogar ein jugendlicher Fachgelehrter, von denen sich einige etwa bei Schülerwettbewerben profilieren, heraus." 15)

Anette Schavan, die sich voll hinter die Leistungskurse stellt, die man in Bayern abschaffen wollte, ließ in einem Zeitungsinterview verlauten: ""Klar ist aber, wenn nur jeder zehnte Gymnasiast einen Leistungskurs in Naturwissenschaft wählt, ist das eine Entwicklung, die korrigiert werden muss." 16)

Auch in Berlin bleibt es beim System der Leistungskurse. Ein neues Hauptfach "Informatik" soll an elf Schulen neu eingeführt werden mit dem Ziel einen Leistungskurs aufzubauen. 17)
Einen neuen Gedanken brachte Prof. Gregor Markl in die Diskussion ein, wenn er von einem "fachübergreifenden naturwissenschaftlichen Schulunterricht" spricht, um komplexe Probleme interdisziplinär behandeln zu können, z.B. die Ursache von Klimaveränderungen, und er schreibt dazu: "Diese Idee ist geeignet wirkliche Verbesserungen im Bereich der naturwissenschaftlichen Allgemeinbildung zu erreichen. Die Bemühungen von Baden-Württemberg und Bayern, ein solches naturwissenschaftliches Fach einzurichten, sind richtig. 18) Wie wir hier sehen, fordert die Welt außerhalb der Gymnasien ihren Tribut von den Schulen.

Kommen wir noch einmal auf die Werteerziehung zurück, die nach konservativer Auffassung durch den Religionsunterricht gesichert werden soll. Hier sollen Wertvorstellungen über Ehe, Familie, Glaube etc. vermittelt, Ethik und die Überlegenheit der Gläubigen glaubhaft gemacht werden. Da man in der Vergangenheit eine Werteerziehung außerhalb des Religionsunterrichtes nur in den Geisteswissenschaften für möglich hielt, muss nun heute eine Werteerziehung auch in den Naturwissenschaften für möglich angesehen werden. Kann der Biologieunterricht etwa keine Werte vermitteln, wenn von Natur- und Umweltschutz gesprochen wird? Lassen sich im Chemieunterricht keine Werte vermitteln, wenn etwa chemische Kampfstoffe als nicht vereinbar mit humanistischen Vorstellungen behandelt werden? Oder aber kann der Physikunterricht nicht darstellen, dass High-Tech nicht dazu da ist, Menschen zu vernichten oder Angehörige anderer Länder und Staaten, die nicht über diese Kenntnisse verfügen als minderwertig anzusehen, denen man sagen muss, welche Werte der industriell entwickelten Länder sie zu akzeptieren haben? Mit Recht stellt Hartmut von Hentig fest: "Die gründlich gewandelten Lebensverhältnisse bringen keine neuen Werte hervor, sondern machen nur die gewohnten und eingeübten Mittel zu ihrer Erreichung und Sicherung untauglich." Und weiter unten fährt er fort: "Werte sind das, was wir um seiner Selbst willen suchen: Zwecke, Tugenden sind meist ein Ergebnis von Erfahrung und sie verarbeitende, ethische Überlegung - sehr oft bloße Konvention." 19) Andererseits aber räumt er auch ein, dass Wertvorstellungen unser Verhältnis zu anderen Menschen ordnen sollen und dass sie nur in Stufen zu erreichen sind." 20)
Und Rainer Brockmeyer weiß, dass, wer entscheidende Veränderungen in der Akzentsetzung in der Bildungspolitik anstrebt, sich darauf einstellen muss, dass sie lange dauern, mindestens ein bis zwei Jahrzehnte, ehe sie greifen. 21)  Er kommt deshalb zu folgendem Schluss: "Unter Hinweis auf das Machbare, das pädagogisch Zuträgliche wird oft festgehalten am sogenannten Bewährten, werden Anforderungen abgewiesen, die bei einer etwas grundsätzlicheren Revision schulischer Art durchaus aufzunehmen wären." 22) In dieser Situation befinden wir uns heute. Eine Änderung im Erziehungs- und Bildungskonzept wird noch eine Weile auf sich warten lassen.


Erst das Abitur - was dann? Ein Nachtrag 1)

Nach abgelegtem Abitur wird von den meisten ehemaligen Schülern des Gymnasiums ein Universitäts-, Hochschul-, oder Fachhochschulstudium aufgenommen. Aber die Erwartungen werden enttäuscht, weil diese Einrichtungen oft Wissen vermitteln, dass von der Wirklichkeit weit entfernt ist. Bei Johannes Goebel und Christoph Clermont lesen wir folgende Sätze: "Wer bereits im zweiten Semester seines Fachhochschulstudiums im Nebenjob genau die Arbeiten verrichtet, für die ihn das Studium die notwendigen Kenntnisse doch erst vermitteln soll, verliert früher oder später den Glauben an den Sinn einer klassischen Ausbildung." 2) Die Illustrierung dafür haben wir der Tagespresse entnommen. David Selbach schreibt in diesem Zusammenhang: "Im nächsten Informatik-Seminar wird sich Julia Palchaninava vermutlich langweilen: "Einführung in die Datenbanksysteme" steht auf dem Lehrplan der Münchner Uni. Für die 25-Jährige ist das aber längst ihr täglich Brot. Denn beim Elektronik-Riesen Siemens hält sie eine Datenbank am Laufen: Einträge ändern, löschen, das System umprogrammieren. Julia Palchaninava ist Herrscherin über alle Daten, die Siemens braucht." 3)

Von den Geisteswissenschaften wird gesagt: "Die Geisteswissenschaften sind in die Defensive geraten. Sie tun sich schwer, zeitgemäße Antworten auf die Frage nach ihrem Nutzen oder gar ihrer Effizienz zu finden. Das mag daran liegen, dass innerhalb dieser Professoren oft ein bildungsbürgerlicher Habitus vertreten ist, der sein Selbstverständnis stark auf den idealistischen Gegensatz von Geld und Geist gründet." 4) Ein Beispiel sei dafür aus den Islamwissenschaften genannt. Von Professoren der Islamwissenschaften heißt es in einer Streitschrift, dass es Wissenschaftler sind, "die mit dem theoretischen Rüstzeug des Neuzehnten Jahrhunderts die orientalische Geschichte studieren oder als Epigonen Rückerts die persischen Sufidichter übersetzten" und weiter unten ist von den Professoren dieser Disziplin zu lesen, dass "die ihr Geschäft lernten, als die Islamwissenschaften mehr mit klassischer Philologie und toten Sprachen als mit einer lebendigen, im rasanten Wandel begriffenen Welt  zu tun hatten." 5) Das fast unveränderte humanistische Gymnasium lässt grüßen.

Die Studenten der geisteswissenschaftlichen Disziplinen, wie Altphilologie, Neuere Sprachen, Germanistik, Geschichte, Kunstwissenschaft und Sozialkunde sehen nach Abschluss ihres Examens, insofern sie nicht bei der Freien Wirtschaft, bei privaten Stiftungen, Galerien, Verlagen oder Museen ihr Unterkommen finden, das Gymnasium als letzte Zufluchtsstätte für eine berufliche Tätigkeit an, obwohl ihnen der Einstieg, bedingt durch verschiedene Prüfungen, z.B. das Referendarexamen, nicht gerade leicht gemacht wird.

Was aber soll geschehen mit jenen Universitäts- und Hochschulabsolventen, die mit ihrem Qualifikationsprofil nur schlecht in Wirtschaft und Gesellschaft ihren Platz finden können? Das Zauberwort heißt: Selbständigkeit oder Existenzgründung. Der sozialdemokratische Politiker Bodo Hombach schreibt in diesem Zusammenhang: "Die Wissenschaft findet keinen Kontakt zu den kleinen und mittleren Unternehmen, weil diese oft selbst nicht definieren können, was sie an Informationen und Forschungsergebnissen benötigen. Ähnliches trifft bei Existenzgründungen zu, für die sich Hochschulen oft nicht zuständig fühlen. Es wäre aber eine enorme Chance, wenn direkt auf dem Campus eine innovative Szene entstünde, die Forschungsergebnisse in marktfähige Produkte umsetzt. In den USA ist das gang und gäbe. Wir können das auch." 6) In Nordrhein-Westfalen wurden nach Bodo Hombach seit 1996 pro Jahr zwischen 300 und 400 Millionen Mark für Existenzgründungen ausgegeben. Wörtlich schreibt er: "Das neue an dieser Kampagne ist eine bis weit in die Wirtschaft und Gesellschaft (Familien, Schulen, Hochschulen, Medien) reichende Öffentlichkeits- und Marketingkampagne, die eine Kultur der Selbständigkeit und ein gesellschaftliches Klima für Existenzgründungen und Unternehmen fördern soll." 7)

Der CDU-Politiker Jürgen Rüttgers verkündete: "Immer mehr junge Menschen, auch im akademischen Bereich, sind willens und bereit eine eigenständige berufliche Existenz aufzubauen. Nach dem EMNID-"Jugendwerbebarometer" 1996 gaben 56% der Befragten 14- bis 29-Jährigen an, nach Selbständigkeit zu streben. Selbständigkeit hat wieder einen positiven Klang. Die Berührungsängste zwischen Bildung und Wirtschaft schwinden." 8) Stolz fügt er weiter unten hinzu: "Ein zweites, besonders ermutigendes Beispiel, ist die Initiative "EXIST-Existenzgründer" aus Hochschulen, die ich als Bildungsminister 1998 gestartet habe. Mein Ziel war, mit dieser Initiative Gründergeist in den Hochschulen zu wecken und die Hochschulausbildung stärker am Vorbild der beruflichen Selbständigkeit zu orientieren." 9) Aber so einfach geht das dann doch nicht, obwohl Wirtschaftsminister Müller in einem Stern-Interview verkündete: " Wir müssen sehen, dass die Möglichkeit, durch Ideen und Leistung reich werden zu können, attraktiv wird." 10) Das Problem liegt aber bei uns in Deutschland ganz anders. Josefina Janert bemerkt nämlich dazu: "Im Gegensatz zu den US-amerikani-schen Hochschulen, wo die Firmengründung als Lehrfach eine dreißigjährige Tra-dition hat, sind die deutschen Akademiker viel zaghafter. Nur jeder Zehnte plant während seines Studiums oder kurz danach den Sprung in die Selbständigkeit." 11)

Der Sprung in die Selbständigkeit ist ohne Know-how, kaufmännische Kenntnisse sowie solche im Management oder gar irgendwelcher Unterstützungen kaum möglich. Firmengründung als Lehrfach gibt es ja in Deutschland nicht. Universitäten und Hochschulen sind meist noch auf eine Gelehrtenlaufbahn oder auf eine Ausbildung für den Staatsdienst orientiert. Hierzu kommt, dass deutsche Universitäten und Hochschulen von einzelnen Landesherren oder dem Staat gegründet wurden, nicht wie in den USA, wo diese meist Privatgründungen sind und vorrangig auf eine Praxis im Wirtschaftsleben orientieren.

Welches Risiko in einer Selbständigkeit stecken kann, lesen wir im "Focus": "Branchenexperten bezweifeln, ob die Rechnung aller Online Firmen wirklich aufgeht. ‚Vielleicht überlebt nur jeder Vierte‘ warnt Henry Blodget von der Investment-Bank. Merrill Lynd: ‚Viele Start ups werden nie schwarze Zahlen schreiben.‘ Diese Erkenntnis gilt auch für die zweite Boombranche, die Biotechnologie. Peter Freier, Geschäftsführer der oberbayerischen Immuno-Genec weiß, um das Risiko als head Unternehmer. Der 33-Jährige entwickelt mit seinen drei Mitbegründern für den einzelnen Patienten maßgeschneiderte Impfseren gegen Krebsstoffe. ‚Bei unseren Forschungen könnten auch völlig unerwartete Ergebnisse auftauchen, die unsere Pläne über den Haufen werfen.‘" 12) Nun weiß man, dass nicht jeder Absolvent zu einem Unternehmer taugt, weil Bildung und Erziehung einen solchen Umstand nie vorsahen. Zweitens gehören nicht nur Begeisterung, zündende Ideen und Arbeitswillen dazu. Wenn kaufmännische Kenntnisse, Marketing und Verbindungen für den Absatz der Produkte fehlen, dann stehen Existenzgründer alleine da und müssen aufgeben. Eine ADN-Meldung vom 24.9.1999 verkündete für Berlin: "Mehr Betriebe aufgelöst als neugegründet:" 13) Uwe Stelbrink leuchtet nun den Hintergrund der vielgepriesenen Selbständigkeit aus, wenn er schreibt: "Die Minnesänger der Selbständigkeit sind fast ausnahmslos Unselbständige: Politiker, Beamte oder Wahlbeamte, Professoren, in gut dotierten Verträgen, eingebundene Angestellte oder höhere Scheinselbständige, wie Fernsehautoren mit langfristigen Honorarverträgen - also alles Menschen, die uns glaubhaft mitteilen können, wie toll es ist, selbständig zu sein. Die als besonders erfolgreich Gepriesenen und Vorgestellten haben immer einen signifikanten Punkt in ihrer Vita. Der Gründer des erfolgreichsten deutschen Online-Broker-Unternehmens hat, welch ein Zufall, einen namhaften Banker zum Vater; der Inhaber einer senkrecht startenden Internetfirma ein Vorstandsmitglied einer noch größeren Softwarefirma zum Erzeuger, und der Erfolg junger Mittelständler in der "Old Economy" besteht in der erfolgreichen Übernahme der väterlichen Firma. Die "Entrepreneurin des Jahres 2000" hatte keine solche Verwandtschaft, wohl aber alle weiblichen Reize - und entpuppte sich jüngst als Schwindlerin. Und bei allen guten Beispielen immer der Unternehmergeist beschwörende Blicke gen Osten Deutschlands." 14)

Wem aber solch ein Hintergrund versagt bleibt, wer auf sich selbst gestellt ist und nach Abschluss seines Studiums vor einem Schuldenberg des Bafög steht, kann auch nicht wählerisch bei einem Job sein. So wird denn beispielsweise jungen Medizinern empfohlen, ihren Arztkittel an den Nagel zu hängen, um sich als Berater bei Unternehmen, die Medizintechnik produzieren, als Krankenhausmanager oder in Fachbuchverlagen anstellen zu lassen. In der Berliner Zeitung heißt es dazu von einem Arzt: "Er hat Medizin studiert, bevor er 1994 als Berater in die KPMG Deutsche Treuhandgesellschaft wechselte. "Nach acht Jahren Klinikalltag war ich zunehmend unzufrieden mit den Arbeitsbedingungen", sagt er. Das Angebot der KPMG habe er zunächst nur kurz testen wollen, doch dann stieg er fest in das Unternehmen ein. Seine medizinische Qualifikation konnte er als Berater für Kliniken einsetzen. "das schlug sich auch in einem entsprechenden Gehalt nieder" sagt zufrieden der ehemalige Klinikarzt." 15) Das ärztliche Ethos, der hypokratische Eid wurden eingetauscht gegen Geld.

Die mangelnde Orientierung der Abiturienten auf das Studium und wenn, dann nur auf geisteswissenschaftliche Fächer, führt dann zu folgenden Ergebnissen, die Johannes Goebel und Christoph Clermont beschreiben. Bei ihnen heißt es dazu: "Das Mathematikstudium hat er immerhin erst nach zwei Semestern abgebrochen, es folgte Maschinenbau, und seit neuestem steht Kommunikationsdesign plus Germanistik im Nebenfach auf dem Stundenplan. Was früher mit Adjektiven wie "halbfertig" oder gar "abgebrochen" umschrieben wurde, kann heute im Zeitalter der Flexibilität getrost als reicher Erfahrungsschatz verbucht werden. Auch die Universität nimmt ihm seine Sprunghaftigkeit nicht übel. Bei jedem neuen Studienbeginn lassen sich mehr Scheine aus grauer Vorzeit anrechnen. Schließlich hat die chronische Vernachlässigung der akademischen Pflichten auch einen triftigen Grund. Seit nunmehr drei Jahren arbeitet er freischaffend als Internet-Experte bei diversen Computerfirmen und Werbeagenturen." 16)

Es kommt noch härter: "Kein Stadtplaner oder Architekt, fast kein Betriebswirt oder Sozialpädagoge, der nicht schon während des Studiums in Planungsbüros, mittelständigen Unternehmen oder Einrichtungen der Jugendhilfe sein Zubrot verdient hat. Gerade im Dienstleistungsbereich kommt man, so scheint es, ganz gut ohne diplomierte Fachkräfte aus und lässt wesentliche Aufgaben von Studenten erledigen." 17)

Fest steht jedenfalls, dass angesichts dieser Tatsachen und Erfahrungen immer weniger Abiturienten ein Studium aufnehmen wollen. Nach einer DPA-Meldung sank die Studienneigung von 1990 kontinuierlich "von 82 auf 68% heute ab".18).

Diese Meldung finden wir in einem Artikel des "Focus" wieder. Dort heißt es: "Viele wagen mittlerweile erst gar nicht den Gang an die Uni. Überfüllte Hörsäle, fehlende Praxisorientierung und viel zu lange Studienzeiten schrecken ab. Nach einer Untersuchung vom Hochschul-Informations-System (HIS) in Hannover sinkt die Studienbereitschaft: Wollten 1990 noch 82% der Schulabgänger ein Studium aufnehmen, sind es jetzt nur noch 68%. HIS-Wissenschaftler Christoph Heine: "Früher war das Studium eine Selbstverständlichkeit. Heute gehe der Trend zu kürzeren Ausbildungen in Firmen oder Berufsakademien, um möglichst schnell eigenes Geld zu verdienen." Andrerseits heißt es weiter unten: "Besonderes in den naturwissenschaftlichen Fächern sind die Hörsäle häufig spärlich besetzt - trotz angeblich guter Jobaussichten. "Das Vertrauen ist bei Vielen erschüttert", weiß Rüdiger Bendlin von der TU Hamburg-Harburg, "weil Ingenieure noch vor wenigen Jahre auf dem Arbeitsmarkt kaum gefragt waren. Um die Abiturienten wieder für Mathe und Co. zu begeistern, werben die Hanseaten bereits in Schulklassen, offerieren während des Studiums Praktikumsplätze in Unternehmen und knüpfen für die Absolventen Jobkontakte." 19)
Fehlende Orientierung an den von den Humaniora geprägten Gymnasien und die Unsicherheit, eine Berufsausbildung durchlaufen zu haben, die am Ende nicht mehr gefragt ist - eine gesellschaftlich bedingte Erscheinung -, führen zu den genannten Ergebnissen.
Über eine im Juni 2001 erschienene OECD-Studie schreibt die Journalistin Mira Gajevic: "Deutschland ist in der Hochschulausbildung im internationalen Vergleich zurückgefallen. Nur 28% der jungen Erwachsenen entschließen sich hier zu Lande zum Studium, wie eine am Mittwoch (13. Juni 2001, W.B.) in Berlin vorgestellte Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigt. Dieser Wert wird nur noch von Mexiko und Tschechien unterboten, während der OECD-Durchschnitt bei 45% liegt. Die Zahl der Hochschulabsolventen liegt mit 16% eines Jahrganges ebenfalls deutlich unter dem OECD-Mittel von 25%." 20)

Hinzu kommt, dass die Gesellschaft, in der der künftige Hochschulabsolvent zu agieren hat, am Zerfallen ist. Herkömmliche Vorstellungen, vielleicht noch von älteren Gymnasiallehrern vermittelt, lösen sich auf und verschwinden, müssen vielleicht angesichts neoliberaler Praxis verschwinden, denn Zygmunt Baumann schreibt: "Gerade diese Solidarität ist jedoch das größte Opfer neoliberaler Theorie und Praxis geworden." "So etwas wie Gesellschaft gibt es nicht" lautete Margaret Thatchers berühmt berüchtigte Verkündung des neoliberalen Credos. Es gibt, wie sie sagte, Männer und Frauen als Individuen, und es gibt Familien." 21)

Schärfer formulieren Michael Behrens und Robert von Rimscha diese Tatsache und ihre Realität in Deutschland, wenn sie schreiben: "Deutschland wurde eine offene Gesellschaft, ohne die einst dichten Grenzen, mit größerer sozialer Gefährdung für den Einzelnen, mit schnellerem Wandel und erheblicheren Lebensrisiken. Die Zweidrittelgesellschaft ist längst da. Dies ist der Preis, der für die Globalisierung gezahlt werden muss. Verweigerung würde mehr kosten. Denn Anpassungsprozesse werden um so schmerzhafter, je länger sie hinaus-gezögert werden. Deutschlands Politik ringt noch damit, diese zu verarbeiten. Diese Spannung bereitet das Plateau für einen neuen Ausblick. Die Arbeitshypothese lautet dabei: Eine amerikanische Strukturierung von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft wäre deutschen Realitäten angemessener, als die traditionelle alt-bundesrepublikanische. Deutschland hat amerikanische Wirklichkeiten, aber keine Problemlösungen wie in den USA." 22)

Welche Erwartungen hat man nun an die Absolventen von Hoch- und Fachschulen? Frau Prof. Birgit Mahnkopf von der Fachhochschule in Berlin hat dazu folgende lapidare Antwort: "Die Mentalität der Lohnarbeiter soll ersetzt werden durch die von Aktionären." Weiter unten führt sie dann aus: "Vorbild ist hier die New Economy in den USA, wo die Aktie als Lohnersatz schon lange üblich ist. Die Arbeitnehmer erhalten kein Geld, sondern Papiere, mit denen sie auf den Erfolg des Unternehmens spekulieren können. Inwiefern diese Papiere Geld sind, muss sich erst noch erweisen." 23)
Damit stellt sich nicht nur zwangsweise die Frage nach der Zukunft der Bildung, sondern auch die nach der Gesellschaft der Bundesrepublik überhaupt.

©  Wolfgang Bernhagen, Berlin 2002


Anmerkungen:

Bildung im Widerstreit der Meinungen - Einleitung
(1) Vgl. Dr. Gisela Lück, Naturwissenschaftliche Bildung schon im frühen Kindesalter, in: Schule/Wirtschaft Nordrhein-Westfalen - Qualitätssicherung an allgemeinbildenden Schulen in NRW. Herausgegeben vom Studienkreis Schule/Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen. 37. Erfahrungsaustausch Schule/Wirtschaft Nordrhein-Westfalen vom Dienstag, 24.11.1998 bis Mittwoch 25.11.1998 Maritim Hotel Gelsenkirchen. S. 57. Nachdruck aus Nachrichten aus Chemie, Technik und Laboratorium, Band 46, 1998, Heft 5, S. 513-516
(2) Vgl. Jürgen Rüttgers, Zeitenwende - Wendezeiten. Das Jahr-2000 Projekt: Die Wissensgesellschaft, Berlin 1999, S. 41.
(3) Vgl. Dieter Wunder, Klaus Faber, Ludwig Eckinger, Berufsbild und Leitbild des Lehrers/der Lehrerin, in: SPD Parteivorstand, Referat Jugend und Erziehung (Hrsg.) Die Rolle des Lehrers/ der Lehrerin in der Schule der Zukunft. Forum der Kommission Bildung und Wissenschaft und der Arbeitsgemeinschaft für Bildung in der SPD, (AfB) Veranstaltungsdokumentation, Bonn o.O. u. J. (1998), S. 39.
(4) Vgl. Hartmut Holzapfel, Ist Lehrerbildung noch zeitgemäß? In: a.a.O, S. 28
(5) Vgl. Leitbild Wissenschaft 2010, Leitantrag auf dem CDU-Parteitag im April 2000 in Essen, S. 10
(6) Vgl. A.a.O, S. 8
(7) Vgl. SPD-Parteivorstand (Hrsg.) Wolfgang Clement, Edelgard Buhlmann, Manfred Stolpe, Gabriele Behler, Jürgen Zöllner, Willi Lemke, Bildung entscheidet über unsere Zukunft. Für eine neue Bildungsinitiative, Berlin 17. Januar 2000, S. 7
(8) Vgl. Dr. Eva-Maria Stange, Chancenungleichheit in der Bildung überwinden, Statement, in: Bildung: Die soziale Frage des 21. Jahrhunderts? Qualität, Leistung, Chancengleichheit. Arbeits-gemeinschaft in der SPD-Bundeskonferenz Düsseldorf 17/18. März 2000, Statements, Beschlüsse, Berlin 2000, S. 9
(9) Vgl. Bildung entscheidet über unsere Zukunft, Bildungskongress Bonn, 25. Januar 2000, SPD Parteivorstand, Berlin 2000, S. 8
(10) Vgl. Gerhard Schröder, Chancengleichheit in der lernenden Gesellschaft - Herausforderungen an die Bildungspolitik, in: Bildungskongress, Bildung entscheidet über unsere Zukunft. Für eine neue Bildungsinitiative, a.a.O, S. 20
(11) Vgl. CDU will Abitur bundesweit nach 12 Jahren, in: Berliner Zeitung vom 22.4.2000
(12) Vgl. Lehramt beliebt, in: Bundesverband der deutschen Banken (Hrsg.) Schul/Bank-Informationsdienst für Schule und Lehrer, 03/01
(13) Vgl.Dr. Gisela Lück, a.a.O, S.33
(14) Vgl. Erste Einblicke in Physik und Chemie. Mit Experimenten auf Naturwissenschaften Appetit gemacht, in: Berliner Wochenblatt, Lokalzeitung für Treptow, Nr. 11-12. Jg. 14. März 2001, S.3

Wilhelm von Humboldt, das humanistische Gymnasium und seine spätere Instrumentalisierung zu politischen Zwecken
(1) Vgl. Wilhelm von Humboldt, Der Königsberger und der Litauische Schulplan, in: Wilhelm von Humboldt, Werke VI. Herausgegeben von Wolfgang Stahl, Band 6, Schriften zu Kultur und Unterricht 1809-1810, o. O. 1999, S. 136
(2) Vgl. Wilhelm von Humboldt, a.a.O, S. 149
(3) Vgl. Wilhelm von Humboldt, a.a.O, S. 137
(4) Vgl. Manfred Fuhrmann, Der europäische Bildungskanon des bürgerlichen Zeitalters. Dritte Auflage 2000, Frankfurt/Main, Leipzig 1999, S. 60
(5) Vgl. Manfred Fuhrmann, a.a.O, S. 191
(6) Vgl. Manfred Fuhrmann, a.a.O, S. 192
(7) Vgl. Manfred Fuhrmann, a.a.O, S. 190
(8) Vgl. Meyers Konversations-Lexikon, 5. gänzlich neubearbeitete Auflage, Leipzig und Wien 1897, S. 723
(9) Vgl. Hans Meyer, Ein Deutscher auf Widerruf, Erinnerungen I, Frankfurt/Main, Suhrkamp Taschenbuch 1500, Erste Auflage, 1988, S. 22
(10) Vgl. Wilhelm von Humboldt, a.a.O, S. 136/ 137
(11) Vgl. Dietrich Benner, Wilhelm von Humboldts Bildungstheorie. Eine problemgeschichtliche Studie zum Begründungszusammenhang neuzeitlicher Bildungsreform. 2. korrigierte Auflage, Weinheim und München 1995, S. 202
(12) Vgl. Hans Meyer, a.a.O, S. 31
(13) Vgl. Martin Baethge, Ausbildung und Herrschaft, Unternehmerinteressen in der Bildungspolitik. 4. unveränderte Auflage, Frankfurt/Main 1971, S.93, Studienreihe des Soziologischen Forschungsinstitutes Göttingen SOFI
(14) Vgl. Dietrich Benner, a.a.O, S. 208
(15) Vgl. Dietrich von Engelhardt, Der Bildungsbegriff in der Naturwissenschaft des 19. Jahrhunderts, in: Reinhart Koselleck (Hrsg.) Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert Teil II, Bildungsgüter und Bildungswissen, Stuttgart 1990, S. 115
(16) Vgl. Dietrich von Engelhardt, a.a.O, S. 112
(17) Vgl. Theodor Litt, Naturwissenschaften und Menschenbildung, Heidelberg 1952, S. 29
(18) Vgl. Theodor Litt, a.a.O, S. 62
(19) Vgl. Theodor Litt, a.a.O, S. 90
(20) Vgl.Theodor Litt, a.a.O, S. 91
(21) Vgl. Ulrich Herrmann, Über "Bildung” im Gymnasium des Wilhelminischen Kaiserreichs, in Reinhart Koselleck (Hrsg.) Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert, Teil II, a.a.O, S. 348
(22) Vgl. Ulrich Herrmann, a.a.O, S. 350
(23) Vgl. Diese Zitate sind entnommen bei Ulrich Herrmann, a.a.O, S. 351
(24) Vgl. Matthias Rauch, Erziehung für Gott und Vaterland. Konservative Pädagogik und ihre Funktion in der aktuellen Wertedebatte, Aschaffenburg 1998, S. 81/82
(25) Vgl. Jürgen August Alt, Wenn Sinn knapp wird. Über das gelingende Leben in einer entzauberten Welt, Frankfurt/ New York 1997, S. 23
(26) Vgl. Matthias Rauch, a.a.O, S. 157


Das konservative Erziehungskonzept heute
(1) Vgl. Frederic Jameson, Spätmarxismus, Adorno oder die Beharrlichkeit der Dialektik, Hamburg 1992, S. 7
(2) Vgl. Matthias Rauch, a.a.O, S. 158
(3) Vgl. Matthias Rauch, a.a.O, S. 159
(4) Vgl. Matthias Rauch, a.a.O, S. 133
(5) Der geistige Vater dafür ist Prof. Wolfgang Rudzio mit seinem Buch "Antifaschismus als Volkfrontkitt." In: Bundesminister des Innern (Hrsg.): Bedeutung und Funktion des Antifaschismus, Bonn 1994
(6) Vgl. Hinnerk Berlekamp, Deutsche Kommunisten gibt es nicht, in: Berliner Zeitung vom 31. März / 1. April 2001
(7) Vgl. Matthias Rauch, a.a.O, S. 127
(8) Vgl. Matthias Rauch, a.a.O, S. 127
(9) Vgl. Matthias Rauch, a.a.O, S. 144
(10) Vgl. Matthias Rauch, a.a.O, S. 113/114
(11) Vgl. Jürgen August Alt, a.a.O, S. 94
(12) Vgl. Jürgen Streich (Hrsg.) Schule in der Krise, Der Verfall von Bildung und Erziehung, Düsseldorf 1994, S. 110
(13) Vgl. Hartmut von Hentig, Ach, die Werte -Über eine Erziehung für das 21. Jahrhundert, München, Wien 1999, S.143
(14) Vgl. Anette Schavan, Schule der Zukunft, Bildungsperspektiven für das 21. Jahrhundert, Freiburg im Breisgau 1998, S. 110 und 112, Herder Spektrum, Band 4611
(15) Vgl. Albert Biesinger, Religionsunterricht im Spannungsfeld von Religiosität - Sachinformation - Glaubenserziehung, in: Reinhard Ehmann/Thilo Fitzner/Gebhard Fürst/Rainer Isak/Werner Stark (Hrsg.) Religionsunterricht der Zukunft. Aspekte eines notwendigen Wandels, Freiburg-Basel, Wien 1998, S. 252
(16) Vgl. Jürgen Streich, a.a.O, S. 114
(17) Vgl. Jürgen Streich, a.a.O, S. 117
(18) Vgl. Jürgen August Alt, a.a.O, S. 116
(19) Vgl. Hartmut von Hentig, a.a.O, S. 39
(20) Vgl. Jürgen August Alt, a.a.O, S. 74
(21) Vgl. Hartmut von Hentig, a.a.O, S. 78
(22) Vgl. Hartmut von Hentig, a.a.O, S. 134


Veraltete und überholte Bildungsinhalte
(1) Vgl. Anette Schavan, a.a.O, S. 86
(2) Vgl. Anette Schavan, a.a.O, S. 19
(3) Vgl. Jürgen Streich, a.a.O, S. 32
(4) Vgl. Hartmut von Hentig, Rückblick nach vorn. Pädagogische Hoffnungen der Gegenwart auf dem Prüfstand der Erfahrungen. Erweiterter Text einer Rede zum 25-jährigen Bestehen der Bielefelder Schulprojekte - Laborschule und Oberstufenkolleg - gehalten am 9. September 1999, Hannover 1999, S. 16
(5) Vgl. Jürgen Streich, a.a.O, S. 92
(6) Vgl. Jürgen Streich, a.a.O, S. 96/97
(7) Vgl. Jürgen Streich, a.a.O, S. 98
(8) Vgl. Hartmut von Hentig, Rückblick nach vorn, a.a.O, S. 42/43
(9) Vgl. Martin Baethge, a.a.O, S. 91/92
(10) Vgl. Michael Hartmann, Aus gutem Stall. Das Elitebewusstsein deut-scher Spitzenmanager, Kursbuch Heft 139, März 2000, S. 103/104
(11) Vgl. Michael Hartmann, Die Rekrutierung von Topmanagern in Europa, in Archives Europeénnes de Sociologie, Tome XXXVIII 1997, Nr.1, S. 12
(12) Vgl. Michael Hartmann, Die Rekrutierung von Topmanagern, a.a.O, S. 14
(13) Vgl. Michael Hartmann, Topmanager, Die Rekrutierung einer Elite, Frankfurt/ New York 1996, S. 128
14) Vgl. Ralf Grötker, Natürlich Hochkultur, Langsam werden die Pläne der Privatuniversität ECLA in Berlin-Buch Wirklichkeit. In: Berliner Zeitung vom 6. März 2001



Bildungsreform, aber wie?
(1) Vgl. Josef Kraus, Spaßpädagogik, Sackgassen deutscher Schulpolitik, 2. ergänzte Auflage, München 1998, S. 87
(2) Vgl. Alexander Schalck-Golodkowski, Deutsch-deutsche Erinnerungen, Hamburg 2000, S. 185
(3) Vgl. Hans-Olaf Henkel, Jetzt oder nie. Ein Bündnis für Nachhaltigkeit in der Politik, Berlin 1998, S. 41
(4) Vgl. Anette Schavan, a.a.O, S. 36/37
(5) Vgl. Freerk Huisken, Erziehung im Kapitalismus. Von den Grundlügen der Pädagogik und dem unstreitbaren Nutzen der bürgerlichen Lehranstalten. Studienausgabe der Kritik der Erziehung, Band 1 und 2, Hamburg 1998, S. 133/134
(6) Vgl. Matthias Rauch, a.a.O, S. 105
(7) Vgl. Wir wollen mehr Privatschulen, in: Berliner Zeitung vom 7./8. Juli 2001
(8) Vgl. Rainer Brockmeyer, Schule der Zukunft, Perspektiven der Bildungskommission in NRW, in: Ingrid Hemmer und Helmut M. Selzer (Hrsg.), Für eine Schule der Zukunft -Fachdidaktische Beiträge aus der katholischen Universität Eichstätt 1996 bis 1998,     Dettelbach 1999, S. 36
(9) Vgl. Rainer Brockmeyer, a.a.O, S. 30/31
(10) Vgl. Rainer Brockmeyer, a.a.O, S. 29
(11) Vgl. Rainer Brockmeyer, a.a.O, S. 44
(12) Vgl. Anette Schavan, a.a.O, S. 146
(13) Vgl. Hartmut von Hentig, Ach, die Werte, a.a.O, S. 100
(14) Vgl. Ministerrat beschließt Bildungsreform in Bayern, in: Wissen und Werte für die Welt von Morgen, Bildungskongress des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst, in: Schulreport, Tatsachen und Meinungen zur Bildungspolitik in Bayern, Juni 1998, S. 3
(15) Vgl. Jürgen Streich, a.a.O, S. 90
(16) Vgl. "Einmal Lehrer, immer Lehrer gilt nicht mehr". KMK-Präsidentin Anette Schavan will auch Quereinsteigern den Zugang zum Pädagogenberuf öffnen, in: Berliner Zeitung 17. Januar 2001
(17) Vgl. Tobias Miller, Hauptfach Informatik für Abiturienten, Neues Angebot an elf Schulen, in: Berliner Zeitung vom 19. April 2001
(18) Vgl. Gregor Markl, Wissen, was uns empört. Naturwissenschaftlicher Schulunterricht sollte fächerübergreifend, aber nicht fächerverbindend sein, in: Berliner Zeitung vom 4. Juli 2001
(19) Vgl. Hartmut von Hentig, a.a.O, S. 70/71
(20) Vgl. Hartmut von Hentig, a.a.O, S. 83
(21) Vgl. Rainer Brockmeyer, a.a.O, S. 38
(22) Vgl. Rainer Brockmeyer, a.a.O, S. 32


Erst das Abitur –aber was dann? Nachbemerkung
(1) Für diesen Abschnitt wurde zum großen Teil Material aus Tageszeitungen und aktuellen Zeitschriften verwendet.
(2) Vgl. Johannes Goebel, Christoph Clermont, Die Tugend der Orientierungslosigkeit, Hamburg 1999, S. 159
(3) Vgl. David Selbach, Theorie an der Uni, Praxis im Betrieb, in: Berliner Zeitung vom 2./3. Dezember 2000
(4) Vgl. Karl Michel, Noch ist die Wissenschaft nicht verloren, in: Berliner Zeitung vom 29. November 2000
(5) Vgl. Stefan Weidner, Überrollt von der politischen Wirklichkeit, in: Berliner Zeitung a.a.O.
(6) Vgl. Bodo Hombach, Aufbruch - Die Politik der neuen Mitte, 3. Auflage, München-Düsseldorf 1998, 160/161
(7) Vgl. Bodo Hombach, a.a.O, S. 168/169
(8) Vgl. Jürgen Rüttgers, Zeitenwende -Wendezeiten. Das Jahr-2000-Projekt: Die Wissensgesellschaft, Berlin 1999, S. 45
(9) Vgl. Jürgen Rüttgers, , a.a.O, S. 77
(10) Vgl. Werner Müller in einem Stern-Interview im Stern Nr. 35 vom 26. August 1999, S. 128
(11) Vgl. Josefine Janert, Jenseits der Angestellten-Gesellschaft in: Berliner Zeitung vom 22. Mai 2001
(12) Vgl. S. Matthes, S. Samet, Schwortz, Eine Generation im Gründerrausch, in: Focus Nr. 14 vom 3. April 2000
(13) Vgl. Berliner Zeitung vom 24. September 1999
(14) Vgl. Uwe Stelbrink, Selbständige Freiheit. In: Das Blättchen, Zweiwochenzeitschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft, herausgegeben vom Freundeskreis des Blättchens, 4. Jg, Nr. 4, 19. Februar 2001, S. 9
(15) Vgl. Mannel Özcerkes, Mediziner auf dem Weg in die Gesellschaft. Stellen in: Kliniken und Praxen sind knapp/ Zu viele Absolventen, in: Berliner Zeitung vom 26./27. Juni 1999
(16) Vgl. Johannes Goebel, Christoph Clermont, a.a.O, S. 167/168
(17) Vgl. Johannes Goebel, Christoph Clermont, a.a.O, S. 158
(18) Vgl. Die Lust am Studium geht zurück, eine interne Prognose der Kultusminister (dpa) in: Berliner Zeitung vom 2. März 2001
(19) Vgl. Kayhan Özgenc, Die Campus-Krise. Immer weniger Abiturienten wollen studieren. Politiker fürchten einen Akademikermangel, in: Focus Nr. 11 vom 12. März 2001, S. 44
(20) Vgl. Mira Gajevic, Nicht einmal jeder Dritte beginnt ein Studium. Unter den OECD-Ländern rangieren nur Mexiko und Tschechien hinter Deutschland, in: Berliner Zeitung vom 14. Juni 2001 Dazu noch: Ronny Jakubaschik, Auf dem Weg in die Klassengesellschaft. Immer weniger Studienanfänger aus sozial schwachen Haushalten: Die neue Sozialerhebung des DSW, in: Berliner Zeitung vom 30. Juli 2001
(21) Vgl. Zygmunt Baumann, Die Krise der Politik, Fluch und Chancen einer neuen Öffentlichkeit, Hamburg 2000, S. 49
(22) Vgl. Michael Behrens/ Robert von Rimscha, Der kleine Bruder. Deutschland und das Modell USA, Bonn 1997, S. 32/33
(23) Vgl. Der Aktionär als Leitcharakter, Ein Gespräch über neue europäische Börsenkultur, Gespräch mit Birgit Mahnkopf, Prof. für Europäische Gesellschaftspolitik, in: Berliner Zeitung vom 25./26. November 2000










 

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