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Buchveröffentlichungen |
Manfred BehrendRezensionNorbert Podewin: Der Rabbinersohn im Politbüro. Albert Norden – Stationen eines ungewöhnlichen Lebens. edition ost, Berlin 2001, 437 S.Norden war ein hochgebildeter Parteisoldat, einer der wenigen SED-Führer, die in geschliffenem Deutsch zu schreiben und zu reden vermochten. Kapitalistischen Gegnern rückte er zuleibe. Sein Sozialismusbild blieb naiv.  Der Verfasser würdigt Vater Joseph Norden, der Rabbiner und humanistischer Gelehrter war. Sein Sohn trat 1918 der Freien Sozialistischen Jugend, 1920 der KPD bei. Podewin behandelt auch Vorgänge, an denen Norden unbeteiligt war. Später fälschte er bisweilen Geschichte, so indem er Thälmann 1925 durch die KPD statt Komintern Parteichef werden ließ. (S. 65 ff.) Stalins Empfehlung zur Teilnahme am rechtsextremen Volksentscheid in Preußen 1931 führt der Autor auf die "SED-Geschichtsschreibung (S. 120) zurück, statt sie als Tatsache zu werten.  Nach 1933 redigierte Norden, Autor des letzten Leitartikels der "Roten Fahne, antifaschistische Zeitschriften in Dänemark und Frankreich. Er war Zeuge beim Londoner Gegentribunal zum Reichstagsbrandprozess, nahm am Abstimmungskampf gegen Hitler an der Saar teil, war mit für das Kominternorgan "Rundschau über Politik und Arbeiterbewegung verantwortlich, 1938/39 Sekretär des Aktionsausschusses Deutscher Oppositioneller. Kurz vor Kriegsbeginn brachte er sein erstes Enthüllungswerk "Die wahren Herren Deutschlands heraus. In New York war er ein bekannter, auch in Englisch publizierender Journalist.  In Ostberlin wurde er 1946 Redakteur beim Zentralsekretariat der SED und veröffentlichte 1947 bzw. 1950 zwei populäre Bücher, "Lehren deutscher Geschichte. Zur politischen Rolle des Finanzkapitals und der Junker und "So werden Kriege gemacht. Podewin verweist auf Kontroversen mit Parteiinstanzen, bei denen Neid mit im Spiel war. Ende 1947 kündigte Norden. Er hatte das vorher mit Ulbricht besprochen, der ihn in der Volkskongressbewegung einsetzte. Das war der ostzonale Part des Unternehmens, einen westdeutschen Staat unter USA-Patronat zu verhindern. Als es gescheitert, die DDR aber noch nicht gegründet war, übernahm Norden die Hauptabteilung Presse beim Amt für Information.  Podewin widmet sich den Schauprozessen Anfang der 50er Jahre im Ostblock, deren schlimmster der gegen Slánský war. Ihm fiel auch Nordens Freund André Simone zum Opfer. Er selbst kam nicht unter die Räder, was der Verfasser auf Ulbrichts Abneigung Antisemitismus gegenüber zurückführt: Sie habe den Generalsekretär bewogen, statt eines Juden das "arische Politbüromitglied Paul Merker als "deutschen Slánský auszuwählen. (S. 249 ff.) Tatsächlich sah Ulbricht in Merker einen Rivalen, während ihm Norden nützlich war. Er wurde Professor an der Berliner Humboldt-Universität und schrieb "Zwischen Berlin und Moskau, ein Buch mit Erinnerungsberichten, in dem auch ein ehemaliges KPDO-Mitglied zu Wort kam. Seit Anfang 1954 stand Norden dem Ausschuss für Deutsche Einheit vor.   Hier, aber auch als Leiter der Agitationskommission und Sekretär des ZK ab 1955 sowie Politbüromitglied ab 1958 oblag ihm die Westarbeit, die im Zeichen des Kampfes gegen die Adenauer-Regierung stand. In Pressekonferenzen stellte Norden Überläufer aus der BRD vor. Prozesse und Publikationen galten ehemaligen Nazis und Hitlerhelfern im Bonner Dienst darunter Richtern, Staatsanwälten und hohen Politikern. Nächst Ulbricht war Norden in der DDR-Deutschlandpolitik der wichtigste Helfer Mann. Podewin hat es leider versäumt, jene aus dem früheren KPD-Reservoir übernommene Argumentation zu analysieren, Deutschland (nun die BRD) sei eine vom Westen geknechtete Halbkolonie, die befreit werden müsse. Sie fand sich in Reden und Schriften Nordens wieder. Fragwürdig scheint mir Podewins Bemühen zu sein, einen prinzipiellen Gegensatz zwischen Stalin und Ulbricht in der deutschen Frage zu konstruieren. (S. 265 u. 276) Der sowjetische Diktator strebte ein neutrales Deutschland an, nur dann wollte er die DDR preisgeben. Als seine Wiedervereinigungsinitiative gescheitert war, gab er dem SED-Beschluss von 1952 zum "Aufbau des Sozialismus seinen Segen.  Mit dem 13. 8. 1961 wurde die DDR selbstbewusst. Norden trug dazu mit dem Entwurf des Dokuments "Die geschichtliche Aufgabe der Deutschen Demokratischen Republik und die Zukunft Deutschlands und von Passagen des SED-Programms 1963 bei. Sie orientierten auf Annäherung beider deutscher Staaten, um längerfristig die Vereinigung auf "Grundlage der Demokratie und des Sozialismus zu erreichen. (S. 336 f. u. 354) Der 1966 angestrebte Redneraustausch SED-SPD und die von der UdSSR-Führung gestoppten Bemühungen der DDR um Vereinbarungen mit der SPD-FDP-Regierung ab 1969 sollten dem dienen.  Die Publikationstätigkeit unter Nordens Regie ab 1965 würdigt der Verfasser am Rande. Das Braunbuch über "Kriegs- und Naziverbrecher in der Bundesrepublik und das Graubuch über "Expansionspolitik und Neonazismus in Westdeutschland erwähnt er nur. Nordens 1978 in einem Moskauer Verlag erschienene Broschüre zum Antikommunismus bleibt unerwähnt. Den weit gediehenen Buchplan über Imperialismus, Militarismus und Sozialdemokratie kennt der Autor nicht. Verwunderlich ist, dass er mit keinem Wort auf den Stuttgarter Prozess der Deutschen Bank und Abs’ 1970-1972 gegen den DDR-Historiker Czichon hinweist, in dem es um NS- und Kriegsverbrechen ging. Mit solchen Fragen befasste sich Norden seit Jahrzehnten, in der "Einheit 17/1951 auch mit Abs. Zudem unterstand ihm die Abteilung 70 im ZK-Apparat, die – mit Podewin als Assistenten – den Stuttgarter Prozess zu beeinflussen suchte. Dass der Autor einiges weggelassen hat, gilt auch für Nordens Aktivitäten im Verhältnis DDR-Israel. An Ulbrichts Sturz 1971 war dieser Mann nicht beteiligt. Als Folge der DDR-Anerkennung durch die BRD verlor er sein wichtigstes Betätigungsfeld – das der Auseinandersetzungen mit Westdeutschland. Es blieben ihm allgemeine Imperialismuskritik, die auf DDR-Probleme beschränkte Nationale Front und die Teilnahme an internationalen Konferenzen. 1981 erlebte er das Erscheinen seines Erinnerungsbandes "Ereignisse und Erlebtes. 1982 bat er, von Parkinson gezeichnet, darum, ihn nicht mehr als Politbüromitglied und ZK-Sekretär zu wählen, worauf die "dankbare Partei ihm auch die ZK-Mitgliedschaft entzog. Vereinsamt starb er Ende Mai selben Jahres.. Manfred Behrend, Berlin 2001 ![]() ![]() |
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GLASNOST, Berlin 1990 - 2019 |
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