Athanasios Karathanassis
Rezension:
Michel Aglietta: Ein neues Akkumulationsregime.
Die Regulationstheorie auf dem Prüfstand. *
Im Folgenden geht es darum,
wesentliche Argumentationslinien Agliettas herauszuarbeiten und zu kritisieren,
die bisherige postfordistische Entwicklungen thematisieren sowie weitere Perspektiven
aufzeigen. Da eine Vielzahl von Agliettas Positionen einer umfassenden Kritik
bedürfen - was m.E. den Rahmen eines Artikels überschreiten würde - bleiben diese
hier unrezensiert. Ich konzentriere mich deshalb im Folgenden auf einige wesentliche
Punkte.
Aglietta strukturiert den Inhalt dieses Buches in
zwei Hauptteile. Den ersten Teil überschreibt er mit dem Titel "Der Kapitalismus
an der Jahrhundertwende. Die Regulationstheorie auf dem Prüfstand der Krise."
Der zweite Teil heißt "Der Kapitalismus von morgen." Diese Strukturierung in
einer chronologischen Folge wird von ihm allerdings nicht stringent durchgehalten.
Insbesondere Abschnitte, in denen er Globalisierungsprozesse thematisiert finden
sich mit identischem Inhalt sowohl im ersten, wie auch im zweiten Teil wieder,
so dass zum Teil unklar bleibt, was seiner Ansicht nach schon jetzt existiert
oder noch kommen wird.
Im ersten Teil beginnt
er mit einem Anriss einer theoriegeschichtlichen Entwicklung von homogenen zu
heterogenen Ansätzen der Wirtschaftswissenschaften, um aus diesem Kontext den
regulationstheoretischen Ansatz als einen der gesellschaftlichen Praxis entsprechenden
heterogenen Ansatz zu legitimieren. Dieser muss aufgrund seiner Kürze nur sehr
allgemein und oberflächlich bleiben, knüpft aber an die schon in den 70er und
80er Jahren erarbeiteten Analysen der Regulationstheorie an, in denen die Kontinuität
kapitalistischer Prozesse als zeitlich und räumlich variable Prozesse von Umbrüchen
erkannt wurden.
Der Regulationsansatz
ist seiner Sicht nach "von heterogenen ökonomischen Prozessen betroffen, in
denen sich Notwendigkeit und Zufälligkeit, Last der Vergangenheit und Neugeschaffenes
vermischen." "Er handelt von Prozessen, die auftauchen, sich neu bilden und
vergehen - unter der Wirkung ungleicher Entwicklungskräfte, die dem Kapitalismus
inhärent sind."(11)
Auf Grundlage dieser Einführung folgen Wiederholungen
fordistischer Wesensmerkmale, die sich durch das gesamte Buch ziehen. Der soziale
Zusammenhalt des Fordismus wurde nach Aglietta durch sozialen Fortschritt verbunden
mit Einschränkungen der Kapitalakkumulation erreicht. Eine hohe Produktivkraftentwicklung
ermöglichte ein Steigen der Löhne, die die Binnennachfrage erhöhte und so Massenkonsum
erzielte. Dieses führte wiederum zu Investitionssteigerungen, so dass sich endogenes
Wachstum entwickeln konnte. „Das Herzstück der Regulation bestand in der Herstellung
der Kohärenz zwischen den schnellen Produktivitätsfortschritten, der Expansion
der Realeinkommen und der Stabilität der Verteilung“(32) u.a. durch antizyklische
Sozialtransfers. Zentrale Vermittlungsinstitutionen, insbesondere der Staat,
sorgten so für eine „Bindung an die Logik der Ökonomie“(39).[1]
Zumindest fragwürdig ist in diesem Zusammenhang,
dass die von Aglietta so bezeichnete „Einschränkung der Kapitalakkumulation“(27)
unkonkret und ohne weitere Ausführung bleibt. Wenn er damit ein Sinken der Profitmasse
oder Profitrate während der Phase des Fordismus impliziert, so muss dem widersprochen
werden, da insbesondere in dieser Phase überdurchschnittliche Produktivkraftsteigerungen
gepaart mit der Ausweitung der Lohnarbeit die Profite erheblich erhöhten[2] und dem Fall der Rate erfolgreich
entgegengewirkt wurde. Fordistische Entwicklungen standen demnach trotz der
Steigerung der Löhne im Einklang mit den allgemeinen Interessen der Kapitalverwertung.
Die von Aglietta gewählte Formulierung der Einschränkung der Kapitalakkumulation,
die ohne empirische oder theoretisch-analytische Fundierung bleibt, suggeriert
hier das Gegenteil.
Die Entwicklung aktueller
Globalisierungsprozesse beschreibt Aglietta anschließend allgemein und verharrt
dabei zumeist auf der deskriptiven Ebene. Sie wurzelt nach Aglietta „in der
Transformation der internationalen Arbeitsteilung“(44), da diese durch eine
Verallgemeinerung der Lohnabhängigkeit in nicht-westlichen Gesellschaften neue
Perspektiven des Profits eröffnet.(41) Die Dezentralisierung der Produktionsprozesses
und die damit gewonnene Mobilität des Kapitals setzt die sozialen Systeme hierbei
einem nationalen Wettbewerb aus, was u.a. zur Desintegration sozialer Bindungen
führt. Die Ausbreitung des internationalen Wettbewerbs u.a. im öffentlichen
Transportsektor, in der Kommunikationstechnologie, der Informationssysteme oder
der Finanzdienstleistungen sind charakteristisch für diese globalen Veränderungen.
Die im Fordismus im nationalen Rahmen regulierten Bereiche werden nun verstärkt
einer globalen Konkurrenz ausgesetzt.
Aglietta kristallisiert
am Lohnverhältnis - einer zentralen Kategorie der fordistischen Regulation -
einen Unterschied des aktuellen Akkumulationsregimes zum fordistischen heraus.
Da das diesbezügliche Interesse der globalisierten Firmen nicht mehr mit dem
ihrer Herkunftsnationen übereinstimmt, hat die Globalisierung der Unternehmen
das Zerbrechen der Lohnstrukturen stark beschleunigt. Das Ergebnis der „Umgestaltung
der Beschäftigungsstruktur ist ein Übermaß an Ungleichheiten: eine extreme Individualisierung
der Löhne und uneinheitliche Verhältnisse für Lohnabhängige mit gleicher Qualifikation
und im gleichen Sektor.“(57)
Das von ihm in diesen Zusammenhängen so bezeichnete
nationale Interesse wird hier, wie auch im weiteren Verlauf kaum konkretisiert
bzw. differenziert[3].
„Mit der Abschwächung
der dynamischen Beziehung zwischen Produktivität, Einkommen und Beschäftigung
ist der Mehrwert, auf dem die sozialen Transfers berechnet wurden, seit den
70er Jahren langsamer gestiegen. Gleichzeitig nahmen die Transferbeiträge, die
sich aus den geltenden sozialen Regeln ergaben, mit der wachsenden Arbeitslosigkeit
weit schneller zu.“(60) Das hatte zur Folge, dass die öffentliche Schuldenlast
zunahm und als Finanzierung dieser krisenhaften Entwicklung die Transformation
des Finanzsystems dienen sollte. Deregulierungsmaßnahmen um den Staat finanziell
zu entlasten folgten.
Der von ihm formulierte
Zweck einer Regulation, nämlich der soziale Zusammenhalt unterschiedlicher
gesellschaftlicher Interessen geriet so in eine Krise, da die Entsprechung zwischen
Produktivität und Verteilung in einem nationalen Rahmen nicht mehr gewährleistet
ist.
„Das Zusammenspiel der
Vermittlungen, die den empfindlichen Kompromiss zwischen den privaten Interessen
und dem sozialen Zusammenhalt aufrecht erhielten, wurde zerschlagen zugunsten
der Entfaltung von privaten Interessen, die im weltweiten Raum toben. Der Kapitalismus
setzt ganze Gesellschaften und ihre Einwohner dem Wettbewerb aus, ohne noch
den Zwängen zu unterliegen, die zuvor die Akkumulation von Kapital zum sozialen
Fortschritt hinlenkten.“(47)
In regulationstheoretischen Termini lässt sich demnach
dieses von ihm hier zumeist skizzenhaft dargestellte Phänomen postfordistischer
Veränderungen verallgemeinern: Ein neues globales Akkumulationsregime korrespondiert
nicht mehr mit alten national dominierten Regulationsweisen. Hierbei sieht er
durch eine Krise der sozialen Absicherungssysteme den sozialen Zusammenhalt
gefährdet, da „ein Regulationsmodus nur solange besteht, wie die Vermittlungen,
die seinen Zusammenhalt gewährleisten, miteinander vereinbar sind.“(22)
Eine Regulationsweise bezeichnet er als „eine Gesamtheit
von Vermittlungen, die die von der Kapitalakkumulation hervorgerufenen Verwerfungen
so eingrenzen, dass sie mit dem sozialen Zusammenhalt innerhalb der Nationen
vereinbar sind.“[4](11)
Agliettas Regulationsweise hat
demnach nicht zum Ziel, die von ihm so bezeichneten Verwerfungen zu beseitigen,
sondern soweit zu begrenzen, dass die im Fordismus in den OECD-Staaten entstandenen
Kompromisse zwischen den Lohnabhängigen und VertreterInnen des Kapitals innerhalb
einer Nation erhalten bleiben.
Eine aktuelle zentrale Aufgabe
der Regulationstheorie besteht für Aglietta nun darin, postfordistische Veränderungen
dahingehend zu untersuchen, welche Veränderungen eine Regulationsweise annehmen
muss, um auf Grundlage eines sich wandelnden Akkumulationsregimes ein kohärentes
kapitalistisches System zu ermöglichen, d.h. der durch Globalisierungsprozesse
verursachten bisherigen Desintegration der Arbeiterschaft entgegenzuwirken.
Konfligierende soziale und ökonomische Interessen innerhalb kapitalistischer
Gesellschaften werden hierbei grundsätzlich nicht auf Klassenverhältnisse bezogen,
sondern vielmehr auf das Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft fixiert.
Als Reaktion auf diese Krise des
Fordismus -d.h. u.a. eine regional und zeitlich unterschiedliche Verlangsamung
des Wachstums- wurde der Finanzsektor eine wichtige postfordistische makroökonomische
Regulationskomponente. Er ist nach Aglietta als wesentliche Vermittlung für
die Kapitalakkumulation durch drei Funktionen bestimmt:
1.
Die Produktion und Verbreitung von Information.
Hierbei besteht seiner Ansicht
nach die Gefahr einer selbstreferenziellen Finanzlogik, in der sie Informationen
aus den Informationen herstellt und so die Gefahr einer von den realen Produktionsprozessen
lösgelösten Spekulation entsteht.
2.
Die Bewertung der Finanzvermögen und
3.
Die Kontrolle des Gebrauchs von Spargeldern.
Diese vorherrschende Vermittlung
bei der Errichtung eines neuen Akkumulationsregimes beschreibt Aglietta folgendermaßen:
„Untereinander abhängige Marktsegmente bilden zusammen einen Großmarkt der weltweiten
Liquidität. Dort werden Devisen getauscht, Profile der Risiken und Fälligkeiten
von Wertpapieren umgestaltet, die Schranken zwischen bankgeschäftlichen und
nichtbankgeschäftlichen Aktivitäten niedergelegt. Diese mikroökonomischen Innovationen
haben spektakuläre makroökonomische Auswirkungen. Es entsteht eine Vielzahl
von finanziellen Abhängigkeiten zwischen den Ländern durch die ... (Ausnutzung
von Kursunterschieden im Börsengeschäft –d. Verf.), der Zinssätze, die Devisenspekulationen
sowie internationalen Schuldner- und Gläubigerstellungen. Diese finanzielle
Konstellation breitet sich in dem Maße, wie neue kapitalistische Länder ihre
Währung konvertibel machen und ihre Finanzsysteme deregulieren, über die Welt
aus.“(51) Die relative Bedeutung der realen Produktionsströme nimmt demnach
im Verhältnis zu den z.T. nur virtuellen Finanzaktivitäten ab.
Die Fundamente eines neuen Akkumulationsregimes
sind für Aglietta nun „die Vorherrschaft der Konkurrenz, die Unternehmenskontrolle
durch die institutionellen Anleger, das bestimmende Kriterium des Profits und
die Kapitalisierung an der Börse.“(66)
Diese Art der Aussage ist signifikant
für wesentliche Teile des Buches. Allgemeinste Grundsätze, die durch ihre immense
Tragweite der Ausführung bedürfen, bleiben zumeist -wie hier- eine Art Selbstverständnis
ohne weitere Ausführung.
Da Unternehmen aus Agliettascher
Sicht immer weniger durch eigene Organisation, sondern durch die Renditeerwartung
von Pensionsfonds bestimmt werden, versuchen sie diesem Druck durch Investitionen
in Technologien, die insbesondere die ungelernte Arbeit ersetzen, zu verringern.(69)
Aglietta sieht in diesem
Zusammenhang folgende Regulationsprinzipien als charakteristische an, und formuliert
nach der Beschreibung allgemeiner postfordistischer Zusammenhänge verstärkt
Ansätze zur Aufrechterhaltung eines kohärenten sozialen Systems innerhalb eines
globalisierten Kapitalismus:
-
„das Übergewicht der finanziellen Bindung
also der Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmerschaft und ihrer Teilnahme am Eigentum,
spiegelt sich in stärkeren Lohndifferenzierungen wider;
-
die Regeln der Einkommensverteilung
orientieren sich nicht mehr an der volkswirtschaftlichen Branchenstruktur,
sondern an den transnationalen Unternehmen ...;
-
das Kriterium der Eigenkapitalrendite
unter dem Druck der finanziellen Globalisierung tritt an die Stelle der aus
Verhandlungen hervorgehenden Verteilung der Produktivitätsgewinne nach den
nationalen Normen des Anstiegs der Reallöhne.“(69)
Die bisher von Aglietta
skizzierten Entwicklungsverläufe bedürfen seiner Ansicht nach einer sozialen
Korrektur, die lediglich darin liegen kann „die gemeinschaftlichen Fundamente
des Produktivitätszuwachses zu errichten, um hoch bezahlte Arbeit zu hohen Preisen
zu verkaufen“.(70) Da aber nun „die gemeinschaftlichen Quellen der Produktivität
durch die Unternehmen mit dem Ziel der Kapitalakkumulation ausgebeutet werden,
ohne von ihnen in großem Umfang selbst geschaffen zu sein, kommt den Staaten
eine große Verantwortung zu.“(71) Worin bestehen nun für Aglietta diese Verantwortung
der Staaten?
Wesentliche Staatsaufgaben
bestehen für ihn darin, eine Kombination von öffentlicher und privater Finanzierung
zu initiieren, „um eine latente Nachfrage zahlungsfähig zu machen, die zur Schaffung
von Arbeitsplätzen führt“(73) sowie als investierender Staat u.a. durch Engagement
„in Ausbildung, Pflege und Erneuerung von menschlichen Ressourcen“(73) einen
Beitrag zum Wachstum zu leisten, wobei „keine Investition ohne Evaluierung
der Wirtschaftlichkeit“(73) getätigt werden sollte. Er befürwortet desweiteren
den Staat in seiner antizyklischen Verantwortlichkeit „im Rhythmus des technischen
Fortschritts“(74) zur „Verbesserung der Qualität und Flexibilität der Beschäftigungen
..., die nach erhöhten Wachstumsraten strebt.“(74)
Diese von ihm vorgeschlagenen
Regulationsprinzipien sollen vereinbar sein mit einer globalisierten Ökonomie
und sollen die seit den 80erJahren sich ausweitenden Ungleichheiten und Schwächungen
der Solidarität beseitigen.
Die Bürger des neuen Akkumulationsregimes sollen
hochproduktive Arbeit leisten und im Gegenzug von Seiten der Nation hochwertige
Lebensbedingungen bereitgestellt bekommen, u.a. mit dem Ziel, durch diesen sozialen
Fortschritt die Nation zu stärken, „damit sie sich die Möglichkeiten des globalen
Kapitalismus zunutze machen kann.“(79) Der Gefahr der hierbei von ihm gesehenen
Ausgrenzung soll trotz Verwirklichungsschwierigkeiten durch eine Art gesellschaftlichen
Minimalkonsens eines moralischen Imperativs der Bürger und eines kategorischen
Imperativs des Staates begegnet werden. Aglietta kommt so zu seinem institutionellen
Fixpunkt des neuen Regulationsmodus. Dieser ist „im Herzen eines erneuerten
sozialdemokratischen Projektes angesiedelt.“(79) Eine „Umgestaltung der Struktur
der Besteuerung, mit dem auch die Tätigkeiten mit dem niedrigsten Grenznutzen[5] rentabel gemacht werden können“(81) sollte hierbei
ebenso ein zentralen Projekt sein, wie die Existenz eines garantierten Mindesteinkommens.
Dem Staat kommt so eine
entscheidende Rolle zu, „damit das neue kapitalistische Akkumulationsregime
die Arbeitsgesellschaft wieder auf den Weg des sozialen Fortschritts bringt.“(85)
Fordistische Wesensmerkmale
sollen also auch im neuen Akkumulationsregime zur Lösung sozialer Probleme angewendet
werden: Zum einen ein erneuter Zuwachs der Produktivität, um das Wachstum zu
steigern, und zum weiteren ein zwar modifizierter aber immer noch starker Staat.
Agliettas Veränderungsvorschläge
zielen demnach –trotz der von ihm erkannten Ausbeutungsqualitäten- nicht darauf
ab, kapitalistische Akkumulation als solche in Frage zu stellen. Im Gegenteil,
eine von Wachstum getragene Zunahme der Durchkapitalisierung der Gesellschaft
gepaart mit einer modifizierten „Sozialstaatsvariante“ soll zukünftige Perspektiven
aufzeigen.
Allein diese Passagen
in Agliettas Buch liefern Anlass zu einem Ausmaß an Kritik, die hier nicht angemessen
bearbeitet werden kann. Aus diesem Grund deute ich im Folgenden lediglich eine
Kritik an der hier formulierten Produktivkraftentwicklung so wie am Agliettaschen
Staatsverständnis an.
Zur Produktivkraftentwicklung: Sie scheint hier,
wie auch im weiteren Verlauf für Aglietta eine Kategorie zu sein, die frei ist
von jeglichen ökologischen und sozialen Implikationen. Er ignoriert somit objektive
Zusammenhänge zwischen Natur und Ökonomie[6] sowie zwischen den Staaten der OECD und den Staaten
des Trikonts. Trotz der Evidenz eines notwendigen Zusammenhangs zwischen Produktivkraftsteigerung,
Wachstum, Entropie[7],
Stoffverbräuchen, Schadstoffen und Naturzerstörung ignoriert Aglietta diesen.[8]
Er plädiert demnach für eine Ökonomie, die durch ihre inhärente Logik naturdestruktiv
ist und befürwortet so implizit ein Zusammenspiel von kapitalistischer Ökonomie
und Staat, welches Natur entsprechend der kapitalistischen Logik einer Endlosverwertung
als ewige Quelle von Stoffen und Senken von Schadstoffen ansieht. Ebenso bleibt
die Problematik einer möglichen Überproduktion unberücksichtigt.
Vergleichbar hierzu ist seine Ignoranz der globalökonomischen
Beziehungen zwischen Kern und Peripherie. Globalökonomische Beziehungen sind
im Fordismus wesentlich durch eine Struktur von Rohstoffexport- und Industrienationen
geprägt. Arrighi konstatierte schon 1991 eine Divergenz der Bruttosozialprodukte
der beiden o.g. Staatengruppen[9] u.a. mit den Folgen massiv sich verfestigender
Armut in den Staaten des Trikonts. Wesentliche Ursachen hierfür liegen demnach
auch in der globalökonomischen Struktur, da die Massenproduktion des Fordismus
mit steigender Produktivkraft steigenden Zugriff auf Rohstoffe erforderte und
diese Nationen in der globalökonomischen Struktur als Rohstoffexporteure asymmetrisch
festigten. Eine identische Praxis der erneuten Erhöhung der Produktivkraft zur
Wachstumssteigerung in den OECD-Staaten hat bisher und würde im neuen Akkumulationsregime
Agliettascher Prägung diese Tradition der Ausbeutung der Trikontregion fortsetzen[10].
Zum Agliettaschen Staatsverständnis:
Weist sein Staatsverständnis einerseits erhebliche Parallelen zum fordistischen
Staat auf, wie z.B. antizyklisches Eingreifen in sozioökonomische Prozesse zur
Steigerung der Nachfrage, weist es andererseits auch Charakteristika auf, die
sich von ihm unterscheiden. Hervorheben möchte ich hierbei zwei Komponenten:
Die unmittelbarere Rückgebundenheit staatlicher Investitionen an ökonomische
Rentabilitätskriterien, so dass der neue „Sozialstaat“ primär zum Erfüllungsgehilfen
allgemeiner Kapitalinteressen wird. Zum weiteren die Betonung einer Stärkung
des Nationalen. Der Begriff wird zumeist in skizzenhaften und allgemeinen
Zusammenhängen zu globalisierten Wettbewerbsbedingungen der global agierenden
Unternehmen verwendet, in der die Stärkung der Nationen im Zusammenhang zur
Bewahrung sozialer Standards thematisiert wird. Die Nationen existieren so im
Kontext globaler Konkurrenzverhältnisse als bedrohte und zumindest nach außen
zu schützende Wirtschaftsstandorte. Die in diesem Kontext bestehende Gefahr
des Aufkommens nationalistischer Tendenzen mit ihren Folgen wird ebenso ignoriert,
wie die zuvor genannten Bereiche.
Nach diesem u.a. die Natur
und den Großteil der Weltbevölkerung ignorierenden Plädoyer für Wachstum und
Sozialstaat in den bisher fordistischen Regionen der Welt, beginnt Aglietta
den zweiten Teil seines Buches. Er thematisiert hier erneut in zumeist zeitlich
unbestimmter Abfolge das unter dem Einfluss der Globalisierung von ihm so genannte
‚neue Akkumulationsregime’ sowie die Perspektiven einer neuen Regulationsweise
mit seinem Zentrum, dem Staat.
Die aus der Arbeitsteilung hervorgehende Globalisierung
und die technischen Fortschritte erhöhen also die Produktivität. Die „Mobilität
der Faktoren“(88) führt hierbei zur Maximierung des Gesamtprofits, wodurch Unternehmen
eine Wettbewerbsfähigkeit erlangen, „... die sie von den Nationen, in denen
sie entstanden sind, ablöst. Auf diese Weise geraten die nationalen sozialen
Systeme, die nicht in den Globalisierungsprozess eingebunden sind, unter Wettbewerbsdruck“(88)
Parallel hierzu haben Investitionen in die Unternehmensorganisation das Ziel
u.a. durch die „Auslagerung von Dienstleistungen und Umwandlung hierarchisierter
Strukturen in multifunktionale Einheiten, die durch Informationsnetze miteinander
verbunden sind“(89) Produktionskosten zu senken. „All diese Veränderungen finden
unter der Ägide der internationalen Aktionäre statt.“(89) Durch die systematische
Reduzierung der Lohnkosten wird hierbei „die Ungewissheit über die Ergebnisse
der Innovationen und die Ansprüche der Aktionäre ... auf die Lohnabhängigen
abgewälzt.“(89) Die gewinnabhängigen Lohnbestandteile wachsen.
Aglietta bezeichnet den
aus diesem neuen Akkumulationsregime resultierenden Verlust von Arbeitsplätzen
zwar als Problem. Wenn aber die destruktiven Potentiale dieser Neuerungen sich
erschöpft haben und ein Regulationsmodus imstande ist den Kräften der Globalisierung
etwas entgegenzusetzen, kann sich „gegebenenfalls von neuem ein beständiges
Akkumulationsregime etablieren und wieder von neuem eine stabile Beziehung zwischen
Beschäftigung und Wachstum zum Vorschein kommen“(90) denn die Umstrukturierungen
sind „Versprechen zur Produktion zukünftiger Reichtümer für die Gesamtheit
einer Volkswirtschaft.“(90)
Wachstum und Profitabilität
unter den Zwängen globaler Kapitalverhältnisse werden somit erneut als Maßstab
und Ziel einer nun postfordistischen Gesellschaft formuliert. Offen bleibt aber
nach der Beschreibung der allgemeinen ökonomischen Zusammenhänge des neuen Regimes
die Konkretion der Lösung der daraus folgenden sozialen Probleme, so dass in
der hier verwendeten Wortwahl Agliettas, wie z.B. gegebenenfalls oder Versprechen
m.E. eine fehlende analytische Qualität zum Vorschein kommt und die Lösungsvorschläge
der mit der Globalisierung auftauchenden sozialen Probleme m.E. über Hoffnungsformulierungen
nicht hinauskommen.
Damit die Ziele eines
erfolgreichen Kapitalismus erreicht werden, bedarf es der Erhöhung der Kapitalproduktivität
nach US-amerikanischem Vorbild. Informations- und Organisationsinvestitionen
sollen weiterhin die geistige Arbeit in den Dienstleistungssektoren durch erhöhte
Kapitalintensität und Arbeitsproduktivität revolutionieren. Die Technologie
der EDV erweitert demnach das Dienstleistungsspektrum, wodurch Lohnarbeitsplätze
entstehen sollen und ein neuer ökonomischer Boom initiiert werden soll. „Die
EDV-Technik intensiviert die Kopfarbeit, indem sie die verschiedenen Formen
der Abstraktion der Arbeit in die gleiche logische Struktur bringt .... Dadurch
wird es möglich eine Verkettung von Arbeitsabläufen ... zu organisieren, wobei
technische und soziale Innovationen eng miteinander verbunden werden.“(93)
Die zunehmende Adaption
von verschiedenartigen bzw. heterogenen Denkmustern an eine äußere technische
und somit versachlichte Logik wird hier als neue Form der Produktivität insbesondere
im dritten Sektor als Zielsetzung eines neuen Akkumulationsregimes affirmiert.
Ob diese Entwicklung -ähnlich wie die Einführung der tayloristischen Arbeitsorganisation-
zu einer neuen Qualität der reellen Subsumtion führt bleibt ebenso außerhalb
der Agliettaschen Betrachtung, wie die Prüfung, ob durch eine Verinnerlichung
von fremden Denkmustern die Gefahr einer neuen Entfremdungsqualität entstehen
kann.
Eine Sättigung der Nachfrage
im Dienstleistungssektor ist für Aglietta ausgeschlossen, da sie sich seines
Erachtens immer weiter diversifizieren kann. Dienstleistungen sind in seinem
Sinne dann auch keine reinen Waren mehr, sondern schaffen soziale Bindungen.
Wachstumsgarant soll so eine Kommodifizierung des dritten Sektors, und somit
eine Ökonomisierung sozialer Beziehungen nach Kriterien kapitalistischer Verwertung
werden.
Selbstverständlich ist
es theoretisch möglich, dass der Dienstleistungssektor sich nahezu endlos ausweiten
kann, insbesondere dann, wenn es ArbeiterInnen gibt, die z.B. dafür bezahlt
werden, einem die Schuhe zu putzen, die Tür aufzuhalten oder -wie Aglietta es
anstrebt- bisherige klassisch familiäre Aufgaben zu übernehmen. Demnach denkt
und behandelt Aglietta aber gesellschaftliche Beziehungen nur noch als marktvermittelte.
Eine damit verbundene Auflösung von emotional motivierten sozialen Beziehungen,
womit u.a. die Gefahr einer zunehmenden sozialen Entfremdung und Degradation
menschlicher Beziehungen einhergeht, wird von Aglietta mit keinem Wort thematisiert.
Ebenso bleibt offen, was mit den Menschen passiert, die sich diese Dienstleitungen
nicht leisten können.
Das bisher von ihm entwickelte
neue Akkumulationsregime nennt Aglietta nun, ohne durchgängig stringente Herleitung
aus dem vorherigen, das Akkumulationsregime des Vermögensbesitzes. Es soll die
„ausschlaggebende Rolle der Geld- und Kapitalmärkte, die den Reichtum der Haushalte
bei der Bestimmung der makroökonomischen Gleichgewichte ausmachen“,(94)
kennzeichnen. Signifikant
für dieses Regime ist zudem die Ausweitung der Kapitalbeteiligung der ArbeitnehmerInnenschaft.
So wird die Unternehmenskontrolle durch sie wesentliche Regulationsinstanz
dieses Akkumulationsregimes, in der der Aktiengewinn die „Leitvariable“ der
Unternehmen darstellt. Die Teilhabe der ArbeitnehmerInnenschaft an Unternehmen
erzeugt zudem ein verstärktes Interesse am Kapitalwachstum. War im Fordismus
die Kopplung der hohen Löhne mit der Steigerung des Massenkonsums ein wesentlicher
Kohärenzfaktor der sozialen Verhältnisse, soll nun ein Interessenseinklang von
Lohnabhängigen und UnternehmerInnen durch diese Teilhabe erzeugt werden.
Im Idealfall schlägt sich
die erreichte Verringerung der Produktionskosten hierbei in Preissenkungen nieder.
Die dadurch ermöglichte Dividendenausschüttung führt zum Anstieg der Börsenkurse.
Das Wachstum der Haushaltsvermögen und das Sinken der Warenpreise führt dann
zur erwünschten Konsumsteigerung, was wiederum die Dienstleistungspalette weiter
diversifiziert. Als Achillesferse dieses Akkumulationsregimes nennt Aglietta
beiläufig lediglich die finanzielle Instabilität.
Bei der z.T. in euphemistischer
Rhetorik gehaltenen Darstellung eines zukünftigen Akkumulationsregimes, zeigt
sich m.E. spätestens hier Agliettas Absicht: das Primat eines funktionierenden,
global agierenden und konkurrenzfähigen Kapitalismus, der die damit verbundenen
sozialen Probleme durch eine staatszentrierte Politik mit neokeynsianistischen
Elementen reguliert. Die von ihm sogenannte „Achillesferse“ zielt dementsprechend
auch nur darauf ab, die Funktionsfähigkeit des Kapitalismus zu thematisieren
und nicht z.B. die mit diesem Gesamtsystem verbundene Naturzerstörung, potentielle
Degradation sozialer Beziehungen oder die zunehmende Verarmung großer Teile
der Weltbevölkerung.
Die Dynamik des Akkumulationsregimes
des Vermögensbesitzes entsteht aus der Diversifikation der Dienstleistungen
und aus der Produktionsinnovation mit kurzen Zyklen. Da die Verlustrisiken bei
den Innovationsinvestitionen relativ hoch sind, plädiert Aglietta für eine Entdramatisierung
des Konkurses z.B. durch Risikoinvestitionsfonds. Zur Gewinnung von innovationsfähigen
Arbeitskräften bedarf es des „Austauschs zwischen der Forschung und den Innovationsanstrengungen.“(100)
Die zentrale Kategorie
des neuen Akkumulationsregimes, die den Ausgleich zwischen den Ansprüchen des
Profits und den Bedürfnissen nach Zusammenhalt und Fortschritt in den Arbeitsgesellschaften
schafft, ist auch hier das Wachstum.(103)
Mit diesem Regime verbinden
sich zwar Risiken für die Lohnabhängigen, denn „durch die Logik der Kapitalakkumulation
selbst verwandelt sich die prinzipielle Gleichheit der Einzelnen beim Handelsverkehr
in ihr Gegenteil, den ... Druck einzelner auf andere, jene, die etwas besitzen
auf jene, die nichts besitzen.“(104) Diese sollen aber durch staatliche Interventionen
verhindert werden. Dies ist seines Erachtens erforderlich, damit die ‚Zustimmung
der Bürger’ zu diesem Akkumulationsregime erreicht wird.
Für Aglietta sind es neben
dem Staat ‚die Linken’, die diese Zustimmung bzw. die soziale Bändigung des
globalisierten Kapitalismus erreichen sollen. Diese –so wie er es nennt- Erneuerung
der Sozialdemokratie, die er als sozialen Liberalismus bezeichnet, soll „eine
Konzeption des sozialen Fortschritts ... erarbeiten, die mit dem Regime des
Vermögensbesitzes zusammenpasst, vor allem aber mit der Globalisierung und der
Ausrichtung des technischen Fortschritts auf die Dienstleistungen.“(107)
‚Linke’ Inhalte sollen
also darauf abzielen, unter dem Primat eines globalen Kapitalismus soziale Freiräume
zu erkämpfen. Gegenstand einer ‚linken’ Gesellschaftstheorie wäre somit nicht
mehr die radikale Kritik an der Praxis einer kapitalistischen Akkumulationslogik
und den damit - von Aglietta ignorierten - inhärenten Problemen mit dem Ziel ihrer
Überwindung. Ein Arrangement mit systemischen Sachzwängen der Globalisierung
soll dem entgegen Ziel und Inhalt eines umfassenden Projekts zusammenwirkender
linker Gruppierungen und Institutionen werden.
Historische Entwicklungen finden demnach ausschließlich
innerhalb kapitalistischer Verhältnisse statt, wodurch Aglietta m.E. dahin tendiert,
diese Verhältnisse zu einer unüberwindbaren zweiten Natur zu erklären und damit
einen Nährboden für ein ahistorisches Bewusstsein von Gesellschaft erzeugt[11].
Würde dieses linke Projekt Agliettascher Prägung real werden, wäre ein Engagement
zur Überwindung kapitalistischer Verhältnisse zumindest von linker Seite nicht
mehr existent. Die Ausblendung von jeglichen Alternativen zu den dann herrschenden
Verhältnissen gepaart mit einer Ignoranz gesellschaftlicher Wirklichkeit, erhielte
so den Charakter einer Selbstbeschränkung des Denkens[12].
Die Potenz einer neuen
Entfremdungsqualität, die mit einem neuen Akkumulationsregime verknüpft ist,
wäre demnach mit einer Regulationsweise gepaart, die in ihrer ideologischen
Wirkung auf eine internalisierte Diktatur hinausläuft. Dieses würde m.E. auf
eine neue Qualität von Entmenschlichung der an eine neue Akkumulationsstrategie
adaptierten Subjekte hinauslaufen und die Transformation vom Status der Subjektautonomie
zum Status des Humankapitals befördern.
Die Fixierung gesellschaftlicher
Konflikte auf das Verhältnis Individuum Gesellschaft negiert zudem die Relevanz
eines Klassenverhältnisses zwischen Lohnabhängigen und MehrwertempfängerInnen
und nivelliert dieses so zu individuellen Verhältnissen zwischen StaatsbürgerInnen.
Diese Agliettasche Konstruktion
des Konzepts sozialen Fortschritts, der auch Projekt gesellschaftlicher Integration
sein soll, stößt seiner Ansicht nach nun auf drei grundlegende Probleme:
Die Arbeitsverfassung, die
zwischen dem Versuch der Beschneidung der sozialen Rechte durch einflussreiche
ArbeitgeberInnen und der Verkündung des Endes der Arbeit von ‚ultralinken
Kreisen’ - die des weiteren aber nicht näher thematisiert werden - in Frage
gestellt wird.
Der neue Regulationsmodus
muss seiner Ansicht nach dem entgegen die Flexibilitätserfordernisse des neuen
Akkumulationsregimes und soziale Sicherheit miteinander vereinen. Die
Arbeitsplatzsicherung soll hierbei von einem Konzept der Beschäftigungssicherung
ersetzt werden, in der vielfältige Beschäftigungsformen aufeinanderfolgen können.
Ein Sockel von Mindestrechten, wie z.B. Weiterbildung, Zeitkonten und Sozialleistungen
soll hierbei garantiert werden. Dieses erscheint Aglietta nicht unproblematisch,
so dass es ihm notwendig erscheint, „dieses Konzept und seine rechtliche Formulierung
im Begriff der Kontinuität des Lohnabhängigenstatus als Träger von Rechten
im Wirtschaftsleben auch Wirklichkeit werden“ zu lassen.(115) Ziel ist hierbei
die Schaffung eines beruflichen Rechtsstatus der Lohnabhängigen.(115)
Aglietta verzichtet in
diesem Buch fast ausnahmslos auf die Kategorie der Klasse zur Analyse von gesellschaftlichen
Verhältnissen. Wenn es z.B. um unterschiedliche Interessen, Lebenslagen, sozialen
Praxen oder dem Zugang zur Macht geht, wenn es also potentiell um die Frage
der Überwindung von bestimmten Verhältnissen geht, bemüht er seine Konstruktion
des Verhältnisses zwischen Individuum und Gesellschaft. Geht es aber um den
Erhalt bzw. um den Ausbau von Kapitalverhältnissen, plädiert er durch die Forderung
der Fixierung eines Lohnarbeitsstatus, also der Notwendigkeit des Verkaufs der
Arbeitskraft, implizit für eine Festigung von ökonomischen und sozialen Machtverhältnissen,
indem er die Klassenkategorie des Lohnarbeiters anwendet, um diesen Status und
somit die Kontinuität von Klassengesellschaften zu festigen.
Fundiert werden soll dieser Status
durch Bildungsinvestitionen bzw. durch ein Konzept des lebenslangen Lernens,
der die Schule und das Unternehmen enger miteinander verbindet und das Ziel
hat, die Beschäftigungsfähigkeit durch eine stringentere Einbettung des Bildungssystems
in das Berufsleben zu verbessern.(118)
Dieses Ziel, die Adaptionsfähigkeit
der Subjekte an kontinuierlich sich verändernde Verwertungsbedingungen zu gewährleisten,
impliziert m.E. nicht nur einen Freiheitsverlust. Dieses muss auch eine Dominanz
von Bildungsinhalten implizieren, die darauf abzielen, Innovation und Kreativität
in den Dienst des neuen Akkumulationsregimes zu stellen, wodurch menschliche
Potentiale einem Bewertungsmaßstab von Kosten-Nutzen Relationen unterworfen
werden. So bleiben z.B. kritische Intelligenz oder emotionale Kreativität, die
sich nicht kapitalistisch verwerten lassen grundsätzlich außerhalb einer Förderungspolitik
und mit der zuvor beschriebenen Selbstbeschränkung des Denkens wird nur ein
Kapitalinteresse tragendes Bewusstsein befördert.
Das Kapitaleigentum der Unternehmen,
das sich durch die Vermittlung der institutionellen Anleger entwickelt, ist
nun nach Aglietta in diesem Akkumulationsregime gesellschaftliches Eigentum,
denn „seine Gegenleistung bilden die Altersversorgungsansprüche der Bevölkerung.“(108),
was sich hinsichtlich des Alterns der Gesellschaftsmitglieder als problematisch
darstellt.(108)
Ausgehend von einem „demographische(n) Gegenschlag[13] wirkt sich (dieser
- d. Verf.) auf den Regulationsmodus vor allem über seine Folgen für die Entwicklung
der Ersparnisse aus.“(120) Bis in die 90er Jahre hinein stieg die Sparquote,
was für Aglietta „Ausdruck einer langfristigen Erhöhung des Vermögens im Vergleich
zum Einkommen“ ist.(120) Durch die sich nun ändernde Struktur der Ersparnisse,
nämlich zu Sammelfonds oder institutionellen Anlegern, wächst der Anteil von
Aktien am Geldvermögen der Haushalte. Das hieraus entstehende Problem ist somit
die Gestaltung der Politik,
die auf das veränderte Akkumulationsregime einwirken muss, sowie das Problem
der Unternehmenskontrolle durch die Zunahme der institutionellen Anleger.
Aglietta geht des weiteren
davon aus, dass bei unveränderten Parametern zur Rentenfestsetzung und der
Erhöhung der Nichterwerbstätigenquote ein Einkommenstransfer zwischen den Generationen
zugunsten der Nichterwerbstätigen und zum Nachteil der Erwerbstätigen stattfindet.
Hieraus entsteht seiner Ansicht nach eine „Epoche heftiger Verteilungskonflikte“(122),
der dann mit Wachstum begegnet werden muss, um soziale Konflikte zu dämpfen.
Die von Aglietta hier
geschilderten Prozesse gehen also längerfristig von einer Gesellschaft aus,
in der eine demographische Zunahme von VermögensbesitzerInnen hegemonialen Charakter
erhält und diese BesitzerInnen erheblichen Einfluss auf die Kapitalbewegungen
gewinnen.
Abgesehen davon, dass wesentliche Aspekte dieser
Entwicklungen auf einer Reihe von hypothetischen und unklar formulierten Grundlagen
fußt, auf die ich hier im einzelnen nicht ausführlicher eingehe[14],
werden auch hier wieder Großteile der Bevölkerung ausgelassen. So kristallisiert
sich das neue Akkumulationsregime immer mehr als eines heraus, was lediglich
bestimmte gesellschaftliche Gruppen einschließt, und in der das wesentliche
Konfliktpotential nur eines zwischen den Generationen sein wird, insbesondere
wenn sich „eine Generation weigert“(123), diesen Regulationsmodus zu akzeptieren.
Unklar bleibt hier, was so etwas wie eine sich weigernde Generation sein soll.
Aglietta schließt aus
seinen Positionen nun, „dass die Entwicklung des Akkumulationsregimes des Vermögensbesitzes
im nächsten Jahrzehnt zweckmäßig und zugleich notwendig ist.“(122)
Das Verteilungssystem
ist hierbei ein wichtiger Faktor des sozialen Zusammenhalts, um die Risiken
zwischen den Generationen gegenseitig zu verteilen. Das soll „durch eine Ausgleichung
der Ansprüche und der Leistungen, die einem Prinzip der nationalen Solidarität
folgt, erreicht werden. Die Kapitalisierung ist notwendig, um eine langfristige
Glättung des demographischen Gegenschlags zu bewirken.“(125)
Ebenso wie die zuvor genannte
Stärkung des Nationalen erfordert das Begriffspaar der nationalen Solidarität
nähere Ausführungen, die von Aglietta in diesem Buch aber nicht gebracht werden.
Klar scheint allerdings, dass die Internationalität von globalen Kapitalisierungsprozessen
durch ein „Prinzip nationaler Solidarität“ zur Wahrung sozialer Rechte seine
regulative Entsprechung erhalten soll. In diesem auch als Gegenüberstellung
bzw. Gegenmaßnahme interpretierbaren Verhältnis liegt m.E. ein Keim der Entstehung
von AusländerInnenfeindlichkeit sowie nationaler Überheblichkeit, insbesondere
wenn diese Gegenüberstellung mit der Wahrung sozialer Rechte verknüpft wird.
„Dass die Rechte kapitalisiert
sind, anstatt direkt als soziale Transfers verteilt zu werden, ändert nicht
den Charakter einer sozialen Bindung. Es sind erworbene Rechte an der Gesellschaft
als Gegenleistung für Dienste, die im Laufe des Erwerbslebens erbracht worden
sind“ und staatlich kontrolliert werden.(128)
Mit anderen Worten: Wer
nicht die Chance hatte, seine sozialen Rechte zu kapitalisieren bzw. wenn im
Laufe des Erwerbslebens aus kapitalistischer Sicht nicht ausreichend geleistet
werden konnte, vermindert sich oder verfällt der Anspruch auf Sozialleistungen.
Die mit der Erhöhung der Produktivkraft verbundene Steigerung der organischen
Zusammensetzung des Kapitals mit dem Zweck unter globalen Konkurrenzbedingungen
Extraprofit zu erzielen, führt so dazu, dass freigesetzte Arbeitskräfte am Ende
ihre Erwerbslebens ggf. durch sogenannte Ausfallzeiten auch noch später wirksam
werdende soziale Rechte verlieren. Erwerbslosigkeit gefährdet demnach also auch
in Zukunft eine gesicherte Altersversorgung.
Mit Agliettas Rat an die Gewerkschaften,
„sich die Logik des Akkumulationsregimes des Vermögensbesitzes“ (131) anzueignen
und so den Beginn eines gesellschaftlichen Kapitaleigentums in einer erneuerten
Arbeitsgesellschaft mitzubefördern, schließt er diesen Abschnitt. Dieses zielt
m.E. darauf ab, durch eine ideologische Einbindung der Gewerkschaften in einen
homogenen Block, die Transformation der ‚Linken’ zu einer systemaffirmativen
Einheit voranzutreiben.
Das dritte Problem bezeichnet Aglietta
nicht etwa als die fehlende Chancengleichheit oder als die fehlende Gleichberechtigung
der Frauen, sondern als die Gleichheit der Geschlechter.(108) Die Beschäftigung
weiblicher Arbeitskräfte ist für ihn „der mächtigste Faktor der Zivilgesellschaft
und eine ungeheure soziale Innovationskraft“.(108) Da nun tradierte Werte dieses
Potential bremsen und Arbeitgeber die „Beschäftigung weiblicher Arbeitskräfte
... diskriminieren“(108), sieht er die gesellschaftliche Frauenförderung als
das entschiedenste Gestaltungselement des Regulationsmodus. Hier liegt für
ihn der größte Reichtum an zukünftigem Fortschritt. Er konstatiert, dass bisher
in keinem Land und in keinem Beruf die Parität verwirklicht ist. „... die Diskriminierung
ist um so größer, je näher man den Machtstellungen kommt.“(134) Dieser treffenden
Analyse folgt nun eine Herausstellung der weiblichen Qualitäten, die Frauen
für das neue Akkumulationsregime brauchbar machen.
Frauen haben sich seines
Erachtens gut in das neue Akkumulationsregime eingefügt. Sie „sind sehr flexibel,
sie akzeptieren Teilzeitbeschäftigung und niedrig entlohnte Arbeiten ...“.(134)
Die Chancengleichheit
zwischen Männern und Frauen ist zudem vielversprechend für das neue Akkumulationsregime,
da „eine Gesellschaft, in der alle Frauen Zugang zur finanziellen Selbständigkeit
erhalten, als Verbrauchseinheit das Individuum und nicht mehr die Kernfamilie
hätte“.(137) Diese Gesellschaft würde seiner Ansicht nach die Emanzipation von
persönlicher Unterordnung verwirklichen und m.E. diese Unterordnung durch strukturelle
Zwänge dieser Ökonomie ersetzen. Die Vielfalt des Konsums würde dadurch in hohem
Maße gesteigert.(137) Hierzu zählen primär der Ersatz und die Unterstützung
von Familienaufgaben, wie z.B. Kinderpflege, Reinigungs- oder Wärterdienste.
Nicht die Frage, wie das
neue Akkumulationsregime den bisher diskriminierten Frauen zur Befreiung dienen
kann, sondern umgekehrt, wie und warum Frauen sich dem neuen Regime ein- bzw.
unterordnen können wird z.T. in fast zynischer Weise affirmiert. Hierdurch wird
nicht nur erneut dem Primat des Profits als unumstößliche Macht zugestimmt sowie
Agliettas grundsätzliche Zustimmung zu diesem Regime offensichtlich, sondern
auch eine Begründung für eine Aufhebung dieser Diskriminierung deutlich: der
Dienst der Frauen für das globalagierende Kapital.
Er plädiert des weiteren
für eine Arbeitsteilung in den Haushalten und bei der Kindererziehung. Um dem
Sinken des Anteils der Erwerbstätigen an der Bevölkerung entgegenzuwirken gibt
es seiner Ansicht nach nur drei Wege: „die Wiederaufnahme einer massiven Immigration,
die Heraufsetzung der Altersgrenzen für den Rentenbezug und die Ausweitung
der weiblichen Arbeit.“(136) Sind die ersten beiden Positionen mit denen derzeitiger
sozialdemokratischer EntscheidungsträgerInnen nahezu identisch und zielen letztlich
auf die Erhöhung des Profits ab, sollen Frauen demnach also in gleicher Weise,
wie Männer in dieses neue Akkumulationsregime eingebunden werden, wobei die
bisher überwiegend von Frauen verrichteten Tätigkeiten nun paritätisch geteilt
werden sollen. Die Grundlage dieser veränderten neuen Arbeitsgesellschaft ist
die „kooperative Familie mit der beruflichen Doppelkarriere“(138)
Auch hierbei soll der
Staat mitwirken. Vorbildhaft ist für Aglietta hierfür die sozialdemokratische
Partei Schwedens, die es durch öffentliche Investitionen ermöglicht, Frauen
ihre Karriere zu verfolgen und gleichzeitig die Geburtenrate hoch zu halten.
So kann man seines Erachtens eine Arbeitsgesellschaft entwickeln, die auf der
kooperativen Familie mit doppelter Karriere basiert. Da die Realisierung von
Karrieren im neuen Akkumulationsregime aber nun wesentlich von der Adaptionsfähigkeit
der Einzelnen an die Mobilität des Kapitals abhängt, muss Agliettas Familienverständnis
hinterfragt werden. Wie sollen familiäre Bindungen aufrechterhalten werden,
wenn eine Doppelkarriere z.B. Mobilität der Familienmitglieder in verschiedene
geographische Richtungen erfordert? Welche neuen sozialen Qualitäten entstehen
aus einer sich im Fordismus gefestigten und nun ggf. sich auflösenden Kleinfamilie?
Aglietta ignoriert diese Fragen. Ebenso unterlässt er eine eingehende Prüfung
der realen Verwirklichungsbedingungen dieser kooperativen Familie mit beruflicher
Doppelkarriere und der damit verbundenen Implikationen.
Was das wesentliche des neuen Akkumulationsregimes ist,
wird abschließend folgendermaßen zusammengefasst:
„Im Regime des Vermögensbesitzes sind die Preise der gewöhnlichen
Güter einer internationalen Festsetzung unterworfen. Der Zwang des Wettbewerbs
einerseits, die Anforderung der Aktionäre andererseits wälzen die Anpassungen
auf die Lohnkosten ab. In ihm ist das Wachstum abhängig von der Kapitalwirtschaft
im Dienste der Maximierung des durch Aktien erzielten Profits. Die Investitionen
in die Unternehmensorganisation senken Kosten und Verringern die ... Lagerbestände.
Die Produktionsinnovationen schaffen Profite, die es erlauben Dividenden auszuschütten,
und den Anstieg der Börsenkurse ankurbeln. Die Entwicklung der Kapitalbeteiligung
der Arbeitnehmerschaft erhöht das Vermögen der Haushalte. Die Wirkung des Vermögens
und der Einkommen aus Vermögen verbinden sich mit der Preissenkung, um den Konsum
anzuregen. Somit bildet sich der Profit, der die von den Aktionären beanspruchte
Eigenkapitalrendite für gültig erklärt.“(142)
Eine Wechselwirkung von steigenden Dividenden aus Börsentransaktionen
an denen die Haushalte maßgeblich beteiligt sind, und steigender Konsum ist
also das Fundament dieses neuen Akkumulationsregimes, wobei Aglietta die empirischen
Evidenzen vermissen lässt, die deutliche Anzeichen für die Stabilität und Dauerhaftigkeit
dieser Entwicklung anzeigen.
Zusammenfassend lässt
sich feststellen: Agliettas Schrift stellt einige Phänomene des Wechsels
zu einem postfordistischen Akkumulationsregime sowie fehlende Kohärenzen einer
entsprechenden Regulationsweise treffend dar. Hierdurch werden einige wesentliche
Zusammenhänge gesellschaftlicher Entwicklungen durch die Beibehaltung des basalen
Regulationsverhältnisses der Ökonomie zu außerökonomischen Institutionen (20ff)
skizzenhaft und allgemein verdeutlicht. Die Kategorien des Akkumulationsregimes,
der Regulationsweise oder der institutionellen Formen sind so m.E. weiterhin
brauchbar, um gesellschaftliche Entwicklungs- und Strukturzusammenhänge herzustellen.
Abgesehen davon steht in dieser Veröffentlichung
Agliettas aber die Regulationstheorie nicht auf dem Prüfstand, da hier
unterschiedlichste Stränge und Potenzen dieses theoretischen Ansatzes ignoriert
werden. Gerade die zur Ursachenanalyse erforderliche werttheoretische Fundierung,
mit der die kausalen Zusammenhänge zwischen der Kontinuität einer homogenen
logischen Struktur und den Umbrüchen einer heterogenen historischen Entwicklung
m.E. stringent hergestellt werden können[15] wird hier vom Autor gänzlich ignoriert.
Die Stärke einer so interpretierten Regulationstheorie kommt hier nicht zur
Geltung und sie wird demzufolge im wesentlichen auf eine Theorie mit deskriptiv-normativen
Inhalten reduziert.
Die Phase des Fordismus
wirkt hierbei als Maßstab und Ausgangspunkt zur Formulierung normativer Positionen,
was zeigt, dass Aglietta mit seiner fordismuszentrierten Argumentation in der
fordistischen Logik des Zusammenwirkens von Akkumulationsregime und Regulationsweise
verharren bleibt. Seine Übertragung des fordistischen Wertesystems auf anschließende
Entwicklungsphasen zeigt zudem, dass er das Prinzip fordistischer Regulation
als Mittel zur Bändigung von „Verwerfungen“ jeglicher Art innerhalb des kapitalistischen
Systems überhaupt ansieht. Aglietta ignoriert so eine systemimmanente Logik
des Kapitalismus, die zwar historisch modifiziert existiert aber innerhalb des
Kapitalismus durchgängig wirkt.
Neben diesen theoretischen
Mängeln folgen inhaltliche. Abschließend werde ich die drei Kritikpunkte zusammenfassen,
die m.E. die fundamentalsten sind und die signifikanten Positionen Agliettas
nochmals herausstellen:
- Agliettas Vorstellung eines
neuen global agierenden Akkumulationsregimes erfordert, insbesondere durch
die von ihm hervorgehobene Zielsetzung steigenden Wachstums, eine kritischen
Berücksichtigung der damit notwendig verbundenen Zusammenhänge. Es sei denn,
ihm geht es ausschließlich um die Verwirklichung von Kapitalinteressen bzw.
um die Regulierung einer Ökonomie um ihrer selbst willen. Diese Zusammenhänge,
zu denen insbesondere das Naturverhältnis des Kapitals sowie das Verhältnis
der Trikontökonomien zu den Kernökonomien gehört, fehlen hier.
- Seine Betonung einer Regulationsproblematik
zwischen Individuum und Gesellschaft ignoriert die zwar modifizierte, jedoch
grundsätzlich vorhandene Klassenstruktur in kapitalistischen Gesellschaften[16]. Auch hierdurch schwindet
m.E. die Möglichkeit der Ursachenanalyse von Problemen des Kapitalismus.
„Ein neues Akkumulationsregime“ stimmt somit in den insbesondere
nach 1990 sich verstärkt entwickelnden Kanon ein, der eine grundsätzliche Kritik
am kapitalistischen System ignoriert. Wesentliche Ursachen gesellschaftlicher
Probleme bleiben so unreflektiert und der Versuch Lösungskonzepte für postfordistische
Probleme anzubieten bzw. der Versuch Perspektiven von Gesellschaftsgestaltung
bzw. –alternativen zu entwickeln, die sich außerhalb einer Verwertungslogik
bewegen, bleiben so unberücksichtigt.
Eine dem neuen Akkumulationsregime angepasste
Regulationsweise, die er sozialen Liberalismus nennt, wird stattdessen als problemlösendes
und auf Kapitalinteressen basierendes Reformprojekt angeboten, dem die komplette
national solidarische ‚Linke’ zuarbeiten soll. D.h. nicht die Frage der Widerstandsform
bzw. –variante gegen Kapitallogiken als solche, sondern die Lösung gesellschaftlicher
Probleme durch den Austausch einer Variante der Regulationsweise gegen eine
andere, die sowohl die Kapitalakkumulation befördern soll, als auch soziale
Probleme lösen soll, ist Agliettas Ziel.
- Die Lösungskonzepte
Agliettas für gesellschaftlicher Probleme liegen demnach zum einen –wie schon
erwähnt- in der zunehmenden Durchkapitalisierung der Gesellschaft, in der die
Kommodifizierung des Dienstleistungssektors eine Schlüsselrolle spielt, und
zum anderen in der Herausbildung eines starken Nationalstaates, der als soziale
Regulationsinstanz von einem moralischen Imperativ getragen die Integration
in das neue Akkumulationsregime befördern soll. Der Kontext, in welchem die
Kategorie Nation von Aglietta verortet wird, offenbart dabei wesentliche Merkmale
eines Standortnationalismus im Butterweggeschen Sinn. Er bezeichnet diesen als
„ eine Ideologie, die das eigene Land ... als einen von außen und innen bedrohten
Wirtschaftsstandort versteht, die Nation zum politischen Kollektivsubjekt erhebt
und sie durch materielle Opferbereitschaft, den Verzicht auf soziale Leistungen
und die Senkung von Lohnkosten zu einer ökonomischen Supermacht aufsteigen lassen
will“. (Butterwegge 1999:98)
Die Wurzeln dieses Agliettaschen Lösungskonzeptes
liegen also darin, Ursachen von gesellschaftlichen Problemen im Kapitalismus
nicht als inhärente zu begreifen, sondern im Gegenteil diese Problemursachen
in einem noch nicht optimierten Kapitalismus zu suchen. Ziel ist also nicht
die Überwindung dieser Verhältnisse -z.B. ermöglicht durch die durch internationale
Vernetzungen getragene solidarische Erarbeitung antikapitalistischer Perspektiven-,
sondern die Ausweitung dieser Verhältnisse, begleitet von einem moralischen
Imperativ der nationalen Solidarität, der wesentlich von einer neuen Sozialdemokratie
getragen werden soll. Dieser moralische Imperativ muss demnach ebenso in einem
sozialen Bewusstsein verinnerlicht werden, wie der ökonomische Imperativ eines
durch globale Sachzwänge bestimmten Primats der Kapitalakkumulation. Hierdurch
erscheint Kapitalismus durchgehend als eine zweite Natur, was einer Aufgabe
von Perspektiven seiner Überwindung gleichkommt und zudem die Auswirkungen des
neuen Akkumulationsregimes weniger angreifbar macht, als wenn es als neue gesellschaftliche
Akkumulationsstrategie des Kapitals verstanden wird. Das hiermit verbundene
Entwicklungsbild, welches den historisch gewachsenen Kapitalismus als alternativlos
erscheinen lässt, tendiert so zu einem Ahistorismus innerhalb eines sich verändernden
kapitalistischen Systems.
Neben dieser Kritik an der theoretischen
Fundierung sowie am Inhalt ist zudem die formale Darstellung der Agliettaschen
Auseinandersetzung -zwei längere Aufsätze, die zu einem Buch zusammengefasst
sind, in der eine Vielzahl von Wiederholungen zum Fordismus expliziert werden-
m.E. unnötig, da die Substanz dieses Buches auch in einem längeren Aufsatz hätte
angemessen dargestellt werden können.
Zusätzlich verwendete Literatur:
Aglietta, M.: A Theory of Capitalist Regulation. The US Experience.London: NLB 1979.
Altvater, E.: Der Preis des Wohlstands oder Umweltplünderung und neue Welt(un)ordnung. 1.
Aufl. Münster: Vlg. Westphälisches Dampfboot 1992b.
Arrighi, G.: World Income Inequalities and the future of socialism. New left review, o.O.,
(1991) No.189.
Butterwegge, Ch.: Wohlfahrtsstaat im Wandel. Probleme
und Perspektiven der Sozialpolitik, Leske & Budrich 1999.
Foster, J.B.: Fordismus als Fetisch. Prokla, Münster, (1989) Nr.76.
Georgescu-Roegen, N.: The entropy law and the economic
process in retrospekt. Berlin: 1987 (Schriftreihe des IÖW. 5/87).
Hirsch, J.: Kapitalismus ohne Alternative? Materialistische Gesellschaftstheorie und
Möglichkeiten einer sozialistischen Politik heute. Hamburg: VSA-Vlg. 1990.
ders.: Internationale Regulation. Bedingungen von Dominanz, Abhängigkeit und Entwicklung
im globalen Kapitalismus. Das Argument, Berlin, 198 (1993), S. 195-222.
ders.: Der nationale Wettbewerbsstaat. Staat, Demokratie und Politik im globalen Kapitalismus.
Berlin: 1996.
Hübner, K.: Theorie der Regulation. Eine kritische Rekonstruktion eines neuen Ansatzes der
Politischen Ökonomie. 2. durchges. und erw. Aufl. Berlin: Edition Sigma Bohn
1990.
Hurtienne, T.: Fordismus, Entwicklungstheorie und Dritte Welt. Peripherie, Berlin, (1986) Nr.
22/23.
ders.: Entwicklungen und Verwicklungen-Methodische und entwicklungstheoretische Probleme
des Regulationsansatzes. In: Der gewendete Kapitalismus. Kritische Beiträge
zu einer Theorie der Regulation. Hrsg.: B. Mahnkopf. Münster: Vlg. Westphälisches
Dampfboot 1988. S.182-224.
Lipietz, A.: Akkumulation, Krisen und Auswege aus der Krise: Einige methodische Überlegungen
zum Begriff >>Regulation<<. Prokla, Berlin, (1985) Heft 58, S. 109-137.
Meadows, D.; Meadows, D.; Randers, J.: Die neuen Grenzen des Wachstums. 5. Aufl. Stuttgart: Deutsche Verlags Anstalt
1992.
Menzel, U.: Das Ende der "Dritten Welt" und das Scheitern der großen Theorie.
Zur Soziologie einer Disziplin in auch selbstkritischer Absicht, in: PVS, Nr.1,
S.4-33, 1991.
MEW: Band 23. Berlin: Dietz Vlg. 1985.
dies.: Band 25. Berlin: Dietz Vlg. 1986.
© Athanasios Karathanassis, Berlin 2001
*) Hamburg, VSA-Verlag 2000, 143 Seiten


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